Treffpunkt Wolke Sieben - Lilian Dean - E-Book

Treffpunkt Wolke Sieben E-Book

Lilian Dean

0,0

Beschreibung

Die junge Autorin Riley Carpenter stößt auf dem Flughafen von New Jersey mit einem Fremden zusammen. Der Zusammenprall hat ungeahnte Folgen, denn sie vertauschen dabei ihre Handys. Als Riley das bemerkt und den Fremden kontaktiert, stellt sich heraus, dass er ein bekannter Sänger und Songwriter ist. Sie wollen die Handys bei einem persönlichen Treffen zurücktauschen, doch das gestaltet sich sehr viel schwieriger als gedacht, denn das Schicksal greift ein und sorgt für eine turbulente Achterbahnfahrt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 357

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




TREFFPUNKT Wolke Sieben
Über die Autorin
Impressum
1.
2.
3.
4.
5.
6.
7.
8.
9.
10.
11.
12.
13.
14.
15.
16.
17.
18.
19.
20.
21.
22.
23.
Epilog
Soulstrip

Lilian Dean

TREFFPUNKT Wolke Sieben

Passion Fruit Verlag

Über die Autorin

Schon als Kind liebte es Nadine Stenglein sich Geschichten auszudenken und diese niederzuschreiben. Unter ihrem Klarnamen und mit dem Pseudonym Lilian Dean hat sie bereits zahlreiche Bücher in den Genres Liebesromane, Fantasy und Krimi veröffentlicht und konnte sich so ihren Traum, Autorin zu werden, erfüllen. »Zur Schokoladen-Symphonie« ist ihr erster Roman unter dem neuen Pseudonym Cecilia Lilienthal. Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Bayern.

Impressum

Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.d-nb.deabrufbar.

Print-ISBN: 978-3-98752-001-3

E-Book-ISBN: 978-3-98752-501-8

Copyright (2022) Passion Fruit Verlag

Umschlaggestaltung: Grit Richter, Passion Fruit Verlag

nach einer Vorlage von TomJay, unter Verwendung des Bildes:

Stockfoto-Nummer: 104950337 von www.shutterstock.com

Buchsatz: Grit Richter, XOXO Verlag

Hergestellt in Bremen, Germany (EU)

Passion Fruit Verlag ein IMPRINT der EISERMANN MEDIA GMBH

Gröpelinger Heerstr. 149

28237 Bremen

Alle Personen und Namen innerhalb dieses Buches sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.

1.

Mr. Kaffeebecher

Mir kam es vor, als wolle die ganze Welt an diesem regnerischen Augusttag von New Jersey aus verreisen. Ich manövrierte mich in der Flughafenhalle um all die Leute herum, zückte mein Handy und tippte eine Nachricht für August. Das Seitenstechen ignorierte ich.

Hallo Schatz. In der Stadt und am Flughafen ist die Hölle los.

Aber bin in einer Minute da.

Kaum hatte ich die Nachricht abgeschickt, stolperte ich über etwas und federte sanft an dem weichen Hinterteil einer sich nach ihrem Koffer bückenden Dame ab. Diese drehte sich mit aufgerissenem Mund zu mir um, brachte aber – Gott sei Dank – kein Wort über die Lippen.

»Entschuldigung vielmals«, stammelte ich und eilte weiter.

Mein Handy rührte sich nicht. Hoffentlich war August nicht sauer, weil ich mal wieder zu spät kam. Ich hatte keine Lust, mir die alte Leier anzuhören. Verdammt, er hatte ja recht. Ich hatte während des Schreibens meines Romans mal wieder die Zeit vergessen.

In Gedanken versunken und halb über meine Füße stolpernd prallte ich plötzlich mit jemandem zusammen. So heftig, dass ich Handy und Handtasche verlor, die mit mir zusammen auf dem Boden landeten. Ein Po-Klatscher erster Klasse. Um mich herum drehte sich alles. Vor meinen Augen blitzten kleine silberne Sternchen auf. Zudem tropfte mir etwas Warmes auf die kastanienbraunen Locken. Igitt! Was war das denn? Ich tastete meinen Kopf ab.

»Das auch noch! Können Sie nicht aufpassen? Kackscheißtag«, hörte ich eine männliche Stimme über mir. Ich blinzelte nach oben, direkt in das Gesicht eines Mannes, der etwas vornübergebeugt dastand und die Brauen wie unter Schmerzen zusammenzog. Er hatte eine blau reflektierende Sonnenbrille und eine beige französische Kappe auf, die er tief in die Stirn gezogen trug. Sein weißes Hemd war übersät mit dunkelbraunen Flecken. In den Händen hielt er einen Kaffeebecher, der offensichtlich leer war. Da schwante es mir. Das in meinem Haar war Kaffee.

»Meine Güte. Übrigens Kack und Scheiß, da erübrigt sich Eines«, stammelte ich und rappelte mich mühsam auf. Der Typ schaute sich um. Was hatte ich da gesagt?

»Hä?«, fragte er.

»Ach nichts«, murmelte ich.

Ich stemmte kurz eine Hand in den Rücken. Mein Steißbein schmerzte. Um den Mann herum lagen Notenblätter, meine rucksackähnliche Tasche und ein paar andere Dinge. Die meisten Leute interessierte es offensichtlich nicht. Sie eilten weiter und rannten über die Blätter hinweg, als wären sie nicht existent.

»He, ihr Trampel!«, rief der Mister mit dem Kaffeebecher hinter ihnen her.

»Sorry! Tut mir echt leid. Also beides. Das Umrempeln und die Anmerkung«, sagte ich schnell und biss dann die Zähne aufeinander. Der Fremde schien mir nicht mehr zuzuhören. Er drückte eine Hand auf seinen Magen.

»Alles okay?«, fragte ich ihn.

»Nein! Sind Sie irgendwo ausgebrochen?«

»Was wollen Sie denn damit sagen?«, fragte ich, während er mich von oben bis unten scannte.

Ich seufzte leise. Okay. Jetzt verstand ich. Ich rannte in meinem Morgenschlabberlook herum. Dazu war ich klatschnass. Das machte natürlich einen seltsamen Eindruck.

»Ich hatte keine Zeit mehr zum Umziehen. Manchmal sind andere Sachen eben wichtiger.« Mein aktueller Roman zum Beispiel. Und August natürlich. Nur …

»Aha. Aber an ihre Tasche denkt Frau immer«, unterbrach der Fremde meine Gedanken. Er lachte höhnisch, verstummte kurz darauf und raunzte dann: »Heben Sie wenigstens meine Sachen auf. Ich bin in Eile, muss zu einem wichtigen Termin. Haben Sie keine Augen im Kopf? Warum sind Sie eigentlich durchnässt bis auf die Knochen? Waren Sie mit den Klamotten schwimmen?«

»Nein«, gab ich zurück.

