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Als neuer Star der polnischen Literatur hat Witold Gombrowicz im Herbst 1939 die Ehre, an der Jungfernfahrt des Transatlantikliners Chobry nach Buenos Aires teilzunehmen. Einige Tage will er bleiben – es werden vierundzwanzig Jahre. Denn während seiner Überfahrt überfällt die deutsche Wehrmacht Polen. Bis hierhin stimmen Wirklichkeit und Handlung des Romans überein, in dem Gombrowicz die ersten Wochen nach seiner Ankunft in Argentinien verarbeitet. Ob die realen Erlebnisse weniger skurril, befremdlich und kurios gewesen sind als die Fiktion, die Gombrowicz daraus spinnt, vermag niemand zu sagen. Die hundert Dollar in Witolds Tasche – Protagonist und Autor tragen denselben Namen – werden nicht lange reichen, also wendet er sich an seine Landsleute vor Ort. Aber guter Rat ist teuer oder manchmal eben auch keinen Pfifferling wert: »Ich bin nicht so irrwitzig, dass ich in den heutigen Zeiten etwas meine oder nicht meine«, sagt Herr Cieciszowski, ein entfernter Bekannter. Der polnische Gesandte ist hin und hergerissen, ob die Diplomatie ihre Literaten im Krieg verehren oder beleidigen soll. Im Exil sieht sich der Schriftsteller einem hohlen, archaischen und grotesken Patriotismus gegenüber, von dem er gehofft hatte, ihn mit seiner Heimat hinter sich zu lassen. Und dann wird er in undurchsichtige Aktivitäten hineingezogen, die nach etlichen bizarren Wendungen auf ein Duell zusteuern. Transatlantik ist eine urkomische Parodie auf das Denken in Nationalismen und ein lustvolles Spiel mit dem Absurden und Paradoxen.
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Seitenzahl: 411
Witold Gombrowicz
Roman
Herausgegeben und aus dem Polnischen übersetzt von Rolf Fieguth
Kampa
Ich verspüre das Bedürfnis, meiner Familie, meinen Ver-wandten und Freunden hier den anfang von Meinen nun schon zehn Jahre währenden Abenteuern in der Argentinischen Hauptstadt zu Übermitteln. Ich mag niemanden einladen zu Meinen ewigen alten Nudeln, zu Meiner Rübe, obgleich sie roh ist, und die Graupen in meiner Zinnschüssel, die Mageren, Schlechten, dazu auch noch Schändlichen, im Öl Meiner Sünden, meiner Schanden gebratenen schweren Dunklen Graupen mit meiner Schwarzen Grütze, ach, die sollten lieber nicht in den Mund genommen werden, es sei denn zu meiner Ewigen Verdammnis, Meiner Erniedrigung, auf der Straße Meines endlosen Lebens und meinen schweren mühevollen Berg hinan.
Den einundzwanzigsten August 1939 bin ich auf dem Schiff Chrobry in Buenos Aires eingelaufen. Die Reise von Gdynia nach Buenos Aires ist sehr Wonnevoll … und ich bin schier ungern An Land, denn volle Einundzwanzig Tage Lang hat man zwischen Himmel und Wasser gelebt, an nichts gedacht, war in Luft gebadet, in den Wellen Aufgelöst und vom Wind durchweht. Mit mir hat Mein Gefährte Czesław Strzaszewicz die Kajüte geteilt, weil wir sind beide als, ach Gottchen, gerade erst flügge gewordene Literätgelein zur Ersten Reise des Neuen Dampfers eingeladen gewesen; außer ihm waren noch Senator Rembieliński, Minister Mazurkiewicz und viele andere Persönlichkeiten mit, die ich kennengelernt habe. Auch zwei schöne Fräuleins waren dabei, Flinke, Aufgelegte Dinger, mit denen habe ich in der freien zeit gealbert und geschäkert, ihnen die Köpfchen verdreht, und so bin ich, wie gesagt, zwischen Himmel und Wasser, immer geradeaus, in aller Ruhe …
Wie wir denn also Land gewonnen haben, da bin ich mit dem Herrn Czesław und dem senator Rembieliński in die Stadt vorgedrungen, und zwar ganz Blindlings, wie in ein Kuhhorn, denn Keiner von uns ist seiner Lebtage hier vorher gewesen. Getümmel, Staub und Graue Erde überraschten uns unangenehm nach jenem lauteren, salzigen Rosenkranz der Meereswellen, welchen wir auf dem Wasser gebetet Hatten. Dessenungeachtet sind wir, über den Platz Retiro, auf dem ein Turm steht, von den Engländern erbaut, behende in die Straße Florida eingebogen, und da gibt es Luxusläden, eine ungewöhnliche Fülle von Artikeln, Waren und die Blüte des Distinguierten Publikums, Große Kaufhäuser und Konditoreien. Dort hat sich der Senator Rembieliński die Geldbeutel angeschaut, und ich Ein Plakat, auf welchem das Wort CARAVANAS geschrieben stand, und ich sage zu Herrn Czesław an diesem klaren, Getümmelvollen Tag, wie wir da so gingen und gingen: »Ei … sehen Sie diese Caravanas, Herr Czesław?«
Aber gleich haben wir auf das Schiff zurück müssen, wo der Kapitän die Vorsteher und Vertreter von der Hiesigen Polnischen Kolonie empfangen Hat. Da ist ein Großer Haufen von Solchen Vorstehern und Vertretern zusammengekommen, und ich habe mir gleich Eine Menge Feinde gemacht, weil in so viel neuen, unbekannten Gesichtern verirrt wie in einem Wald, habe ich Würden und Titel vertauscht, Menschen, Angelegenheiten und Dinge verwechselt, hier Schnaps getrunken, da wiederum Keinen getrunken und bin wie Im Dunkeln auf einem Acker getappt. Auch der Hochwohlgeborene Minister Kosiubidzki Feliks, welcher Unser Gesandter war in Diesem Lande, hat den Empfang durch Seine Anwesenheit geehrt, und das Gläschen in der Hand, ist er an die zwei Stunden Dagestanden und Hat bald diesen bald jenen allerhöflichst durch sein Dastehen geehrt. Im Strudel von all dem Reden und Gerede, im leblosen Schimmer der Lampen habe ich mir das alles wie durch ein Fernglas angeschaut, und dieweil ich überall Fremdes, Neues und Rätselhaftes sah und benommen war von all der Nichtigkeit und Gräue, habe ich in Gedanken Meine Heimat, Freunde und Gefährten Angerufen.
