Traum eines Sommers - Katrin Bohn - E-Book

Traum eines Sommers E-Book

Katrin Bohn

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Beschreibung

Als die junge Frau Hanna immer unglücklicher in der Großstadt wird, beschließt sie die Zelte abzubrechen, und sich auf die Suche nach ihrem Glück zu machen. Sie landet schließlich in der schönen Küstenstadt Kühlungsborn, wo sie alle Chancen hat, glücklich zu werden. Kann sie sich darauf einlassen? Erfüllt sich dort ihr Traum eines Sommers?

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„ Alle Träume können wahr werden,

wenn wir den Mut haben,

ihnen zu folgen.“

- Walt Disney –

Inhaltsverzeichnis

1. Träume

2. Aufbruch

3. Ankunft im Paradies

4. Pension Seemannsgarn

5. Begegnungen

6. Ein Date mit Folgen

7. Beinahe gebrochene Herzen und Füße

8. Gemeinsam schafft man fast alles

9. Überraschung

10. Das Große Fest und noch mehr Überraschungen

11. Ein wunderbares Fest

12. Es wird Zeit

13. Hör auf dein Herz

14. Traum eines Sommers

15. Aus Traum wird Wirklichkeit

1. Träume

Manchmal ist es einfacher seine Träume zu verwirklichen, wenn man sie laut ausspricht.

Davon war Hanna felsenfest überzeugt. Egal was die Leute sagen oder denken.

Das war auf jeden Fall ihre Meinung!

Und dann muss man es auch einfach machen!

Wenn jemand was Blödes dazu zu sagen hat, macht er es doch sowieso. Punkt. Alle waren sie Neider!

Sie hatte für sich beschlossen, dass sie mit ihren vierunddreißig Jahren alt genug war, selber zu entscheiden was gut für sie war und was nicht.

Die die meckern wollten, würden es auch tun. Besonders wenn man versagt. Wenn man aber Erfolg hatte, dann zogen sie über einen her. Dann mussten sie vertuschen, dass sie im Unrecht sind.

Genauso war es doch. Man brauchte sich nur umzuschauen. Egal wohin man ging, gab es die Neider, die kein gutes Blatt an ihren Mitmenschen lassen, nur um ihr eigenes jämmerliches Dasein zu schützen. Sie konnten sich nicht ehrlich für andere freuen und zugestehen: das hast du aber gut gemacht. Oder: toll, wie du das hinbekommen hast.

Und deshalb musste sie dringend hier weg!

Sie wollte woanders hin. Dorthin, wo niemand sie kannte. Wo niemand eine Vorgeschichte zu ihr hatte und sagen konnte „ganz schön leichtsinnig, alles aufzugeben!“

Hanna war 34 Jahre alt. Allein stehend. Natürlich. Noch so ein Versager Punkt. Nicht für sie, für die anderen. Zum Beispiel für ihre Mutter. In deren Augen müsste sie mit 34 Jahren schon längst verheiratet sein, seit mindest zehn Jahren und schon zwei oder drei Kinder haben. Ihr Mann müsste natürlich irgendein hohes Tier bei der Bank sein.

Er müsste mindestens genauso viel Geld verdienen wie Hannas Vater, Manager einer Agentur für Schauspieler. Sie müsste in einem schicken, freistehenden Einfamilienhaus wohnen, mit riesigem Garten. Wo Platz ist für die zwei großen Wachhunde, die man dann natürlich auch haben muss.

Sie müsste ein schickes Auto haben. Am besten ein Cabrio, mit dem sie ihre Mutter zu gemeinsamen Wellness Ausflügen oder Shopping Touren abholen würde.

Ihre Kinder würden in der Zeit von der Nanny betreut werden. Die Nanny wäre natürlich auch keine Konkurrenz für sie bei ihrem Göttergatten, denn sie würde perfekt aussehen. Sie hätte ja genug Geld um immer nachzuhelfen, wenn sie mal nicht perfekt wäre.

Aber, so war es natürlich nicht.

Sie lebte in einer Großstadt in einem Single Apartment. Dieses bestand aus einer Kochnische, einem winzigen Bad mit Dusche, einem Wohn – Schlafzimmer und einer Mini - Loggia. Würde sie rauchen, hätte sie genug Platz um sich dorthin zu stellen. Aber so stand da nur eine kleine traurige Yucca Palme, die sich nicht traute zu wachsen, weil dort nicht genug Platz war.

Einen Vorteil hatte so eine kleine Wohnung schon. Sie konnte sie sich alleine leisten.

