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JEDER KENNT SEIN GESICHT, JEDER KENNT SEINEN NAMEN UND TROTZDEM WEIß NIEMAND WER ER WIRKLICH IST. Nur ich weiß, wer er wirklich ist. Und nur er weiß, wer ich wirklich bin. Er kennt alle meine Geheimnisse. Und er ist der Einzige, der diese besondere Wirkung auf mich hat. Massimo Santoro ist mein bester Freund und ich bin mit ihm aufgewachsen. Er ist der zukünftige Capo di Capi der italienischen Mafia und ich möchte für immer an seiner Seite bleiben. Aber dieser Wunsch scheint bald ein Ende zu haben. Alle sagen mir, dass er tot ist, nur mein Herz behauptet das Gegenteil. Denn solange es keine Leiche gibt, ist er für mich nicht tot!
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Seitenzahl: 475
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Massimo Santoro
Oh, meine Kleine. Du weißt, dass du schon immer mir gehört hast. Sei mia! Daran wird sich niemals was ändern.
Du bringst mich irgendwann noch um.
Bei jeden Gedanken an dich schmerzt diese Narbe auf meiner Brust.
Mio Angioletto
Lilith Heukamp
Wenn du echt denkst, dass du vor mir Flüchten kannst. Dann mein Schatz liegst du falsch.
Ich finde dich überall! Mio Tesoro
Für alle die, die sich wünschen, dass die erste Liebe für immer ist.
Für alle die, die sich wünschen, ab und zu ein böses Mädchen zu sein.
Vorwort
Trigger Warnung
Prolog
1 Lilith
2 Lilith
Massimo
Lilith
3 Massimo
4 Lilith
5 Massimo
6 Lilith
7 Lilith
Massimo
8 Lilith
9 Lilith
10 Lilith
11 Massimo
12 Lilith
13 Lilith
14 Lilith
15 Massimo
16 Lilith
17 Massimo
18 Lilith
19 Massimo
20 Lilith
21 Massimo
22 Lilith
23 Massimo
24 Lilith
25 Massimo
26 Lilith
27 Massimo
28 Lilith Vergangenheit
29 Lilith
Danksagung
An alle Leser. Danke , dass du mein erstes Buch gekauft hast. Ich kann selbst noch gar nicht glauben, dass ich es so weit geschafft habe. Ich hoffe du wirst genauso viel Spaß beim Lesen haben, wie ich beim Schreiben hatte.
Aber beachte eins: nur weil wir hier von Friends to Lovers und einem Liebesroman sprechen, heißt das nicht, dass es dir nicht das Herz brechen kann. Auch deine wahre Liebe kann schlechte Seiten haben. Oder vielleicht entdeckst du ja selbst dunkle Seiten an dir, von denen du nicht gedacht hättest, dass sie existieren.
Im Folgenden wird davor gewarnt diese Geschichte zu unterschätzen. Waffen, Mord, Gewalt, Folter, Missbrauch, Vergewaltigung und einiges mehr kann dich als Leser Triggern. Wenn das der Fall ist, klappe hier das Buch wieder zu. Zu deinem eigenen Schutz.
Außerdem ist dieses Buch NICHT für Kinder oder Jugendliche geeignet. Auch ihr dürft ab hier das Buch beenden.
Wir sitzen gemeinsam am Esstisch, es gibt Raclette. Das macht Mama immer, wenn es etwas Schnelles zu essen gibt. Sie meint, es ginge schnell zum Vorbereiten aber auf mich wirkt es, als würde es eine halbe Ewigkeit dauern, bis man dann endlich mal essen kann. Für mich zieht sich das Essen wie Kaugummi. Wahrscheinlich, weil meine Brüder erst aufhören, wenn selbst der letzte Käserest verschwunden ist.
Ich sitze eingezwängt zwischen meinem jüngsten und ältesten Bruder, während mein Vater mir gegenüber und meine Mutter, sowie meine Schwester neben ihm sitzen. Nur ein Platz ist leer, der meines mittleren Bruders. Er würde eigentlich am Kopfende des Tisches sitzen. Doch Benni wohnt hauptsächlich bei seiner Mutter und kommt nur alle zwei Wochen zu uns, da er aus der ersten Ehe meines Vaters stammt. Wenn er nicht da ist, fühlt es sich an, als würde etwas fehlen. Er ist wohl mein Lieblingsbruder, wenn es so etwas gibt.
Jedes Mal, wenn er zu uns kommt, bin ich die erste die er begrüßt, ich bin seine kleine Prinzessin. Von Benni fühle ich mich wirklich geliebt. Er schenkt mir seine ganze Aufmerksamkeit und egal wie viel andere Dinge er lieber machen würde, er nimmt sich die Zeit, um mit mir Blödsinn zu bauen. Er ist acht Jahre älter als ich und ist jetzt schon siebzehn. Seine Freizeit verbringt er in der Regel im Fitnessstudio, was man gut erkennt, da er sehr gut trainiert ist.
Es gibt ein Bild von uns, wo er sich hinter mir versteckt und so tut, als wären seine Arme meine. Es sieht echt cool aus, aber niemand würde denken, dass das meine Arme sind. Seine Oberarme sind breiter als meine Taille, aber ich kann mich an das Bild erinnern, als wäre es gestern. Victoria hatte eine neue Kamera bekommen und wollte uns unbedingt fotografieren, Benni kam auf diese Idee. Es machte viel Spaß und auch mein Vater war begeistert darüber, wie gut wir uns verstehen. Vor allem, da wir ja eigentlich kaum Kontakt haben, was ich besonders traurig finde. Und jedes Mal darf ich an seinem Arm Klimmzüge machen, als wäre sein Arm eine dafür gemachte Stange.
»Kommt Benni morgen?« Frage ich meinen Vater ungeduldig und voller Hoffnung. Ich wünsche es mir sehr es wäre das einzige Geschenk, dass ich mir wünsche. Wir sehen uns selten, dass ich mich auf jedes Treffen immer noch mehr freue.
»Warum sollte er? Er hat eine bessere Familie.« Trauer durchfährt mich als mein Vater unsere Familie wieder als schlecht bezeichnet und behauptet sie sei nicht gut genug für Benni. Er ist sein Lieblingssohn. Vielleicht ist das auch der Grund, weshalb ich ihn so gernhabe. Ich wäre gerne so, wie er. Vielleicht würde mein Vater mich dann nicht als Versagerin sehen.
Noch mehr Trauer durchfährt mich, als mir bewusstwird, dass mein Vater weder weiß, dass ich morgen Geburtstag habe, noch wie wichtig es mir gewesen wäre, wenn er kommt. Mein Blick sinkt auf mein Essen, in dem ich nur noch herumstochre und versuche, meine Tränen weg zublinzeln. Mein Hunger ist sofort vergessen, als er wieder sauer wird.
»Deine Tochter hat morgen Geburtstag!« Schreit meine Mama ihn an. Sie haben beide schon wieder schrecklich schlechte Laune und plötzlich habe ich das Gefühl ich sitze in einem viel zu kleinen, leeren Raum. Ich fühle mich beengt, mein Herz schmerzt bei jedem Schlag. Ich möchte nicht, dass sie sich wieder streiten. Vor allem, da ich der Auslöser war.
»Ach schon wieder? Der war doch erst!«
»Den hab ich jedes Jahr«, flüstere ich in mich hinein. So leise, dass es nur meine beiden Brüder hören können. Ich weiß, dass er meinen Geburtstag jedes Jahr vergisst, weshalb ich mir angewöhnt habe es schon Monate im Voraus anzukündigen in der Hoffnung, er vergisst es nicht wieder.
»Ja, jedes Jahr. Am selben Tag. Du solltest es wissen. Du warst bei ihrer Geburt dabei!« Wieder schreit meine Mama ihn an. Und jetzt brüllt er zurück. Ich versuche nicht mehr zuzuhören, das Einzige, was ich gerade richtig wahrnehme, ist das Zittern meines Kiefers. Ich spüre, wie Max, mein kleinster Bruder der drei Jahre älter ist meine Hand nimmt und sie fest drückt.
Dankbarkeit macht sich in mir breit, er scheint wenigstens zu merken wie nah mir der Streit unserer Eltern wieder geht. Aber ich schaffe es nicht meine Tränen zurückzuhalten, langsam kullert mir eine nach der anderen über die Wange.
Andreas steht wütend auf und knallt die Tür zum Esszimmer zu, was meinen Vater nur noch wütender macht.