Dabei ist aber Bitterwenig herausgekommen. Und Nichts Gutes. Denn Miteins, mein lieber Herr, rührt sich da irgendwas zusammen und obwohl’s leer ist wie Nachts auf dem Acker, gibt’s da hinterm Wald, hinter der Tenne Alarm und Schwerenot und braut sich da scheint’s was zusammen, und ein Jeglicher dachte, es geht vielleicht über die Knochen hin und verläuft sich im Sande, Große Wolke gibt Kleinen Regen, und es ist wie mit dem Weib, welches sich Windet, Brüllt und Stöhnt mit großem, Schwarzem, ach, Unbarmherzigem bauch, dass sie schier den Satan gebären soll, aber es ist, Schwerenot, bloß ein Nierenstein gewesen, und vorbei war’s mit dem Schrecken. Aber irgendwas ist Gar nicht gut, wohl gar nicht gut, huch, gar Nicht gut. In diesen Letzten Tagen vor dem Kriegsausbruch bin ich mit Herrn Czesław, Senator Rembieliński und Minister Mazurkiewicz auf vielen Empfängen gewesen, nämlich bei Seiner Hochwohlgeboren dem gesandten Kosiubidzki und dem Konsul und Einer Marquise im hotel Alvear und weiß Gott bei wem und was und wo und warum, und dazu noch zu was und wieso; und wenn wir dann von diesen Empfängen nach draußen gegangen sind, da ist uns dann immer der lästige zeitungsruf »Polonia, Polonia« ans Ohr gedrungen. Da ist uns dann immer schwerer, immer mürrischer zumute geworden, und jeder ist mit angelegten Ohren wie Vergiftet dahergegangen und ist von so viel Sorgen wie von Frikassees angefüllt gewesen. Miteins stürmt mir der Czesław in Unsere Kajüte (wir haben nämlich immer noch auf dem schiff gewohnt), mit der Zeitung in der Hand: »Der Krieg muss heute oder morgen ausbrechen, da hilft uns Nichts! Drum Hat der Kapitän befehl gegeben, dass morgen Unser Schiff ablegt, weil wenn wir auch nicht mehr nach Polen durchkommen, so gewinnen wir gewiss irgendwo die Gestade von England, Schottland.« Wie er das gesagt hat, sind wir uns mit Tränen in die Arme gefallen und gleich auf die Kniee gesunken, Gottes hilfe zu erflehen und uns dem Herrgott zu befehlen. Doch wie wir so knieen, sage ich zu Czesław: »So fahrt nur, fahrt nur mit Gott!«
Czesław zu mir: »Wieso denn, du fährst doch mit uns!« Da spreche ich (und bin extra auf meinen knieen geblieben): »Fahrt nur, und möget ihr glücklich ans ziel fahren.« Er sagt: »Was redest du nur? So fährst du nicht mit?« Ich spreche: »Was soll ich in England oder in Schottland? Ich bleibe hier.« So nuschele ich ihm zu mit halbem maul (weil die ganze Wahrheit habe ich ihm nicht sagen können), und er schaut mich an und schaut. Da entgegnet er, und ist schon sehr betrübt gewesen: »Willst du nicht mit uns? Willst du lieber hier bleiben? Dann geh aber zu unserer Gesandtschaft, da melde dich An, damit du nicht zum Deserteur und noch was schlimmerem ausgerufen wirst. Du gehst in die Gesandtschaft, gehst du?« Ich antwortete: »Was denkst du nur, gewiss gehe ich hin, ich weiß doch, was ich als Staatsbürger schuldig bin, mach dir nur keine Sorgen um mich. Aber sag es lieber noch Keinem, vielleicht werde ich noch anderen Sinnes und fahre mit euch.« Dann erst bin ich aus meiner knieenden stellung aufgestanden, denn das schlimmste hatte ich nun hinter Mir, und der wackere, aber auch Betrübte Czesław Hat mir weiter seine Herzensfreundschaft gewährt (obwohl sozusagen ein Geheimnis zwischen uns gewesen ist).
Ich habe diesem Menschen, diesem Landsmann, die ganze Wahrheit nicht eröffnen wollen, gleichwie auch den anderen Landsleuten und Heimatgenossen nicht … denn sonst wäre ich lebendig auf dem Scheiterhaufen verbrannt, mit Pferden oder Zangen zerrissen, um Ehre und Glauben gebracht worden. Meine größte Schwierigkeit ist aber die gewesen, dass ich, dieweil ich auf dem Schiffe wohnte, es auf keine Weise unbemerkt verlassen konnte. Drum hielt ich mich vor allen möglichst auf der Hut, und in diesem Wirrwarr der ganzen Allgemeinheit, dem Herzklopfen, den Ausrufen und Liedlein der Erregung, in den stillen Seufzern der Furcht und Sorge, tat ich auch mit den anderen Rufen, oder Singen, oder Rennen, oder Seufzen …, aber wie sie schon die taue losbinden, wie das Schiff vor Leuten schwankt, von Leuten Landsleuten schwarz ist, wie es jetzt gleich, jetzt gleich ablegen und abfahren soll, da steige ich mit dem menschen, der hinter mir meine zwei koffer trug, das fallreep hinunter an Land und beginne mich zu entfernen. Und mich zu Entfernen. Und sehe mich überhaupt nicht um. Entferne mich, und weiß nicht, was hinter Mir geschieht. Ich entferne mich aber über eine kiesbestreute Allee und bin schon ziemlich weit. Erst, wie ich mich schon ordentlich Entfernt Habe, bin ich stehengeblieben und habe zurückgeschaut, und dahinten Hat das Schiff die Anker losgemacht und steht auf dem Wasser, schwer und riesig.
Da hab ich auf die Kniee fallen wollen! Jedoch bin ich gar nicht auf die Kniee gefallen, sondern habe nur so zu Fluchen und Lästern angefangen, aber still für mich: »So fahrt denn hin ihr, fahrt ihr Landsleute zu eurer Nation! Fahrt ihr nur zu Eurer heiligen wohl Verdammten Nation! Fahrt denn hin zu diesem hl. Dunklen Gebilde, welches seit Jahrhunderten krepiert, aber nicht fertigkrepieren kann! Fahrt zu eurem hl. Gespenst, das von der ganzen Natur verdammt ist, welches sich noch immer gebiert, doch noch immer Ungeboren ist! Fahrt nur, fahrt nur, auf dass es euch nicht Leben und nicht Krepieren lasse und euch für immer zwischen Sein und Nichtsein halte. Fahrt nur dahin zur eurer hl. Transuse, dass sie euch Schleimen macht noch und noch.« Das Schiff ist schon abgebogen und am Abfahren gewesen, da spreche ich noch: »Fahrt nur hin zu eurem Tollhäusler, eurem hl. Irren, dem wohl Verdammten, möge er euch mit seinen Konvulsionen und Anfällen quälen und foltern, mit Blut übergießen, euch mit seinem Brüllen bebrüllen und ausbrüllen, euch mit Qual totquälen, euch und eure Kinder und weiber, euch irr und Wahnsinnig machen auf den Tod, auf das Sterben selbst, sterbend im sterben seines Irrsinns!« Mit solcher Verfluchung wandte ich mich von dem Schiff ab und bin in die Stadt geschritten.
Ich hatte 96 Dollar Barschaft, die mir höchstens für Zwei Monate zu Bescheidenstem Leben reichen konnten, so hieß es gleich Sinnen und Trachten, was zu tun wäre und wie. Ich gedachte zuvörderst mich an Herrn Cieciszowski zu wenden, den kannte ich seit vielen Jahren, weil seine Mutter, als sie Witwe geworden ist, unweit Kielce bei Adaś Krzywnickis Wohnung genommen hat, zwei Meilen von Meinen Cousins Szymuski, zu denen ich manchmal mit meinem Bruder und meiner Schwägerin gefahren bin, hauptsächlich zum Enten jagen. Dieser Cieciszowski nun, der sich hier seit einigen Jahren aufhielt, konnte mir mit Rat und Hilfe dienen. Da bin ich denn mit meiner Bagage gleich zu Ihm gefahren, und es Hat sich glücklich gefügt, dass ich ihn zu Hause angetroffen habe. Das ist wohl der Sonderbarste Mensch gewesen, den ich im Leben getroffen habe, Mager, klein, von der Bleichsucht, die er sich in der kindheit zugezogen, ganz Bleich, stellt er bei aller Höflichkeit und Zuvorkommenheit manchmal mir nichts dir nichts wie der Hase am Rain die Löffel auf, wittert, und Schreit oder Verstummt. Wie er mich sieht, ruft er aus: »Wen sehe ich denn da?« Und umarmt mich, heißt mich sitzen, rückt die Hocker heran und frägt, womit er denn nützlich sein könnte.