Ihre Mutter hatte schon oft versucht sie davon zu überzeugen, doch wieder bei ihnen einzuziehen. Oder sich wenigstens finanziell unter die Arme greifen zu lassen. Aber davon wollte Hanna nichts hören.

Das wäre ja noch schöner. Das würde ihre Mutter ihr für den Rest des Lebens vorhalten.

Und ins alte Kinderzimmer bei Mama und Papa einziehen? Sie war 34 und nicht vierzehn.

Sie würde allen beweisen, dass sie auch alleine klar kam. Und die Großstadt war sowieso nichts für sie. Da war alles so unpersönlich und kalt. Es wohnten so viele Leute in ihrem Haus, sie konnte nicht sagen wer ihr Nachbar war. Jeder schloss die Türe hinter sich und wollte mit der Welt da draußen nichts zu tun haben.

Hanna hatte sich entschieden, dass ihr das nicht mehr gefiel.

Sie sehnte sich danach, nette Menschen um sich zu haben. Nachbarn, die man auch mal um einen Liter Milch bitten konnte. Die man im Urlaub bitten konnte, den Briefkasten zu leeren ohne Angst haben zu müssen, dass die Wohnung bei dem Rückkehr aus dem Urlaub leer geräumt war.

Ob es so ehrliche Menschen noch gab? Manchmal glaubte sie nicht daran, doch sie würde die Hoffnung nicht aufgeben.

Und außerdem hatte sie genug von dem Großstadtmief. Die vielen Autos, Busse und Lkws mitten in der Stadt. Keiner nahm Rücksicht auf den anderen. Und die Straßenverkehrsregeln hatten wohl alle seit ihrer schriftlichen Führerscheinprüfung vergessen.

Es war beschlossene Sache, sie würde hier wegziehen. Ihren Eltern hatte sie noch nichts gesagt. Die würden nur wieder versuchen ihr die Sache auszureden bzw. zu vermiesen.

Sie würde sich nach einem Nachmieter umschauen, vielleicht konnte sie ihre Möbel mitverkaufen.

Denn sie wollte ganz von vorne anfangen. Am liebsten wollte sie irgendwo hin ans Wasser. Vielleicht an einen See oder ans Meer.

Hanna hatte in den letzten paar Jahren ein bisschen Geld zur Seite gelegt. Das sollte ihr für den Anfang helfen. Ihren Job im Büro bei einer Anwaltskanzlei war sowieso nicht Vollzeit gewesen. Und sie hatte noch ein paar Tage Urlaub, die sie nehmen musste. Mit der Chefin hatte sie schon gesprochen. Es würde kein Problem geben, aus dem Vertrag zu kommen. Die Chefin mochte Hanna, weil sie immer ehrlich und fleißig gewesen war. Natürlich war sie traurig, dass Hanna weggehen würde. Aber sie hatte ihr auch gesagt, dass sie jeder Zeit wieder zurückkommen und einen Job bekommen könnte.

Darüber war Hanna natürlich auch sehr glücklich. Es war schön, dass man gebraucht wurde und sie dadurch keinen Druck bei einem Neustart hatte. Im Notfall konnte sie jederzeit zurück.

Zu ihren Eltern sicherlich auch. Hanna liebte ihre Eltern, auch wenn es nach außen oft anders wirkte. Aber es war nicht einfach, mit ihrer dominanten Mutter klar zu kommen. Hanna wusste ja auch, dass ihre Mutter sie liebte. Aber die Art und Weise wie sie immer versuchte ihr das zu zeigen, fand Hanna nicht gerade mütterlich.

Ihre Eltern hatten durch den guten Job ihres Vaters viel Geld. Hanna war in einem sehr großen Haus aufgewachsen mit riesigem Garten und Pool. In ihrer Schulzeit hatte sie immer viele Freunde gehabt. Aber die wollten natürlich immer nur zu Hanna kommen. Sie wollten einen Blick in dieses Luxusleben werfen und ein wenig daran teilhaben. Und Hannas Mutter hatte es dann genossen, diverse Pool – oder Übernachtungspartys für Hanna und ihre „Freunde“ auszurichten.