»Was dann?«

Was ging ihn das an? Ich wollte es nicht wahrhaben, aber dieser seltsame Mensch besaß eine durchaus interessante Stimmklangfarbe. Da war alles drin. Hell, dunkel, rau, tief. Das und nicht nur das würde August mit Sicherheit gefallen.

Ich zeigte instinktiv nach oben. »Es regnet.«

»Falls es Ihnen noch nicht aufgefallen ist: Wir sind in einer Halle«, entgegnete mein Gegenüber. Sollte das witzig sein? Er blieb ernst. Also kein Witz.

»Hier scheint aber auch keine Sonne«, konterte ich. Er verzog einen Mundwinkel. »Hä?«

Ich deutete an, dass ich seine Brille meinte. Doch er ließ es unkommentiert.

»Übrigens. Ich habe auch einen Termin«, sagte ich. Dann ging ich langsam auf die Knie und sammelte die Sachen des geheimnisvollen Klotzes ein. Währenddessen stand er nur da und wartete mit verschränkten Armen. Wie freundlich! Aber egal, ich hatte keine Zeit, mich darüber aufzuregen. Mir fiel auf, dass sein Handy, welches er hatte fallen lassen und direkt neben ihm lag, meinem haargenau glich. Eine junge Frau bückte sich netterweise, um mir zu helfen.

»Zu zweit geht es schneller«, sagte sie.

Sie lächelte mir zu, strich sich das braune lange Haar hinter die Ohren und griff nach ein paar der Sachen. Wir lächelten uns zu.

»Danke, das ist wirklich nett«, entgegnete ich.

»Kein Problem. Wir Frauen müssen zusammenhalten. Ich sag nur: Männer!« Sie hob beide Brauen.

Für ein paar Sekunden sah ich all meine gescheiterten Beziehungen vor dem inneren Auge vorbeiziehen. Meine Güte, es waren inzwischen sieben. Die Längste hatte ein Jahr gehalten. Die Frau sah mich weiterhin intensiv an. Sie zog die Stirn in Falten und wollte etwas sagen, da rief ein Mann nach ihr. Augenblicklich erhob sie sich.

»Muss los«, murmelte sie und drückte mir die Sachen, die sie eingesammelt hatte, in die Hände. Danach verschwand sie so schnell, wie sie aufgetaucht war. Es gab sie noch – nette, hilfsbereite Menschen. Ich stand auf. Mein Becken fühlte sich an, als stünde es in Flammen. Mr. Arrogant und Unhöflich scannte mich erneut. Ich gab ihm seine Heiligtümer, woraufhin er mit einem brummigen »Wiedersehen« davoneilte. Gott bewahre! Das klang wie eine Drohung.

»Na, hoffentlich nicht«, erwiderte ich. Ich hob mein Handy und dann die Tasche auf und setzte meinen Weg zwar humpelnd, aber so schnell es ging, fort.

2.

August

»So ein Idiot«, murmelte ich und setzte mich hinter das Steuer meines Roadrunners. Einem roten Mini Cabrio, das ich auf einem Parkplatz des internationalen Flughafens Newark abgestellt hatte. August musterte mich. Ich fand es schön, dass er wieder da war. So reiselustig wie in den letzten Monaten kannte ich ihn gar nicht.

»Was ist?«, fragte ich und startete den Motor. Danach strich ich mir ein paar Strähnen meines langen braunen Haars aus dem Gesicht und sah zu August hinüber, der sich mit einem Finger gegen die Lippen tippte. Das zarte Rosa seines Lippenstiftes passte zu dem tannengrünen Anzug mit den gelben Nadelstreifen.

»Du hast wieder die Zeit vergessen. Stimmts?«, fragte er.

»Nein. Es war nur so viel Verkehr von Trenton hierher. Den hatte ich in die Stunde Fahrzeit nicht eingerechnet. Na komm. Die dreißig Minuten Verspätung. Sei nicht so kleinlich. So kenn ich dich gar nicht.«

Er zog eine Braue nach oben.

Ich gab Gas und lenkte den Mini durch dicht befahrene Straßen.

»Du bist rückfällig geworden. Die Sucht hat dich wieder in den Klauen«, stellte er fest. Verdammt, er hatte so was von recht. August war, seit ich in Trenton wohnte, mein bester Freund. Er hatte die schonungslose Wahrheit verdient. Ich knetete das Lenkrad mit meinen Händen und stieß schließlich aus: »Schuldig.«

August seufzte tief. »Wusste ich es doch. Wenigstens zwei Tage in der Woche, an denen du nicht schreibst, waren ausgemacht. An denen du was unternimmst, dir etwas Gutes tust.«

»Der Roman muss fertig werden. Er ist besser als die anderen. Dieses Mal wird es was. Ich spüre es. Nun gut, vielmehr hoffe ich es. Mal wieder. Aber ich hatte noch nie so ein gutes Gefühl.«

August rollte seine tiefblauen Augen. »Es muss immer was fertig werden, Schatz. Und ich gönne dir auch Erfolg. Aber draußen zieht das Leben vorbei, während du stundenlang auf deinem Laptop herumtippst. Je älter du wirst, umso schneller vergeht die Zeit. Jeder Tag ist kostbar. Du musst was erleben, von der Welt sehen. Man weiß nie, wann das Leben vorbei ist. Es kann so schnell gehen. Du bist schließlich schon dreißig.«

Wie lieb, dass er mich erinnerte. »Danke. Ja, und ich bekomme schon graues Haar. Hilfe!«

»Du weißt, wie ich es meine.«

August klappte den Innenspiegel herunter und prüfte sein Make-up und ob seine roten Locken noch saßen. »Du solltest die Augen auf alle Fälle mehr auf süße Männerhintern richten als auf deinen Bildschirm, Schatz.«

Ich pustete geräuschvoll Luft aus. »Männer! Ich hab die Schnauze voll. Das wurde mir vorhin erst wieder klar. Elliot hat mich wegen einer zwanzigjährigen sitzen lassen und …«

»Das ist Schnee von gestern, der schon lange geschmolzen und den Bach hinuntergeflossen ist.«

Zwei Monate waren für mich nicht allzu lange her.

»Elliot war heiß, aber viel zu naiv für dich. Ich hab es dir immer wieder gesagt.«

»Durch die Blume. Du hättest es mir auch direkt sagen können, August.«

»Das war direkt genug, Schatz. Bloß hattest du die rosa Wolken leider nicht nur vor Augen, sondern auch in den Ohren. Du hättest dann gar nicht mehr zugehört.«

Ich verzog einen Mundwinkel. »Ich hasse es, wenn du recht hast.«

Er lachte.

»Ich dachte halt, mit Elliot könnte es etwas werden. Wie auch immer. In den nächsten zwei bis drei Jahren kommt mir kein männliches Exemplar – außer du – mehr über die Türschwelle. Danach vielleicht. Ende der Diskussion«, fügte ich hinzu.

