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Ist ihre Liebe stärker als die Wahrheit?
Als Caroline für ihre Collegezeitung den Footballspieler Jeff interviewen soll, hat sie keine großen Erwartungen. Jeff gilt als introvertiert, er geht nicht auf Partys und scheint keine spannenden Geheimnisse zu haben. Doch dann steht sie vor ihm und kann das Prickeln nicht ignorieren, das sofort zwischen ihnen entsteht. Denn anders als erwartet ist Jeff tiefgründig, warmherzig und verdammt attraktiv. Caroline verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Aber dann kommt Jeffs tiefstes und dunkelstes Geheimnis ans Licht. Ein Geheimnis, das ihn zu dem macht, der er ist und den Caroline so bedingungslos liebt. Und dennoch gefährdet diese Wahrheit nicht nur Jeffs Sportlerkarriere, sondern könnte auch seine und Carolines Liebe zerstören.
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Seitenzahl: 408
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Über dieses Buch
Über die Autorin
Titel
Impressum
Widmung
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
Danksagung
Ist ihre Liebe stärker als die Wahrheit?
Als Caroline für ihre Collegezeitung den Footballspieler Jeff interviewen soll, hat sie keine großen Erwartungen. Jeff gilt als introvertiert, er geht nicht auf Partys und scheint keine spannenden Geheimnisse zu haben. Doch dann steht sie vor ihm und kann das Prickeln nicht ignorieren, das sofort zwischen ihnen entsteht. Denn anders als erwartet ist Jeff tiefgründig, warmherzig und verdammt attraktiv. Caroline verliebt sich Hals über Kopf in ihn. Aber dann kommt Jeffs tiefstes und dunkelstes Geheimnis ans Licht. Ein Geheimnis, das ihn zu dem macht, der er ist und den Caroline so bedingungslos liebt. Und dennoch gefährdet diese Wahrheit nicht nur Jeffs Sportlerkarriere, sondern könnte auch seine und Carolines Liebe zerstören.
Annie Waye ist eine junge Autorin mit einer alten Seele. Sie ist auf der ganzen Welt zu Hause und seit jeher der Magie der Bücher verfallen. Sie schreibt, um den Charakteren und fremden Orten Leben einzuhauchen, die sie seit ihrer frühesten Kindheit nicht mehr loslassen. Wenn sie nicht gerade an Romanen arbeitet, veröffentlicht sie Kurzgeschichten und bereist die Welt auf der Suche nach ihrem nächsten Sehnsuchtsort.
Instagram: @anniewaye.author
Web: anniewaye.de
Annie Waye
Trust in UsNur du und ich
Roman
Deutsche Erstausgabe
»be« – Das eBook-Imprint der Bastei Lübbe AG
Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln
Textredaktion: Julia Feldbaum
Covergestaltung: Christin Wilhelm, www.grafic4u.de unter Verwendung von Motiven © HstrongART/shutterstock; © dekazigzag/shutterstock
eBook-Erstellung: 3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 978-3-7517-0310-9
www.be-ebooks.de | www.luebbe.de
www.lesejury.de
Für Lisa.
Geliebt zu werden macht uns stark.
Zu lieben macht uns mutig.
- Laotse
»Hey, Caroline.«
Ich saß an meinem Schreibtisch im Redaktionsbüro der Trojan Horse über ein Rechercheprojekt gebeugt, als Mike, der Chefredakteur, zu mir trat. »Chris ist krank. Du musst sein Interview übernehmen.«
Ich lehnte mich auf meinem Stuhl zurück. »Kein Problem.« Jetzt, kurz vor Weihnachten, waren die schlimmsten Hausarbeiten schon abgegeben. Außerdem war ich meinem besten Freund und Lieblingskollegen noch einen Gefallen schuldig. »Um wen geht's?«
»Jeff Moreno.«
Ich runzelte die Stirn. »Jeff wer?«
»Moreno«, wiederholte er. »Aus dem Football-Team. Ein Runningback.«
»Ernsthaft?« Ich bohrte mir die Rückseite meines Kugelschreibers in die Schläfe, doch der Name sagte mir immer noch nichts. Dabei kannte ich jeden Spieler – gezwungenermaßen. »War er jemals auf dem Feld?«
»Er wurde in dieser Saison in jedem Spiel eingesetzt«, klärte er mich auf. »Der Unterschied zu den anderen ist, dass er sich eher unter dem Radar bewegt. Er hat keine Social-Media-Konten und geht auf keine Partys.«
»Wow.«
»Keine After-Game-Partys. Keine Siegesfeiern. Keine Wochenend-Saufgelage.« Er zuckte mit den Schultern. »Nichts.«
Ich schnaubte. Wie aufregend. »Was ist sein Problem?«
Mit einem Lächeln hob Mike den Zeigefinger. »Vielleicht findest du genau das ja heraus.«
Mike war der beste Chefredakteur, den ich mir wünschen konnte. Obwohl er es wegen seiner 1,70 Meter nicht ins Basketball-Team geschafft hatte, hatte er seinen Traum einfach umgelenkt und das Sportressort der Uni-Zeitung gegründet. Gleichzeitig führte er regelmäßig Kampagnen durch, um People of Color eine Plattform zu geben – vermutlich nicht zuletzt, weil er selbst Afroamerikaner war. Wenn er sich etwas vornahm, klemmte er sich dahinter. Das einzige Problem war, dass er genau das auch von seinem Team erwartete.
Aber ich hatte nicht vor, ihn zu enttäuschen. »Wird erledigt, Boss.«
»Perfekt. Ich gebe ihm Bescheid.«
Das Interview war für heute Nachmittag unmittelbar vor Jeffs Training angesetzt, weshalb wir uns auf dem Campus unserer Uni – der University of Southern California – trafen. Auf unserer Website fand ich die wichtigsten Rahmeninfos und Spielstatistiken über ihn. Außerdem waren dort zwei Fotos von ihm abgebildet: ein großes in voller Montur, auf dem er sich gerade mitten im Sprint befand, und ein kleineres Porträt mit rotem Trojans-Anzug und Krawatte – und einem netten Lächeln im Gesicht.
Ich ertappte mich dabei, dass ich das zweite Foto etwas länger ansah, als ich müsste. Jeff hatte schwarze Haare, dichte Brauen und ein aufrichtiges, warmes Lächeln, zu dem sich nur selten jemand für ein Foto quälen konnte. In seinem Blick lag nicht derselbe arrogante Ausdruck wie in dem unseres Quarterbacks, der auf seinem Bild mit hoch erhobenem Haupt in die Kamera starrte. Dagegen wirkte Jeff so, als hätte er einfach nur pure Freude am Leben.
Er sah ganz nett aus. Aber meiner Erfahrung nach konnte nett auch abgrundtief langweilig bedeuten.
Nachdem ich Chris' Unterlagen durchgesehen hatte, fühlte ich mich bestens vorbereitet. Die anderen Redakteure nannten mich inzwischen schon »die Bohrmaschine«, weil ich Chancen für gezielte Fragen witterte und so lange nachbohrte, bis ich eine brauchbare Antwort bekam. Der richtig große Coup war mir trotz meines Talents leider noch nicht gelungen, und ich bezweifelte, dass gerade Jeff Moreno etwas daran ändern würde.
Los Angeles kannte selbst im Dezember keine Wintertemperaturen, weshalb ich weite Hotpants und eine weiße Bluse trug, durch die sich mein schwarzer BH deutlich abzeichnete. Meine blonde Wallemähne fiel mir locker über die Schultern. Das Make-up saß perfekt, und auch wenn ich mir eine bessere »Top Story der Woche« vorstellen konnte, war ich so was von bereit für Jeff.