»Was hat diese Missgeburt wieder für ein Problem! Der hat kein Recht sich so unter meinem Dach aufzuführen!« Ein weiteres Geräusch einer knallenden Tür ertönt. Jetzt geht der Streit erst richtig los. Victoria beginnt den Tisch abzuräumen, sie wirkt so, als würde es Ihr nichts ausmachen.
Nur Max und ich sind wieder am Weinen. Langsam stehen auch wir auf und räumen unsere Teller in die Spülmaschine und helfen Vici ein wenig, bis sie mit uns gemeinsam das Esszimmer verlässt.
Wir hocken uns zu dritt auf die Treppe im Eingangsbereich, man kann von hier jedes Wort hören. Sie hält uns in Ihren Armen und beteuert »Alles wird gut!«. Plötzlich ertönt ein klirrendes Geräusch. Es klingt nach einem Teller, der zerbrochen ist. Ich bekomme Panik, was nicht besser durch die Schreie meiner Mutter wird.
»Hast Du noch alle Tassen im Schrank?« Ertönt ihre Stimme. Man kann fast spüren, wie ihre Seele bei jedem Wort zerbricht. Genauso, wie ein Teil von meinem Herzen in diesem Moment abbricht und mir einen stechenden Schmerz durch den Körper jagt, der sich wie tausend Nadeln anfühlt. Ich habe Angst um meine Mama.
Die Vorstellung, dass mein Vater ihr wirklich weh tun könnte, schnürt mir die Luft ab. Der Gedanke, ihm ein Messer in den Bauch zu rammen, schießt mir durch den Kopf, als wäre es die Lösung für alle Probleme. Er hat kein Recht, meine Mutter zu verletzen, kein Recht, ihr ohne Grund das Leben zur Hölle zu machen.
Jede Sekunde dieser Spannung zieht sich wie Kaugummi, während mich Schuldgefühle einnehmen. Hätte ich meine Klappe gehalten, hätte ich nichts gesagt, dann wäre das alles nicht passiert. Langsam steigen mir die Tränen in die Augen, verschwimmen meinen Blick. Wenn er ihr wehtut, dann bin ich schuld. Das Schreien meiner Mutter verwischt im Hintergrund wie ein verstörender Song, während mein Herz weiter in Stücke zerbricht.
Meine Familie liegt irgendwo im Mittelfeld der Gesellschaft. Wir sind weder von Armut geplagt, noch zählen wir uns zur Oberschicht. Unser Leben ist gemütlich und bescheiden, wir leben in einem wunderschönen Einfamilienhaus, umgeben von einem großen, prächtig blühenden Garten. Das Haus meiner Eltern befindet sich in einem kleinen Dorf und erstreckt sich über drei Stockwerke.
Wenn man durch die Haustür tritt, wird man von einer hohen, sterilen Diele empfangen. Eine Holztreppe führt in den ersten Stock, wo sich auf der linken Seite zwei große Zimmer befinden. Das vordere Zimmer gehörte meiner Schwester, bevor sie auszog, und das hintere ist mein Zimmer.
Geht man den Flur im ersten Stock entlang, gelangt man durch eine Tür zum Badezimmer. Auf der rechten Seite befinden sich eine ebenerdige Dusche, ein Waschbecken und eine Toilette. Links steht eine hohe Kommode, in der wir Handtücher und Badeutensilien aufbewahren. Gegenüber dem Kinderzimmer liegt das Schlafzimmer meiner Eltern, das so groß ist wie eine Einzimmerwohnung.
Die Treppe, die in den ersten Stock führt, geht auch in den Keller hinunter. Dort gibt es einen Hauswirtschaftsraum, das Büro meines Vaters, eine Waschküche und zwei unterschiedlich große Abstellräume. Im Erdgeschoss befinden sich die Zimmer meiner drei Brüder. Mein jüngster und mein ältester Bruder teilen sich ein großes Zimmer, weshalb es dort nur zwei Zimmer gibt.
Das kleinere gehört meinem Halbbruder väterlicherseits. Ein großes Ess- und Wohnzimmer mit offener Küche rundet das Haus ab. Die Einrichtung ist sehr steril. Überall im Haus sind weiße Fliesen verlegt und die Wände sind weiß gestrichen. Die einzigen Gegenstände, die nicht weiß sind, sind die Tische aus Eichenholz und das Klavier im Wohnzimmer. Ich bin meinem Vater unendlich dankbar, dass ich in einem so schönen und großen Haus aufwachsen durfte, da so etwas nicht selbstverständlich ist.
Mich hat die komplett weiße Einrichtung nie wirklich gestört, aber mittlerweile finde ich, dass sie einfach nicht zu uns passt. Unsere Familie ist alles andere als perfekt. Bei uns ist alles chaotisch und unordentlich und die sterile Atmosphäre der weißen Wände und Fliesen wirkt wie ein verzweifelter Versuch, eine Fassade der Ordnung aufrechtzuerhalten.
Es gibt keinen einzigen Makel an den Möbeln, doch wenn man genau hinsieht, kann man die Risse sehen – nicht in der Einrichtung, sondern in unserem Leben. Weiß ist eine Farbe der Reinheit und Perfektion, doch in diesem Haus erzählt sie eine Lüge. Sie verschweigt das tägliche Durcheinander, das uns umgibt, das Chaos, das uns fest in seinem Griff hat.
Ja, diese weiße Einrichtung passt einfach nicht zu uns. Sie passt nicht zu dem Chaos, das hinter jeder Tür und in jedem Raum auf uns wartet.
Seit mein Vater jedoch dem Alkohol verfallen ist, muss sich meine Mutter um die Nebenkosten und die sonstigen Ausgaben kümmern. Was wahrscheinlich der Grund ist, weshalb meine Mutter mir früh klargemacht hat, dass das Leben einem nichts schenkt und erst recht kein Geld. Deshalb arbeite ich während der Schulzeit, um meine Mama finanziell so wenig wie möglich zur Last zu fallen und mir vieles selbst leisten zu können.
Obwohl genug Geld vorhanden ist, um meinen Unterhalt zu bestreiten, dass will ich mit keinem Wort behaupten, versäuft mein Vater das Geld, welches er verdient lieber und gibt es nur für seine Bedürfnisse aus.
Meine Mutter hingegen bringt uns mit ihrem Vollzeitjob und fünf Kindern über die Runden. Und wenn ich gerade schon von meinem Vater spreche, muss ich leider sagen, dass er ein psychotisches und toxisches Verhalten an den Tag legt und zudem ein Narzisst ist. Während mein Vater immer tiefer im Alkohol versinkt, versucht meine Mutter meine Welt in Stücken zu halten, obwohl sie viel mehr ertragen muss als wir Kinder.
Denn wie wir wahrscheinlich alle wissen und wer es noch nicht wusste, weiß es spätestens jetzt, denn jemand der mit dem Alkohol befreundet ist, ist gewalttätigen Handlungen nicht abgeneigt. Diese müssen nicht unbedingt körperlicher Natur sein, sondern können sich auch in psychischer Form äußern. Somit werden wir alle Opfer von psychischer Misshandlung. Es gibt nichts Schlimmeres als miterleben zu müssen, wie der eigene Vater die Mutter mit einem Messer bedroht, um ihr klarzumachen, was sie alles falsch macht.
Das mögen harte Worte sein, aber so lässt sich am besten zusammenfassen, was während meiner Erziehung passiert ist. Auch uns Kindern droht er regelmäßig mit unserem Leben, denn wir wären ja alle nichts ohne ihn, behauptet er zumindest. An dieser Aussage mag etwas dran sein, da es mich und meinen jüngsten Bruder sonst wohl nicht gäbe. Aber ist das, was wir durchmachen müssen, so ein lebenswertes Leben?
Ich möchte mit keinem dieser Worte behaupten, dass mein Vater mich nicht auf seine ganz eigene Art und Weise liebt. Aber für mich fühlt es sich nicht so an, als wäre es die Liebe, die sich ein Kind von seinem Vater wünscht oder braucht. Da ich diese nötige ‚Liebe‘ nicht bekomme und meine Mutter sie mit ihrer leider nicht ausgleichen kann, halte ich mich immer an Jungs oder Männer, die um einiges älter sind, um diese fehlende Zuneigung von meinem Vater auszugleichen. Die vermitteln mir zumindest das Gefühl, sie könnten mir die Welt zu Füßen legen …
Oder so etwas in der Art …
Aber in Wahrheit kann das niemand. Dieses Loch in meinem Herzen, das mein Vater hinterlassen hat, wird jeden Tag größer, indem er mir zeigt, dass er mich nicht liebt. Und hinterlässt eine riesige Kluft. Ich fühle mich nie vollkommen. Der Fakt, dass all meine Freunde erzählen, wie großartig ihre Familien sind und was sie alles unternehmen, macht die Situation leider nicht besser.