Den wahren, schweren Lästerlichen Grund meines Dableibens konnte ich Ihm nicht eröffnen, denn, Landsmann, der er war, konnte er Mich verraten. Ich spreche also nur, so und so, ich sähe, dass ich von der Heimat abgeschnitten wäre, und hätte mit Großem schmerz und zu Meinem Leidwesen beschlossen hier zu bleiben, statt nach England oder nach Schottland in die Fremde zu fahren. Er antwortet mir mit ebensolcher Vorsicht, dass in dieser Notlage unserer Mutter das wackere Herze eines jeden Sohnes zu ihr, zu ihr strebt wie ein Vöglein, aber, spricht er, da lässt sich nichts Raten, ich verstehe deinen Schmerz, doch über den Ozean kannst du nicht springen, so lobe ich denn also deinen Entschluss oder lobe ihn nicht, und du hast gut daran getan, dass du hier geblieben bist, obwohl vielleicht auch Nicht gut. So spricht er und dreht die Finger wie eine mühle umeinander. Wie ich sehe, dass er so Seine Finger dreht und dreht, denke ich bei mir, »weil du so drehst, da drehe ich Dir vielleicht auch was vor«, und da drehe ich ihm auch eine Mühle vor und spreche zugleich:
»Meinen Sie?«
»Ich bin nicht so irrwitzig, dass ich in den Heutigen Zeiten etwas meine oder Nicht meine. Aber wo du nun hier geblieben bist, so gehe gleich zur Gesandtschaft, oder geh nicht hin, und melde dich dort An, oder melde dich nicht An, weil wenn du dich Anmeldest oder Nicht Anmeldest, kannst du dir große Unannehmlichkeiten zuziehen oder nicht zuziehen.«
»Finden Sie?«
»Das finde ich oder finde ich nicht. Tu, was du selbst für gut befindest (hier dreht er mit den Fingern) oder nicht befindest (und dreht mit den fingern), denn dafür bist du nun einmal selbst verantwortlich (wieder dreht er mit den Fingern), dass dir nicht was Schlechtes zustößt oder vielleicht doch Zustößt« (und dreht wieder).
Da habe aber ich ihm etwas Vorgedreht und gesagt: »So also rätst du mir?« Er dreht und dreht, bis er mich schier anspringt: »Unglücklicher Mensch, Verschwinde oder Vergehe, und tu lieber keinen Pieps, als dass du zu ihnen hingehst, denn wenn sie dir was anhängen, dann hängen sie es nicht wieder ab! Höre meinen Rat, halte du dich lieber an die Fremden, die Ausländer, vergehe in den Ausländern, Zergehe in ihnen, aber Gott schütze dich vor der Gesandtschaft, und auch vor den Landsleuten, denn sie sind Bös, Schlecht, schwerenot, und Beißen werden sie dich, beißen bis aufs blut!« Ich erwidere: »Meinst du?«, worauf er ausrief: »Möge dich Gottes Hand davor bewahren, dass du die Gesandtschaft oder die hiesigen Landsleute meidest, denn wenn du sie meidest, so werden sie dich Beißen, beißen bis aufs blut.« Er dreht und dreht mit den Fingern, und ich tue auch drehen, und von dem ganzen Drehen dreht sich mir der Kopf, aber man Muss doch nun etwas tun, denn der Beutel ist leer, drum spreche ich die Worte: »Ich weiß nicht, ob ich nicht eine Arbeit bekommen könnte, damit ich mich wenigstens die ersten Monate über Wasser halten kann … Wo könnte ich die hier finden?« Da packt er mich an den Schultern: »Keine Angst, da werden wir gleich Rat schaffen, ich werde dich schon mit Landsleuten bekannt machen, die werden dir helfen oder nicht helfen! Unter den Unsrigen Hat es keinen Mangel an Wohlhabenden Kaufleuten, Industriellen, Geldleuten, da werde ich dich schon hineindrehen, hineindrehen … oder nicht hineindrehen …« Und dreht mit den Fingern.
Guter Rat will lange raten. »Wisse«, spricht er, »es gibt hier drei Handelsgesellen, die haben eine Gesellschaft und ein Ross- und Hunds-Dividenden-Geschäft aufgemacht, die würden dir helfen oder nicht helfen und dich als Angestellten oder Helfer mit einem Lohn von 100 oder 150 Pesos dingen, denn es sind die tugendsamsten, ehrlichsten oder unehrlichsten Leute, ihre Gesellschaft aber ist eine Kommandit-, Faillite- oder nicht Faillite-Gesellschaft; die Schwierigkeit ist aber die, dass man jeden von ihnen allein ertappen und sich allein mit ihm Privat besprechen muss, dieweil da von alten Zeiten her viel Gift und Stank ist und einer dem anderen so Verekelt, dass einer beim anderen Verekelt ist und alleweil ekelt. Die Schwierigkeit ist aber die, dass keiner einen Schritt vom anderen weicht. So will ich dich denn dem Baron vorstellen, denn das ist ein freigebiger, großherziger Mann und wird dir seine Gnade nicht versagen; jedoch ist guter Rat teuer, wenn Pyckal dich beschimpft und dich vor dem Baron ein Verdammtes Aas heißt, der Baron dich vor Pyckal ausschilt, sich aufbläst, mit Vollen Backen vor Pyckal auf dich losfährt, dann aber Ciumkała dich vor dem Baron und vor Pyckal prellt und vielleicht Anschmiert. Die Schwierigkeit ist nun die, wie man dich dem Baron gegen Pyckal, dem Pyckal gegen den Baron (hier dreht er mit den Fingern).« Lange haben wir noch über dies und das geschwätzt, auch der Freunde aus Alten Zeiten gedacht, und am Ende (vielleicht war es schon zwei Uhr nachmittags) bin ich mit meinen Gepäckstücken in die Pension, welche er mir angewiesen Hatte, gefahren und habe dort ein kleines Zimmerchen für 4 Pesos täglich gemietet. Die Stadt ist, wie eine Stadt so ist. Die einen Häuser sind sehr hoch, manch anderes steht niedrig da. In den engen Gässchen ist groß gedränge, dass man sich kaum durchdrängeln kann, und es gibt viel Fahrzeuge. Krach, Gehup, Gebrüll, Geschrill, und der Luft ganz unleidliche Feuchte.
Niemals werde ich diese meine Ersten Tage in Argentinien vergessen. Am nächsten Morgen, kaum dass ich in meinem Zimmerchen aufgewacht bin, ist durch die Wand das Weinen, Stöhnen und Wehklagen von einem Alten Opa an mein Ohr gedrungen, und von seinem ganzen Lamentieren habe ich nur immer Verstanden »guerra, guerra, guerra«. Zwar haben die Zeitungen schon mit kreischender Stimme den Ausbruch des Krieges verkündet, aber wer Hat denn da schlau draus werden sollen, wenn der eine sagt, so und hü, und der andere sagt, so und hott, es verläuft sich im sande, es verläuft sich nicht, sie schlagen los, sie schlagen sowieso nicht los, und es ist Grau und Dumpf wie auf dem Acker beim Regen. Der Tag war hell und sonnig. In der menge verloren habe ich mich über mein Verlorensein gefreut und spreche sogar laut zu mir: »Was schadets dem Schlammfisch, wenn sie den Krebs schlagen.« Aber da Schlagen sie! Vor den Zeitungs-Redaktionen wimmelt es von Leuten. Ich bin in eine billige Wirtschaft gegangen, etwas essen, und habe ein Bife für 30 ctvs verzehrt, aber ich spreche (immer noch zu mir selbst): »Der Zeisig bleibt heil, auch wenn sie den Hammel störzen.« Aber da störzen sie! Danach bin ich dann an den Fluss gegangen, dort war es leer und still, ein Lüftchen weht, und ich spreche zu mir: »Da zwitschert der Hänfling, aber der Dachs sitzt in der Falle, dass er gleich aus der Haut fahren möchte.« Und da möchten sie gleich aus der Haut fahren … und hinter der Tenne, hinterm Teich, hinterm Wald ist ein gottloser Krach, Gebrüll, Schlagen, Morden, sie bitten um erbarmen, aber sie geben kein Pardon und der Teufel weiß, was los ist, und gewisslich auch der Teufel nicht!