Das Poppy's, ein nettes Eiscafé, befand sich direkt auf dem Uni-Campus. Weil sie einige Rabattaktionen für Studenten am Laufen hatten, war es eigentlich immer gut besucht. Gleichzeitig war die Atmosphäre so familiär, dass man sogar mit seinen Großeltern ohne schlechtes Gewissen herkommen könnte – oder eben mit öden Interviewpartnern.
Jeff Moreno wartete bereits an einem der Tische und stand auf, als ich das Café betrat.
Zugegeben, es gab eigentlich keine Athleten, die nicht heiß aussahen. Selbst wenn sie rein äußerlich nicht gerade eine Zehn waren, verschaffte ihnen zumindest der Erfolg das gewisse Etwas. Doch jetzt, wo ich ihn live und in Farbe sah, kam Jeff der Zehn auch so schon ziemlich nahe – so nahe, dass ich mich fragte, warum er mir nicht schon früher aufgefallen war.
Er war groß, wahrscheinlich um die 1,90 Meter, und trug ein weißes Shirt, das einen Kontrast zu seiner olivenfarbenen Haut herstellte. Dazu eine schwarze Lederjacke, die seine breiten Schultern betonte. Abgerundet wurde der Anblick von einer Goldkette mit einem kleinen, runden Anhänger, der irgendwie nach Aztekengold aussah: mit einem abstrakten Gesicht in der Mitte, das von unzähligen Symbolen wie Blumen und Wolken umrahmt wurde.
Er hatte seine schwarzen Haare locker nach hinten gegelt und sein Kinn glatt rasiert. Als ich mich ihm näherte, überraschte es mich, dass mir keine Wolke Aftershave entgegenkam.
»Du musst mein Date sein«, begrüßte er mich mit einem schiefen Grinsen. Etwas angenehm Raues lag in seiner Stimme.
»Hi.« Ich schenkte ihm mein strahlendstes Lächeln. »Caroline Jenkins vom Trojan Horse.«
»Jeff Moreno.«
Wir schüttelten einander kurz die Hand – seine fühlte sich warm und unerwartet weich an –, und er nickte in Richtung des Tisches. Auf seiner Seite lag eine wuchtige Sporttasche auf der Bank. »Wollen wir?«
»Sehr gern.« Er setzte sich zurück auf seinen Platz, während ich mich ihm gegenüber niederließ. »Schön, dass du dir den Termin freischaufeln konntest.« Ich stockte. »Du hast keine eifersüchtige Freundin, die uns hier auflauern könnte, oder?«, fragte ich vorsichtshalber, weil ich nach nur zwei Jahren im Geschäft schon alles erlebt hatte – und weil ich neugierig war.
Jeff lächelte. »Nein«, erwiderte er. »Keine Freundin.«
Ich bestellte einen Cappuccino und er einen schwarzen Kaffee. Manche Interviewpartner nutzten es aus, dass die Uni-Zeitung die Bewirtungskosten für sie übernahm, und orderten einen Milchshake nach dem anderen, aber Jeff war wohl nicht danach, unser begrenztes Budget auszubeuten.
Als die Getränke gebracht wurden, legte ich mein Handy vor mich auf den Tisch und öffnete meine Memo-App. »Darf ich?«
»Klar.«
Wahrscheinlich könnte ich die Aufnahme nach dem Interview sofort wieder löschen, weil sich sowieso nichts Spannendes ergeben hatte.
Schnarch ...
Nachdem ich Chris' Notizen gesichtet hatte, hatte ich beschlossen, seinen Gesprächseinstieg zu übernehmen: »Jeff, für die USC Trojans und dich geht es gerade steil bergauf. Du hast im letzten Spiel zwei phänomenale Touchdowns erzielt und -«
Er hob die Brauen. »Du warst dort?«, fragte er interessiert.
»Natürlich.« Ich reckte das Kinn. »Ich komme zu jedem Spiel.« Weshalb es mich umso mehr überraschte, dass mir vorhin nur seine Rückennummer, die 26, und nicht sein Name bekannt vorgekommen war.
Mein Vater hatte sich schon immer einen Sohn gewünscht, der seine Sportleidenschaft teilte. Als ich dann auf die Welt gekommen war, hatte er es sich dennoch nicht nehmen lassen, mich von klein auf zu allen möglichen Sportveranstaltungen mitzunehmen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er es nicht getan hätte, hätte er gewusst, dass er eine Liebe zum Sport in mir entfachen würde, die mich über zehn Jahre später dazu brachte, mich für Journalismus und nicht für BWL einzuschreiben. Eine Entscheidung, die mir meine Eltern immer noch nicht verziehen hatten. Das wurde mir immer wieder schmerzlich bewusst, wenn ich einmal mehr vergeblich versuchte, auf mein altes Bankkonto zuzugreifen – sie hatten es pünktlich zum ersten Semester gesperrt.
»Jedenfalls«, holte ich noch mal aus, »habt ihr mit 14:28 gewonnen und euch damit für das PAC-12-Meisterschaftsspiel im Januar qualifiziert.« Für Senior-Year-Studenten wie Jeff war das der vielleicht wichtigste Termin überhaupt, weil einige Football-Scouts vor Ort sein würden, um die besten Spieler von der Uni zu rekrutieren. »Die After-Game-Party muss legendär gewesen sein, oder?«, fragte ich zaghaft.
»Kann ich dir leider nicht sagen.« Er nahm seine Tasse und nippte am Kaffee. »Ich war nicht da.«
»Richtig!«, erwiderte ich, als wäre mir das Offensichtliche gerade erst wieder eingefallen. »Was hat dich dazu gebracht, den spaßigsten Teil der Veranstaltung zu schwänzen?«
Er runzelte die Stirn. »Habe ich das?«, gab er zurück. »Seit wann gehört der Sport denn nicht zum spaßigen Teil?«
Ich verdrehte die Augen. »Du weißt, was ich meine! Bei den letzten Sportpartys hat man dich jedenfalls vergeblich gesucht.« Ich hob eine Braue. »Wie findet dein Team das eigentlich? Arbeitet ihr gut zusammen?«
»Die Zusammenarbeit klappt wunderbar«, antwortete er gelassen.
Doch ich hatte das Gefühl, dass ich auf der richtigen Fährte war.
»Und verstehst du dich sonst gut mit ihnen?«
Jeff seufzte, als wüsste er, worauf ich hinauswollte. »Es ist mir egal, ob die anderen mich mögen oder nicht. Hauptsache, ich spiele gut.«
Ich nickte bedächtig. »Also ist dir Erfolg wichtiger als Freundschaft.«
»Nichts ist wichtiger als wahre Freunde. Und von denen hat man als Sportler leider nicht viele.« Er lehnte sich zurück und stützte sich mit einem Arm an der Rückenlehne der Bank ab. »Was ist mit dir?«, fragte er plötzlich. »Warst du dort?«
Ich blinzelte. »Ich?«
»Ich kenne dich«, drohte er mir für einen Moment den Wind aus den Segeln zu nehmen. »Du warst mal mit Vaughn zusammen. Und mit DeAndre. Du musst ständig auf diesen Partys unterwegs sein.«
Ich spürte einen kalten Schauer im Nacken. Zum Glück wusste er offensichtlich nichts von den Teamkollegen, mit denen ich nicht offiziell zusammen gewesen war.
Ich hatte schon früh kapiert, dass Football-Spieler kein Beziehungsmaterial waren. Sie waren einfach viel zu eingebildet und scherten sich nicht um andere Menschen. Für die eine oder andere Nacht reichte es aber allemal.
Wobei ich Jeff auch nicht von der Bettkante stoßen würde. Aber das hier war mein Job. Und wenn ich Erfolg darin haben wollte, musste ich ihn ernst nehmen. Zumindest bis das Interview vorbei war.
