Tür an Tür ins Weihnachtsglück - Emma S. Rose - E-Book
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Tür an Tür ins Weihnachtsglück E-Book

Emma S. Rose

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Beschreibung

Erkennst du dein Glück, wenn es nebenan einzieht? Als bekennender Fan von Liebesfilmen aller Art weiß Liah bestens, wie Beziehungen funktionieren sollten – zumindest theoretisch. Praktisch ist sie seit Jahren Single und zunehmend einsam. Dabei wünscht sie sich nichts sehnlicher als einen Mann an ihrer Seite – ganz besonders zur Weihnachtszeit. Eines Tages zieht Adam nebenan ein. Die beiden könnten nicht gegensätzlicher sein und die Chancen für eine gute Nachbarschaft stehen zunächst schlecht. Doch obwohl Liah von seiner abweisenden Art eingeschüchtert ist, schafft sie es, ihm den Zauber der Weihnachtszeit näher zu bringen. Zwischen den beiden entsteht eine zarte Freundschaft, die schon bald mehr verspricht. Aber Adam ist nicht ohne Grund vor seinem alten Leben geflüchtet und Liah hat keine Ahnung, wie die Sache mit dem Daten funktioniert. Schneegestöber, funkelnde Lichter und Glühweinküsse – wird ihr persönliches Weihnachtwunder wahr?

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TÜR AN TÜR INS WEIHNACHTSGLÜCK

EMMA S. ROSE

INHALT

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Epilog

Danksagung

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Über den Autor

Tür an Tür ins Weihnachtsglück 

1. Auflage

November 2021

© Emma S. Rose

Rogue Books, Inh. Carolin Veiland, Franz – Mehring – Str. 70, 08058 Zwickau

[email protected]

Buchcoverdesign: Sarah Buhr / www.covermanufaktur.de unter Verwendung Stockgrafiken von nickolya; Laura Pashkevich / Adobe Stock

Alle Rechte sind der Autorin vorbehalten.

Das Werk ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung und Vervielfältigung – auch auszugsweise – ist nur mit der ausdrücklichen schriftlichen Genehmigung der Autorin gestattet.

Alle Rechte, auch die der Übersetzung des Werkes in andere Sprachen, liegen alleine bei der Autorin. Zuwiderhandlungen sind strafbar und verpflichten zu entsprechendem Schadensersatz.

Sämtliche Figuren und Orte in der Geschichte sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit bestehenden Personen und Orten entspringen dem Zufall und sind nicht von der Autorin beabsichtigt.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek.

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.

Für dich.

„Das große Glück der Liebe besteht darin, Ruhe in einem anderen Herzen zu finden.“

(Julie de Lespinasse)

Nichts gaukelt einem die perfekte Liebe besser vor als Weihnachtsfilme. Völlig überladen mit Kitsch gibt es viel Schnee, heiße Küsse sowie ein paar Missverständnisse für die perfekte Würze. Grundsätzlich finden die Protagonisten am Ende zusammen – natürlich. Ganz egal, ob es sich um einen Prinzen auf Abwegen und eine forsche Reporterin, um ein hässliches Entlein und ihren Erretter oder um beste Freunde handelt, die plötzlich ihre tiefe Liebe zueinander entdecken. Die Weihnachtszeit ist die beste Kupplerzeit. Sagen zumindest die Filme. Vermutlich schaue ich sie mir deshalb so wahnsinnig gerne an, obwohl sie nichts an meinem Leben ändern. Gar nichts. Denn während ich mit den Protagonisten mitfiebere, an den richtigen Stellen seufze und lache, gehe ich doch jeden Abend aufs Neue alleine ins Bett. Kein Prinz für mich. Kein Retter. Und auch kein bester Freund, der sich plötzlich in mich verliebt.

Ganz egal zu welcher Jahreszeit.

In mir muss eine Masochistin wohnen. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso ich diese Art von Filmen besonders mag. Immer und immer wieder schalte ich sie ein. Liebesfilme aller Art, mit mehr oder weniger Drama, mit Realitätsbezug und ohne. Das ganze Jahr über wird sogar immer wieder mein All-Time-Favorite für die Weihnachtszeit fällig: Tatsächlich Liebe. Dort sieht man jede Facette dieser Gefühlsregung, die ich so gerne für einen Mann empfinden würde. Liebe ist schön, aufregend, sie kann verletzen und beschwingen. Sie kommt in jedem Alter daher, kann ein gesamtes Leben auf den Kopf stellen.

Und sie ist mir so fern, obwohl ich mir einbilde, zu wissen, wovon ich rede, nur weil ich ständig in den virtuellen Romanzen anderer schwelge.

Frustriert greife ich in meine Chipstüte. Ein Gutes hat es, wenn man Filme alleine sieht: Es stört niemanden, wenn man laut ist. Wenn man wichtige Szenen des Films mit Geknister oder lautem Kauen überdeckt, wenn man Dialoge mitspricht oder lautstark lacht. Seufzend mache ich genau das – fühle mich dadurch aber nicht gerade besser. Wem mache ich auch etwas vor? Ich hätte viel lieber meinen Traummann neben mir, als die Freiheit, mich gehen zu lassen, weil es sowieso niemanden interessiert.