Da spreche ich: »Zu was soll ich in die Gesandtschaft gehen, in die Gesandtschaft will ich nicht gehen, und weil die Mähre Mager war, soll sie Krepieren«. Und da Krepieren sie. Ich spreche also: »Ich schwöre bei allem was mir heilig ist, ich will mich da nicht einmischen, denn das ist nicht meine Sache, und wenn sie sterben müssen, sollen sie eben sterben«, aber mein Blick ist auf ein klein Würmchen gefallen, das kletterte an einem Grashalm hinauf, und ich sehe, dies Würmchen, an diesem Ort und zu dieser Zeit, in eben diesem Augenblick und an diesem Ufer, hinter diesem Ozean, es klettert und klettert, klettert und klettert, und da Hat mich die allerschlimmste Furcht erfaßt, und ich habe gedacht, lieber gehe ich doch in die Gesandtschaft, ach, ich gehe hin, ja, ich gehe, ich gehe, Jesus Maria, ich gehe, ich gehe lieber hin … und bin hingegangen.
Die Gesandtschaft nahm aber ein ansehnliches Gebäude an einer recht distinguierten Straße ein. Wie ich nun an dieses gebäude komme, bleibe ich stehen und frage mich, soll ich hineingehen oder nicht hineingehen, denn zu was soll ich zum Bischof gehen, wo ich doch ein Ketzer, Verräter am Glauben und Lästerer bin. Doch sogleich Hat sich der schlimmste Hochmut eingestellt, mein Stolz, welcher mich von Kindesbeinen an gegen meine Kirche gelenkt hat! Hat mich doch nicht dazu meine Mutter geboren, ist doch nicht dazu mein Verstand, meine Überlegenheit, mein Künstlertum und der unvergleichliche Höhenflug meiner Natur da, ist nicht Dazu mein durchdringender Blick, meine stolze Stirne, mein scharfes, heftiges Denken da, dass ich im Schlechteren, Geringeren Heimatkirchlein mich zur Messe, ach, wohl zur Schlechteren, Billigeren Messe im billigeren, nichtigeren Chor bedudeln lasse, zusammen mit meinen anderen heimatlichen Heimatgenossen! Oh nein, nein, nicht dazu bin ich Gombrowicz, dass ich vor dem dunklen, unklaren, und vielleicht Irrwitzigen Altar niederkniee (aber sie Schlagen!), nein, ich will da nicht hingehen, die Sache ist schlecht und geringfügig (aber sie Morden, Morden!). Und in Mord, in blut, im Getümmel der Schlacht bin ich in das Gebäude eingetreten.
Drinnen aber ist Stille gewesen und eine große Treppe, mit einem Teppich belegt. Am Eingang Hat mich der Hauswart mit einer Verbeugung empfangen und mich die Treppe hinauf zum Sekretär begleitet. Im ersten Stock war ein großer Säulensaal, darin ist es recht finster und kalt gewesen, und nur durch die Kleinen bunten Fensterscheiben sind Bündel von Lichtstrahlen eingefallen und haben sich auf den Gesimsen, schweren Stukkaturen und Vergoldungen niedergesetzt. Indem ist der Rat Elsterschwantzki zu mir herausgekommen, in dunkelblauem schwarzem Anzug, mit Zylinder sowie Handschuhen, und nachdem er leicht den Zylinder gelüpft, Hat er mich halblaut nach dem Grund Meines Besuches gefragt. Wie ich ihm sage, dass ich mit seiner Hochwohlgeboren dem Gesandten mich zu besprechen wünsche, fragt er: »Mit seiner Hochwohlgeboren dem Gesandten?« Ich spreche also, jawohl, mit seiner Hwg. dem Herrn Minister, er aber sagt: »Mit dem Minister, mit allerhöchst dem Herrn Minister selbst wollt Ihr sprechen?« Wie ich nun sage, freilich, mit seiner Hwg. dem Gesandten möchte ich mich besprechen, senkt er das Haupt auf die Brust und gibt mir zur Antwort: »Ihr sagt, mit dem Gesandten, mit dem Herrn Gesandten selbst?« Ich sage also, ja freilich, mit dem Herrn Minister, denn ich habe ein Wichtiges Anliegen, er aber spricht: »Ah! Nicht mit dem Rat, nicht mit dem Attaché, nicht mit dem Konsul, sondern mit dem Minister selbst wollt Ihr sprechen? Doch wozu? Doch zu welchem Zweck? Doch wen kennt Ihr hier? Und mit wem verkehrt Ihr hier? Mit wem seid Ihr befreundet? Wen pflegt Ihr zu besuchen?« So fragte er mich aus und setzte mir immer schärfer Zu und kam mir bei und veranstaltete zuletzt eine Leibesvisitation und zog mir einen Bindfaden aus der Tasche. Indem geht weiter hinten eine Tür auf, und seine Hwg. der Gesandte schaut heraus, und dieweil ich ihm schon bekannt gewesen bin, Hat er mir Zugenickt: infolge welchen Zunickens der Rat in Verbeugungen zerfließend und mit dem Steiße scharwenzelnd und mit seinem Zylinder wedelnd mich ins Kabinett geführt hat.
Der Minister Kosiubidzki Feliks ist einer der Sonderbarsten Menschen gewesen, auf die ich in meinem Leben getroffen bin. Dünn Dicklich, etwas fett, hatte er auch eine Nase, die ziemlich Dünn Dicklich war, ein undeutliches Auge, Schmale Dickliche Finger und gleichfalls ein Schmales und dickliches oder fettes Bein, und seine kleine Glatze war ihm wie von Messing, auf die hatte er seine schwarzen roten härchen gekämmt; er rollte gerne das Auge und rollte es ein um das andere Mal. In Auftreten und Leibeshaltung legte er einen ungemeinen Sinn für seine Hohe Würde an den Tag und erwies sich mit jeglicher Bewegung die Ehre, und auch den, mit dem er gerade sprach, beehrte er mit seiner Person stark und ohne Unterlass, dass man schon bald auf den Knieen mit ihm sprach. Sogleich bin ich drum in Tränen ausgebrochen, ihm zu Füßen gefallen und Habe ihm die hand geküsst; und indem ich ihm meine Dienste, Blut, Hab und Gut befahl, habe ich die Bitte getan, er wolle mich in solch Hl. Augenblick, nach seinem Hl. Willen und Gutdünken verwenden und über meine Person verfügen. Allergnädigst hat er mich und sich durch sein Hl. Anhören geehrt, mich gesegnet, mit dem Auge gerollt und hernach gesagt: »Mehr als 50 pesos (er zog seinen Geldbeutel) kann ich dir nicht geben. Mehr geb ich nicht, denn mehr Hab ich nicht. Aber wenn du nach Rio de Janeiro fahren willst und dich an die dortige Gesandtschaft hängen, dann allerdings kann ich dir noch was für die reise und sogar noch einen zusätzlichen Abstand zulegen, denn Literaten will ich hier Keine haben: die Melken und Verleumden nur. Fahre darum nach Rio de Janeiro, ich rate dir gut.«
Stellt euch mein Erstaunen und meine Verblüffung vor! Da bin ich ihm wieder zu füßen gefallen und habe ihm (weil ich meinte, er hätte mich nicht gut verstanden) wiederum meine person befohlen. Er spricht: »Gut gut, hier hast du 70 Pesos, aber Melke nicht länger, ich bin keine Kuh.«
Ich sehe also, dass er mich mit Geld abspeist; und nicht einfach mit Geld, sondern mit Kleingeld! Nach einer so schweren Beleidigung steigt mir das Blut in den Kopf, ich sage aber nichts. Ich sage erst: »Ich sehe, ich muss dem Hochwohlgeborenen Herrn sehr klein sein, denn Ihr speist mich auch mit Kleingeld ab, und sicher zählt Ihr mich unter die Zehntausend Literaten; aber ich bin nicht nur Literat, sondern auch Gombrowicz!«