»Das ist schon eine Weile her«, wehrte ich ab. Hier ging es schließlich nicht um mich. »Was studierst du eigentlich?«, versuchte ich, das Thema so galant wie möglich auf ihn zurückzulenken.
»Kriminologie.«
»Also willst du mal Cop werden?«
»Nein«, sagte er fest. »Ich will Football spielen.«
Ich lächelte. »Wer will das nicht?« Gähn ... »Aber warum dann gerade Kriminologie?«
»Warum gerade Journalismus?«, gab er nüchtern zurück.
Ich zog die Brauen zusammen. »Warum interessiert dich das?«, fragte ich eine Spur zu scharf.
Er zuckte nicht mit der Wimper. »Du bist klug und erfolgreich. Du hast Geld und viele Freunde«, zählte er auf. »Dir hätten noch ganz andere Möglichkeiten offen gestanden als Journalismus.«
Ich umklammerte meine Kaffeetasse fester. »Woher willst du das alles wissen?«, fragte ich, während eine dumpfe Unruhe in mir aufstieg.
»Tja.« Jeff lächelte schief. »Du bist nicht die Einzige, die für heute recherchiert hat.«
Ich riss die Augen auf. »Was?« Stalker, schoss es mir durch den Kopf.
»Deine Eltern sind Frank und Pamela Jenkins«, fuhr er fort. »Ihnen gehört Jenkins Enterprise, einer der größten Sportsponsoren der Region.«
Das war nett ausgedrückt, wenn man bedachte, dass sie neben ihrem Kleidungsimperium, bestehend aus mehreren separaten Firmen und Marken, außerdem noch Anteile an einer Airline, einer Fast-Food-Kette und einer Soft-Drink-Marke hielten. »Wahrscheinlich wollen sie, dass du ins Familiengeschäft einsteigst, nicht wahr?«
»Das ist doch -«
Er ließ nicht zu, dass ich ihn unterbrach. Wer führte hier das Interview mit wem?
»Du hast kein Stipendium gebraucht, um hier zu studieren. Du hättest wahrscheinlich genug Geld auf deinem Konto, um drei deiner Kommilitonen durchs Studium zu bringen. Und trotzdem jobbst du im Café direkt gegenüber.« Er legte den Kopf schief und schenkte mir einen tiefen Blick. »Wie ist das möglich, Caroline Jenkins?«
Ich schlug die Beine übereinander. »Man bekommt dort viele Dinge mit, wenn der Tag lang ist. Die perfekte Grundlage für eine Uni-Journalistin.«
»Richtig.« Er nickte wissend. »Eine Journalistin. Warum? Wenn es darum geht, ins Geschäft deiner Eltern einzusteigen, ist dieser Abschluss nicht gerade hilfreich.«
Ich fühlte mich nackt – und vor allem aus dem Konzept gebracht. »Das ist eine andere Geschichte«, wich ich betont ruhig aus. »Gerade eben würde ich viel lieber über dich sprechen.«
Es überraschte mich, dass ich einen Sportler ausnahmsweise dazu zwingen musste, über sich selbst zu reden. Normalerweise musste man keine zwei Worte sagen, bis sie in einem Monolog über sich selbst versanken. Der hier machte es mir wirklich schwer.
»Wie stehst du zu Travis O'Connell?«, fragte ich weiter. »Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Stimmung zwischen euch ziemlich angespannt ist.« Das war ein totaler Bluff. Ich hatte keinen Plan, ob sie einander hassten oder heimlich in einer Beziehung miteinander waren. Ich wollte Jeff einfach nur aus der Reserve locken.
Seine Miene blieb unverändert. »Wo hast du das denn gehört?«, fragte er tonlos – und ließ mich allein damit wissen, dass ich ins Schwarze getroffen hatte.
Ich hob meine Tasse an die Lippen und schenkte ihm über ihren Rand hinweg einen wissenden Blick. »Ich habe da eben so meine Quellen.«
Belustigt schüttelte Jeff den Kopf. »Was auch immer ich jetzt sage, du wirst versuchen, mir die Worte im Mund herumzudrehen, oder?«
Kluges Kerlchen.
»Weil du eine Skandalstory brauchst. Aber das wird bei mir nicht funktionieren.«
Ich ließ mich nicht einschüchtern. »Nicht?«, fragte ich unschuldig.
»Nein.« Er lehnte sich am Tisch vor. »Bei mir gibt es keine Skandale.«
Ich lächelte spitz. »Das glaube ich dir nicht.« Ich würde schon noch dahinterkommen.
Eine kurze Stille breitete sich zwischen uns aus, in der ich meine Tasse wieder abstellte und wir einander beobachteten wie zwei Raubtiere, die auf den ersten Angriff des anderen warteten.
Mit dem, was dann kam, hätte ich allerdings als Letztes gerechnet: »Ich mag deine Augen.«
Mein Mund öffnete sich, doch kein Ton drang daraus hervor. Etwas beschämt senkte ich den Blick. Ich hatte ein grünes Auge von meiner Mutter und ein blaues von meinem Vater geerbt. Und eines schönen Tages würden sie mir ihre Firma vererben. Zumindest wenn es nach ihnen ging. »Die meisten Menschen finden sie eher seltsam.«
»Egal wie ästhetisch man sie findet oder nicht«, sagte Jeff nachdenklich. »Mit ihnen kannst du dir sicher sein, dass dein Gegenüber dir immer in die Augen sieht. Und das kann nicht jeder von sich behaupten. Vor allem nicht Frauen wie du, die ...« Sein Blick glitt meinen Oberkörper hinab, doch er sprach nicht weiter.
Ich wusste genau, worauf er hinauswollte. »Die was?«, fragte ich, während ein wohliges Kribbeln in meiner Magengrube aufstieg. Wollte Jeff dieses Interview etwa in einen Flirt verwandeln?
Doch er machte sich rar. »Du weißt selbst, wie du aussiehst.«
Ich konnte nicht anders, als zu lächeln. »Mir würde es aber nichts ausmachen, das aus deinem Mund zu hören.«
Ein paar Sekunden lang sah Jeff mich einfach nur an – genug Zeit, damit ich mir vorstellen konnte, wie ich die Lederjacke von seinen Schultern streifte, bevor er betont langsam meine Bluse aufknöpfte ...
Sein Mund öffnete sich einen Spaltbreit: »Ein andermal.«
Ich nagte an meiner Unterlippe und spürte einen Stich der Enttäuschung – doch da war noch mehr: Ich wusste nicht, was gerade zwischen uns passierte, aber es gefiel mir.
Ich riss mich am Riemen. Schließlich vertrat ich hier meinen Kollegen. Und hätte Chris auch mit ihm geflirtet?
Okay, vielleicht hätte er das. Doch das bedeutete nicht, dass ich es tun durfte. Ich hatte hier einen Job zu erledigen, und Jeff Moreno machte es mir nicht gerade leicht.
Er hatte keine Ahnung, dass ich es liebte, herausgefordert zu werden.
Das Interview wäre beinahe völlig in den Hintergrund gerückt.
»Wer ist dein Vorbild im Leben?«, fragte ich, weil es mich wirklich interessierte und nicht, weil es in meinem gedanklichen Fragenkatalog stand. Jeff faszinierte mich – und das nicht nur mit seinen sportlichen Leistungen, sondern vor allem mit seiner Persönlichkeit.