Die letzten Minuten einer weiteren Weihnachtsschnulze laufen aus. Mein Interesse ist plötzlich verflogen, und das angenehm kitschige Gefühl ebenso. Das hier ist bereits die vierte Weihnachtszeit, die ich ohne Partner verbringe. Zwar gab es seit Jonas ein paar andere Kerle, aber wir sind selten über das dritte Date hinaus gekommen. Mal waren sie seltsam, mal fanden sie mich seltsam. Wie das eben so ist.

Mit gerunzelter Stirn starre ich auf meine kuschelige Leggings. Sie ist aus Fleece und über und über mit Faultieren bedruckt, die eine Weihnachtsmütze tragen. Um keinen Zweifel zuzulassen, rufen sie jedem, der meine strammen Schenkel ansehen möchte, »Merry X-Mas« zu. Ich liebe dieses Ding, trage es so gerne, dass es bereits an den Nähten fadenscheinig wird. Das bin einfach ich.

Ich liebe die Weihnachtszeit.

Ich liebe kitschige Filme.

Ich jage einer romantisierten Vorstellung von Liebe hinterher, weil ich kein reales Gegenbeispiel habe. Zumindest nicht mehr.

Ich trage gerne Leggings, auch wenn die wirklich gar nichts verzeihen.

Und ich esse Chips und Schokolade, immer und immer wieder, obwohl auch das Zeug nichts verzeiht.

Vermutlich liegt irgendwo dort die Antwort begraben, wieso es in der Liebe einfach nicht klappen will und ich mich ständig in irgendwelche Schnulzen stürzen muss, um wenigstens ein Gefühl für dieses Prickeln bekommen zu können.

Um mich herum sind sie alle glücklich. Mein Freundeskreis aus früheren Zeiten hat sich komplett gewandelt. Von Freundinnen, die gerne ausgehen, in Mütter mit kleinen, schreienden Babys, die zwar niedlich sind, aber ihr Leben komplett umgekrempelt haben. Ständig fühle ich mich wie Bridget Jones, umringt von Pärchen, die mich verkuppeln wollen, ein paar Kilos zu viel auf den Rippen und mit dem Hang zum Überdramatisieren. Zumindest, wenn Wein eine Rolle spielt. Immerhin habe ich meinen Job. Meine Chefin und meine Kollegin sind mein neuer Hafen geworden; die Menschen, bei denen ich nicht ständig über Babyausscheidungen und Krabbelfortschritte sprechen muss – ein weiteres Thema, von dem ich keine Ahnung habe.

Während der Abspann läuft, räume ich mein Chaos beiseite. Krümel, eine leere Flasche Coke Zero (denn ich sollte es ja nicht übertreiben) und den leergeputzten Teller, auf dem sich früher am Abend eine große Portion Nudeln mit Ketchup befunden hat. Kohlenhydrate sind meine besten Freunde. Sie geben mir ein gutes Gefühl und bleiben hartnäckig an meiner Seite – oder besser gesagt auf meiner Seite.

Meine kleine Wohnung ist in angenehmes Licht getaucht. Seit ich vor zwei Jahren die Lichterkette an der Treppe befestigt habe, die hoch in meinen Schlafraum führt, habe ich sie nicht mehr abgenommen. Das ganze Jahr über verbreitet sie eine gemütliche Atmosphäre – so zumindest begründe ich meine Bequemlichkeit. Ich wohne im vierten Stock eines Mehrparteienhauses, in einer von drei Maisonettewohnungen, die alle gleich geschnitten sind. Meine Chefin Sara hat bis zum letzten Monat noch in der Wohnung nebenan gelebt, doch dann ist sie mit ihrem Freund zusammengezogen, der als schlagendes Argument vierzig Quadratmeter mehr und einen eigenen Garten in petto hatte. Sara hat das überzeugt. Ich bin bis heute der Meinung, gegen den Maisonette-Charme kommt so gut wie gar nichts an. Aber ich bin auch alleine, und da reichen knapp fünfzig Quadratmeter und ein winziger Balkon allemal.

In der Küche fällt mein Blick auf den Kalender. Nur noch vier Wochen bis Weihnachten. Ich liebe diese Zeit, aber was ich nicht liebe, sind die drängenden Fragen meiner Familie, die wissen will, ob und wann ich komme – und mit wem. Wieso denkt alle Welt eigentlich, Singles dürften an den Feiertagen auf gar keinen Fall alleine sein? Genauer gesagt – es dürfte einfach gar keine Singles zu Weihnachten geben?

Ich verdränge diese Gedanken, schiebe meine Brille zurück auf die Nase – und schreie überrascht los, als es auf einmal dumpf, aber laut knallt.