Es gibt natürlich auch die, die meinen ihre Familie sei soo schlimm, weil ihre Eltern sich teilweise gemeinsam nach der Schule mit ihnen hingesetzten um den Schulstoff zu lernen. Für mich war das ein Traum, der niemals in Erfüllung gehen konnte. Meine Mutter hatte alles andere als Zeit dafür und mein Vater hat mir nicht geholfen, sondern mir immer nur klargemacht, wie inkompetent und nutzlos ich sei, was mit jeder schlechten Note, die ich heimbringe, nicht besser wird. Und wenn er mal eine gute Phase hat, dann versucht er mit mir Mathe zu lernen und ich glaube, das läuft so, wie bei jeder anderen Familie wahrscheinlich auch.
Ich sitze heulend am Esstisch, während mein Vater meint, dass das alles doch total einfach sei. Für ihn war es das auch, aber ich habe kein Mathe studiert. Diese Zeiten gelten für mich als eine schöne Erinnerung an meinen Erzeuger. Dass er versucht, mir irgendwie beim Lernen zu helfen passiert schon lange nicht mehr.
Ein Erzeuger, mehr als das ist er heute nicht mehr für mich. Ich mag zwar sein Fleisch und Blut sein, aber das sind nur Gene, die mir jeder hätte mitgeben können und jetzt muss ich daran arbeiten nicht so zu werden wie er. Denn all diese Aggression, die sich in mir aufstauen, in denen ich meinem Vater nicht die Meinung sagen oder ihm das Messer, das er auf meine Mutter richtet, in seinen Hals rammen kann, macht mich zu genauso einem schlechten Menschen wie er einer ist. Es kostet mich unheimlich viel Kraft, diese Wut zu kontrollieren. Zählt das schon als Strafe Gottes? Wenn, ja versuche ich sie zu umgehen... oder auf bestem Wege zu meistern.
Irgendwann habe ich gemerkt, dass mir das Leben umso leichter fällt, wenn ich nicht mitbekomme, wie er meine Mutter den ganzen Tag als Hure bezeichnet. Deshalb habe ich beschlossen so wenig Zeit wie möglich zu »Hause« zu sein, denn ein richtiges Zuhause ist das nicht. Deshalb habe ich ganz brav meine Firmung gemacht, wo zweimal die Woche ein Treffen war, das bis spät abends ging. Danach habe ich mich dazu entschlossen dem Team der Betreuer beizutreten. Für mich war das die beste Entscheidung. So kam ich daheim regelmäßig raus, konnte meinen Glauben auf eine Art ausleben die nicht beinhaltet, jeden Sonntag in die Kirche zu gehen und gleichzeitig macht es sich später gut in meinem Lebenslauf.
War ich der Meinung, dass das eine gute Entscheidung war? Heute würde ich das vielleicht überdenken. Denn wie klug ist es, als 14-jähriges Mädchen in eine Gruppe von Männern zu gehen, die 21 Jahre alt sind? Ich erzähle dir jetzt, wie sich mein Leben in den letzten fünf Stunden angefühlt hat und was alles passiert ist. Es kann dir das Herz brechen. So wie mein Herz zerbrochen ist. Mir wurde jede Chance genommen, ein normales Leben führen zu können. Und das wegen einer dummen Sache. Weil ich es nicht geschafft habe, meinen Mund aufzumachen.
Und ja, ich hasse mich dafür. Wie dem auch sei, ich bin regelmäßig zu diesen Treffen in den sogenannten Jugendkeller gegangen. Irgendwann, als es zu Hause wieder besonders unangenehm wurde, wollte ich nicht mehr nach Hause gehen und da ist mein Retter in der Not ins Spiel gekommen. Er hat mir vorgeschlagen, noch einige Zeit bei ihm im Keller zu bleiben und mich danach nach Hause zu bringen, sobald ich bereit wäre. Das hat er dann auch, aber was geschehen ist, war der Beginn eines Lebens, das ich mir nie gewünscht hatte, ...
Wir unterhalten uns lange und verstehen uns gut, aber dann wirft er mir ein Kissen ins Gesicht ... Und das ist der Beginn des schlimmsten Momentes in meinem Leben. Natürlich mache ich mit und es ist eine suuuper süße Kissenschlacht bis zu dem Punkt, an dem er mich unter sich drängt und mich festhält ... dann fängt er an mich zu küssen und ab da an, kann ich gar nichts mehr.
Ich liege da … Nur da … Ich kann mich nicht bewegen, geschweige denn nein sagen. Und auf einmal steht er auf, sagt irgendetwas zu mir und geht. Ich verstehe allerdings nichts, ich kann nur noch das Blut in meinen Ohren rauschen hören, das ist alles.
Ich realisiere erst was abgeht als er wieder kommt und mich hinstellte. Er zieht mich vollständig aus.
Erst die Schuhe, dann die Hose, das T-Shirt und meine Unterwäsche. Ich kann mich nicht bewegen. Mein Gehirn ist wach, das weiß ich aber mein Körper lässt sich nicht steuern. Ich sollte einfach wegrennen, aber es geht nicht, egal wie sehr ich es will. Das ist das Schlimmste.
Ich muss es über mich ergehen lassen. Mir ist klar, wie ich reagieren sollte, aber es geht einfach nicht. Umso mehr ich meinen Körper dazu zwinge, desto mehr versteift er sich. Er drückt mich mit dem Rücken auf dieses alte Sofa. Ich merke, wie er sich in mich schiebt, immer und immer wieder.
Ich kann weder heulen noch sonst etwas, ich liege einfach nur da. Mein Hirn schreit dauernd
LAUF! LAAAUUUUFFF!
Aber es geht nicht, wirklich ich habe es versucht. Nicht mal meine Arme funktionieren, um ihn wegzuschieben.
Er rammt sich immer stärker rein. Langsam glitzern Tränen in meinen Augen und doch brechen sie nicht aus. Merkt er es nicht? Oder will er es nicht merken? Mir schwirren alle möglichen Fragen durch den Kopf und hoffe, dass es bald vorbei sei.
Weitere Stöße … Immer mehr … immer schneller ... ich höre, wie er stöhnt, … Dieses verdammte Stöhnen… er wird langsamer und die Stöße stärker. Bis er endlich auf mir zusammen sinkt.
Endlich … Endlich ist es vorbei. Endlich.
»Du warst so unglaublich«, sagt er.
»Ich kann nicht genug von dir bekommen.«
Sei still bitte sei still
»Du warst so eng, Gott ich hatte noch nie eine die so eng war.«
Bitte bitte sei endlich still
Wieder spüre ich wie mir die Tränen in die Augen steigen und wie mir etwas die Kehle zu schnürt. Das Atmen fällt mir immer schwerer. Es ist vorbei. An dem Gedanken halte ich fest. Es ist das Einzige, was mich noch funktionieren lässt. Er zieht sich aus mir zurück und entfernt das Kondom. Gott zum Glück hat er an ein Kondom gedacht. Mein Hirn zermartert jede Sekunde dieses Geschehens.
»Möchtest du nachhause?« Ich nehme nur schwach seine Stimme wahr.
»Ja« kommt es ohne zu zögern über meine Lippen, plötzlich ist die Vorstellung nach Hause zu kommen, die beste die es je gab, auch wenn ich weiß, was mich daheim erwarten wird. »Gut mache dich fertig« sagt er schroff, hat er doch gemerkt das es für mich nicht schön war, geschweige denn, dass ich es wollte? So viele Fragen in meinem Kopf und für keine habe ich eine Antwort.
Die Fahrt nachhause ist ruhig, er fühlt die Musik, die er eingeschaltet hat und trommelt auf das Lenkrad. Jeder Ton klingt dumpf in meinen Ohren, es fühlt sich an, als ob mein Kopf Unterwasser wäre. Er wirkt wieder vollkommen unbelastet als sei das, was passiert war völlig normal. Mich lässt es nicht in Ruhe, jeder Atemzug brennt.
»Du bist selbst schuld« höre ich die Stimme meines Vaters in meinem Kopf. Ich weiß nicht, woher sie kommt, aber sie hat recht. Zumindest denke ich das. Ich hätte nein sagen können, nein sagen müssen. Er kann nichts dafür, dass ich mein Maul nicht aufgemacht habe.