Jeff überlegte nicht. »Meine Mutter.«
»Deine Mutter?« Das kam unerwartet. »Warum?«
Er zögerte. »Sie hat viel durchgemacht«, sagte er dann. »Sie hatte es nie einfach im Leben. Als mexikanische Einwanderin wird man hier nicht gerade mit offenen Armen empfangen.« Er starrte in die Schwärze seines Kaffees. »Doch sie hat sich durchgebissen. Sie hat gekämpft und nie aufgegeben. Vor allem, um mir ein besseres Leben zu ermöglichen, als sie es hatte. Was sie für mich getan hat, kann ich nie zurückzahlen. Aber ich kann ihr Geschenk in Ehren halten – indem ich selbst nie aufgebe.«
Ich lächelte leicht. Noch nie zuvor hatte ich einen Mann so von seiner Mutter sprechen hören. Vielleicht empfanden andere es als Zeichen der Schwäche – als würden sie damit ihre Männlichkeit untergraben oder so. Doch das, was Jeff gesagt hatte, schmälerte meine Meinung von ihm kein bisschen. »Sie muss so stolz auf dich sein.«
Jeff nickte. »Das ist sie.«
Ich nahm einen großen Schluck von meinem Cappuccino. Er war nur noch lauwarm. »Und was ist mit deinem Dad?«
»Der ist gestorben, als ich noch klein war«, sagte er, ohne zu zögern.
Verdammt. Kein guter Gesprächsverlauf. »Das tut mir leid.«
»Muss es nicht. Ist lange her.«
»Darf ich fragen, wie es passiert ist?« Vielleicht könnte ich zumindest eine emotionale, aufwühlende Story über –
»Bei einem Autounfall.« Er seufzte lautlos. »Meine Mutter ist alles, was ich noch habe.« Er berührte den Anhänger seiner Kette, scheinbar ohne es selbst zu bemerken.
Erst jetzt fiel mir auf, dass die Aufnahme immer noch lief. Irgendwie unpassend. Ich stoppte sie beiläufig. »Lass uns über was Schöneres reden. Das anstehende Meisterschaftsspiel zum Beispiel.« Ich ließ den Blick schweifen – bis er an einem Schokoladen-Eisbecher hängen blieb, den eine Bedienung gerade an einen anderen Tisch brachte. Er bestand aus mehreren hellen und dunklen Schichten und besaß eine Krone aus Sahne und Kirschen. Mir lief das Wasser im Mund zusammen.
Jeff schien das nicht zu entgehen. »Willst du einen?«
»Ach«, winkte ich halbherzig ab. »Wer könnte bei dem Anblick keinen wollen?«
Er ließ nicht locker. »Du solltest einen bestellen.«
»Nein.« Entschieden schüttelte ich den Kopf. »Ich muss auf meine Linie achten.«
Jeff lachte. »Ich muss auf meine Linie achten. Du musst überhaupt nichts.«
Als mein Blick auf seinen traf, lag in seinen Augen nichts als pure Ehrlichkeit. »Na schön«, gab ich nach – aber nur, weil ich heute noch nichts gegessen hatte. »Willst du auch einen?« Da Jeff bisher nur einen lausigen Kaffee bestellt hatte, gab es das Budget allemal her.
»Ich bleibe hierbei«, antwortete er und tippte auf den Rand seiner Tasse.
»Okay.« Ich hielt nach der Bedienung Ausschau, die gerade dabei war, das Geschirr von drei Tischen in Richtung Küche zu tragen. Ich wartete, bis sie an uns vorbeiging, ehe ich zögerlich eine Hand hob. »Entschuldigung!«
Aus irgendeinem Grund erschrak die Frau so sehr, dass sie herumfuhr und die Türme aus Geschirr, die sie auf ihren Tabletts trug, in sich zusammenfielen. Ein spitzer Schrei drang aus ihrer Kehle, als mehrere leere Eisbecher auf den Boden krachten und in ihre Einzelteile zersplitterten.
Instinktiv rutschte ich auf meiner Bank in die andere Richtung, um weder von Scherben noch von Eis-Spucke-Resten getroffen zu werden. »Tut mir leid!«
Ich wurde gleich noch mal überrascht, als Jeff von seinem Platz aufsprang. Nicht, weil er getroffen worden war. »Ich helfe Ihnen«, sagte er, ehe er sich bückte und anfing, die Scherben vom Boden aufzusammeln und auf das Tablett zu legen.
»Danke!«, seufzte die Frau mit spanischem Akzent. »Vielen Dank!« Sie stand auf, vermutlich um einen Besen zu holen, der die Aufräumerei beschleunigen würde.
Da es ziemlich dumm aussähe, jetzt einfach sitzen zu bleiben, rutschte ich zum äußeren Rand der Bank, um Jeff zur Hand zu gehen. »Du bist so ...«, ich stockte, »nett.« Das war untertrieben. Ich hatte sofort gewusst, dass er nicht wie die vielen Jocks an der USC war. Aber inzwischen sah ich ihn aus anderen Augen. Er war nicht langweilig. Sondern höflich, anständig und einfühlsam.
Er runzelte die Stirn. »Ist das eine Überraschung?«
Ich zuckte die Achseln und legte die letzte größere Scherbe auf das Tablett. »Ich dachte, du gehst nicht auf Partys, weil du ein asoziales Arschloch bist. Also – ja.«
Er grinste. »Klingt so, als hättest du deine Story gefunden.«
»Wir werden sehen«, wich ich aus.
Jeff stand auf, als die Bedienung mit dem Besen zurückkam. Zehn Minuten später war der Splitterregen beseitigt, und unsere neue Bestellung stand auf dem Tisch.
Ich sah Jeff über meinen Eisbecher hinweg an. »Ich glaube, du verheimlichst mir etwas, Jeff Moreno«, sagte ich, »aber ich werde schon noch herausfinden, was es ist.« Langsam schob ich mir etwas Eis in den Mund und zog den Löffel wieder zwischen meinen geschlossenen Lippen hervor. Als ich ihn erneut zum Eisbecher führte, entging mir nicht, dass Jeffs Blick immer noch an meinem Mund hing.
Ich lächelte. »Stehst du auf Schokolade?«
Ich bildete mir ein, dass ein Blitzen in seine Augen trat. »Und wie«, antwortete er mit tiefer Stimme.
Ohne meine Aufmerksamkeit von ihm abzuwenden, tauchte ich den Löffel in das Eis hinein und hob ihn dann an sein Gesicht. Jeff beugte sich etwas vor, und einen Moment später wünschte ich mir, ich wäre der Löffel. Er sah mir tief in die Augen, während er das Eis vom Besteck aß. Der bloße Anblick ließ eine ungeahnte Hitze in mir aufwallen.
Unwillkürlich malte ich mir aus, wie er mich mit diesen Lippen küsste. Wie er seine Arme um meinen Körper schlang, seine Brust ganz dicht an meiner ...
Aber wenn er auch nur den Bruchteil der Würde besaß, die ich ihm zuschrieb, würde das nicht passieren. Dieser Mann ließ sich nicht mit jeder schönen Frau ein, die ihm zweifarbige Augen machte. Er wollte überzeugt werden. Nur gut, dass ich überhaupt kein Problem damit hatte, mir zu holen, was ich wollte. Und gerade eben wollte ich Jeff Moreno.
Doch leider hatte ich zu lange gebraucht, um mir das einzugestehen. Ein Vibrieren erklang aus seiner Richtung, und er zog sein Handy aus der Hosentasche. »Ich muss zum Training«, erklärte er mit einem entschuldigenden Blick.
Mein Herz machte einen Satz. Ich war noch nicht fertig mit ihm. Weder auf die eine noch auf die andere Weise. »Schade« war alles, was ich im ersten Moment rausbekam.