Hanna schaute auf die Uhr. Sie war schon wieder spät dran zu ihrer Verabredung mit ihrer besten Freundin Tina. Tina und sie kannten sich seit der Berufsschule. Eine gefühlte Ewigkeit. Tina war immer für sie da gewesen, wenn sie konnte. Denn sie hatte immer nur ein begrenztes Zeitfenster. Tina hatte schon das erreicht, was ihre Mutter ihr immer vorhielt. Sie war verheiratet und hatte zwei niedliche Mädchen zur Welt gebracht. Daher war sie aber auch immer im Dauerstress. Haushalt, Kinder und ihre Verpflichtungen als liebende, fürsorgliche Ehefrau. Das nahm schon sehr viel Zeit in Anspruch.

Trotzdem schaffte sie es immer irgendwie, topgestylt zu sein. Jetzt nicht so überkandidelt wie zu einem Mädelabend in DEM Club. Aber Hanna musste doch immer neidlos eingestehen, dass ihre Freundin Top in Form war. Sie war immer perfekt dezent geschminkt und ihre Haare hatten diesen Undone Look, den Hanna schon etliche Male heimlich versucht hatte zu kopieren. Aber es wollte ihr einfach nie gelingen.

Und obwohl Tina immer sehr viel um die Ohren hatte, strahlte sie eine phänomenale Ruhe aus. Egal wie viel Chaos ihre kleinen Prinzessinnen auch verbreiteten, nie erhob sie die Stimme. Sie war liebevoll, geduldig und liebte ihre Kinder über alles. Und das konnte jeder spüren. Tina hatte einfach diesen Mütterinstinkt.

Und genau dieser kam nun eine halbe Stunde bei Hanna zum Vorschein, als sie sich in dem Café neben dem Spielplatz trafen.

Sie hatten diesen Treffpunkt strategisch ausgewählt, damit sie, mehr Zeit zum quatschen hatten.

Solange Marie und Sophie, ihre drei und fünf jährigen Wildfänge in Engelsgestalt ihr Eis aßen, unterhielten sie sich über belanglose Themen.

Doch kaum hatten die Mädchen aufgegessen und fingen an zu quengeln, zahlten sie und nahmen sich beide einen großen Latte Macchiato To Go im Pappbecher mit und setzten sich auf die Bank am Spielplatz, von wo aus sie alles überblicken konnten.

„Los, erzähl schon!“ sagte Tina.

„Was soll ich dir erzählen?“ erwiderte Hanna und löffelte scheinheilig ihren Milchschaum mit dem Plastiklöffel.

„Du kannst mir nichts vormachen. Irgendetwas ist im Busch!“ „Ach weißt du, ich habe noch ein paar Tage Urlaub und habe beschlossen wegzufahren.“

Tina schaute ihre Freundin Stirn runzelnd an. „Das ist doch nicht alles? Wen willst du hier für blöd verkaufen? Wenn es ein einfacher Urlaub wäre, hättest du mir das doch schon vor Wochen erzählt und ich müsste dir nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen! Was ist passiert? Wovon läufst du weg?“

Hanna schaute ihre Freundin an, dann schaute sie wieder weg um nicht in Tränen auszubrechen. Sie würde Tina so schrecklich vermissen. Dennoch stand ihr Entschluss fest.

„Weißt du, ich brauche eine Auszeit. Der ganze Mist hier nervt mich nur noch. Meine Mutter macht auch nur noch Druck, weil ich ihr leider noch nicht ihren Traumschwiegersohn präsentiert habe. Der ganze Mief hier. Ich habe das Gefühl erdrückt zu werden von den ganzen Häusern und Menschen und dem ganzen Konsum…“

Hanna beendete ihren Satz nicht. Sie schaute flüchtig zu Tina, die sie mit aufgerissenen Augen entgeistert anstarrte. Dann machte Tina den Mund wieder zu und sagte einen Moment gar nichts.

Schließlich fasste sie sich, nahm Hannas Hand und blickte ihr fest in die Augen.

„Bist du dir ganz sicher?“

Hanna entfuhr ein Schluchzen. Dann fiel sie ihrer besten Freundin um den Hals. Sie war erleichtert weil sie wusste, dass Tina sie unterstützen würde.

„Ich werde dich so vermissen!“ weinte sie bitterlich an Tinas Hals. Als sie Tina nun anschaute, nahm diese aus ihrer Tasche ein Paket Feuchttücher, die sie für ihre Kinder immer dabei hatte und reichte Hanna eins.

„Na na, du tust ja so, als würden wir uns nie wieder sehen! Auszeit? Wunderbar! Könnte ich manchmal auch gebrauchen. Aber mit Kindern ist es nicht immer so einfach. Genieße es! Lass deine Träume wahr werden! Und finde einen schönen Platz wo ein Urlaub sich lohnt, dann komme ich dich besuchen. Wenn du nicht vorher sowieso schon an meiner Haustüre kratzt!“ lachte sie und wischte Hanna mit dem feuchten Tuch das sie noch immer in der Hand hielt die Spuren von schwarzer Wimperntusche und Tränen aus dem Gesicht.