Und wieder erklingt die Stimme meines Vaters: »Jetzt bist du nichts mehr wert!«
»Du hättest dich aufheben müssen, jetzt will dich eh keiner mehr« die Stimme in meinem Kopf wird immer lauter, sie wiederholt sich immer und immer wieder. Aber die Stimme hat recht. Ich bin jetzt keine Jungfrau mehr. Zum Glück weiß der Typ das nicht. Geheiligt sei der Sport, der mein Jungfernbändchen hat reisen lassen. Ich muss schmunzeln, dass ich mich darüber freue. Wieder etwas an dem ich versuche mich festzuhalten.
»Das war aber nicht dein erstes Mal, oder?« Kommt es plötzlich aus seinem Mund.
»Nein, natürlich nicht.« Schießt es aus mir heraus.
Keine Schwäche zeigen!
»Oh Okay.« Er klingt enttäuscht. Immerhin denkt er jetzt, ich wäre einfach nur absolut schlecht im Bett. Zum Glück weiß er nicht, was er mir gerade genommen hat.
Er hält vor meiner Haustür und als ich die Tür öffne, sagt er: »Wenn irgendwas ist, dann rufe mich an.« Es ist ja nett, dass er mir das anbietet, aber diese falsche Höflichkeit lässt meinen Körper eiskalt werden.
»Danke.« Aber nein danke, das werde ich sicher nicht. Ich schließe die Autotür und gehe zum Haus, wo mein Vater wutentbrannt die Haustür aufreißt und mich anschnauzt: »Bist du jetzt die gleiche Hure wie deine Mutter, lässt dich von jedem Ficken!« Es ist keine Frage, die er an mich richtet, weshalb ich mit den Worten »Hallo, Papa« direkt in mein Zimmer gehe.
Ich kann seine übliche Fahne vom Gin auf zwei Metern Abstand wahrnehmen. Ich schließe die Tür hinter mir, als ich in meinem Zimmer angekommen bin. Jetzt ist es so weit.
Alle Tränen, die sich bisher versteckt haben, laufen über mein Gesicht. Es entweicht mir ein leises Schluchzen und ich drücke mir die Hand auf den Mund. Niemand soll wissen, wie es mir geht. Nicht meine Geschwister, nicht meine Mutter, und erst recht nicht mein betrunkener Vater.
»Ich bin selbst schuld!« Hör ich eine Stimme in meinem Kopf sagen: »Du hättest nein sagen können!« Das Schlimmste an den Vorwürfen die ich mir selbst mache? Ich glaube sie, und zwar alle. Ja ich bin schuld daran was gerade geschehen ist.
»Aber es war nichts.« Rede ich mir ein. Was ich so gehört habe kann das erste Mal nur schlecht laufen. Vielleicht war es ja auch nur das, einfach ein sehr schlechtes erstes Mal. Ich versuche mich an dem Gedanken festzuhalten. Ich beruhige mich sehr schnell, mache mich bettfertig. Morgen werde ich mich besser fühlen. Spätestens, wenn ich es Massimo erzählen kann. Ich will zu ihm. Ihm alles erzählen.
Meine Gedanken wechseln zu ihm, weshalb ich mein Handy raushole, ich möchte ihn sprechen. Jetzt. Aber ich wähle nicht seine Nummer, da Nachrichten von einer Unbekannten Nummer aufpoppen.
Unbekannt: Bin daheim angekommen.
Unbekannt: Bekomme dich nicht aus meinem Kopf.
Unbekannt: Soll ich dich morgen von der Schule abholen? Dann können wir den Rest des Tages zusammen verbringen.
Schnell schalte ich mein Handy aus, lege es weg und versuche noch etwas zu lesen, um meinen Kopf freizubekommen. Erst hole ich einen Liebesroman aus dem Regal, aber ich merke, dass das, das letzte ist, woran ich jetzt denken möchte. Ich brauche etwas Brutales, etwas, was mir beweist, dass das gerade nur schlecht war. Irgendwann wird es jemand geben der mir zeigt, wie viel Spaß Sex machen kann. Ich tausche den Roman gegen eine Dark-Romance Geschichte. Beim Lesen laufen mir dennoch die Tränen über mein Gesicht, es hilft nur wenig, um mich davon abzulenken. Ich fühle mich ekelig, schmutzig und missbraucht.
Dieser verfluchte Wecker. Er klingelt schon zum vierten Mal und endlich schaffe ich es, auf die Uhr zu schauen: 06:50 Uhr. Ich habe noch eine halbe Stunde, um zur Schule zu kommen. Wenn ich den Bus verpasse, der nur einmal am Morgen fährt, habe ich ein echtes Problem. Der Gedanke, heute einfach krank zu sein und im Bett zu bleiben, ist überaus verlockend. Doch das kann ich mir nicht leisten ... nicht heute.
Ich habe so schlecht geschlafen wie noch nie. Jedes Mal, wenn ich versucht habe die Augen zu schließen, taucht dieser Mann vor meinen Augen auf, der nur stöhnt und mir sagt, wie perfekt ich doch für ihn sei. Das Buch hat es leider nicht wie erhofft verbessert, zwar bin ich müde geworden aber leider nicht müde genug, damit sich mein Gehirn vollständig abschaltet. Sein Gesicht verfolgt mich, sogar im wachen Zustand. Ich will ihn nicht sehen müssen, diese Stimme soll endlich aus meinem Kopf verschwinden, sie ist wie ein nerviger Tinnitus, der einfach nicht weggeht. Eine Dauerschleife eines Horrorfilms, der zur Realität geworden ist. Mein Körper sehnt sich nach etwas, das mich etwas Positives fühlen lässt, denn aktuell ist da nichts außer Leere in mir. Gegen halb fünf bin ich vor Erschöpfung eingeschlafen. Fast zwei Stunden konnte ich, ohne verfolgt zu werden schlafen. Normalerweise sind meine Albträume nicht so schlimm, dass ich überhaupt keinen Weg weiß, damit klarzukommen. Ich hatte schon immer viele und schwere Albträume und ich habe es immer geschafft, meine Gedanken auszutricksen, um ein paar Stunden friedlich schlafen zu können aber heute Nacht hat das nicht funktioniert. Meine Träume haben sich auch nicht auf einen anderen Albtraum umprogrammieren lassen. Diese Nacht war so schlimm, dass ich mir gerade nichts sehnlicher wünsche, als mich in die Arme meines besten Freundes zu legen. Er hat eine beruhigende Wirkung auf mich. Jedes Mal, wenn ich bei ihm übernachte, kann ich ohne einen Albtraum schlafen, weil ich weiß, er ist bei mir. Ich öffne mein Handy und schaue auf die Nachricht, die er mir gestern geschrieben hat.
Massimo: Ich komme morgen in die Schule. Ich tu das nur für dich meine Kleine.
Seine Nachricht gibt mir neuen Elan für den Tag, weshalb ich schnell aufstehe und ins Bad gehe. Die anderen Nachrichten ignoriere ich und überspiele sie mit Gedanken an Massimo. Im Bad schaue ich in den Spiegel, meine Augen sind vom ganzen Weinen dick angeschwollen. Ich sehe alles etwas verschwommen und kann die Augen nicht ganz öffnen. Es reicht allerdings um die Zahnpasta und Zahnbürste zu finden, um mir die Zähne zu putzen. Währenddessen springe ich schnell unter die Dusche, um die Schande von gestern Abend abzuwaschen. Ich schrubbe meinen Körper bis ich fast blute aber es hilft ein wenig gegen das Gefühl der Leere in mir.
Ich trockne mich schnell ab und ziehe mich an, dabei binde ich meine Nassen haare, in einen unordentlichen Dutt. Heute reicht es nur für Jogginghose und für einen übergroßen Pulli. Ich will keine enge Jeans anziehen. Nicht heute. Ich fühle mich ekelhaft. Ich weiß, dass mir die Jogginghose eine große Diskussion mit meiner Mutter bescheren wird, aber das ist es mir wert. Meine Mama sagt immer:
»In die Schule zieht man sich nicht an wie ein Gammler!« Sie hat ja recht, doch heute fühle ich mich so schlecht und das darf gerne die ganze Welt erfahren. Schnell nehme ich meine Schultasche und springe nach unten, ziehe mir gleich die Jacke und Schuhe an, um so gut wie keine Diskussionszeit zu erübrigen. Rasch gebe ich meiner Mama, die abwertend schaut, einen Kuss auf die Wange wünsche ihr einen schönen Tag. Wie jeden Morgen sage, ich ihr wie lieb ich sie habe und verschwinde durch die Tür, bevor sie etwas sagen kann und laufe zu der Bushaltestelle.