»Danke für die Einladung. Ich hoffe«, er erhob sich und schulterte seine Tasche, »du hast genug für deinen Artikel zusammenbekommen.«
Auf einmal schienen die Sekunden zu rasen – genau wie mein Mund, der schneller sprach, als ich denken konnte. »Ehrlich gesagt«, hob ich an, »hatte ich gehofft, dich noch für ein Folgeinterview gewinnen zu können.« Zaghaft sah ich zu ihm hinauf. »Vielleicht Freitagabend bei dir?«
Für einen Augenblick wirkte Jeff erstaunt – dann lächelte er. »Wie wär's mit heute Abend? Nach dem Training?«
Ich blinzelte. Wow, wer hätte gedacht, dass dieser Mann so spontan sein konnte? »Umso besser. Ich muss schließlich eine Deadline einhalten«, schob ich gekonnt hinterher. Gleichzeitig ahnte ich, dass er mich längst durchschaut hatte.
Stunden später saß ich mit Jeffs Nummer und einer mehr oder weniger hilfreichen Aufnahme in meiner Einzimmerwohnung vor meinem Laptop. Ich hatte ein Textdokument geöffnet, in dem bisher nur zwei Worte standen: JEFF MORENO.
Das hier war wirklich schwieriger als gedacht. Natürlich könnte ich über seine Sportlerkarriere hier an der Uni schreiben, aber um alles darüber zu erfahren, müsste man lediglich die Mannschafts-Website aufrufen. Ich könnte über seine enge Bindung zu seiner Mutter schreiben oder über seine Werte und Ziele im Leben. Aber ich hatte das Gefühl, dass ich dazu einfach nicht befugt war. Weil ich immer noch nicht wusste, wer Jeff Moreno war. Weil er mir eine faszinierende Seite von sich gezeigt hatte, ich aber noch längst nicht alles von ihm gesehen hatte.
Ich musste mehr herausfinden. Aber das war nicht der einzige Grund, weshalb ich mich zu ihm eingeladen hatte. Es würde mich nicht einmal überraschen, wenn ich den Artikel von jetzt auf gleich vergaß, sobald ich seine Türschwelle übertreten hatte. Das war mir noch bei keinem anderen Interview passiert – doch zu meiner eigenen Überraschung hätte ich überhaupt kein Problem damit, diese Premiere mit Jeff zu feiern.
Um zweiundzwanzig Uhr hatte Jeff sich immer noch nicht gemeldet, aber das störte mich nicht. Die Trainings zogen sich regelmäßig in die Länge – manchmal so sehr, dass ich mich fragte, wie die Spieler sich überhaupt noch auf den Beinen halten konnten. Ich hoffte nur, dass ich nicht auf meiner Tastatur einschlief, bis er mir schrieb.
Eine Stunde später war es so weit – aber trotzdem sackten meine Mundwinkel beim Anblick der Nachricht herab.
Sorry. Mein Mitbewohner feiert eine Party. Kein guter Ort für ein Interview.
Unzufrieden starrte ich auf das Display. Ich hatte mich in Schale geworfen – in ein bauchfreies Top und Jeans – und den Look mit einer pinken Lederjacke perfektionieren wollen. Ich hatte mich geschminkt, dezenten Schmuck angelegt und trug Coco Chanel. Das sollte doch nicht umsonst gewesen sein, oder?
Komm zu mir, schlug ich vor und schickte ihm meinen Standort. Ist nicht weit vom Campus.
Jeff las die Nachricht sofort, antwortete aber nicht – so lange, bis ich einen Funken Ärger in der Magengrube spürte. Das hier war eindeutig nicht der richtige Zeitpunkt, mich zu ghosten.
Gerade als ich mein Handy weggelegt hatte, kam der Signalton: Bin in zehn Minuten bei dir.
Mein Herz machte einen Satz. »Yes!«, stieß ich hervor. Natürlich hatte Jeffs blöder Mitbewohner mir einen Strich durch die Rechnung gemacht. In seiner Wohnung hätte ich vielleicht mehr über ihn herausfinden können, als er mir freiwillig verraten wollte.
Aber schließlich gab es noch einen zweiten Grund, weshalb ich mich mit ihm hatte verabreden wollen, und eine wohlige Nervosität stieg in mir auf, als mir klar wurde, dass dieser jetzt von ganz allein in den Vordergrund rückte.
Ich zählte die Sekunden, bis es an der Tür klopfte. Obwohl ich ihn erst vor ein paar Stunden gesehen hatte, war ich irgendwie angespannt. Eine positive Anspannung mit Schmetterlingen im Bauch. Eine, bei der man unbedingt einen guten Eindruck machen wollte und bei der sein bloßer Anblick mein Herz höher schlagen ließ. Ich hatte keine Ahnung, wie ich Freitag hatte vorschlagen können. Zwei Tage kamen mir auf einmal wie eine Ewigkeit vor.
Ich öffnete – und da stand er und schenkte mir sein schiefes Lächeln. »Sorry für die Verspätung.« Unter seiner Lederjacke trug er Jeans und Hemd. Seine Haare schimmerten feucht.
»Ist doch kein Problem.« Ich umarmte ihn zur Begrüßung, und als ich seine Hände auf meinem Rücken spürte, schoss eine ungeahnte Wärme in mir hoch. Leider endete die Berührung viel zu früh.
»Schön hast du's hier«, kommentierte er, als er eintrat. Abgesehen von dem angrenzenden Bad bestand meine Wohnung aus meinem Bett, einem Schreibtisch und einer schmalen Küchenzeile. Dazwischen war gerade genug Platz für meine Yogamatte.
»Kann ich dir irgendetwas anbieten?«, fragte ich, während er sich Schuhe und Jacke auszog. Sekt? Wein? Whisky?
»Ein Kaffee wäre super.«
Ich hob die Brauen. »Es ist fast Mitternacht.«
Er zuckte die Achseln. »Ist das nicht gerade der Sinn und Zweck von Kaffee?«, gab er zurück. »Dass es nie zu früh oder zu spät dafür ist?«
Ich lachte. »Auch wieder wahr. Du hast Glück«, fuhr ich fort und schlenderte zu meiner Küchenzeile. »Ich hab vorhin noch welchen gemacht.« Wenn ich wieder eine knappe Deadline für Hausarbeiten oder Artikel hatte, war Kaffee mein Überlebenselixier.
Da ich nur einen Stuhl besaß – die meiste Zeit verbrachte ich ohnehin in der Redaktion –, bot ich ihn Jeff an, stellte seine Tasse auf den Tisch und setzte mich selbst ans Kopfende meines Bettes, das an die Wand neben dem Schreibtisch grenzte.
»Keine Aufnahme?«, fragte er grinsend.
»Da du meine Fragen beim letzten Mal sowieso nicht beantworten wolltest, habe ich beschlossen, jetzt einfach alles auf mich zukommen zu lassen.« Ich lächelte ihn an und hoffte, dass er den Wink mit dem Zaunpfahl verstand. Wir beide wussten, worauf das hier hinauslaufen würde. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis einer von uns den ersten Schritt machte.
Meine eigene Tasse mit beiden Händen umschließend, lehnte ich mich seitlich gegen die Wand. »Wie war das Training?«
Jeff dachte kurz nach. »Fordernd«, erwiderte er. »Das Meisterschaftsspiel steht vor der Tür. Coach Black zieht dementsprechend andere Saiten auf.« Neckisch hob er eine Braue. »Wie läuft die Suche nach dem großen Coup?«
Er forderte mich schon wieder heraus. Ein Teil von mir wollte sich darüber ärgern, konnte es aber nicht. Das Kribbeln in meinem Bauch war viel zu stark.