Er fragt: »Was für ein Gombrowicz?« Ich spreche: »Gombrowicz, Gombrowicz.« Er rollt das Auge und spricht: »Wohlan, wenn du Gombrowicz bist, so hast du hier 80 Pesos, und komme nicht wieder her, denn es ist Krieg und der Herr Minister beschäftigt.« Ich spreche: »Krieg.« Er versetzt mir: »Krieg.« Darauf ich ihm: »Krieg, Krieg.« Da ist er ohne Spaß erschrocken, dass ihm die Backen erbleichten, rollte mir sein Auge: »Wie? Hast du eine Nachricht? Hat man dir etwas gesagt? Gibt es Neuigkeiten? …«, doch da kommt er wieder zu sich, räuspert sich, hüstelt, kratzt sich hinter dem Ohr und Klopft mir auf die Schulter: »Das ist nichts, gar nichts, keine Angst, wir werden den Feind schlagen.« Gleich schrie er lauter: »Wir werden den feind schlagen!« Da schrie er denn noch lauter: »Wir werden den Feind schlagen! Schlagen!« Steht auf und schreit: »Schlagen! Schlagen!«
Wie ich diese Rufe von ihm höre und sehe, dass er von seinem sessel aufgestanden ist und Zelebriert, ja sogar Beschwört, falle ich auf die Kniee und schreie zu dieser Hl. Zelebration: »Wir werden ihn schlagen, schlagen, schlagen!«
Er verschnauft. Rollt das auge. Sagt: »Wir werden ihn schlagen, den Hundsfott, das sage ich dir, und ich sage es dir, dass du nicht sagst, ich hätte dir gesagt, wir Schlagen ihn nicht, drum sage ich dir, dass wir ihn Schlagen, Besiegen, zu Mus werden wir ihn quetschen mit unserer Allerdurchlauchtigsten Großmächtigen Hand, zu Mus, zu Staub ihn zerschmettern und zerschlagen, auf unsere Säbel und Lanzen werden wir ihn spießen und zerdrücken und unter unserer Standarte und in unserer Majestät oh Jesus Maria, o Jesus, o Jesus, werden wir ihn zerspellen, Zerschlagen! Oh, Zerschlagen, Aufspießen, Zerschmettern! Was schaust du so? Ich sage dir doch, zerquetschen werden wir ihn! Du siehst und hörst doch, dass dir der Minister, der Durchlauchtigste Gesandte selbst sagt, dass wir ihn Zerquetschen, du siehst doch wohl, dass der Gesandte selbst, der Minister hier vor dir einhergeht, mit den Händen fuchtelt und dir sagt, dass wir ihn Zerquetschen werden! Dass du nicht kläffst, ich sei vor dir nicht Einhergegangen und hätte nicht zu dir Gesprochen, denn du siehst doch, dass ich Gehe und Spreche!«
Hier verwundert er sich, schaut mich mit einem Hammelauge an und sagt:
»Denn ich Gehe vor dir und Spreche!«
Danach sagt er:
»Denn der Gesandte, der Minister selbst Geht vor dir und Spricht … So bist du denn wohl nicht Irgendein Hinz oder Kunz, wenn seine Hochwohlgeboren der Gesandte so lange mit dir zusammensitzt und vor dir Einhergeht, Spricht, sogar schreit … Setzt Euch, Herr Redakteur, setzt Euch. Wie ist Euer Name, bitte?«
»Gombrowicz«, spreche ich. Er spricht: »Richtig, richtig, schon gehört, schon gehört … Wie sollte ich nichts gehört haben, wo ich vor Dir Gehe und Spreche … Wir müssen dem Gnädigen Herrn irgendwie zu Hilfe kommen. Dieweil du denn nun ein Schriftsteller bist, tät ich dich mit dem Verfassen von Zeitungsartikeln beauftragen, welche hier unsere Großen Schriftsteller und Genies beloben und berühmen, und ich will dir dafür wie du mir so ich dir 75 Pesos im monat bezahlen … denn mehr kann ich nicht. Wie der Stoff, so der Rock, sagt der Schneider. Ein großer Schuh paßt an keinen kleinen Fuß! Kopernikus, Chopin oder Mickiewicz kannst du beloben und berühmen … Um Gottes Willen, wir müssen doch die Unsrigen beloben und berühmen, sonst werden wir gefressen!« Hier Hat er sich gefreut und spricht: »Das hat gut aus mir gesprochen und ist das Richtigste für mich als Minister, doch auch für dich als Schriftsteller.«
Ich aber spreche: »Vergelt’s Gott, aber nein, nein.« Er fragt: »Wieso? Willst du nicht beloben und berühmen?« Ich versetze: »Nein, denn es ist mir Peinlich.« Er schreit: »Wieso ist es dir peinlich?« Ich sage: »Es ist mir peinlich, weil es die unseren sind.« Er rollt und rollt und rollt sein auge. »Was schämst du dich, du Güllenscheißer!« brüllte er. »Wenn Du Dein Eigenes nicht loben willst, wer soll es dir dann loben?«
Aber er verschnaufte wieder und sagte: »Weißt du denn nicht, dass jede Henne ihr Ei begackert?«
Da versetzte ich: »Ich bitte Euer Hochwohlgeboren ganz untertänig, aber es ist mir schon sehr peinlich.«
Er spricht: »Du Hammel, Du Spatzenhirn, siehst du denn nicht, dass Krieg ist, und eben Jetzo braucht’s dringend Große Männer, wenn wir die nicht haben, kann der Teufel weiß was passieren, und ich bin hier Minister und dazu da, dass ich unserer Nation ihre Größe vermehre, nicht wahr, und was mache ich jetzt mit dir, ich hau dir wohl aufs Maul …« Aber da hält er ein, Rollt wiederum das Auge und spricht: »Warte einmal. So bist du ein Literat? Was hast du denn da zusammengekritzelt, wie? Bücher?« Und er rief: »Schwantzka, Schwantzka, komm mal her …« Wie aber der Herr Rat Elsterschwantzki herbeigerannt ist, Hat er ihn mit rollendem Auge fixiert und mit ihm heimlich sich beredet, und mich mit rollendem Auge fixiert. Da höre ich denn nur, wie sie sagen: »Güllensch… r.« Und danach wieder »Güllensch… r.« Des weiteren spricht der Minister zum Rat »Ein Güllensch… r ist er gewisslich, doch Auge und Nase sind gut.« Spricht der Rat: »Auge und Nase sind ganz Gut, ob er gleich ein Güllensch… r ist, und auch die Stirne ist gut!« Spricht der Minister: »Ein Güllensch… r, anders kann es nicht sein, denn ihr alle seid Güllensch… r, ich bin auch ein G… sch… r, aber sie sind ebenfalls G… sch… r, wer kennt sich da Aus, wer weiß da schon was, niemand weiß Nichts, wer versteht da schon was, G… g…«
»G…«, spricht der Rat. »Na denn weiter mit ihm!«, spricht der Minister. – Ich gehe da gleich so ein wenig Auf und Ab, indes Pardauz! Mir nichts dir nichts Geht er da gleichfalls Auf und Ab und Geht und Geht im Salon herum, runzelt die Brauen, senkt den Kopf, schnauft, lärmt, balzt, Kracht und Rollt das Auge: »Das ist uns eine ehre! Eine Ehre, denn wir haben einen Großen Polnischen Schriftsteller zu Gast, vielleicht den Größten! Das ist unser Großer Schriftsteller, vielleicht ein Genius! Was glotzt du, Schwantzka? Begrüße den großen g…, will sagen, dings … unseren Genius!«
Da macht mir der Rat einen tiefen Bückling.
Da macht mir der Hwg. Minister eine Verbeugung.