Jeder Schritt fühlt sich schwer an, meine Augen sind vom Weinen geschwollen und meine Sicht ist immer noch verschwommen. Ich muss zehn Minuten dort hinlaufen, weshalb ich mich dazu entscheide auf dem Weg eine zu rauchen in der Hoffnung, etwas von der Anspannung in mir loszuwerden. Nach den ersten Zügen wird mir klar, dass es nicht wirkt, deshalb zünde ich mir direkt die nächste Kippe an.
»Mehr hilft bekanntlich mehr.« Das bilde ich mir zumindest ein. Ich ziehe in einem Tempo an der Zigarette, das man meinen könnte, ich wäre ein Kettenraucher, dabei suche ich nur etwas, dass dieses Fiepsen in mir beendet, mir irgendein Gefühl beschert, das was anderes beinhaltet als Leere und Ekel. Jeder Schritt zur Haltestelle tut weh, und die Erinnerungen von gestern Abend schieben sich unerbittlich in den Vordergrund.
Meine Vulva ist gereizt und geschwollen, eine Erinnerung an das, was war. Bilder von diesem Typen blitzen in meinem Kopf auf und ich frage mich ernsthaft, ob ich den Verstand verliere. Ein Therapeut wäre wohl nicht das Schlechteste, um mein Gehirn wieder auf die richtige Spur zu bringen, doch dieser Gedanke verschlimmert meine Angst nur noch mehr. Jetzt denk ich nur noch zusätzlich, dass ich verrückt bin und dass mein Vater recht hat, obwohl ich weiß, dass das nicht stimmt. Ich führe einen Kampf mit mir selbst, bin in einem Zwiespalt gefangen.
Musik ist auch eine Art Therapie, weshalb ich meine Kopfhörer in meine Ohren stecke und die Musik voll aufdrehe. Im Bus kann ich etwas abschalten und horche nur auf den Klang der Melodie, während ich aus dem Fenster schaue. Bäume und andere Autos fahren an mir vorbei. Ich liebe das Leben auf dem Land. Die Natur sieht so unberührt aus und wirkt beruhigend auf mich. Schon als kleines Mädchen bin ich gerne draußen gewesen, mein Kumpel und ich haben sogar einen wunderschönen Platz gefunden, eine Wiese, auf der nur ein einziger Baum steht. Das ist unser Wohlfühlort, an diesem Platz existieren nur wir. Keine guten, keine schlechten Dinge.
Ich werde aus meinen Gedanken gerissen als die Schule in mein Blickfeld trifft. Aus dem Bus ausgestiegen laufe ich, wie jeden Morgen, nachdem der Bus angekommen ist, an die Raucherecke. Sie befindet sich hinter dem Lehrerparkplatz bei einem Container, in dem für Festivitäten der Schule Biergarnituren gelagert werden. Der Platz wird von hohen Bäumen etwas versteckt, was den Lehrern nicht die Chance gibt uns unerwartet zu überraschen.
In dem ‚Versteck’ angekommen, wie ich es gerne nenne da wir Schüler offiziell natürlich nicht rauchen, sehe ich leider nicht die Person, die ich gewünscht hätte zu sehen. Heute brauche ich meinen besten Freund. Die Hoffnung, dass er heute sein Versprechen hält und mal wieder zur Schule kommt, schwindet dennoch nicht.
Er hat mir gestern noch geschrieben, dass er sehr wahrscheinlich kommt. Das kann sich bei ihm aber minütlich ändern, da er für das Familienunternehmen zuständig ist. Seiner Familie gehören einige italienische Restaurants, sowohl in Deutschland als auch Italien. Sowie auch eine Menge Autohäuser und Tabacchi Läden, davon gibt es in Deutschland allerdings nicht mehr so viele, da man mittlerweile seine Zigaretten in allen Supermärkten kaufen kann.
Ich zünde mir eine Zigarette an so wie jeden Morgen und geselle mich zu den Leuten, die ein bis zwei Klassen über mir sind, da von meiner Klassenstufe keiner raucht. Wir halten alle etwas Smalltalk. Eine Gruppe von Mädchen lästert wie immer über den berüchtigtsten und wahrscheinlich hübschesten Schüler unserer Schule, obwohl jeder weiß, dass sie alles dafür geben würden, einmal in ihren langweiligen Leben in seinem Bett zu landen. Aber glücklicherweise weiß ich, dass die Mädchen so überhaupt nicht sein Fall sind, denn er steht nicht auf diese Handtaschen-Mädchen, eher verabscheut er sie. Ich schätze, sollte er sich mal eine Freundin suchen, dann will er eine, die Frech ist, die ihre Meinung ohne Rücksicht auf Verluste preisgibt. Und vor allem Eine die ihm nicht hinterherrennt, nur an seinem Geld interessiert ist oder wissen will, was er so in seinem Leben macht.
Er will nicht das irgendetwas über ihn veröffentlicht wird das er nicht abgesegnet hat, weshalb er auch extrem darauf achtet, was und wem er etwas über sich erzählt. Er liebt seine Privatsphäre, deshalb weiß auch niemand, dass er, wenn er nicht in der Schule ist, sinnvolle Dinge wie Arbeit verrichtet. In der Schule geht das Gerücht um, dass er bestimmt Kiffen würde oder sich Drogen einschmeißt aber Menschen reden halt gerne und erfinden Geschichten, wenn sie die Wahrheit nicht kennen.
Als auf einmal alle ruhig um mich werden und ich ein lautes jaulendes Motorrad höre, weiß ich was los ist. Er ist da! Endlich
Er, Massimo Santoro, 1,94 Meter groß. Massimo ist wunderschön, Italiener, und dementsprechend dunkel gebräunt. Er ist extrem muskulös und der mysteriöseste und interessanteste Schüler der Schule. Es gibt viele Gerüchte über ihn und alle drehen sich darum, was er wohl genau in seiner Freizeit macht. Es kam schonmal das Gerücht hoch, dass er bestimmt irgendeinem Clan angehöre, da er immer so redet, als hätte er schon Menschen getötet. Aber letzten Endes glauben sie nicht mal ihren eigenen Nachreden. Denn so etwas wie Clans oder die Mafia in Deutschland und dann auch noch bei uns in einer kleinen Stadt, ist sehr unwahrscheinlich. Ich könnte ihnen all die Fragen beantworten, wüsste dabei aber nicht, wo ich anfangen sollte.
Er ist Mafiosi, bringt Menschen um und besitzt wahrscheinlich mehr Wohlstand als wir alle zusammen. Ich bin mir nicht sicher wie gut die sowas auffassen würden. Ich weiß das nur, weil ich ihn auch schon mein Leben lang kenne, wir sind zusammen aufgewachsen und beste Freunde. Zumindest denke ich, dass wir das sind, was besten Freunden am nächsten kommen würde. Wir haben uns schon im Sandkasten die Schaufeln gegenseitig auf den Kopf gehauen. Sogar heute, wo jeder normale Teenager wohl eher auf Partys unterwegs ist, machen wir lieber etwas zu zweit. Das ist wahrscheinlich der Grund, dass ich mehr Zeit mit seiner wie mit meiner eigenen Familie verbracht habe. Sein Papa behandelt mich, als wäre ich seine eigene Tochter. Beziehungsweise versucht er es, denn er ist viel zu sehr damit beschäftigt, sich um seinen Job zu kümmern. Dass Massimo nicht zu kurz kam, ist bei der Arbeit seines Vaters fast ein Wunder.
Massimo kommt jeden Tag, also wenn er mal zur Schule kommt, auf seinem mattschwarzen Motorrad. Der Klang des Motors hallt durch die ruhigen Straßen des kleinen Dorfes, wie ein weit hörbares Brüllen eines wilden Tieres. Das Motorrad selbst ist eine atemberaubende Maschine, mattschwarz wie die Nacht, schlank und gefährlich. Es wirkt, als gehörte es eher auf eine Rennstrecke als auf die Wege unserer Kleinstadt.
Jedes Mal, wenn er ankommt, zieht er alle Blicke auf sich. Das Heulen des Motors klingt wie Musik in meinen Ohren, eine Melodie, die die Ankunft von jemandem ankündigt, der mehr als nur ein Schüler ist. Seine Bewegungen, wenn er die Maschine betätigt, sind flüssig und geübt, als wäre er eins mit dem Motorrad. Er ist genau ein Jahr sechs Monate und zwei Tage älter als ich. Ein Detail, das ich penibel im Kopf behalte. Das bedeutet, dass er erst 16 Jahre alt ist, weit unter dem legalen Alter, um ein solches Biest von einem Motorrad zu lenken. Doch das Gesetz scheint ihn nicht zu kümmern und ich kann ihm keinen Vorwurf machen.