»Gute Frage.« Mein Nachbar von oben stampfte mal wieder quer durch seine Wohnung, doch ich ließ mich davon nicht beirren. »Sie könnte ein absoluter Reinfall werden oder«, ich musterte ihn von oben bis unten und stellte mir vor, wie seine nackte Haut unter all dem Stoff aussehen musste, »die nächste heiße Story.«
Jeff stieg in das Duell ein, indem er seinen Blick über meinen Körper schweifen ließ. »Klingt so, als wäre alles möglich.«
»Genau wie beim Football.« Die Wärme, die sich in dem Moment in mir ausgebreitet hatte, als er vor meiner Tür gestanden hatte, wanderte immer weiter durch meinen Körper. In meinen Kopf, meinen Unterleib und bis in meine Fingerspitzen hinein. »Wie bei euren Matches.« Ich befeuchtete meine Lippen – und mir entging nicht, dass Jeffs Blick daraufhin an ihnen hängen blieb. »Glaubst du, du wirst bei deinem nächsten Spiel auch wieder einen Touchdown landen?«
Ein leichtes Zucken ging durch seine Mundwinkel. »Darauf werde ich nicht antworten«, antwortete er lässig.
»Worauf möchtest du denn antworten?« Ich nippte an meinem Kaffee. »Was soll ich dich fragen?«
Er lehnte sich auf meinem Stuhl zurück. »Nach meiner Nummer hast du ja schon gefragt.«
Wie von selbst verzogen sich meine Lippen zu einem Lächeln. »Das habe ich.«
»Scheint so, als gehörtest du zu den Frauen, die gern die Initiative ergreifen.«
Ich nahm eine blonde Haarsträhne zwischen meine Finger und begann, sie zu drehen. »Für gewöhnlich, ja. Aber ich stehe drauf, wenn Männer sich holen, was sie wollen. Ohne Rücksicht auf Verluste.« Ich beobachtete jede seiner Regungen und bildete mir ein, dass sein Griff um die Tasse sich minimal versteifte. »Doch«, fügte ich seufzend hinzu, »darum geht es schließlich nicht.«
»Richtig.« Er stellte den Kaffee weg. Es kam mir so vor, als wäre seine Stimme eine Spur rauer geworden. »Das hier ist immer noch ein Interview.«
»Ein Interview«, bestätigte ich und hoffte, dass er mir nicht anhörte, dass mein Atem sich beschleunigt hatte.
Ich stand auf, um meine Tasse auf dem Tisch abzustellen. Dabei kam ich ihm so nah, dass sich alles in mir dagegen sträubte, mich wieder zu setzen. Es gab kein Zurück mehr.
»Dann noch eine letzte Frage«, sagte ich gedehnt. Ich konnte seine Körperwärme auf meiner Haut prickeln spüren. »Bist du schüchtern, Jeff Moreno?«
Er schenkte mir ein überraschtes Lächeln. »Nein«, entgegnete er kopfschüttelnd. »Auf keinen Fall.«
Ich biss mir in einer stillen Herausforderung auf die Unterlippe. »Dann beweise es mir«, flüsterte ich.
Etwas in seiner Miene veränderte sich. Ich sah es am Zug um seine Mundwinkel, am Blitzen in seinen Augen – und am erwartungsvollen Ausdruck, der in seinen Blick trat. Seine Arme bewegten sich langsam und gleichzeitig unglaublich schnell, als er mich an den Hüften ergriff und auf seinen Schoß zog.
Meine Hände fanden seine Schultern, und unsere Gesichter kamen sich näher, als würden sie magnetisch voneinander angezogen. Meine Stirn berührte seine, ich konnte seinen warmen Atem auf meiner Haut spüren. Als ich einatmete, nahm ich zarte Noten von Zitrone, Rosmarin und Moschus wahr. Mein Herz schlug immer schneller. Sein Blick zog mich in seinen Bann. In ihm lag ein Verlangen, das mein eigenes in unermessliche Höhen trieb.
Einen Augenblick lang verharrten wir genau so, sein starker Griff um meinen Körper, meine Daumen, die über seine Schlüsselbeine strichen, und unsere Augen im Kampf um die Oberhand über das, was gleich passieren würde.
Plötzlich löste eine von Jeffs Händen sich von meinen Hüften und legte sich in meinen Nacken. Sanft, aber bestimmt zog er mein Gesicht noch näher – und drückte seine Lippen auf meine.
Eine Explosion aus Hitze brachte mein Innerstes zum Erbeben. Das Kribbeln in meiner Magengrube wanderte abwärts. Seine Lippen waren rau, aber nicht trocken, seine Bewegungen hungrig, aber nicht rücksichtslos. Meine größte Angst, dass das hier in einem feuchten Schmatzer enden würde, erwies sich als völlig unbegründet. Die einzige Nässe sammelte sich an der pulsierenden Stelle zwischen meinen Beinen.
Das hier war besser als alles, was ich mir in der Eisdiele ausgemalt hatte. Meine Hände wanderten von seinen Schultern zu seiner Körpermitte, wo meine Fingerspitzen den obersten Knopf seines Hemds fanden und lösten. Gleichzeitig versteifte sich sein Griff um mich – auch der in meinem Nacken, wo er mich umso drängender an sich presste. Von da an war es nur noch eine Frage von Sekunden, bevor ich den lästigen Stoff beiseiteschieben und seine nackte Haut spüren konnte.
Bevor ich mich von seinem Bauch zu seiner Brust hocharbeiten konnte, packte er plötzlich den Saum meines Tops. Ich hob die Arme hoch, damit er es mir über den Kopf ziehen konnte – ehe er sich vorbeugte und meine Lippen zurückeroberte.
Ich schaffte es gerade noch so, ihm das Hemd von den Schultern zu streifen, bevor er mit der einen Hand unter meine Beine griff, die andere vollends um meine Taille legte und einfach mit mir aufstand. Instinktiv schlang ich meine Arme um seinen Nacken, bevor er mit zwei Schritten die Distanz zu meinem Bett überquerte und mich quer darauf ablegte. Ich zog ihn zu mir, und von einer Sekunde auf die andere bedeckte er jeden Zentimeter meines Körpers.
Diesmal verharrten seine Lippen nicht lange auf meinen. »Wie weit«, flüsterte er ganz dicht an ihnen, »willst du gehen?«
»Was glaubst du denn?«, hauchte ich, nahm seine Unterlippe zwischen die Zähne und zog beherzt daran.
Jeff sog scharf die Luft ein. Es kam mir so vor, als würden seine Augen sich verdunkeln, während sich ein kaum merkliches Lächeln in sein Gesicht stahl. Er küsste mich, doch diesmal blieb es nicht dabei. Seine Lippen wanderten langsam über meinen Kieferknochen und meinen Hals. Ich grub meine Finger in sein braunes Haar, während er heiße Küsse über mein Schlüsselbein zog. Als er bei meinen Brüsten ankam, hielt er nur für einen Moment inne, um seine Hände unter mich zu schieben. Ich streckte ihm meinen Oberkörper entgegen, damit er den Verschluss meines BHs lösen und nahtlos dort weitermachen konnte, wo er aufgehört hatte.
Die bloße Berührung seiner Lippen auf meiner sensiblen Haut brachte mich zum Seufzen – vor Lust und auch vor Ungeduld. Ich wollte einfach nur, dass er mich hier und jetzt nahm. Aber das tat er nicht. Er war ein Gentleman – das hatte ich vom ersten Moment an gewusst. Und ich wollte nichts lieber, als dass er die letzte Barriere überwand und zu dem wilden Tier wurde, das in ihm wohnte.
In dem Moment, in dem sich sein Mund von meiner Brust löste, spürte ich dort eine unangenehme Kälte, die jedoch nahtlos durch die Hitze ersetzt wurde, die er daraufhin auf meinem Bauch und meinen Hüften hinterließ.
