Tillmanns Schweigen - Lina Hofstädter - E-Book

Tillmanns Schweigen E-Book

Lina Hofstädter

4,9

Beschreibung

ZWISCHEN GENIE UND WAHNSINN - SPEKULATIONEN ÜBER EINEN INTELLIGENTEN, ABER VERSTUMMTEN AUSSENSEITER Der Mathematikprofessor Tillmann, Einzelgänger und notorischer Denker, versinkt eines Tages ganz ins Schweigen. Ein Verhalten, das von seiner Umgebung nicht akzeptiert wird: Schließlich findet er sich in einer psychiatrischen Anstalt wieder. Doch keine Behandlung kann sein Schweigen brechen, beharrlich verweigert er sich dem gesellschaftlichen Zwang zur Kommunikation. Somit ist er ruhender Pol inmitten der anderen Figuren dieses satirischen Romans. Sie, die Redenden, kreisen mit ihren Worten ständig um ihn und versuchen, Tillmanns Geheimnis zu ergründen. Zu den Spekulationen über die Ursachen seines Verstummens, jede eine lesenswerte Geschichte für sich, gesellen sich noch eine Reihe anderer Episoden, von Liebesgeschichten bis zum spektakulären Ausbruch aus der Anstalt. "Was bewegt einen Menschen wirklich zu solch auffälligem Verhalten und was will er damit erreichen? Ein spannendes Buch das Einblicke gewährt in die Welt eines Mathematikprofessors zwischen Genie und Wahnsinn." "Ein satirischer Roman über den gewollten oder ungewollten Widerstand gegen die Gesellschaft, über Normalität und Anderssein. Ein gelungenes, tiefgründiges Werk!"

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Seitenzahl: 322

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Lina Hofstädter

Tillmanns Schweigen

Roman

© 1993

HAYMON verlag

Innsbruck-Wien

www.haymonverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7099-7086-7

Umschlag: Helmut Benko

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.haymonverlag.at.

Kapitel 1

Utes Vorwürfe hallten in seinem Kopf nach, sobald er das leere Zimmer betrat. Ein Stapel Romane verstellte den Weg. Einmal hatte T. Lust, die Bücher mit dem Fuß beiseitezustoßen, ein andermal, sie ins Regal einzuräumen. Er unterließ beides. Er wartete ab.

Auf dem Schreibtisch lahmte ihr Alpenveilchen an weichen Stengeln, und ringsum häuften sich Berge ungelesener Fachliteratur, welche an seinen demnächst zu haltenden Vortrag über »Veränderungen des mathematischen Realitätsbegriffes in der Neuzeit« gemahnten. Auch der Ordner mit der Habilitationsschrift lag unberührt. Er war in letzter Zeit mit nichts weitergekommen. Seit er mit Ute zusammenlebte, genaugenommen. Stets hatte er sich damit vertröstet, daß diese Geschichte ja nicht ewig dauern konnte. Er war nicht der Mann dafür, war ein Denker, die Liebe Nebenfach. Doch Ute hatte sich sich immer tiefer eingenistet in seiner Wohnung und in seinem Leben.

Natürlich liebte er sie. Wenn sie ihn nicht gerade mit ihren Fällen vom Sozialamt behelligte oder verlangte, daß er ihre Bücher lese. Erzählungen! Romane! Wie, wenn er ihr seine wissenschaftlichen Problemstellungen vorgelegt hätte? T. hielt nicht viel von erfundener Wirklichkeit, und die »allgemeinmenschlichen Probleme«, welche Ute ständig zitierte, erschienen ihm allzu unberechenbar. Einzig in der Mathematik gab es halbwegs klare Lösungen. Das hatte wiederholt Anlaß zu Unstimmigkeiten zwischen ihnen gegeben. »Wären alle wie du, würde sich am heillosen Zustand der Welt nie etwas ändern!« warf sie ihm bei solchen Gelegenheiten regelmäßig vor. T. dagegen fand, daß es um die Welt bedeutend besser stünde, wenn die Menschen weniger handelten und mehr dächten. Sagte er das, wurde Ute jedesmal wütend: »Mit dir kann man nicht reden!« So endeten die meisten Debatten.

Auch diesmal wieder. T. konnte sich jedoch beim besten Willen nicht an die Ursache der letzten Auseinandersetzung erinnern. Wenn er die Angel nach Erinnerungen auswarf, zog er nur zusammenhanglose Satzfetzen hervor. Dabei hatte das Gespräch harmlos angefangen. Weit weg von ihm. In einem Roman. Ute neigte dazu, Fiktion und Wirklichkeit durcheinanderzubringen. Ließ sich dann kaum richtigstellen. Warf ihm plötzlich, zwischen zwei Bissen Apfelstrudel, mangelnde Anteilnahme vor. Er gleiche aufs Haar irgendeiner Hauptfigur, einem Menschenfeind!

Hätte sie nicht immer wieder versucht, ihn solcherart in falsche Kategorien hineinzuzerren, würde er sich mit ihrer Leidenschaft für schöne Literatur und schlechte Gesellschaft vielleicht abgefunden haben. Ja, wahrscheinlich hatte er sich vor drei Jahren gerade in ihren Jungmädchen-Enthusiasmus verliebt, wenn nicht in ihre Augen und ihre kleinen Brüste. So aber war er beständig vor ihr auf der Hut.

Diesmal hatte er sie schweigend gewährenlassen, als sie ihm die neueste Geschichte auftischte. Trank Kaffee und dachte über den Aufbau der kommenden Vorlesung nach. Zu spät bemerkte er, daß sie das Thema gewechselt hatte. Daß sie auf einmal über ihn sprach. Über seine Arbeit. Unverständliches Mathematikergerede! Alles eine Flucht! Egoismus! Er kam gar nicht mehr mit. Nur tote Zahlen in seinem Kopf, auch sie so eine Nummer … T. entsann sich nicht, was er geantwortet hatte. Wahrscheinlich war er ins Schweigen oder in den Zynismus geflüchtet, wie immer, wenn sie ihn in die Enge trieb. Es tat ihm ja leid. Es war ein Mißverständnis. Bei ihr bewirkte jedes Wort und jede Geste stets das Gegenteil dessen, was er beabsichtigte. Es war schon komisch: Da liebte man jemanden und verstand ihn trotzdem nicht. Lebte verständnislos jahrelang mit einem Menschen zusammen, nur weil man irgendetwas an ihm liebte. Mit dem Rest konnte man nicht das geringste anfangen.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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