»Ich habe noch nicht mal angefangen zu diskutieren, Schatz.«

»Erzähl mir lieber, wie es auf Fidschi war.«

August klappte den Innenspiegel wieder hoch und tat merklich, als hätte er meine Frage nicht gehört oder verstanden.

»So geheimnisvoll?«, fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Was? Nein.« Auf einmal verklärte sich sein Gesicht.

»Bedeutet dieser Blick, dass du jemand kennengelernt hast?

Jemand, der dir den Kopf verdreht hat?«, musste ich wissen.

August gluckste. Das tat er oft, wenn er verlegen war. »Ja!« Interessant. Ich musste mehr erfahren. Sofort. »Und du hast

Mister Verrate ich nicht nicht eingepackt?« Ich lachte.

»Nein. Ich glaube, er ist nicht schwul.«

Ich staunte. »Du glaubst? Also weißt du es nicht.«

Er sah mich mit großen Augen an. »Ich bin sicher. Jetzt Themawechsel.«

Ich drückte kurz eine seiner Hände. Ich hätte August eine glückliche Beziehung gewünscht. Er suchte schon so lange und hatte wie ich bisher nur Pech in der Liebe gehabt.

»Schade! Tut mir leid.«

»Mir erst.« Er seufzte einen Tick tiefer als vorhin.

»Irgendwann kommt der Richtige.« Er nickte. »Für uns beide.«

Wir lächelten uns zu.

»Moment! Was meintest du vorhin?«, wollte er dann wissen.

Ich runzelte die Stirn. »Vorhin?«

»Du hast gesagt, du hast die Schnauze voll von Männern, und das sei dir erst kürzlich wieder klargeworden. Ist etwas passiert?«

»Ach, unwichtig.«

Er kniff die Augen ein wenig zusammen. »Ach, wirklich?« Ich nickte heftig.

Er griff in seine Handtasche aus feinstem Ziegenleder und zog eine Elvis-CD heraus. »Ich will sofort einen Bericht über Unwichtig oder …« Er hielt die CD hoch.

Ich hatte nichts gegen Elvis. Früher hatte ich seine Songs sogar geliebt. Aber August besaß ein Faible dafür und hörte sie so oft, dass sie mir schon zu den Ohren herauskamen und langsam zu einer kleinen Folter wurden.

»Erbarmen. Ich erzähl ja schon«, sagte ich dann. Langsam ließ August die CD in seinen Schoß sinken und wartete.

»Komischer Kauz. Also hört sich ganz so an«, sagte August, als wir sein Haus betraten.

»Allerdings. Und nun vergessen wir ihn beide ganz schnell.« Ich stellte einen der drei Koffer im Flur ab.

»Auf alle Fälle hat er es geschafft, dich aufzuregen. Wenn auch leider im negativen Sinn. Aber er hat dich auch neugierig gemacht.«

Ich musste lachen. »Keineswegs«, redete ich mir ein und gab August Wangenküsschen zum Abschied. »So, ich muss. Wir sehen uns später? Zu einem Abendspaziergang und einem kleinen Snack irgendwo?«

August spitzte die Lippen. »Ehrlich gesagt bin ich ziemlich k.o. Außer du möchtest ausgehen und dir Hasen ansehen?«

»Nein, will ich nicht.«

»Oder wenn ich dich vom Schreiben abhalten kann?«, ergänzte er.

Er ließ die gezupften Augenbrauen wackeln.

»Ich muss das Skript wirklich sehr bald abgeben.«

»Wenigstens interessierst du dich in deinen Romanen noch für

Männer.«

»Ich sollte dabeibleiben, sie mir zu schreiben. Und jetzt Ende des Themas. Du bist ganz bleich. Dabei dachte ich, du kommst tief gebräunt zurück. Ruh dich aus.«

»Mach ich, Schatz«, erwiderte er.

Ich lächelte. »Schön, dass du wieder da bist.«

Er erwiderte mein Lächeln. »Wenn ich etwas auf Fidschi vermisst habe, dann dich. Hab dich lieb.«

Ich warf August eine Kusshand zu. Für mich war er wie ein Bruder, auch wenn er manchmal schräg war. Mit ihm wurde es nie langweilig. Er fing die Kusshand auf und schickte sie dann an mich zurück.

»Ich hab dich auch lieb«, sagte ich und winkte ihm zum Abschied. Der Regen hielt an. Aber von Augusts Haustür bis zu meiner waren es nur wenige Schritte. Wir teilten uns ein Doppelhaus in einer ruhigen Straße. Die Miete war erschwinglich, die Vermieter ein nettes älteres Paar. Kaum hatte ich die Tür hinter mir ins Schloss geworfen, verebbte der Regen.

»Das gibt es doch nicht«, flüsterte ich und schüttelte den Kopf. Ich wettete mit mir selbst, dass da draußen eine fiese Wolke nur darauf wartete, bis ich wieder rausgehen würde. August sagte immer, ich bilde mir nur ein, dass mich Regenwolken verfolgen würden. Aber langsam glaubte ich daran, dass das stimmte.

»In Afrika würden dich die Leute zur Königin machen. Wo du gehst, kommt meist Regen auf«, hatte August einmal dazu gesagt. Vielleicht sollte ich Afrika im Auge behalten, wenn der nächste Roman wieder den Bach runtergehen würde.

Ich zog mich um und streunte danach durchs Haus. Bei meinem Laptop, der im Wohnzimmer auf dem Tisch stand, legte ich einen Stopp ein. Er schien mir zuzuzwinkern. Mir kribbelte es in den Fingern. »Ich sollte dir wirklich weniger Aufmerksamkeit schenken und mehr rausgehen, was unternehmen.«

Aber mein Verleger von Cadburry wollte das Skript schon bald. Ich kam nicht umhin, weiterzuschreiben. Außerdem hatte ich Lust. Die letzten Kapitel der geheimnisvollen Lovestory standen an. Ich liebte es, mit Leanne, meiner Protagonistin, mitzufiebern, ob sie und Daniel sich bekamen oder nicht. Obwohl ich schon wusste, dass es so kommen würde. Ich hatte die Story schon vor Beginn des Schreibens in einem Exposé festgehalten. Aber auch wenn ich den groben Verlauf der Geschichte kannte, war es dennoch spannend, sie zu schreiben und die Szenen vor dem inneren Auge zu sehen. Das Schreiben war meine große Leidenschaft und jedes Buch mein Baby. Wenn ich schon keinen Mann fand, mit dem ich mir den langersehnten Kinderwunsch und eine Hochzeit erfüllen konnte, dann war das eben ein Ersatz dafür. Mein Blick schweifte durch das hell eingerichtete Wohnzimmer. Die Kunstdrucke an den Wänden und die Grünpflanzen auf den Fensterbrettern verliehen dem Raum Frische und Ruhe. Am liebsten schrieb ich mit Laptop auf der Couch. Meine Katze Mia, die mir Elliot geschenkt hatte, leistete mir dabei hin und wieder Gesellschaft. Sie besaß ein nachtschwarzes Fell mit schneeweißen Pfoten, die witziger Weise aussahen wie Pantoffeln. Mia war eine kleine Diva. Gerade machte sie es sich auf einem der Fensterbretter bequem. Durch ein Fenster zu gucken und ein Stückchen Welt zu beobachten war offensichtlich ihre Lieblingsbeschäftigung – neben dem Fressen. Ich schnappte mir den Laptop und machte es mir auf der Couch mitsamt einem Berg aus Kissen und Decken bequem. Der Regen trommelte gegen die Fenster. Via Fernbedienung schaltete ich meinen CD-Player an und ließ mich von Brian Crains Klaviermusik inspirieren. Mit Musik schrieb es sich viel besser. Zwischendurch checkte ich meine Mails. Eine davon war vom Verlag, der in New Jersey seinen Sitz hatte.