Als er sein Motorrad parkt, macht er dieses Ritual zu einem regelrechten Spektakel. Die Reifen berühren behutsam den Asphalt und er schaltet den Motor aus, was die plötzliche Stille nur durch den letzten verhallenden Nachklang des kraftvollen Heulens durchbricht. Als er absteigt, hebt er in einer scheinbaren Zeitlupe den Helm von seinem Kopf.
Dabei fallen seine dunklen, leicht zerzausten Haare in sein Gesicht. Es ist fast so, als würde die Zeit stillstehen, jeder Moment dehnt sich aus, als wären wir in einem dieser Filme, wo der Held in dramatischer Zeitlupe gezeigt wird. Er kommt wie üblich ganz entspannt zu uns rüber, in seinen schwarzen Cargo Jeans, seinen farblich abgestimmten Haix Stiefeln und einem viel zu engem T-Shirt, dass unter seiner Lederjacke zum Vorschein kommt.
Er kommt zu uns herübergelaufen, während er sich eine Zigarette mit seinem Zippo anzündet. Dabei sieht er so sexy aus, dass die ganze weibliche Fraktion anfängt zu sabbern. Gut, ich kann mir das Sabbern auch nicht ganz verdrücken, aber ich verstecke es auf alle Fälle besser als der Rest der Mannschaft.
Bei Sandra, die direkt neben mir steht, kann man super erkennen, dass sie sich ihm am liebsten auf dem Silbertablett servieren würde. Sie wirft ihre langen braunen Haare über ihre Schultern, zieht ihr Oberteil, dass einen sehr tiefen Ausschnitt hat nach unten, damit man den Push Effekt, den ihr BH hervorruft, besser erkennen kann. Sie holt einen Lipgloss aus ihrer Tasche und fährt damit ihre Lippen nach. Alles in allem würde jeder Typ auf sie abfahren. Sie ist der Traum jedes Jungen, lange dünne Beine und ihr Bauch ist unnatürlich flach. Und trotz ihrer schlanken Figur hat sie einen schönen Hintern.
Sie ist das komplette Gegenteil von mir. Ich bin klein, gehe wahrscheinlich schon als zu dick durch und bin sogar zu dumm mich zu schminken, weshalb ich, wenn überhaupt, Wimperntusche auftrage. Ich würde mich nicht unbedingt als hässlich bezeichnen, meine Brüste und mein Hintern sind schön geformt und definitiv nicht zu klein aber ich bin eben nicht so schlank wie Sandra, eher stämmig. Nachdem ich jede Bewegung von ihr verfolgt habe, wende ich meinen Blick zu Massimo und verdrehe angewidert die Augen was er nicht sieht da er jeden einzelnen derer, die bei mir stehen, mit einem kritischen Blick scannt.
Auch Sandra bekommt einen Bösen Blick zugeworfen, was mich schmunzeln lässt. Sie dachte bestimmt, er fällt gleich vor ihr auf die Knie.
»Was ein Arsch!« Protestiert sie und wendet sich von ihm ab. Es dauert einen Moment, bis Massimos Blick auf meinen trifft. Er fängt an zu schmunzeln und zieht dabei seine linke Augenbraue nach oben.
Gott wie ich es liebe, wenn er mich so ansieht. Irgendwas in meinem Körper verändert sich. Mein Herz schlägt schneller und ich spüre ein leichtes Kribbeln in meinem Bauch, das Gefühl von brennender Haut überwältigt mich. Für einen Moment schweigt alles in mir. Keine Erinnerungen an irgendwas. An nichts Gutes und auch an nichts Schlechtes.
Dieses Gefühl möchte ich öfter Verspüren. Sein Blick beginnt bei meinen Augen und bleibt dort für einen Moment, als würde er versuchen, tief in meine Seele zu schauen. Ich spüre förmlich, wie er meine zerzausten Haare, meine geschwollenen Augen und die Spuren der schlaflosen Nacht registriert.
Doch anstatt abzuwerten, scheint er etwas in meinen Augen zu suchen – Antworten, vielleicht? Langsam wandert sein Blick tiefer, über meine geröteten Wangen, meine zitternden Lippen, die sich leicht öffnen, um einen verhaltenen Atemzug zu nehmen.
Mir wird heiß und kalt zugleich, als sein Blick weiter wandert, über den weiten Kragen meines Pullis, der meine schmale Schulter und den Ansatz meines Schlüsselbeins enthüllt. Dort verharrt er einen Sekundenbruchteil länger, als würde er sich an diesem kleinen Fleck Haut festhalten wollen, bevor er weiterzieht.
Seine Augen fahren über meine Arme, die ich schützend vor meiner Brust verschränkt halte, dann langsam weiter nach unten, vorbei an meinem Bauch, der unter dem weiten, herunterhängenden Stoff kaum erkennbar ist.
Irgendetwas in seinem Blick ändert sich – von einem kleinen Schmunzeln zu erstauntem, breitem Grinsen, als ob er gerade etwas an mir entdeckt, das er noch nie zuvor bemerkt hat. Das Kribbeln in meinem Bauch wird intensiver, als sein Blick tiefer gleitet. Er mustert meine Jogginghose, die eher nach Bequemlichkeit als nach Stil schreit, und dennoch scheint er es zu schätzen.
Vielleicht ist es die aufgesetzte Gleichgültigkeit oder die Tatsache, dass ich mich für heute entschieden habe, mir keine Mühe zu geben, die seine Überraschung hervorruft. Dann trifft sein Blick erneut auf meinen und in diesem Moment scheint alles andere zu verschwinden. Alles, was zählt, ist dieser Ausdruck in seinen Augen – ein Ausdruck voller ungesagter Worte und unausgesprochener Gefühle, die die Luft zwischen uns zum Knistern bringen.
Mein Herz rast und meine Gedanken vermischen sich zu einem Chaos aus Unsicherheit und intensiven Gefühlen. Ich spüre, wie die Hitze in meinem Gesicht aufsteigt, und mein Versuch, sie zu kontrollieren, scheitert kläglich. Unfähig, diesem intensiven Moment standzuhalten, senke ich hastig meinen Blick auf den Boden, spüre die Röte, die mein Gesicht wie eine Flamme überzieht. Ich hoffe, dass Massimo es nicht bemerkt hat, doch ein Teil von mir weiß, dass er es sicherlich gesehen hat. Es ist schwer, solche Dinge zu verbergen, wenn jemand einen so genau betrachtet.
Ich saß die ganze Nacht auf dem Dach, direkt vor Liliths Fenster. Die Kälte kroch langsam durch meine Kleidung und durchdrang jede Faser meines Körpers, aber es war die Sorge um Lilith, die mich wach hielt.
Eigentlich hatte ich geplant, heimlich zu ihr hineinzuschlüpfen und mich wie jede Nacht an ihre Seite zu legen. Doch als ich durch das schwach beleuchtete Fenster blickte, sah ich sie mit verweinten Augen auf ihrem Bett sitzen, vergraben in einem Buch.
Ihre Tränen liefen unaufhaltsam über ihre Wangen und tropften auf die Seiten des Buches, das sie fest umklammerte.
Vielleicht war die Geschichte wirklich so traurig, dass sie weinen musste, aber ich glaube das irgendwie nicht. Etwas anderes musste sie quälen, etwas, das ich nicht verstehen kann. In solchen Momenten, in denen ich nichts tun kann, fühle ich mich hilflos und nutzlos. Stunden vergingen, der Mond wanderte über den sternlosen Himmel, und ich beobachtete sie regungslos.
Sie las und weinte und irgendwann, gegen fünf Uhr morgens, legte sie das Buch beiseite und fiel in einen unruhigen Schlaf. Ich habe immer wieder überlegt, ob ich nicht doch zu ihr hineingehen sollte, sie trösten und beruhigen könnte. Doch jede Bewegung meinerseits hätte sie wahrscheinlich aufgeweckt und noch mehr durcheinandergebracht.
Also blieb ich auf dem harten, kalten Dach, den Rücken an die schuppige Fläche der Dachziegel gelehnt, die Arme um die Knie geschlungen, um zumindest ein bisschen Wärme zu bewahren. Meine Augenlider fühlten sich schwer an, die Müdigkeit nagte an jeder Faser meines Körpers.
Normalerweise kann ich ein wenig Schlafen, wenn ich neben Lilith liege, wenn ich ihren gleichmäßigen Atem spüre und die Wärme ihres Körpers mich umgibt. Doch das Dach war unerbittlich und kalt, ein ungemütlicher Platz, auf dem die Stunden quälend langsam vergingen.