Da will ich in meiner schweren Beleidigung diesen Menschen schlagen, dieweil ich sehe, dass sie spotten und scherze treiben! Aber der Minister drückt mich auf den Sessel! Der Rat Elsterschwantzki leckt mir den Stiefel! Der Minister Gesandte höchstselbst fragt mich nach meiner Gesundheit! Schaut mich an, dann aber seinen schwarzen Filzhut für 36 $, der Rat wiederum bietet mir seine Dienste an! Der Gesandte hwg. erkundigt sich denn also nach meinen Wünschen und Befehlen. Der Rat bittet mich denn also um einen Eintrag im Goldenen Buch! Der Minister führt mich denn also am Arm durch den Salon, und der Rat hüpft um mich herum, hüpft auf mich ein! Und der Minister sagt: »Ein Großer Tag, denn wir haben Gombrowicz zu Gast.« Und der Rat Elsterschwantzki: »Gombrowicz unser Gast, höchstselbst der Genius Gombrowicz!« Der Minister: »Dies ist ein Genius unserer Berühmten Nation!« Elsterschwantzki: »Der Große Mann unserer großen Nation!«
Dies war denn also meine sonderbare, allersonderbarste Begebenheit und Historia! Wusste ich doch, dass es G… sch… r sind, die mich als G… sch… r ansehen und dies alles als G…, g…, und ich hätte diese G… sch… r am liebsten auf die Rübe gehauen … Doch handelte es sich um niemand Anderen als den Gesandten Minister höchstselbst sowie um den Rat … und daher meine Verlegenheit, meine Angst, wo mich doch so wichtige Personen ehren und honorieren. Und wenn in diesem Salon der Minister und der Rat auf mich einspringen, mich Honorieren, wenn sie mir nachlaufen, so kann ich in Anbetracht des hohen Amtes, der Würde, des Gewichts dieser G… sch… r derlei Ehren nicht abweisen und von mir weisen. So bin ich denn wie die Zwetschge in die gülle gefallen! Da ist der Gesandte wieder zum Schnaufen gekommen und Hat etwas gutmütiger gesagt: »Na denk daran, du Güllenscheißer, dass du hier durch die Gesandtschaft geziemlich geehrt worden bist, und jetzo trachte danach, dass du uns vor den Leuten keine Schande machest, denn wir werden dich den Leuten Ausländern als Großen G. Genius Gombrowicz zeigen. Solches erfordert aber die Propaganda, und alle sollen wissen, dass unsere Nation mit Genies reichlich versehen ist. Zeigen werden wir’s ihnen, wie, Schwantzka?« – »Zeigen werden wir’s ihnen«, versetzte der Rat, »zeigen: G… sch… r sind’s und werden nichts merken.«
Erst auf der Straße habe ich meinem empörten Gefühl freien Lauf gelassen! Ach, was war das, wie das, woher das, ach, was war da geschehen?! Ach, es hatte mich denn also vermutlich wieder erwischt! Oh Jesus, oh Gott, wieder Hatte es mich in meinem Leben ertappt, und die Falle war zugeschnappt! Sollte ich mich denn niemals von meinem Schicksal befreien? Musste ich wieder mein Ewiges Schicksal und Gefängnis wiederholen?! Und wie mich hier nun meine Vergangenheit wie einen Strohhalm um und umtreibt, wie mich erneut meine verjährten Verwirrungen ereilen, da bäume ich mich auf wie ein Pferd, bebe und Brülle wie ein Löwe, schlage in heller Wut mit den Tatzen um mich und werfe mich gegen die Gitter meines neuen Gefängnisses. Ach, warum bin ich in die vermaledeite Gesandtschaft gegangen? Auf Größe waren sie gierig, die G… sch… r, Größe haben sie nötig, Genies große Helden, damit sie sich vor den Leuten sehen lassen können, seht her, wir haben den sozusagen Genius Gombrowicz, seht her, wie bedeutend wir sind, wie groß unsere Gloria, wie groß unser Verdienst, wie groß unser Palais, wie großartig unsere Möbelchen, unsere Flitter, Fransen und Trensen: Und so fürchtet denn Gott und lasset nicht zu, dass man uns den Hintern verhaut, denn wir haben den Genius Gombrowicz! Mit solch bübischem Schwurz will der Hwg. Gesandte Güllenscheißer den Leuten Ausländern die Augen wischen, denn er meint zu Recht, dass er den Amerikanern leicht einreden kann, was ihm beifällt, und wenn er sich vor mir Tief verbeugt, werde ich ihm vor den Leuten wie ein Teig aufgehen. Das kann doch aber nicht sein! Nichts da! Und da habe ich in meinem fürchterlichen Zorn ein ums andere Mal erst recht diesen Minister G… g… g… hinausgeworfen, abgefertigt, mit Stock und Knüttel davongejagt und hinausgejagt! Verfluchter Minister G…, welcher seine Nation nicht schätzt! Verfluchte Nation, die ihre Söhne nicht schätzt! Verfluchter Mensch und Nation, welche sich selbst nicht schätzen! Und indem ich voll Wut den Minister, jegliche Ämter, Würden, Ehren, Unsere Zeiten, Unser Leben, die Nation, den Staat G… g… g… verjage und vertreibe und mit Knüttel und Stock verdresche, habe ich wiederum diesen feilen G… sch… r von Minister entlassen, und wie ich ihn wohl 50 oder 60 mal entlassen und verjagt Hatte, habe ich ihn noch und wieder entlassen und fortgejagt! Indem bemerke ich, dass ich das Gelächter der Passanten hervorrufe, welche mich scheel anschauen.
Der drängende Zustand meiner Finanzen zwang mich zum Handeln; und ich musste sogleich zur Straße Florida gehen, wo ich mit Cieciszowski verabredet war. Die Floridastraße ist, wie ich schon erwähnt habe, von allen Straßen der Stadt die luxuriöseste; dort sind Läden und geschmackvolle Geschäfte aller Art, Kaffeehäuser und Konditoreien; und indem sie Fahrzeugen verwehrt ist, wimmelt und schwärmt sie von Spaziergängern, ist von der sonne erleuchtet, funkelt, glänzt und balzt wie ein Pfauenschwanz. Angeborene Schüchternheit, auch vielleicht etwelche Verlegenheit, hielten mich davon ab, Cieciszowski genaueren Bericht zu geben, was mit dem Minister gewesen sei, und so erwähnte ich nur, dass wir im Zorn geschieden seien. »Uch«, rief er aus und drehte mit den Fingern eine Mühle, »zu was bist du dort hingegangen, habe ich dir nicht gesagt, du sollst da nicht hingehen, obwohl, vielleicht hast du gut daran getan, dass du Gegangen bist! Und gut, dass du ihm die Nase geschneuzt hast, obwohl vielleicht auch Nicht gut, weil jetzt wird er dir Armem Kerl die Nase Schneuzen, schneuzen, schneuzen! Verbirg dich, versteck dich in einem Mauseloch, weil wenn du dich nicht versteckst, so werden sie dich finden! Oder versteck dich nicht, versteck dich lieber nicht, sage ich, denn wenn du dich versteckst, werden sie dich suchen, und wenn sie dich suchen, werden sie dich finden.« – So ins Gespräch vertieft gehen wir aber auf der Straße Florida! Dort glänzt hinter den Schaufensterscheiben der Reichtum und lockt das Auge und dort ist lärmendes Getümmel, Schwärme von Passanten, Verbeugungen, Begrüßungen. Eins ums andere Mal entbietet mein Cieciszowski seinen Bekannten ein lächeln, eine Handbewegung oder eine tiefe Verbeugung, zu mir aber spricht er leise: »Schau, schau, siehst du Frau Rotfederowa? Und das ist Direktor Pindzel, das der Vorsteher Kotarzycki, hallo, hallo, Herr Vorsteher! Das ist Mazik, das Bumcik, das Kulaski und das Polaski!« Ich gehe neben ihm und verbeuge mich gleichfalls höflich, wende mein Lächeln nach rechts und nach links, und die Schlange Florida brilliert, es paradieren die Señoritas! – »Schau, da steht die Klejnowa! Und das ist der Beamte Lubek.« Die Menschenschwärme werden aber immer dichter und bleiben vor den auslagen stehen, betrachten sie, und wenn sie von der einen Auslage weggehen, so gehen sie gleich zur nächsten, und ein jeglicher faßt etwas ins Auge, der eine gelb-schwarze Krawatten, modisch für 5,75 $, ein Dritter mit seiner Frau einen bordeauxroten Teppich mit Hühnerklein für 350, ein vierter Englische Spangen für 99, ein Fünfter einen Rasierapparat oder Ventilator, jene einen seidenen Unterrock mit sahneborte, diese spitze Schühchen mit Doppelnelson, jener Persischen Pfeifentabak aus Astrachan, oder ein Service, oder auch Zimmet. Da schauen sie denn einen gamsledernen Gelben Koffer für 320 an und sprechen: welch ein Koffer! – oder auch einen Eimer für 85, gleichfalls recht hübsch, oder auch diesen Schlafrock oder jenen Spaten. »Ich möcht gern das Mützlein dort kaufen für 7,20« – »Und ich diesen Sweater« – »Ich könnte dieses Thermometer brauchen oder dieses Barometer.« – »Erbarmen Sie sich, Trautester, dieser Schirm mit dem gebogenen Griff kostet 42 $, aber ich habe gestern einen besseren, englischen für 38 gesehen.« Und so von Laden zu Laden haben sie bald auf dies, bald auf jenes Geschaut und Geredet, und dann wieder in einen anderen Laden und wieder Reden und Schauen.