Die Tante von der Marketingabteilung schrieb:

Liebe Riley Carpenter,

im Anhang erhalten Sie die letzte Abrechnung über die Umsatzzahlen bezüglich Ihrer beiden Romane Immer nur du und Fatale Seitensprünge. Leider sind die Verkaufszahlen im Vergleich zur letzten Abrechnung gefallen.

Mit lieben Grüßen Milena Jennings

Ich blies die Wangen auf und ließ die Luft langsam entweichen. Na wunderbar!

»Aber wie sagt Dad oft: ›Aufstehen, Krone richten und vorwärts geht es‹.« Ich nickte für mich und legte meine Finger auf die Tasten, um weiterzuschreiben. Immer mehr versank ich in die Geschichte und fast wünschte ich mir, ich hätte mit Leanne Rollen tauschen können:

Daniel raubte mir mit seinem Anblick den Atem. Wir hatten uns inzwischen bis auf die Unterwäsche ausgezogen. Nun standen wir uns gegenüber. Wind stob durch das offene Fenster und spielte mit den weißen Seidenschals. Daniels Lippen näherten sich meinen, bis sie sich beinahe berührten. Ich schnappte leise nach Luft. Daniels warmer Atem legte sich auf meinen Mund, brachte mein Blut in Wallung. Er schlang die Arme um mich, öffnete mir den BH und streifte ihn über meine Schultern. Langsam ließ er den Blick sinken. »Wie schön du bist, Leanne«, flüsterte er.

Der kühle Winterwind war es nicht, der mir Gänsehaut zauberte. Ich konnte kaum stillstehen. Ich wollte, dass er mich endlich küsste, mich aufs Bett warf und wir uns liebten, als gäbe es kein Morgen. Wir hatten nicht mehr viel Zeit. Bald würde Joe zurück sein. Ich war verrückt, dass ich das hier zuließ. Denn unsere Liebe war gefährlich. Für uns beide. Doch spürte ich, dass wir uns nicht länger gegen die Gefühle wehren konnten. Meine Hände griffen nach Daniels Boxershorts, die ich nach unten streifte. Mit einem Ruck presste er meinen Körper an seinen und ich stöhnte leise auf.

Das Klingeln des Handys neben mir riss mich aus der Szene. Nein, verdammt!

Doch was war das? Wo war mein Klingelton von James Blunt mit Same Mistake hin? Hatte ich den etwa geändert? Ich konnte mich nicht daran erinnern. Sobald ich nach dem Handy griff, verstummte der Rocksound, der stattdessen ertönte. Obwohl ich den Song nicht kannte, kam mir die Melodie nicht fremd vor. Seltsam! Die Nummer, die auf dem Display angezeigt wurde, war mir unbekannt. Auch das Hintergrundbild hatte sich geändert. Es zeigte ein Mädchen, das mir mit einem Augenzwinkern zulächelte. Seine Stupsnase war übersät mit Sommersprossen, und das lange rote Haar zu Zöpfen geflochten. Ihre blaugrünen Augen strahlten wie die Sterne. Nur warum war ihr Foto in meinem Handy abgespeichert? Merkwürdig, denn selbst die Menüanordnung hatte sich geändert. Zudem fehlten diverse Funktionen. Dafür waren andere dazugekommen. Eines war sicher. Nie im Leben hatte ich den Button einer Daddy-App auf mein Handy geladen. Plötzlich traf es mich wie ein Schlag ins Gesicht, als mir der Zusammenstoß mit Mr. Kaffeebecher und Übellaunig wieder in den Sinn kam. Hatte ich etwa …? Ich traute mich kaum, den Gedanken zu Ende denken. Das durfte doch nicht wahr sein. Ich hatte in dem ganzen Chaos die Handys vertauscht. Meine Hände zitterten auf einmal wie Espenlaub und das Gedankenkarussell drehte sich immer schneller.

Was, wenn der Typ vom Flughafen meine Fotos entdeckte? Die mit Bridget, meiner besten Freundin. Fotos von unserer Dessous- Shopping-Tour. Meine Wangen erhitzten sich. Oder all die SMS und WhatsApp-Nachrichten las, die ich geschrieben hatte und die auch freizügigere Fotos enthielten. Damals waren sie allein für Elliot gedacht. Ich hatte nie einen PIN oder ein Passwort eingegeben, es mir zwar vorgenommen, aber immer wieder vergessen. Aber auch er hatte keins.

Mir wurde heiß, dann kalt. Ich holte tief Luft durch die Nase und ließ sie langsam zwischen leicht geöffneten Lippen entweichen. Das sollte beruhigen. Zumindest war Bridget der Meinung. Mir half das meist nichts. Mit wem war ich da zusammengestoßen? Ich war kurz davor, die Fotogalerie zu öffnen. Mein Finger schwebte darüber wie ein Adler. Sollte ich? Nein! Mich gingen diese Fotos nichts an und sie interessierten mich auch nicht. Genauso wenig wie der Typ. Alles, was ich wollte, war mein Handy zurück. Ich straffte die Schultern, stand auf und tippte meine Nummer ins Handy. Nach dreimaligem Freizeichen meldete sich der Unbekannte vom Flughafen endlich. Er musste es sein. Die Stimme war unverkennbar.

»Wer stört? Bin in einem Interview!«, rief er und seufzte. Interview?

»Hallo. Hier ist Riley Carpenter. Ich rufe an, weil …«

»Riley Carpenter? Der Name sagt mir nichts. Wer sind Sie? Von der Presse vielleicht? Und woher, verdammt noch mal, haben Sie meine Nummer?«, unterbrach er mich.

Sein energischer Ton verriet, dass sich seine Laune in der Zwischenzeit keineswegs gebessert hatte. Und wie es sich anhörte, hatte er bis jetzt nichts von dem Tausch mitbekommen. Ich fühlte mich plötzlich so ausgepowert, als hätte ich einen Marathon hinter mir.