Kurz vor ihrem ersten Wecker verließ ich schließlich meinen Posten. Meine Knochen waren steif und jeder Schritt fühlte sich an, als würde ich durch dichten Nebel wandern. Die Müdigkeit hatte ihren Tribut gefordert und meine Gedanken waren umnebelt und schwerfällig.
Ich hoffe nur, dass sie wenigstens ein wenig Ruhe gefunden hat und heute einen besseren Tag haben würde. Selbst während ich durch die Straßen zurück zu meinem eigenen Zuhause fuhr, blieb der Wind auf meiner Haut und die Bilder von Liliths tränenüberströmtem Gesicht lassen mich nicht los.
Als ich mich schließlich zur Schule aufraffe und mit dem Motorrad auf den Parkplatz fahre, fällt mein Blick sofort auf Lilith. Es ist, als ob sie einen unsichtbaren Scheinwerfer umgibt, der sie von all den anderen Schülern abhebt. Ihre Haare, sind nass in einem wahren durcheinander zusammengebunden.
Unter all meinen Mitschülern und Klassenkameraden sticht mein kleines Engelchen heraus. Mio Angioletto.
Sie unterhält sich gerade mit einer Gruppe Mädchen, was für sie eher ungewöhnlich ist. Sie ist der Typ Mädchen, welches mit Jungs redet und sich ihnen anschließt. Wahrscheinlich kommt das durch den Haufen Jungs, den sie an Brüdern hat.
Drei Stück an der Zahl. Ich kenne sie alle eher nur flüchtig, da wir eigentlich nie bei ihr sind aber ich weiß, dass sie früher immer mit ihr die meiste Zeit verbracht haben und somit den Job übernommen haben, den ihr Vater hätte leisten müssen. Ich weiß, dass sie immer mit ihrem ältesten Bruder Football gespielt hat. Das ein oder andere Mal hat er sie so heftig getakelt, dass ihre Rippen geprellt waren. Da Andreas fast zehn Jahre älter ist, konnte er viel mehr Kraft aufwenden, wenn er sie umgerannt hat, als sie aushalten konnte. Daran kann ich mich erinnern, als wäre es gestern gewesen.
Mein Beschützerinstinkt hat sich jedes Mal bemerkbar gemacht. Ich will sie immer vor allem beschützen, das hasst sie zwar, aber ich kann es nicht ändern, obwohl ich weiß, dass sie das sehr gut selber könnte. Seit kurzem ist es noch viel schlimmer geworden, denn jetzt kommt nicht nur der Drang sie zu beschützen über mich, sondern auch noch Eifersucht, die ich versuche zu unterdrücken. Doch das funktioniert nicht immer so, wie es soll.
Seit wir diese unheimlich geile Trockensex-Session hatten, wo sie es geschafft hat, dass ich in meiner Fucking Hose gekommen bin, wie ein Elfjähriger werde ich jedes Mal, wenn sie auch nur mit einem Jungen spricht, besitzergreifend.
Gut, das geht schon etwas länger, aber dieses Mädchen gehört mir. Meine Obsession zu Lilith ist wie ein dunkler, unwiderstehlicher Sog, der mich Tag und Nacht gefangen hält. Sie ist das Zentrum meines Universums, der Fixstern, um den sich all meine Gedanken und Gefühle drehen. Jeder Moment, den ich von ihr getrennt bin, fühlt sich an wie eine Ewigkeit, und jede Sekunde in ihrer Nähe erfüllt mich mit einem intensiven, fast schmerzhaften Verlangen. Ich beobachte sie mit einer Intensität, die an Besessenheit grenzt, jede ihrer Handlungen, jedes ihrer Worte und jede ihrer Bewegungen in mich aufsaugend. Ich fühle eine ständige, übermächtige Sorge um sie, als ob ich allein die Last tragen müsste, sie vor all dem Schmerz und der Dunkelheit der Welt zu beschützen.
Mein Beschützerinstinkt ist so stark, dass er fast übermächtig wird, oft in Eifersucht und Besitzanspruch umschlagend. Ich will sie vor allem und jedem abschirmen, ihr der einzige Verbündete und Beschützer sein. Der Gedanke, dass jemand anderes sie verletzen oder ihr zu nahe kommen könnte, lässt mich innerlich brennen vor Zorn und Eifersucht. Die Momente der Nähe zu Lilith sind für mich sowohl Himmel als auch Hölle. Ihre Berührungen, ihr Lächeln und ihre Wärme sind alles, was ich brauche, um mich lebendig zu fühlen, aber zugleich intensivieren sie mein unstillbares Verlangen nach mehr.
Jede Nacht, in der ich heimlich neben ihr liege, ist ein kostbarer Augenblick, aber auch eine Qual, weil ich weiß, dass es nicht für immer so bleiben kann. Ich sehne mich danach, dass sie mir vollständig gehört, dass sie nur mir ganz alleine gehört. Alles an Lilith fasziniert mich – von ihrer Art zu lachen bis hin zu den Wegen, wie sich ihre Sorgen in ihren Augen spiegeln. Ich bin in jeder Hinsicht von ihr besessen und fühle mich manchmal fast überwältigt von der Intensität meiner Gefühle.
In meiner Welt gibt es keinen Raum für etwas anderes; Lilith ist mein Anfang und mein verdammtes Ende. Ich würde am liebsten meine Waffe ziehen und jeden erschießen, der sie nur schief ansieht. Was aktuell sehr oft passiert.
Die Typen haben alle noch nie eine Frau gesehen, die nicht zu stark trainiert ist und dennoch Arsch und Titten besitzt. Lilith sieht das zwar nicht, aber sie ist wunderschön und heiß. Die Dreckstypen haben sich im Schwimmunterricht fast alle einen auf sie runtergeholt, wo sie mit ihrem freizügigen Bikini in die Halle kam. Gut, sie sah verdammt heiß aus, das kann man nicht leugnen, aber am liebsten hätte ich sie mir über die Schulter geworfen und weggetragen, damit sie niemand ansehen kann.
Ich hätte sie nachhause gebracht und ihr gezeigt, wem sie gehört.
Ihr Körper gehört mir.
Niemand wird Hand an sie legen. Für mich ist es schon unausstehlich, dass jetzt alle wissen was für ein fantastischer Körper unter ihren Klamotten steckt und sie können sich es alle Vorstellen. Bei diesem Gedanken fange ich an innerlich zu kochen und mein Puls beschleunigt sich wie automatisch.
Es reicht schon, dass ich nur daran denke, dass sie im Gegensatz zu den anderen Mädchen trainiert ist und trotzdem etwas Fett am Bauch und an den Hüften hat. Und Dios mio, ihre Brüste sind der absolute Wahnsinn! Das führt dazu, dass sie sehr viel Aufmerksamkeit von den Jungs bekommt.
Lilith steht neben ihrem perfekten Gegenteil. Das Mädchen neben ihr, ist eine von vielen, die einen Push-up-BH tragen muss, um ihr Oberteil auszufüllen. Ich habe die Informationen von Lilith und von den Jungs aus der Stufe, die sie bereits gevögelt haben.
Es freut mich unglaublich, Lilith in einer Gruppe mit anderen Mädchen zu sehen. Meine Eifersucht und Wut auf alle anderen lässt allmählich nach. Aber dieser kurze Moment des Friedens wird sofort von einem dunklen Sturm aus Gefühlen überschattet. Alle wissen, dass wir beste Freunde sind und ich lasse keinen Zweifel daran zu. Doch in mir brodelt eine Obsession, die tiefer und intensiver ist, als irgendein Außenstehender es jemals verstehen könnte. Lilith ist nicht nur eine Freundin für mich. Sie ist der Atem, den ich einatme, das Blut, das durch meine Adern fließt.
Sie ist das Licht in meiner Dunkelheit und der einzige Anker, der mich in dieser stürmischen See des Lebens hält. Ich weiß, dass wir mehr sind als nur beste Freunde. Diese Tatsache ist so klar wie der klare Nachthimmel. Wir können beide die Finger nicht voneinander lassen und es ist diese Nähe, die mir sowohl süße Erleichterung als auch qualvolles Verlangen bringt. Wenn sie neben mir sitzt, meine Arme um ihre zarte Gestalt geschlungen, spüre ich wie ein elektrischer Schock jeden Nerv meines Körpers durchzieht. In diesen Momenten ist jeder Zentimeter, den sie sich mir nähert, ein Funken Verlangen in meinem Herzen entzündet.