Indem packt Cieciszowski mich an der Hand: »Du bist ein Glückskind! Siehst du den Baron? Der Baron steht da, den Baron höchstselbst hast du erwischt, er ist es da vor dem Schaufenster, und zwar allein, ohne seine Handelsgesellen, gehen wir also zu ihm oder gehen wir auch nicht, und sprechen mit ihm über einen Posten für dich oder sprechen wir auch nicht! Grüß Sie, grüß Sie, lieber Baron, wie steht’s mit der Gesundheit, dem Erfolg oder Nichterfolg, und dies ist herr Gombrowicz, der, von der Heimat abgeschnitten, hier geblieben ist und mit uns unsere Ungewissheit und Angst teilt, aber auch irgendeine Beschäftigung sucht!« Da hat mich der Baron angeschaut! Und mich Allerherzlichst in die Arme genommen! Dann erst ist er erfreut ein Stückchen weggehüpft, wieder herbeigehüpft und Hat mich an die Brust gedrückt, vielleicht sollten wir was essen, vielleicht auch was trinken, er lädt mich zu sich nach Hause ein und sucht seine Frau, die ihm irgendwo abhanden gekommen ist, denn seiner Frau Hat er mich auch vorstellen wollen. »Kommen Sie doch am Dienstag zu uns! Wir würden uns freuen.« Da aber sprach Cieciszowski: »Er könnte eine Beschäftigung gebrauchen, denn er ist in Not, und ich habe ihn zu Ihnen gebracht, gnädiger Baron, ohne Umschweife: Wo reich gedeckt wird, da wird reich serviert.« – »Wie!« schrie der Baron – »in Not ist er? Schon erledigt! Machen Sie sich keine Sorgen mehr! Gleich heute befehle ich, dass Sie, lieber Herr, als mein Sekretär in die Gesellschaft aufgenommen werden mit einem Gehalt von 1000 oder 1500 Pesos! Wie? Schon erledigt! Die Arbeitsstunden setzt du dir selber fest! Das ist also erledigt, aber jetzt müssen wir das Begießen und bebeißen!« So gehen wir denn mit dem Baron einen heben, und alles scheint im Sonnenglanz geregelt zu sein, und ich habe wohl einen großartigen Beschützer, Vater und König gefunden, oh, ich danke Dir, Gott, nun wird mir mein Leben leichter, nun sind meine Sorgen und Gewissensbisse vergangen und verschwunden, aber was ist das, Gott, mein Gott, was geschieht denn da, warum wird mir der König, mein Baron, unversehens so unfeurig, still, klein und hässlich, warum zieht sich meine kleine Sonne hinter einer Wolke zurück? … Pyckal, Pyckal ist es, der herbeigesprungen kommt.
Pyckal, Handelsgenosse des Barons, war kleiner als dieser, gedrungener, und wenn der Baron ein herrlicher, großartiger, großgewachsener, stolzer Mann war, so schien dieser dem Hund aus dem Schlund oder hinter der Scheune hervorgekommen zu sein. Vergebens Befiehlt ihm der Baron und erklärt, dass er mich, seinen Freund, als Angestellten angestellt Hat; Pyckals ganze antwort darauf war, dass er erst mir, dann dem Baron die Kehrseite zuwendete, Ausspie und sagte: »Sie sind wohl vom Bullen gefallen, dass Sie ohne vorherige Vereinbarung mit mir neue Angestellte ins Geschäft aufnehmen, Sie sind wohl ein Kretin, na da werde ich dir deinen neuen Angestellten verjagen, raus, raus, raus!« Über eine so fürchterliche Flegelei empört, konnte der Baron im ersten Moment kein wort herausbringen, dann aber schrie er: »Veto! Ich verbiete!« – Da riß Pyckal erst recht das Maul auf: »Dir selbst verbiete und nicht mir! Was glaubst du, wem du da verbietest?!« Schrie der Baron: »Machen Sie hier keinen Skandal!« Schrie Pyckal: »Pimpelfritze, Pimpelfritze, ich werd ihn mir vornehmen, deinen pimpelfritzen, Verdreschen werd ich ihn! …«, und fuhr mit den fäusten auf mich los, und schon will er mich Schlagen, totschlagen, vielleicht blau schlagen, schon will mich dieser Henkersknecht abmurksen, Untergang, Vernichtung droht mir, aber was ist das, warum hält mein Henker ein, wieso schlägt er mich nicht? … Dieweil da Ciumkała, der dritte handelsgenosse des Barons, von irgendwo, von der seite auftaucht!
Ciumkała, ein knochiger, Glotzäugiger Blonder, rothaarig, nimmt seine Schirmmütze ab und reicht mir seine Große Rote hand: »Ciumkała ist mein Name!« Dadurch versetzt er Pyckal in plötzliche Verblüffung. »Hilfe« – brüllte Pyckal – »da schlage ich den hier, und dieser fährt mir mit seiner Pfote dazwischen, hab ich doch im leben keinen größeren Kretin und Narren gesehen, was fährst du dazwischen, was mischt du dich ein?« – »Veto«, schrie der Baron, »Ich verbiete!« Ciumkała, von diesem schrei erschreckt, schämte sich, fuhr mit seiner Großen hand in die Tasche und begann mit der hand in der Tasche zu wühlen; doch sogleich schämte er sich seines Wühlens und gab aus scham vor, dass er etwas in seinen Taschen suche; damit versetzte er den Baron und Pyckal noch mehr in Wut. »Was suchst du da, du Gimpel«, schrien sie, »Was suchst du, du Tollpatsch, was suchst du?! …« Da zog Ciumkała, vor Scham kaum noch am Leben und rot wie eine Rote Beete, aus der Tasche nicht nur seine Hand, sondern auch einen Flaschenkorken, etwelche zerknüllte Papierchen, einen Kaffeelöffel, Schnürsenkel und getrocknete Fischlein hervor. Wie sie aber die Fischlein erblickten, ist sofort stille entstanden … denn von diesen Fischlein ist ihnen irgendwie verdrüsslich zumute geworden.