»Nein, keine Presse. Ich bin Autorin. Aber das tut jetzt nichts zur Sache.«

»Ja und? Wenden Sie sich an meinen Agenten oder mein Management, wenn Sie Fragen haben. Ich hab keine Zeit.«

»Warten Sie. Sie haben mein Handy«, sagte ich schnell, woraufhin er erst einmal wieder ein paar Sekunden lang schwieg. Dann erwiderte er: »Ihr Handy? … Moment.«

Erneute Stille am anderen Ende.

Ich half ihm auf die Sprünge. »Wir hatten am Flughafen einen kleinen Unfall. Der Zusammenstoß. Erinnern Sie sich?«, erzählte ich und versuchte, nett zu bleiben.

»Ach Sie sind das? Ja klar erinnere ich mich. Nur zu gut.« Ich wickelte eine Haarsträhne um einen Finger.

»Wie es aussieht, hab ich in der Aufregung und Hektik die Handys vertauscht«, musste ich zugeben.

»Oh Mann. Shit happens«, zischte Mr Unbekannt und brabbelte dann etwas vor sich hin, was ich nicht verstand. Meine innere Stimme sagte mir, dass es besser so war. Nach seinem Selbstgespräch folgte erneutes Schweigen.

»Hallo? … Sind Sie noch da? Wir müssen wieder tauschen. So schnell wie möglich«, machte ich ihm klar.

»Ja, natürlich müssen wir. Konnten Sie denn nicht besser aufpassen? Liegt wohl in Ihrer Natur«, zischte er.

Ich schnappte nach Atem. »In meiner Natur?« Was sollte das denn bitte heißen?

»Vergessen Sie es.«

Ah, er hielt mich für tollpatschig. Ein Mensch also, der schnell war mit Vorurteilen, wie es aussah. Okay, er war nicht der Erste, der mir das vorwarf. Ich hatte manchmal eben zu viele Gedanken im Kopf. Aber er kannte mich nicht, und daher war es meiner Meinung nach eine Frechheit, das so abrupt zu behaupten. »Ich sagte doch, es tut mir leid.«

»Wann … wann haben Sie das gesagt?«, wollte er wissen.

Mein Magen grummelte. Ich war mir sicher, dass ich das getan hatte. Zumindest so gut wie sicher. Was war das nur für ein arroganter kleinlicher Typ?

»Sorry, sorry, sorry. Zufrieden? Wie geht es nun weiter, Mister …?«, wollte ich dann wissen.

»David Diaz! Aber gut, dass Sie mich am Flughafen nicht erkannt haben mit Sonnenbrille und Kappe.«

»David Diaz?«

Er lachte kurz. »Der Name sagt Ihnen doch sicher was.«

Ich überlegte ein paar Augenblicke. Bekannt kam er mir zwar vor, aber ich konnte ihn nicht zuordnen. So ähnlich wie den Klingelton seines Handys. »Ehrlich gesagt sagt mir ihr Name genauso wenig wie Ihnen meiner, Mister Diaz.«

So, wie er sich anhörte, hielt er sich für etwas Besseres, weshalb mir die Antwort leicht über die Lippen gekommen war.

»Gibt es in Ihrer Welt keine hippe, gute Musik? Stichwort: Rock!«

Was sollte das? Schon wieder ein Rätsel. »Was hat das Ganze mit Musik zu tun?«, stieß ich aus.

»Also wohl nicht. Eher der verstaubte Typ, nehme ich an.«

Verspottete er mich gerade? Für einen Moment verschlug es mir die Sprache.

»Sie sahen jedenfalls so verbissen aus. Klassik, schätze ich«, ergänzte er, als er merkte, dass keine Erwiderung folgte. Das war die Höhe. Ich und verstaubt? Da war er auf dem Holzweg.

»Sie wissen gar nichts über mich«, entgegnete ich, bevor ein Kloß aus Wut in meinem Hals anschwoll und mir nahezu die Luft zum Atmen nahm. Was bildete sich dieser Typ am anderen Ende ein? Dass er Gott war oder Ähnliches?

»Schicken Sie es mir einfach zu. Via Eilsendung, versteht sich«, befahl er. Im Hintergrund hörte ich Stimmengemurmel.

Per Post? Das konnte er vergessen. »Nein!«

»Wie bitte? Was heißt nein? Hey, Kleine, ich hab keine Zeit, hier ewig zu diskutieren.«

Meine Wut vergraulte die Schuldgefühle und die letzte Spur Nettigkeit. Ich hatte ihn schließlich nicht absichtlich angerempelt und die Handys vertauscht. »Nein bedeutet nein. Und ich bin nicht Ihre Kleine. Der Postweg ist mir zu unsicher. Mein Handy ist viel wert. Sein Inhalt, meine ich. Außerdem ist erst vor Kurzem ein Geburtstagsgeschenk auf dem Postweg verschwunden.«

Ich hatte es für meine Mutter nach Spanien geschickt. Sie und Dad wohnten dort seit einem Jahr auf Moraira in einer Finca. Auswandern war schon immer ihr Traum gewesen. Abermals Schweigen am anderen Ende. »Also?«, fragte ich deshalb.

»Hm. So gesehen haben Sie recht. Damit meine ich, dass auch mein Handy verdammt wertvoll ist. Nicht auszudenken, was wäre, wenn es verloren ginge oder … Verdammt, ich hätte doch ein Passwort eingeben sollen. Hab immer so gut darauf aufgepasst, dachte nicht, dass ich es mal verliere. Und dann kommen Sie … Also gut, dann treffen wir uns. Haben Sie einen Vorschlag?«

Über die Frage von Mr. Kaffeebecher brauchte ich nicht lange nachzudenken. »Bei mir um die Ecke gibt es ein kleines Bistro.«

Ich nannte ihm die Adresse, woraufhin er kurz auflachte.

»Das soll kein Date werden.«

Mein Mund öffnete sich automatisch. Ich wollte doch nichts mit dem trinken oder so. So ein eingebildeter Schnösel war mir noch nie untergekommen.

»Ein Date mit Ihnen würde ich nie haben wollen. Wir treffen uns einfach vor dem Bistro. Wann hätten Sie denn Zeit?«, fragte ich.

»Erst hab ich Ihnen den ganzen Schlamassel zu verdanken, Ms. Riley Carpenter, und nun muss ich mein Handy auch noch beinahe vor Ihrer Haustür abholen. Spontaner Vorschlag. Ich würde sagen, wir treffen uns morgen da, wo ich sowieso noch einen Termin habe. Also nicht dort. Aber in der Nähe.«

Warum nannte er mich Ms.? Ich hätte verheiratet sein können.

Egal. Eine weitere Diskussion ersparte ich mir besser.

Wenigstens hatte er sich meinen Namen gemerkt. Mich zog es zurück zu meinem Laptop. Letztendlich gab ich nach. David Diaz schien ein Sturkopf zu sein.