Ich hatte überhaupt nicht bemerkt, dass er meine Hose geöffnet hatte, bis er auch schon an ihr zog. Da ich quer auf dem Bett lag, musste er aufstehen, um sie mir ganz abzustreifen – und ich nutzte die Chance, um zurückzuschlagen. Ich richtete mich auf und ergriff seinen Gürtel. Meine Finger fühlten sich leicht taub an, als ich ihn öffnete. Gleich danach Knopf und Reißverschluss. Ich sah Jeff tief in die Augen, während ich ihm die Jeans förmlich herunterriss. Ich wollte ihn spüren. Ich wollte ihn schmecken. Und so, wie er vor mir stand, würde sich gleich die perfekte Gelegenheit dazu ergeben.
Als ich seine dunkelblauen Boxershorts herunterzog, kam darunter etwas zum Vorschein, das eines 1,90 großen Mannes würdig war. Ich warf einen Blick nach oben in Jeffs lusterfüllte Augen, ließ meine Hände zu seinen Hüften wandern -
Plötzlich packte er mich an den Handgelenken. Ehe ich mich versah, hatte er mich rücklings zurück auf das Bett gedrückt. Er trug nichts mehr bis auf das Azteken-Pendant um seinen Hals.
Mein Herz hämmerte in meiner Brust. Mein Atem ging schnell – und stockte, als er seine Lippen abermals mit meinen vereinte. Seine Hand fand die Stelle zwischen meinen Beinen, die sich am meisten nach ihm sehnte. Es war, als testete er dort seine Möglichkeiten aus, bevor er aufs Ganze ging.
Sein Mund löste sich von meinem, als er begann, sich voll und ganz auf die Bewegungen seiner Hand zu konzentrieren. Er sah mich an, als wollte er jede Regung in meinem Gesicht registrieren.
Bei Sportlern hatte ich sonst immer darum kämpfen müssen, auch zum Zug zu kommen. Aber jetzt war es anders. Bei Jeff fühlte ich mich wie eine Göttin, der er nur zu gern dienen wollte.
Ich versuchte, seinem Blick standzuhalten, obwohl ich am liebsten die Lider gesenkt hätte. Der bloße Anblick seiner dunklen Augen und seiner leicht geöffneten Lippen sowie das, was er durch den Stoff meines Slips mit mir anstellte, waren fast zu viel für mich.
Als er das bemerkte, hielt er inne. Betont langsam streifte er mein Höschen von meinen Beinen. »Warte«, sagte er leise, während er sich nach seiner Hose umsah – oder genauer gesagt etwas, das sich in einer Tasche befinden musste.
»Ich hab eins hier.« Ich streckte mich in Richtung des Nachtschränkchens, das zwischen meinem Bett und der Wand eingequetscht war. Als ich ein Kondom aus der Schublade zog, hoffte ich, dass er sich keine Gedanken darüber machte, mit wie vielen seiner Teamkollegen ich schon in diesem Bett geschlafen hatte.
Dass es ihn zumindest nicht abtörnte, wusste ich spätestens in dem Moment, als ich den Gummi problemlos abrollen konnte.
Unter meinen Berührungen entglitt ein leiser Seufzer seinen Lippen, dabei sah er mir nach wie vor in die Augen. Es gab so viele andere Stellen, die er jetzt mit dem Blick verschlingen könnte – aber er fixierte einzig und allein meine Augen.
Seine Hände strichen über meine Schultern, meine Oberarme und verharrten schließlich an meinen Hüften. Sein Griff verstärkte sich, ehe er mich auf seinen Schoß hob.
Was dann passierte, kam mir im Nachhinein vor wie ein Fiebertraum – im positiven Sinne: heiß, nass geschwitzt, als hätte man mich in eine andere Welt gebeamt. Unsere Körper bewegten sich in einem Rhythmus, den auch unsere Herzen zu übernehmen schienen. Mit jeder einzelnen Berührung brachte er mich mehr in Ekstase, so lange, bis eine Explosion aus Endorphinen mein Innerstes zerfetzte und ich mich ihm bedingungslos hingab.
Während Jeff in meinem Badezimmer verschwand, lag ich eine Weile einfach nur auf dem Rücken und starrte schwer atmend an die Decke. Als ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, stand ich auf, um mein Handy vom Schreibtisch zu fischen, und schlüpfte wieder unter die Bettdecke. Meine Finger bebten leicht, als ich eine Nachricht an Chris sendete.
DANKE, dass du krank bist! Ansonsten hätte ich vielleicht die Nacht meines Lebens verpasst.
Jeff war unglaublich. Er sprach mit mir. Er richtete sich nach mir aus. Und bei allem, was er tat, sah er mir in die Augen, während sich mein Verlangen in seinen widerspiegelte. Er war so sinnlich, so leidenschaftlich und gefühlvoll. Trotz allem, was ich von ihm mitbekommen hatte, hatte ich das einfach nicht erwartet.
Als er aus dem Bad zurückkam, legte ich mein Handy weg. Er hatte seine Boxershorts wieder angezogen – so wie ich meinen Slip.
»Immer noch auf der Suche nach einer Story?«
Ich hob eine Braue. »Keine Sorge, ich hab nur mein Handy gecheckt«, klärte ich ihn auf. »Nicht deines.«
Er lächelte schief. »Könntest du aber, wenn du willst«, sagte er lässig, während er sich seine Jeans anzog. »Ich habe nichts zu verbergen.«
»Keine Skandale und nichts zu verbergen«, gab ich zurück. »Klingt unglaubwürdig.« Die Alarmglocken in meinem Hinterkopf begannen erst zu schrillen, als Jeff Anstalten machte, sein Hemd anzuziehen. »Du willst schon wieder gehen?« Ich konnte nicht verhindern, dass sich eine gewisse Schärfe in meine Stimme legte. So hatte ich mir den Ausgang der Nacht nicht vorgestellt.
»Ja«, erwiderte er geradeheraus, starrte dabei aber hoch konzentriert auf sein Handy. »Tut mir leid.«
Ich ertappte mich selbst dabei, wie ich ihn mehrere Sekunden lang einfach nur mit heruntergeklappter Kinnlade anstarrte. Ja, tut mir leid? Das war alles, was er zu sagen hatte? Hatte ich etwas falsch gemacht? Hatte ihm das hier nicht gefallen? Warum hatte er es so eilig? »Klingt so, als wäre die Party deines Mitbewohners das Highlight des Jahres.«
Jeff schnaubte belustigt und schüttelte den Kopf, ohne den Blick vom Bildschirm zu nehmen. Musste ja was total Wichtiges sein. »Das ist sie nicht«, sagte er ernst. »Definitiv nicht, glaub mir.«
Mein Magen krampfte sich zusammen. Aber offensichtlich immer noch besser als die Aussicht hierzubleiben. »Ich verstehe.« Ich verstand überhaupt nichts. Warum zog er diese Nummer ab? Natürlich, ich hatte auch nicht weiter als bis zu genau diesem Zeitpunkt geplant, aber dass er das hier offensichtlich nur als einmalige Sache ansah ... tat irgendwie weh.
Ich wandte den Blick ab. »Du weißt ja, wo die Tür ist.«
Ich war irritiert und verletzt, obwohl das das Letzte war, was ich gerade sein wollte. Mochte er mich nicht – zumindest nicht genug, um auch nur eine ganze Nacht mit mir zu verbringen? Konnte er sich nichts Längeres mit mir vorstellen? Fand er meine Augen doch unattraktiv?
Die Wahrheit traf mich unerwartet und mit einem Schlag. Egal welchen Eindruck Jeff heute erweckt hatte – er war immer noch ein Football-Spieler.