Hanna liebte Tina dafür, dass sie egal in welcher Situation immer hinter ihr stand und sie unterstützte und ermutigte.

„Danke!“ flüsterte sie ihr ins Ohr und konnte schon wieder lächeln.

„Und jetzt lass uns einmal überlegen wo die Reise hingeht… was ist denn mit dem Job und deiner Wohnung?“

Hanna erklärte Tina, was sie schon geregelt hatte.

„Wissen deine Eltern denn schon Bescheid?“ – „Bist du verrückt? Ich lebe doch noch!“

Hanna hatte nicht vor, ihren Eltern etwas von ihren Plänen zu erzählen. Sie würde ihnen nur sagen, dass sie in den Urlaub fährt und wohin. So wie immer. Wenn sie sich dann entschlossen hatte, wo sie bleiben wollte oder wie lange, dann würden ihre Eltern sowieso aufmarschieren und ihr lautstark erklären, was sie von dem ganzen hielten.

Aber das war ihr im Moment egal. Sie wollte einfach nur weg.

Bei einer zweiten Runde Latte Macchiato schmiedete sie die weiteren Pläne mit Tina. Und mit einer Verbündeten an der Seite, machte das sogar richtig Spaß.

Sie kicherten und klatschten in die Hände, bis Sophie ihre kleine Schwester Marie an der Hand zu ihrer Mutter führte, weil Marie dringend zur Toilette musste.

Tina nahm die zwei zerzausten Kinder lachend an die Hand, küsste sie kurz auf ihre Köpfe und beeilte sich mit ihnen zurück in das Café, um dort die Toilette aufzusuchen.

Versonnen blickte Hanna ihnen nach. Tina war eine glückliche Frau. Sie wollte nicht neidisch auf ihre beste Freundin sein, doch sie hatte alles was Hanna wollte. Oder brauchte.

Aber sie war auf dem besten Weg, sich ihre Träume zu erfüllen. Und sie würde alles dafür tun!

2. Aufbruch

Hannas Beichte, ihrer Freundin Tina gegenüber, war mittlerer Weile eine Woche her. Sie hatten in dieser Zeit sehr viel miteinander telefoniert, geredet, geschrieben, gelacht und geweint.

Aber vor allem geplant.

Tina konnte Hanna verstehen. Hannas Mutter war wirklich nicht einfach. Sie legte einfach sehr viel Wert auf das Gerede von Außenstehenden und was sie wohl denken würden.

Das war ziemlich anstrengend.

Deshalb hatte sie beschlossen, ihre Freundin mit aller Kraft zu unterstützen. Auch wenn das bedeutete, dass sie ihre geliebte Seelenverwandte nicht mehr so oft sehen würde wie gewohnt.

Aber wozu gab es denn Telefone?

Wichtig war, dass es Hanna gut ging.

Heute war ein wichtiger Termin. Hanna hatte einen Nachmieter gefunden. Ein junger Student, der seine erste Wohnung suchte. Und vielleicht würde er auch ein paar Möbel übernehmen. Für Hanna wäre das praktisch.

Sie blickte aufgeregt in die Zukunft und freute sich schon.

Ihre positive Stimmung übertrug sich auf den Interessenten, der pünktlich zur verabredeten Zeit mit seinen Eltern klingelte.

Hanna konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen.

Der Termin verlief sehr locker und freundlich und Hanna erklärte offen und ehrlich, warum sie auch die Möbel verkaufen wollte. Besonders die Mutter des Jungen schien sie sehr gut zu verstehen. Und so konnten sie sich schließlich darauf einigen, dass die Möbel in der Wohnung bleiben konnten. Die Eltern wollten die Kosten für ihren Sprössling übernehmen.

Lediglich „das ganze Deko Gedöns“, wie der Vater sagte, sollte Hanna ausräumen. Und ihre persönlichen Sachen natürlich.

Hanna hatte keinerlei Bedenken, dass ihre Eltern auf einmal vor der Tür stehen konnten, denn das Viertel hier war jetzt nicht gerade die von ihren Eltern bevorzugte Wohngegend. Und einen unangemeldeten Besuch hatte es noch nie von ihnen gegeben.

Die Kisten mit den Dekorationsartikeln und ihren persönlichen Sachen, die sie erstmal nicht mitnehmen würde, konnte Hanna solange bei Tina unterbringen.