»Also gut. Wo ist der spontane Vorschlagsort?« Ich seufzte zum heute geschätzt hundertsten Mal.

»Haben Sie etwas gegen Spontaneität? Ich bin oft und sehr gern spontan. Termine hasse ich eigentlich wie die Pest.«

Meine Güte. Dieser Kerl wurde immer anstrengender. »Nein, ich habe nichts dagegen«, entgegnete ich monoton.

»Ach, Sie wollten witzig sein. Verstehe.«

»Ich dachte, Sie hätten es so eilig?«, erinnerte ich ihn.

»Hab ich auch … Also – Treffpunkt Cadwalader Park in West Trenton. Zweite Parkbank links vom Ausgang aus gesehen. Ich trage wieder Sonnenbrille und Kappe. Geht aber wirklich erst morgen.«

Ich nickte, als könnte er es sehen. »Ich bin auch aus Trenton.

Kenne ich.«

Der Cadwalader Park war nicht weit von hier entfernt, was ich jedoch für mich behielt.

Nach einer kurzen Pause antwortete er: »Ich bin vorerst nur noch ein paar Wochen im Jahr hier. Ich halte es im Haus nicht aus ohne meine … Halt. Was erzähl ich Ihnen das überhaupt?«

Ich runzelte die Stirn. Ohne seine was? »Keine Ahnung. Also. Um welche Uhrzeit treffen wir uns?«, wollte ich wissen, da er nichts mehr sagte.

»Achtzehn Uhr. Früher schaff ich es nicht. Sie haben genau den richtigen Zeitpunkt getroffen. Echt klasse. Bin viel beschäftigt.«

»Das ist mir nicht entgangen. Ich hab auch einiges um die Ohren. Aber die Uhrzeit ist okay. Müsste ich gerade so schaffen«, entgegnete ich.

Da merkte ich, dass er bereits aufgelegt hatte. Das gab es doch nicht, er hatte das Gespräch beendet, ohne sich zu verabschieden. Aber warum wunderte mich das überhaupt? Ich besah das Handy in meiner Hand und ging damit zum Laptop zurück. Um es aufzuladen würde ich einfach mein Ladekabel benutzen. Nachdenklich ließ ich mich aufs Sofa nieder und zog den Laptop auf die Knie. Das Handy legte ich neben mich.

»Das kann auch nur dir passieren«, sagte ich zu mir selbst und schüttelte den Kopf. Das Handy schien mich anzugrinsen. Obwohl ich nicht wollte, blieben meine Gedanken bei David Diaz haften. Seinen eigenen Aussagen nach musste er jemand sein, den man in der Öffentlichkeit kannte. Daher Sonnenbrille und Kopfbedeckung? Oder war er von der Mafia? Ein Pate? Oh Gott! Ich schaute im Internet nach, gab dort seinen Namen über die Suchleiste ein. Sogleich wurde eine ganze Reihe von Treffern angezeigt.

Demnach war Diaz ehemaliger Gitarrist und Backgroundsänger von Ocean Five. Einer weltbekannten Rockband. Sieh an!

Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Von dieser Rockgruppe hatte ich schon gehört, mich aber nie mit deren Musik beschäftigt. Laut Internet war sie top. Den einen oder anderen Song hatte ich natürlich schon mal zufällig gehört. Wie auch immer – Popmusik lag mir mehr. Ich klickte ein paar Fotos durch und betrachtete David Diaz genauer. Er besaß dunkelbraunes, kurzes Haar, einen Dreitagebart, eine spitz zulaufende, gerade Nase und Augen so blau und tief wie der Ozean. Zudem war er groß und hatte eine sportliche Figur. Nicht von schlechten Eltern, das musste ich zugeben. Am Flughafen hatte ich durch seine Sonnenbrille und die Kappe kaum etwas von Diaz’ Gesicht sehen können. Aber das leicht herzförmige Kinn mit dem markanten Grübchen war zweifellos dasselbe. Meine Güte, ich war einem berühmten Rockstar in die Arme gelaufen. Nun verstand ich, warum er sich so unkenntlich gemacht hatte. Er wollte sich sicher vor aufdringlichen Fans schützen. Bridget und August würden ausflippen, wenn sie davon erführen. Ich überflog die Berichte, die es über die Band und Diaz gab.

Rockstar Diaz und seine Ex - neue Gerüchte Die Scheidung von David Diaz und seiner Frau Melanie soll bald vollzogen werden. Auf einem Foto, das die beiden bei einem Treffen zeigt, wirkt der Rockstar bleich und angespannt. Melanie verbirgt ihre Augen hinter großen Sonnenbrillengläsern. Töchterchen Summer Rain (13) ist nicht dabei. Wie es aus Insiderkreisen heißt, leidet das Mädchen sehr unter der Trennung seiner Eltern.

In einem der Berichte war ein Foto von ihr, David und seiner Ex Melanie eingefügt. Da waren die Diaz’ eine in die Kamera lächelnde kleine Familie, über deren Häuptern die Sonne des Glücks zu strahlen schien. Wie es hieß, waren sie jahrelang eine Vorzeigefamilie. Eine, hinter deren Mauern es, laut einer kürzlich gemachten Aussage von Melanie Diaz, schon lange nicht mehr stimmte. Sie schob ihrem Mann die alleinige Schuld zu. Einerseits deutete sie Fremdgehen an. Andererseits wollte sie die genauen Gründe, aus Rücksicht auf Summer, nicht öffentlich nennen. Das Mädchen wohnte seit der Trennung mit seiner Mutter in einem Haus in Trenton. Laut Melanie wollte die Kleine bei ihr, und nicht ihrem Vater, bleiben, da sie sehr enttäuscht von ihm war. David hingegen sprach von einem massiven Vertrauensbruch seitens Melanie und der Band. Ins Detail wollte er nicht gehen. Er war es letztendlich auch gewesen, der die Scheidung eingereicht hatte. Und das, nachdem er seine Band und Melanie, die Leadsängerin von Ocean Five war, verlassen hatte. Ein Freund Davids, der wunschgemäß namentlich nicht genannt wurde, behauptete: »Er ist vielmehr hinausgemobbt worden, weil er zu viel Mitspracherecht wollte. Dabei war er es gewesen, der die Band vor Melanies Einstieg vor ein paar Jahren gegründet und nach oben gezogen hat.«

David dazu in einem Interview: »Es gab keinen gemeinsamen Weg mehr. Ich konnte nicht mehr.«

Das Interesse um Diaz hatte mich gepackt. Ich musste weiteres erfahren. Melanie tat das, was David sagte, als Hirngespinst und gemeine Unterstellung ab. Ein weiterer Bericht fand meine Aufmerksamkeit:

Diaz-Ex in Klinik

Gerüchten zufolge sucht Melanie Diaz in letzter Zeit hin und wieder eine Klinik auf, in der vorwiegend Patienten mit Depressionen und Alkoholsucht behandelt werden. Melanie Diaz bestätigte die Gerüchte nun. Laut einem Statement war sie dort, um sich psychologische Stütze zu holen, weil ihr die Trennung von David zusetzt. »Nicht mehr und nicht weniger. Ich bin aber weder depressiv noch dem Alkohol verfallen«, wird sie laut StarPictures zitiert.