Sie sucht bei jeder Gelegenheit Körperkontakt und ich, völlig verloren in meiner unheilbaren Sehnsucht, gebe ihm nur allzu gerne nach. Es ist wie ein Zug, gegen den ich mich nicht wehren kann und will.
Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob ich sie umarmen oder küssen soll, wenn wir uns wiedersehen oder verabschieden. Jeder Augenblick ohne ihre Berührung fühlt sich wie eine Ewigkeit an und jede Berührung ist wie ein kleiner Schluck Wasser für jemanden, der in der Wüste verdurstet. Es ist bittersüß: die Freude darüber, sie nah bei mir zu haben, und gleichzeitig der Schmerz des Verlangens, das nie ganz gestillt wird. Wenn sie in meinen Armen liegt und mir von den schwierigen Dingen bei ihr zu Hause erzählt, fühle ich eine überwältigende Welle des Beschützerinstinkts. Ich würde alles tun, um ihr den Schmerz zu nehmen, um sie vor jeder noch so kleinen unangenehmen Situation zu bewahren.
Am liebsten würde ich mit ihr tauschen, ihre Sorgen auf meine Schultern nehmen und sie von jeglicher Last befreien. Jeder ihrer Seufzer, jedes Zittern in ihrer Stimme lässt mein Herz in Scherben brechen, und ich möchte nichts mehr, als sie festzuhalten und nie wieder loszulassen. Jedes Mal, wenn sie fast einschläft, frage ich sie, ob sie nicht bei mir bleiben will. Meine Worte sind wie Gebete, die aus tiefstem Herzen kommen. Immer wenn ihre Augenlider schwer werden und der Schlaf sie in die Arme nimmt, hoffe ich, dass sie irgendwann »Ja« sagt, dass sie bei mir bleibt und nie wieder geht. Aber zum Teufel, ich hätte mich von Anfang an nicht in sie verlieben dürfen!
Diese Liebe, die sich wie ein unaufhaltsames Feuer in mein Herz gefressen hat, ist gefährlich. Ich sehe die Gefahr, drinnen wie draußen. Diese übermächtige Liebe, die so viel bedeutet, könnte unser beider Untergang sein. Und dennoch, möchte ich keinen anderen Weg einschlagen. Dieses Feuer, diese Obsession ist alles, was ich habe und alles, was ich je wollen werde.
Als unsere Blicke sich wieder treffen, klemmt er seine Zigarette zwischen seine vollen Lippen und streckt beide Arme vor sich. Wie alles an ihm sind seine Arme gut trainiert und sein Bizeps hat wahrscheinlich den Umfang meines Oberschenkels. Das sieht man auch unter seiner Lederjacke, die sich an allen möglichen und unmöglichen Stellen spannt ...
»Angioletto, komm endlich her!« Ruft er zu mir mit seiner tiefen Stimme rüber und reißt mich aus meinem Tagtraum, der seinem Körper galt. Aber jetzt könnte ich schwören, mein Herz schlägt für ein paar Sekunden nicht. Dieser Spitzname ist neu und löst etwas in mir aus, dass ich nicht beschreiben kann. Bevor ich erneut weg Driften und mir Gedanken darüber mache, welche Gefühle er in mir hervorruft, schaue ich ihn an und sehe, wie sein Blick ernster wird, als ich nicht zu ihm komme.
Er ist schon fast bei mir, als ich endlich in seine Umarmung laufe. Er schlingt seine kräftigen Arme um mich und hält mich so fest, dass ich mich Zuhause fühle, so wie immer. Massimo spendet mir Sicherheit mit der Art wie er mich drückt und seine Hand auf meinem Kopf ablegt, so als wäre ich seins. Ich lasse meinen Kopf an seine harte Brust sinken und atme seinen einzigartigen männlichen Geruch ein, der wie ein Narkotikum auf mich wirkt.
»Angioletto also?« Frage ich, als ich wieder bei Sinnen bin.
»Ja, ich bin stolz auf dich, mein kleines Engelchen.« Antwortet er mit einem Grinsen im Gesicht. Engelchen also! Mein Puls erhöht sich bei dem Gedanken, dass ich jetzt einen schönen liebevollen Spitzname bekommen habe, denn sonst war ich immer »Kleine«. Ich hatte kein Problem damit aber Engel übertrifft das! Wenn man an Engel denkt, denkt man an etwas Schönes, an Freiheit und Schönheit!
»Stolz?«
»Ja, du weißt gar nicht wie unglaublich gut du aussiehst, wenn du Jogginghose und Hoodie trägst. Und stolz, weil du wohl heute den Mut aufgebracht hast deiner Mutter dem Wunsch, nur in Jeans aus dem Haus zu gehen, verwehrt hast.« Schon wieder setzt mein Herz einen Schlag aus, das kann nicht gesund sein. Wenn er nur wüsste, warum ich heute so rumlaufe. Ganz sicher nicht, weil ich heute das Bedürfnis hatte mich meiner Mutter zu widersetzen, dann wäre er wahrscheinlich alles andere als stolz.
Er kennt mich in Jogginghose und Hoodie, warum ist das heute etwas Besonderes? Der Anblick ist für Massimo keine Seltenheit. Er hat für mich sogar eine in passender Größe bei sich daheim gebunkert.
»Warum hast du gezögert zu mir zu kommen?« Will er wissen, legt zwei Finger an mein Kinn, damit ich ihn anschauen muss. Auf sein Gesicht hat sich ein hauch von Besorgnis gelegt. Hat er etwa gemerkt das ich verunsichert bin? Ich dachte, man würde mir nichts anmerken.
»Ich wusste ja nicht, ob du dich doch noch dazu entschieden hast, einer von denen dort hinten einen Platz in deinem Herzen zugeben. Immerhin hast du Franziska sehr deutlich inspiziert.« Sage ich, um ihn von dem Thema meiner Kleider abzubringen. Der Eifersuchtston sollte dabei aber eigentlich nicht so deutlich herauszuhören sein. Fuck, ich bin eifersüchtig und nicht nur ein wenig. Warum hat er sie so lange angesehen?
»Lilith«. Ich hasse es, wenn er mich so nennt. »Du weißt genau, dass du die Einzige bist, die einen Platz in meinem Herzen hat! Nur du interessierst mich und nur dich ›inspiziere‹ ich, wie du es gerade genannt hast.« Er gibt mir einen Kuss auf die Wange, wobei ich unbewusst zurückweiche, was er bemerkt haben muss. Sein Blick verfinstert sich und in seinen Augen erlischt das Funkeln, das gerade eben noch zu sehen war und wechselt zu einem besorgten Ausdruck.
Er fragt, ohne zu zögern: »Lilith, was ist los? Was ist passiert? Hat dein Vater ...?«
»Nur das Übliche.« Unterbreche ich ihn, er muss nicht unbedingt wissen was passiert ist. Zumindest nicht jetzt, nicht hier.
Die Schule ist der ungünstigste Ort für so ein Gespräch. Hier fühle ich mich nicht wohl und es würde mir deutlich einfacher fallen darüber zu reden, wenn nicht gerade alle zusehen. Ich kann nicht versprechen, nicht in Tränen auszubrechen und ich möchte nicht, dass es die ganze Welt mitbekommt. Dieses Thema ist anders als alles, was daheim passieren könnte. Es belastet mich auf eine andere Weise, denn mir wurde meine Würde auf eine Art und Weise genommen, wie es mein Vater nie geschafft hätte.
»Du weißt, ein Wort von dir und dein Vater tut euch nie wieder etwas an.« Verspricht er mir. Diese Drohung an meinen Vater hat er schon oft ausgesprochen, allerdings war es noch nie nötig sein Angebot anzunehmen. Ich weiß, er würde ihn umbringen. Davor würde Massimo nicht zurückschrecken. Ich fürchte, ihm würde das sogar etwas Spaß machen und er gehört nicht zu denen, die einen Mord schnell erledigen. Massimo würde sich Zeit lassen. Viel Zeit. Er würde damit all die Wut, die sich in ihm aufgestaut hat, freilassen.
»Ich weiß aber es hat wirklich nichts mit meinem Vater zu tun, versprochen Massimo.« Ich kann sehen, dass er mir nicht glaubt. Aber es ist die Wahrheit, mein Vater ist in dem Fall ausnahmsweise unschuldig.
»Komm mit, wir schwänzen die Schule!« Er verschränkt seine Finger mit meinen und zieht mich in die Richtung seines Motorrads. Es fühlt sich gut an, seine Finger mit meinen verbunden zu spüren. Es fühlt sich richtig an.