Ich habe mir in Erinnerung gerufen, dass Ciecisz gesagt Hatte, es gebe da zwischen ihnen, wie unter Handelsgenossen üblich, altes Gestichel, Gesäure und Gegifte, wie es hieß wegen einer Mühle, eines Fischteichs; aus eben diesem Grunde hat es dem Pyckal beim anblick der Fischlein schier den Atem verschlagen, und er brüllte: »Meine Karauschen, meine Karauschen. Das wirst du mir büßen, ich werd dich an den Bettelstab bringen«; aber der Baron Hat nur den Adamsapfel bewegt, geschluckt, seinen Kragen gerichtet und gesagt: »Kathaster.« Worauf Ciumkała entgegnet: »Die Scheune ist vonwegen dem Buchweizen abgebrannt«, da schielt Pyckal, brummt: »War doch wasser da«, und so sind sie da gestanden und Gestanden, da hat sich Ciumkała hinter dem Ohr gekratzt; wie er sich aber am Ohr kratzt, scheuert sich der Baron am Knöchel, Pyckal hinwiederum an seinem Rechten Unterschenkel. Sagt der Baron: »Kratz dich nicht.« Spricht Pyckal: »Ich kratz mich nicht.« Ciumkała sagte: »Ich habe mich Gekratzt.« Sprach Pyckal: »Ich werd dich Kratzen.« Sagt der Baron: »Kratz nur, kratz, das ist dein Metier.« Sagt Pyckal: »Ich werd dich Nicht Kratzen, soll der Sekretär dich kratzen.« Spricht der Baron: »Mein Sekretär wird mich Kratzen, wenn ich’s ihm befehle.« Sprach Pyckal: »Ich werde Mir deinen Sekretär dingen und werde mir ihn dir wegnehmen, und mich wird er Kratzen, wann ich will, denn du bist zwar der Herr der Herren, und ich der Bauerntölpel der Bauerntölpel, aber mich wird er dir Kratzen, wann mir danach ist oder nicht ist. Kratzen wird er.« Spricht der Baron: »Einer ist der Bauerntölpel der Bauerntölpel, und einer ist der Herr der Herren, doch wirst du mir diesen Sekretär nicht dingen, ich werde ihn dir mir dingen und mich nicht dich wird er Kratzen.« Indem bricht Ciumkała in bitteres großes Weinen aus und ruft: »Oh, Hilfe, Hilfe, oh, was wollt ihr euch alles für euch Kratzen zu meinem Schaden, zu meinem Verlust und zu meiner Not, oh, da werd ich ihn euch mir dingen, ich werde ihn Dingen!« Da ziehen sie an mir, zerren mich, einer reißt mich dem anderen weg, Ziehen, Ziehen, und so haben sie mich in ein Haus gezogen, da war eine Treppe, auf dieser Treppe ziehen sie mich hoch und zerren, und einer reißt mich dem Anderen weg, dort ist eine kleine Tür an der Seite, daran ist ein Schild »Baron, Ciumkała, Pyckal, Ross Hunds Geschäft«, und jenseits der Tür ist ein großes, finsteres Vorzimmer, und darin sind Stühlchen. Auf eines von den Stühlchen haben mich der Baron dem Ciumkała, Ciumkała dem Baron und dem Pyckal, Pyckal dem Ciumkała und dem Baron zum Trotz draufgesetzt, haben mich sehr höflich ersucht, ein wenig zu warten, und sind in ein anderes Zimmer gegangen, wo auf der Tür die Aufschrift geschrieben stand »Güter und Geschäfts Verwaltung, Zutritt verboten«.
Allein gelassen (denn Ciecisz war schon längst entwichen), habe ich mich in der Stille, welche nach unserem geräuschvollen Auftritt eingekehrt war, ringsherum neugierig umgeschaut. Die Sonderlichkeit dieser Leute (und schwerlich würde ich Sonderbarere in meinem Leben gefunden haben) und der Krakeel, den sie untereinander aufführten, wollten mir jeglichen näheren Umgang mit ihnen verleiden; doch zwang mich die Hoffnung auf einen ständigen, vielleicht Größeren Verdienst zum Bleiben. Das Vorzimmer war, wie gesagt, finster, mit dunklem Papier ausgeklebt, das Papier aber war sehr ausgefranst … hier wieder ein fetter Fleck … oder ein Loch, und wieder eine Beschädigte, aber geflickte eine von fliegen besprenkelte Stelle, ein Kerzenleuchter, überall heruntergetropftes Stearin. Die Fußbodenbretter waren ausgefranst, vom Gehen blank, und da lispelt im Winkel geheimnisvoll eine alte Zeitung, dort eine Spitzrute, indem die Zeitung sich raschelnd bewegt, denn es sitzen gewisslich die Mäuslein darunter. Gleich setzte sich auch der Schuh in Bewegung und näherte sich dem Schnupftabak, und ein klein Würmchen kam aus einer Spalte im Fußboden hervorgekrochen und strebte emsig dem Zucker zu.
Unter diesem Geraschel öffnete ich die tür, die in den nächsten Saal führte. Ein großer, langer und Finsterer Saal, und eine Reihe von Tischen, an welchen die Angestellten saßen, fleißig über Skripten, Register und Folianten gebeugt; und Papiere hat es da so viele gegeben und davon war alles so behäuft und Überhäuft, dass man sich fast nicht Hat rühren können, dieweil auch am Boden überall eine Menge Papiere und Scharteken lag; und die Register drängten zu den schränken heraus und krochen an die Decke, überzogen die Fenster und überhäuften das ganze Bureau. Wenn also einer von den Angestellten sich gerührt hat, so Hat es in diesen Papieren geraschelt wie eine Maus. Gleichwohl hat es unter den Papieren viele andere Gegenstände gegeben, als da sind Fläschchen, ein gebogenes Blech, weiter eine zerscherbte Untertasse, ein Esslöffel, ein Stücklein Shawl, eine kahle Bürste, weiter ein Stückchen Ziegelstein, daneben ein Korkenzieher, ein Bissen Brot, viele Schuhe, auch Käse, Bettfedern, ein Teekessel und ein Schirm. Mir zunächst saß ein alter hagerer Angestellter und hielt seine Stahlfeder ans Licht, um sie recht betrachten und mit dem Finger prüfen zu können, hatte wohl ein Ohrensausen, weil ihm watte im ohr steckte; hinter ihm war ein zweiter Angestellter, der war jünger und rotwangig, rechnete auf einem Rechenbrett und nagte zugleich an einer wurst, weiter eine herausstaffierte, wie eine Vogelscheuche aufgedonnerte Angestellte, die sich im Spiegel bewundert und sich die Löckchen zurechtzupft, und ferner andere Angestellte, vielleicht acht oder zehn an der Zahl. Einer schreibt; ein anderer sucht im Register. Unterdessen wird das Vesper gebracht, nämlich Becher mit Kaffee und Brötchen auf einem Tablett, da unterbrechen alle Angestellten ihre Tätigkeit und machen sich ans Essen, und sogleich beginnt dann auch, wie gewöhnlich, das Gespräch. Das Lachen wandelte mich an beim Anblick des Kaffeetrinkens jener Angestellten! Denn es war auf den ersten Blick zu sehen, dass sie, die seit vielen Jahren in diesem Bureau saßen, täglich denselben ewigen Kaffee tranken und ihr ewiges Brötchen anbissen, sich mit immer denselben alten Witzen unterhielten, im Fluge und auf Anhieb alles ihrige verstanden.
Die Angestellte strich denn also ihre Löckchen zurück und sprach dazu »plum« (das Hatte sie aber gewisslich schon tausendmal gesagt), worauf der dicke Kassierer, der hinter ihr saß, ausrief: »Da Rollt sich das Kätzchen bei der Mami zum Kater!« Dies rief ungewöhnliche Freude hervor, es lachten alle Angestellten und hielten sich den Bauch! Kaum war das Lachen irgendwo in den Papieren versickert, droht der alte Buchhalter mit dem Finger … und gleich halten sich alle die Bäuche, weil sie schon wissen, was er sagen wird … er sagt aber »Rolle, tolle, bum ätsch ätsch Gelolle!«, da freuen sich die Angestellten noch mehr als zuvor und rascheln in den Papieren. Die Angestellte hinwiederum hob mit dem linken kleinen Finger ein wenig ihre rechte Wange! Die Angestellte hob mit ihrem kleinen Finger ein wenig ihre Wange! … da klopfte der Buchhalter dem jüngeren, rotwangigen Angestellten stark auf die Schultern und flüsterte ihm zu: »Schade um deine Tränen schade um deine Tränen, Józef, Józef, denn bedenke doch, Schere, Tellerchen, Fliege, Fliege war da …«