Summer wohnte während der Aufenthalte bei Melanies Mutter in New York. Ich fragte mich, warum sich David in dieser Zeit nicht um seine Tochter gekümmert hatte. Weil sie nicht wollte? Oder war ihm seine Solokarriere, an der er laut weiteren Berichten unermüdlich bastelte, wichtiger? Eine Karriere, die aufgrund der brodelnden Gerüchteküche zurzeit nicht viel Land sah. Das Wort Fremdgehen verankerte sich in meinem Kopf. Mehr und mehr versank ich in den Berichten, die ich abschnittsweise las, während ich versuchte, mir ein Bild von Diaz zu machen. Am Ende lagen Tausende Puzzleteile vor mir. Ich hatte keine Ahnung, wie ich sie zusammensetzen sollte. Wer von beiden log, ob David oder Melanie, konnte ich beim besten Willen nicht einschätzen. Ich tippte mir an die Stirn. Schluss jetzt! David Diaz hatte mein Handy und ich seins. Mehr hatte mich nicht zu kümmern, sagte ich mir erneut. Ich schob das Handy weiter von mir und wollte mich wieder auf meinen Roman konzentrieren, als es klingelte. Mein Herz machte einen Satz.

»Ja?«, fragte ich, als ich abgenommen hatte. Es war David.

»Melden Sie sich immer nur mit ›Ja‹?«

»Warum nicht? Wer meine Nummer wählt, erwartet schließlich, dass ich rangehe.«

»Es ist mein Handy, Ms. Carpenter.«

Mist! Der Punkt ging an ihn. Ich versuchte, meine idiotische Aufregung herunterzuschrauben. Warum um alles in der Welt jagte mein Puls auf einmal dermaßen? Weil ich wusste, dass ich mit einem großen Rockstar sprach? Oder weil ich seine Stimme hörte? Das ist doch Irrsinn, Riley, sagte ich mir selbst.

»Aber Sie wissen, dass ich rangehen würde. Wer sonst?«

»Das ist der Punkt.«

»Der Punkt?«

»Geben Sie das Handy bloß nicht aus der Hand. Ich weiß, wer ich bin.«

»Das freut mich für Sie, Mister Diaz.«

Wie konnte so ein Klotz nur eine so süße Tochter haben? War er bei ihr genauso? Dann tat mir Summer Rain von Herzen leid. Gut, dass sie bei ihrer Mutter wohnte.

»Ich habe überlegt, das Handy sperren zu lassen. Aber ich hab nichts zu verheimlichen. Sagen sie mir alle Anrufe durch, die kommen. Einfach die Nummer oder den Namen vom Display notieren. Ich hab mit sehr wichtigen Leuten zu tun.«

Ich war nicht seine Sekretärin. Dennoch sagte ich, wenn auch ein wenig höhnisch: »Jawohl, Sir.«

»Das ist nicht lustig gemeint.«

»Das höre ich auch. Wenn Sie zu Ihren Mitarbeitern auch so sind, dann wundert mich nichts mehr«, rutschte es mir heraus.

»Was soll das heißen? Ich bin noch viel zu nett.« Ich musste lachen. »Sie sind scheußlich.«

»Das ist doch die Höhe. Ich will nicht weiter mit Ihnen reden.

Befolgen Sie bitte einfach nur, was ich Ihnen gesagt habe.«

»Dasselbe gilt umgekehrt für Sie, Mister Diaz.«

»Keine Sorge. Frauen in schweinchenrosa Jogginganzügen und seltsamen Äußerungen interessieren mich nicht.«

Ich unterdrückte einen Schreikrampf und drückte ihn weg.

Wobei ich nicht sicher war, ob er nicht schneller war.

Diaz, zog ich ein Fazit, war dem bisherigen Anschein nach wie die Männer, denen ich bisher in meinem Leben begegnet war. Trug ich ein Schild, auf dem stand, dass sie mir bitte folgen sollten? Die Beziehungen, die ich vor Elliot hatte, waren allesamt mit selbstverliebten Frauenhelden gewesen. Leider hatte sich die rosa Wolke immer Zeit gelassen, bis sie sich vor meinen Augen verzogen und ich wieder klare Sicht hatte.

3.

Neue Nachricht

Die letzten zweihundert Meter bis zu unserem besagten Treffpunkt legte ich zu Fuß zurück. Bridget, mit der ich zuvor via Festnetz telefoniert hatte, erzählte ich vorerst nichts von Diaz. So wichtig war er nicht, sagte ich mir. Der Himmel über mir spannte sich wie ein graues monotones Tuch über Trenton. Zur Sicherheit hatte ich einen Schirm dabei. Keinesfalls wollte ich diesem Typen ein weiteres Mal wie ein begossener Pudel begegnen. Mein rotes knielanges Lieblings-Sommerkleid schmiegte sich in Wellen um meine Beine. Von wegen verstaubt. Ich straffte die Schultern, brauchte ein wenig frische Luft, bevor ich dem berühmten David Diaz gegenübertreten würde. Aus den kleinen Läden der Straße, die ich entlangschlenderte, strömten verschiedene Düfte. Ein Mix aus Vanille, Zimt, Zitrone und Erdbeeren. Ich beschloss, ein wenig zu bummeln und in den Läden zu stöbern, sobald ich die Sache mit Diaz hinter mich gebracht hatte. Vielleicht hatte Bridget Lust, mich zu begleiten. Es war Wochenende. Davids Handy, das in meiner schwarzen Handtasche lag, raubte mir langsam den letzten Nerv. Es klingelte nahezu pausenlos. Keinesfalls würde ich die Sekretärin eines Rockstars spielen. Außerdem konnte er gleich selbst nachsehen, wer Wichtiges angerufen hatte. Ich seufzte und zog das Handy aus meiner Tasche, um es stummzuschalten. Auf dem Display wurden zehn Anrufe in Abwesenheit angezeigt, die von ein und derselben Nummer kamen. Dazu erschien ein Viertel Nachrichtentext einer Message, die über WhatsApp geschickt wurde: Es geht um Summer. Dringend! Melde dich! Du…

Ich ging einen Schritt schneller und überlegte, die Nachricht ganz zu lesen. Nein! Doch als die Nummer erneut versuchte, Diaz zu erreichen, ging ich kurzerhand ran. Er hatte mir ja gesagt, dass ich wichtige Nachrichten nicht ignorieren sollte. Also sozusagen. Leider kam ich nicht einmal dazu etwas zu sagen, sobald ich das Gespräch angenommen hatte.