Auch die letzten Tage vor der Reise, verbrachte Hanna in Tinas Gästezimmer. So sparte sie sich einen Monat Miete und konnte das Geld für ihren Neuanfang nutzen.

Die Zeit, bis zu ihrem Aufbruch, verging wie im Flug. Bald war es soweit. Am Montagmorgen sollte es losgehen. Am Samstagabend, saß Hanna mit Tina bei einem Glas Weißwein auf Tinas Terrasse und sinnierte über ihre Zukunft.

Wie es der Zufall wollte, hatte sie ihrer Mutter gestern von ihrem Urlaub erzählt, und dass sie sich noch ein Bahnticket kaufen musste.

Ihre Mutter war nicht sehr begeistert davon gewesen, dass Hanna noch nicht wusste wohin sie reisen wollte. Und das sie dann mit der Bahn fahren wollte, so alleine als Frau, war in den Augen von Hannas Mutter viel zu gefährlich.

Für einen kurzen Moment war ihre mütterliche, fürsorgliche Ader hinter der ewig lächelnden Maske hervor gekommen und sie hatte Hanna für heute Vormittag zu ihrem Anwesen bestellt, um ihr ihren silbernen Golf Cabrio zu leihen.

Als Hanna heute um elf Uhr auf den Hof kam, stand ihre Mutter schon neben dem frisch gewaschenen und voll getanktem Auto und begrüßte ihre Tochter überschwänglich.

„Hanna mein Schatz, da freue ich mich aber, das du mein Angebot annimmst.“ Tatsächlich hatte Hanna nur einen kurzen Moment gezögert, als das Angebot kam.

Schließlich wusste sie ja nicht, wann sie wieder zurückkommen würde. Aber dann hatte sie daran gedacht, dass es gerade am Anfang sicherlich einfacher sein würde, wenn sie flexibel war.

Ein eigenes Auto hatte sie bislang nicht gebraucht, da sie mitten in der Stadt gewohnt hatte und alles gut zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen konnte. Außerdem war sie so die Problematik mit der ewigen Parkplatzsuche umgangen.

Jetzt fiel sie ihrer Mutter in aufrichtiger Dankbarkeit um den Hals. Diese wunderte sich kurz, dann jedoch drückte sie ihre Tochter einmal kurz aber herzlich an ihre Brust.

„Danke Mama für das Angebot. Ich glaube das ist wirklich besser. Aber ich kann dir noch nicht sagen, wann ich zurück bin. Vielleicht gefällt es mir dort ja so gut, dass ich gar nicht mehr wieder komme!“ sagte Hanna und lachte.

Hannas Mutter verzog ihr Gesicht kurz zu einem süffisanten Lächeln, ignorierte diese Aussage aber komplett, als ob das sowieso niemals in Frage kommen würde. Wenn sie nur wüsste…

„Hier, ein kleiner Urlaubsbonus für dich!“ sagte sie wieder in ihrem kalten, unnahbaren Tonfall und reichte Hanna einen Umschlag.

Hanna wollte den Umschlag zuerst nicht annehmen, aber schnell schluckte sie ihren falschen Stolz hinunter. Gerade jetzt am Anfang konnte sie jeden Cent gebrauchen.

Daher hauchte sie ihrer Mutter Luftküsschen rechts und links an die Wangen und bedankte sich. Dann nahm sie den Umschlag, die Autopapiere und die Schlüssel und stieg in den Wagen.

„Auf Wiedersehen Mama! Und grüß mir Papa wenn er wieder da ist!“ Sie versprach sich zu melden wenn sie angekommen war und fuhr vorsichtig davon.

Im Rückspiegel sah sie, wie ihre Mutter ihr noch nachschaute. Ob sie wohl etwas bemerkt hatte?

Hanna schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht.“

Dann lenkte sie den Wagen in Richtung Tina und fuhr glücklich zu ihrer Freundin.

Jetzt, als die Kinder im Bett waren und sie mit Tina auf der Terrasse saß, schwenkte sie vorsichtig ihr Weinglas und sah nachdenklich durch das Glas hindurch.

Ob sie wirklich das Richtige tat? Aber jetzt gab es kein zurück mehr. Ihre wenigen Sachen, die sie mitnehmen wollte, passten problemlos in das Auto ihrer Mutter. Morgen wollte sie sich die Deutschlandkarte noch einmal genau anschauen. Dann würde sie entscheiden, wo sie hinfahren wollte.