Und dann überraschte er mich wieder – indem er sich in voller Montur auf meine Bettkante setzte und mich an der Wange berührte, damit ich ihm in die Augen blickte. »Ich sehe dich auf dem Campus«, sagte er sanft.
Ich zuckte die Achseln. »Zwangsl-«
Ich verstummte, als er mich auf den Mund küsste. Der Moment war so schnell vorbei, wie er gekommen war – aber ich war immer noch verwirrt, lange nachdem Jeff die Tür hinter sich zugezogen hatte.
Wütend schlafen konnte ich definitiv nicht weiterempfehlen. Nicht nur, weil man dann zwangsläufig von der Sache träumte, die einen sauer machte, sondern auch, weil die miese Laune beim Aufwachen nicht einfach verpuffte. Vor allem nicht bei mir, die sofort nach ihrem Handy griff, um ihre Nachrichten zu checken. Die erste davon lautete: JM???
Sie stammte von Chris, der erst jetzt auf meinen nächtlichen Jubel geantwortet hatte. Ich hätte die Nachricht löschen sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu gehabt hatte. Jetzt war sie mir einfach nur peinlich. Die ganze Aktion von gestern war mir peinlich, obwohl sie das eigentlich nicht sein sollte. Es war mir vor allem peinlich, dass sie mir peinlich war.
Eine schiere Ewigkeit starrte ich die beiden Buchstaben an, die Chris mir geschickt hatte. Ja ... was sollte ich nur mit besagtem JM machen?
Ich hätte wissen müssen, dass das gestern nicht mehr als ein One-Night-Stand für ihn gewesen war. In jedem anderen Fall wäre das auch völlig in Ordnung gewesen, weil ich selbst nicht gerade der Beziehungstyp war, aber ... das hier war anders gewesen. Weil Jeff anders war. Das hatte ich zumindest geglaubt.
Mein Ärger begleitete mich ins Bad und später aus dem Haus. Donnerstags vor der ersten Vorlesung traf das Sportressort sich immer zu einem kurzen Meeting, um anstehende Termine zu besprechen. Mike forderte jeden von uns auf, von seinem Status quo zu berichten.
Chris, der wie durch ein Wunder wieder gesundet war, lehnte sich in seinem Drehstuhl zurück. »Ja, Caroline«, betonte er. »Dein ›Stand der Dinge‹ würde mich brennend interessieren.«
Ich verdrehte die Augen, fasste mein Interview in einem Satz zusammen und versprach, es spätestens zur Deadline im Januar zum Artikel ausgearbeitet abzugeben.
Nachdem wir uns zurück an unsere Plätze verzogen hatten, dauerte es nicht lange, bis Chris mit dem Schreibtischstuhl zu mir herübergerollt kam. »Also?«, fragte er grinsend.
Unwillkürlich wich ich in die andere Richtung aus. »Bist du sicher, dass du schon wieder gesund bist?«, fragte ich und musterte ihn. Er sah nicht direkt krank aus, aber ich wollte kein Risiko eingehen.
Chris sah sich kurz nach Mike um, ehe er sich umso mehr in meine Richtung beugte. »Ich war überhaupt nicht krank«, flüsterte er.
Ich runzelte die Stirn. »Will ich mehr wissen, oder will ich nicht mehr wissen?«
Seine Augen blitzten. »Willst du nicht.«
Chris studierte in meinem Jahrgang und hatte zeitgleich mit mir bei der Trojan Horse angefangen. Zugegeben, die ersten Tage über hatte ich vielleicht versucht, mit ihm zu flirten, bis ich herausgefunden hatte, dass er schwul war. Er hatte das erste Jahr über Baseball gespielt, bis er sich das Schlüsselbein gebrochen und seiner Karriere ein vorzeitiges Ende gesetzt hatte. Anstatt selbst auf dem Feld zu stehen, schrieb er jetzt einfach darüber. »Aber was ich wissen will«, fuhr er fort und rieb sich über seine raspelkurzen braunen Haare, »ist, wie die Sporteinheit mit Nummer 26 gestern gelaufen ist.«
Ich wandte den Blick ab und starrte auf meinen Bildschirm – auf das Textdokument, in dem immer noch nur zwei Worte standen, über die ich gerade weder reden noch schreiben wollte. »Kommando zurück«, brummte ich. »Es war ganz passabel. Maximal.«
Chris schob sich in mein Blickfeld und hob eine Braue. »Du hast mir noch nie«, raunte er, »mitten in der Nacht eine Nachricht geschickt, nur weil du Sex hattest.«
Ich stöhnte.
»Was denn?«, bohrte er weiter, als wäre ich sein nächster Interviewpartner. »Hat er die Socken angelassen, oder was?«
Ich konnte nicht anders, als zu lächeln. »Nein!« Vielleicht war die absolute Katastrophe doch nicht eingetreten.
Ich hatte bis jetzt hauptsächlich dominantere Kerle gehabt, die im normalen Leben zwar megaheiß wirkten, im Schlafzimmer aber schwierig wurden, weil ich selbst gern die Zügel in der Hand hielt. Zwei positive Pole stießen sich nun mal ab.
Mit Jeff war es anders gewesen. Wenn er die Oberhand über unser Spiel gehabt hatte, dann allein deshalb, um mich zu verwöhnen. Er hatte sich selbst an zweite Stelle gesetzt, weshalb es mir umso größeren Spaß gemacht hatte, mich um ihn zu kümmern, sobald ich die Kontrolle an mich gerissen hatte. Ihn anzumachen hatte mich angeheizt wie bei keinem anderen Mann zuvor. Wir passten perfekt zusammen. Oder hatten es zumindest getan, bis er sich aus dem Staub gemacht hatte.
»Ich komme hier nicht weiter«, lenkte ich vom Thema ab. »Was weißt du über ihn?«
»Ganz offensichtlich nicht so viel wie du«, gab er zurück, woraufhin ich ihm einen scharfen Blick zuwarf. »Also gut.« Er dachte kurz nach, und ich fragte mich, ob er sich gerade an seine eigenen Recherchen erinnerte oder an die Insider-Infos, die ihm sein On-Off-Boyfriend im Team beschert hatte. »Er hat den Nachnamen seiner Mutter angenommen«, sagte er. »Sein Vater ist wohl schon vor einer Ewigkeit gestorben.«
Ich blinzelte. »Wirklich?«
»Ja, bei einem Autounf-«
»Nicht das!« Das wusste ich schließlich schon. »Warum hat er den Nachnamen seiner Mutter angenommen?«
Chris wirkte verwirrt darüber, dass genau das mich störte. »Keine Ahnung, vielleicht hat ihm der andere Name nicht gefallen.«
»Wäre das nicht trotzdem etwas drastisch?«
Er schüttelte den Kopf. »Hast du dich mal nach Nachnamen umgehört? Stell dir mal vor, du heißt Hooker. Oder Boner. Oder Crapper. Oder -«
Ich winkte ab. »Als erfolgreicher Sportler kann man jeden Namen tragen.« Ich glaubte nicht, dass es Jeff um den Namen gegangen war, sondern um das, was er damit verband. »Vielleicht konnte er so den Tod seines Vaters besser verarbeiten.« Aber würde man ein geliebtes Familienmitglied nicht eher in Ehren halten wollen, anstatt es mit einer Umbenennung ganz aus seinem Leben zu verbannen?
Irgendetwas passte nicht zusammen. »Weißt du, wie sein Vater hieß?«
Chris verneinte sofort. »Aber wenn es dir wirklich so wichtig ist, lass mich ein paar Anrufe machen, und ich bekomme es für dich raus.«
»Ist es«, gab ich zurück und sah dabei zu, wie er sich von meinem Schreibtisch abstieß, um wieder zu seinem Platz zu rollen.