»Endlich! Was denkst du dir eigentlich, David? Summer einfach so vor der Musikschule warten zu lassen. Ich wusste gleich, es ist eine dumme Idee. Sie ist erst dreizehn und nicht irgendein Kind. Gut, dass Lizas Mutter sie dann mitgenommen hat, nachdem sie mit Summer eine geschlagene halbe Stunde gewartet hat, ob du nicht doch noch auftauchst. Was ist dir denn Wichtigeres dazwischengekommen? Summer sieht nun selbst, wie du bist.«

Das musste Melanie Diaz sein.

»Moment«, warf ich ein.

»Hast du etwa schon eine neue Affäre? Hm? Du bist kein Engel, David. Das weißt du ja selbst. Und ich weiß, was du jetzt denkst. Das sagt die Richtige. Es ist besser für Summer, wenn sie glaubt, dass wir uns nahezu friedlich trennen und nicht bereits eine Neue in deinem Leben herumturnt. Keine Negativschlagzeilen mehr. Sie braucht Ruhe. Ich auch. Dann halte ich mich auch zurück, dir weiter Steine in den Weg zu legen. Versprochen. Wir haben einen Deal, David. Hey, ich rede mit dir. Sag was.«

Das war ja interessant und traurig zugleich.

»Hallo …«

»Und so was nennt sich Vater. Schäm dich. Du brauchst mir keine Vorwürfe zu machen. Ich bin eine gute Mutter. Hey, bist du überhaupt noch dran?«

Wie konnte man nur so viel reden, ohne offensichtlich einmal Luft zu holen? Dass ich etwas sagen wollte, das hatte sie anscheinend überhört.

»Ich bin aber nicht David. Also hier …«, unterbrach ich die Dame ein wenig barsch, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen.

»Was ist? Sprich deutlicher Herrgott!«, unterbrach sie mich.

»Hier ist Riley. David, also Mister Diaz und ich …«

»Was? Wer?«

»Riley! Ich …«

»Da sieh an. David gibt doch nie sein Handy aus der Hand. Du musst ja ein ganz besonderes Flittchen sein«, unterbrach mich Melanie erneut. Ihre Stimme klang nicht mehr nur wütend, sondern höhnisch.

Mir klappte die Kinnlade nach unten.

»Mal langsam. Dass ich das Handy habe, ist ein unglückliches Versehen«, stieß ich aus.

»Versehen? Natürlich. Ende, Schluss. Ich will mit keinem Betthäschen reden. Gib mir David, und zwar pronto, Riley.«

Ihre rauchige Stimme wurde mit jedem Wort lauter. Bildete ich es mir ein oder lallte sie zudem?

»Er ist nicht da und ich bin auch nicht sein Betthäschen«, entgegnete ich, während sie weiterredete. So schnell, dass ich sie kaum verstand. Und dann legte sie plötzlich auf. Ich schüttelte den Kopf. Was war das denn für eine Furie? Ich konnte verstehen, dass sie aufgebracht war, weil David seine Tochter trotz Versprechen nicht abgeholt hatte. Dennoch empfand ich ihre Art absolut überzogen. Zwischen David und Melanie schien sich eine Kluft aus Hass aufgetan zu haben. Und Summer schwebte darüber. Das tat mir leid für die Kleine. Ein Blick auf meine Armbanduhr zeigte an, dass ich überpünktlich war. Weiterhin Melanies Stimme im Ohr, beschloss ich, einen Abstecher zur Bank zu machen. Ich brauchte Geld für den Bummel nachher. Nach all dem Chaos schrie meine Seele quasi nach einer Belohnung. Ein neues Kleid und Pralinen. Auch wenn ich davon die Finger lassen sollte. Aber Schokolade war neben der Musik meine Inspiration fürs Schreiben. Ein Wunder, dass sich mein Hüftgold in Grenzen hielt. Der Himmel über der Stadt verdunkelte sich zunehmend. Die meisten Menschen, die mir entgegenkamen, hatten es merklich eilig. Einem Mann mit Aktenkoffer konnte ich gerade noch ausweichen. Er war in sein Handy vertieft. Dennoch bemerkte er unseren Beinahezusammenstoß und murmelte ein »Entschuldigung«. Dabei lächelte er. Beides fand ich nett. Wäre er David Diaz, dann hätte er die Szene gewiss mit einem hämischen Spruch kommentiert. Ich eilte an einem schwarzen Kleinwagen vorbei, der nur ein paar Meter vom Eingang des Bankhauses entfernt parkte. Der Fahrer ließ den Motor laufen. Pure Umweltverschmutzung. Ich schloss den Regenschirm und steckte ihn in meinen Rucksack. Kurz bevor ich in die Bank huschte, wehten mir erste Regentropfen ins Gesicht. Ich griff mit der anderen in meine Jackentasche nach dem Bankkärtchen. Da fiel mir eine große von Kopf bis Fuß schwarz gekleidete Person auf. Sie stand zwei Schritte von einem Grüppchen aus Leuten entfernt. Jeder von ihnen hielt die Hände hinter dem Kopf gefaltet und den Blick auf den Boden gerichtet. Mr. Man in Black drehte sich nach mir um. War ich etwa mitten in einen Banküberfall geraten? Der Typ richtete eine Waffe auf mich und deutete auf mich, während eine Bankangestellte wimmernd Bargeld in einen Sack stopfte. Meine Frage erübrigte sich in diesem Augenblick. Einer der Bankangestellten half seiner Kollegin dabei, das Geld zu verstauen, als ihr vor lauter Zittern immer wieder Scheine aus den Fingern glitten. Ich hob die Hände und musste schwer schlucken. Heißkalte Wellen krochen mein Rückgrat hinauf.

»Hinknien, Blick zum Boden!«, rief der Mann.

»Geht nicht. Ich hab einen wichtigen Termin«, sprudelten die Worte wie von selbst aus mir heraus.

Der Räuber zappelte herum. Er schien nervöser als seine Geiseln. War das nun gut oder schlecht?

»Quatsch nicht rum, hinknien hab ich gesagt. Los!«

»Ich verrate nichts. Aber ich muss nun weiter«, entgegnete ich wie von Sinnen. Keinesfalls durfte ich dieses verfluchte Treffen verpassen.

»Willst du mich verarschen?«, herrschte mich der Typ an. Einige der Leute flüsterten mir zu, ich solle besser tun, was er verlangte. Mein Blick fiel auf die Uhr über dem Kontoauszugsdrucker. Verdammt! Wenn die richtig ging, dann bedeutete es, dass meine mindestens zehn Minuten nachhinkte und ich jetzt schon überfällig war.

»Geht die Uhr da oben richtig?«, fragte ich deshalb in die Runde. Erstaunte Blicke.

»Ja absolut«, wisperte ein junger adretter Bankangestellter.

»Nein, ich hab es befürchtet. Ich muss los«, erwiderte ich wie in Trance.