Im Moment wollte sie einfach nur die letzten Stunden mit ihrer besten Freundin genießen.

Sie trank ihr Weinglas in einem Zug leer und hielt es Tina zum Auffüllen hin.

Am nächsten Morgen schlurfte Hanna mit halbgeschlossenen Augen in die Küche, immer dem Duft des Kaffees hinterher.

„Guten Morgen“ brummte sie, als sie Tina in der Küche antraf. „Wie kann man nur so früh schon so gute Laune haben?“ Hannas Worte waren weniger eine Frage, vielmehr eine Feststellung.

Sie hatten gestern Abend zwei Flaschen Wein getrunken. Was eigentlich nicht sehr viel war.

Doch irgendwie hatte Hanna den Wein gestern Abend nicht so gut vertragen wie sonst. Vermutlich lag das an ihrer emotionalen Verfassung.

Sie war hin und her gerissen zwischen Vorfreude, Angst und Aufregung.

Der Gedanke, dass sie ab Morgen keinen festen Wohnsitz hatte, sondern sich ihr Zuhause aussuchen konnte, hinterließ ein Kribbeln in ihrer Magengegend.

Hanna setzte sich an den Küchentisch und Tina stellte eine große Tasse Kaffee vor sie auf den Tisch.

Dann nahm sie sich auch eine Tasse und setzte sich dazu.

„Hast du dir jetzt schon überlegt, wo du hin möchtest?“ fragte sie Hanna.

„Ich bin mir noch nicht ganz sicher. Aber ich denke ich würde gerne an die Ostsee. Ich liebe einfach das Wasser. Aber dann möchte ich lieber an die Küste und nicht auf eine der Inseln. Sylt wäre nichts für mich, da fahren Mama und Papa immer hin. Ich will lieber zu den normalen Leuten.“ sagte Hanna und Tina verschluckte sich dabei fast an dem Kaffee.

In dem Moment kam Stefan, Tinas Mann mit den Mädchen in die Küche. Er umarmte Hanna und gab seiner Frau einen Kuss. „Guten Morgen!“ Auch Marie und Sophie strahlten, als sie Hanna und Tina sahen. Sie strömten erst zu ihrer „Tante“ und dann schlangen sie ihrer Mama die Ärmchen um den Bauch. „Guten Morgen!“ kam es wie aus einem Mund.

Lachend schoben sie ihre Mama auf den Stuhl und halfen dann ihrem Papa den Frühstückstisch zu decken.

Für eine kurze Weile vergas Hanna ihre Sorgen und sie lachten und erzählten sich viel bei einem leckeren Sonntagsfrühstück. Als Marie und Sophie fertig waren, fragten sie artig ob sie aufstehen durften.

Stefan räumte den Frühstückstisch wieder ab und Tina holte die Deutschlandkarte und breitete sie auf dem Tisch auseinander.

Gemeinsam mit Hanna schaute sie wie gebannt auf die Karte, als ob ihr hypnotischer Blick ihnen verraten würde, wo Hanna am Glücklichsten werden würde.

Sie studierten die Karte und die Städte Namen an der Küste.

„Ich glaube ich fahre erstmal einfach in Richtung Rostock und schaue dann dort wohin es mich verschlägt.“ Sagte Hanna. „Dort gibt es so viele schöne Städte und Orte.“ Hanna erinnerte sich gerne an die Urlaube mit ihren Eltern, als sie noch ein Kind war. Sie waren oft an der Küste gewesen, dann aber immer auf Sylt an der Nordsee.

Das Meer, der Strand, die Dünen… das hatte es ihr damals schon angetan. Sie liebte es einfach am Wasser zu sitzen und den Wellen zu lauschen. Am schönsten war es noch, wenn man beim Wellenrauschen einschlafen konnte.

Schon als Kind hatte sie gerne gelesen und konnte sich dann stundenlang mit einem guten Buch in den Strandkorb verkrümeln. Nicht nur einmal hatten ihre Eltern panisch den Strand abgesucht mit den Horrorgedanken, ihren leblosen Körper an Land gespült zu finden.

Hanna hatte es damals schon nicht verstanden. Ihre Eltern sollten sie doch besser kennen. Sie wussten doch, dass Hanna für ihr Alter schon sehr vernünftig war.

Wo sie ihre Vernunft jetzt gelassen hatte, vermochte sie nicht zu sagen. Aber das war Hanna jetzt auch egal. Sie freute sich auf ihren Neuanfang und konnte das Meer quasi schon riechen.