Mir ist sofort klar, dass der Lärm aus dem Flur stammt. Zwar ist dieses Haus nicht gerade eine gemütliche Kommune, aber ich interessiere mich durchaus für die Menschen, mit denen ich unter einem Dach lebe. Ohne darüber nachzudenken, wie ich gerade aussehe – Weihnachtsleggings, gelber Pulli mit dickem Fleck, wild aufgetürmtes Haar und ungeschminkt – jogge ich zur Wohnungstür und reiße sie auf.

»Alles okay – oh.« Ich erstarre.

Vor mir befindet sich ein wahres Chaos. Im ersten Moment sehe ich ein Durcheinander aus Gegenständen – Kleiderbügel, ein Kochtopf, Bücher, Bilderrahmen und seltsamerweise Unterwäsche. Männliche Unterwäsche. Direkt daneben ein Karton, den es offenbar zerfetzt hat. Und noch einen halben Meter weiter ein Mann, der verwirrt, beinahe wütend zu Boden sieht, nun aber seinen Blick hebt, und mich damit einfach so umhaut.

Shit.

»Äh«, bringe ich wenig geistreich hervor. »Hi.«

»Hallo«, knurrt der Kerl wenig freundlich. Ich müsste vor den Kopf gestoßen sein, aber irgendwie passt diese raue Art zu seinem Aussehen. Als allererstes fallen mir seine stechenden Augen auf. Sie scheinen hellgrau zu sein, beinahe silbrig, und sind umrahmt von dunklen, langen Wimpern, die fast schon zu dicht sind für einen Mann. Wieso mir so ein kleines Detail zuerst auffällt?

Keine Ahnung. Hilfreich ist es jedenfalls nicht gerade.

Sein Mund ist verkniffen, er wirkt definitiv genervt. Wäre ich wohl auch, wenn ich vor einem solchen Chaos stehen würde, das höchstwahrscheinlich mir selbst gehört. Sein Anblick täuscht aber nicht über sein markantes Gesicht hinweg. Die dunkelbraunen, fast schwarzen Haare wirken feucht, und seine Wangen sind gerötet. Ob vor Ärger oder Anstrengung, kann ich nicht sagen.

Wir starren einander an.

Es dauert eine Weile, bis er sich bewegt. Die erste Regung ist minimal, sie besteht nur aus einem kleinen Zucken seiner Mundwinkel. Immerhin in die richtige Richtung. Dann legt der Fremde seinen Kopf schräg, und etwas blitzt in seinen Augen auf, das mir beinahe den Boden unter den Füßen fortreißt. Belustigung.

»Schickes Outfit.«

Augenblicklich beginnen meine Ohren zu brennen, als hätte ich sie in glühendes Feuer gesteckt. Man sollte meinen, seine Worte greifen mich an. Vermutlich war das sogar der Plan. Aber seltsamerweise amüsieren sie mich. Vielleicht, weil es sicherer für uns beide ist, einfacher. Eliminieren wir den Konflikt, ehe er ausbrechen kann. »Danke«, gebe ich also zurück und deute auf die Sachen, die sich bis zu meiner Fußmatte erstrecken und beinahe den Spruch überdecken, der in schwarzen, gezackten Buchstaben darauf gedruckt ist. Muggel willkommen. Mein Blick bleibt an einer Unterhose hängen, die ein wildes Muster aus Mistelzweigen zeigt, und ich verkneife mir ein lautstarkes Lachen. »Schicke Unterwäsche.«

Das wiederum entlockt dem Fremden ein Schnauben.

Ich deute vage auf das Durcheinander. »Warst du beim Trödel oder hast du gerade einen meiner Nachbarn beklaut?«

Ups. Das ist wohl auch einer der Gründe, wieso ich immer noch Single bin. Ich habe einfach keinen Filter, und ich bin auch nicht in der Lage, höflich zu sein, wenn es angemessen wäre. Oder zumindest taktvoll.

Das sieht offenbar auch der Fremde so, denn die Andeutung eines Lächelns verschwindet von seinen Lippen. »Weder noch. So wie es aussieht, bin ich dein neuer Nachbar, und dieser Trödel …«, er deutet zu Boden, »… ist mein Hab und Gut. Wie wäre es also, wenn du einfach wieder in deiner Wohnung verschwindest und mich machen lässt?«

Gott. Mein Gesicht geht in Flammen auf. »Shit, das tut mir leid. Kann ich vielleicht – kann ich dir helfen?« Ohne seine Antwort abzuwarten, gehe ich in die Hocke. Dabei passieren zwei Dinge gleichzeitig: Ich merke, wie die Naht an der Innenseite meiner Leggings endgültig den Geist aufgibt, und ich greife als Erstes ausgerechnet zu seinen Mistelzweig-Boxershorts.

»Lass gut sein!« Er geht ebenfalls in die Knie und schnappt mir den Stoff aus der Hand, der überraschend weich durch meine Finger gleitet. Kühle Luft streicht über meine nun nackten Oberschenkel, zumindest bilde ich mir das ein, und erzeugt einen seltsamen Kontrast zu der Hitze im oberen Teil meines Körpers. Der fremde neue Nachbar ist vielleicht einen halben Meter von mir entfernt, und erneut verharren wir beide, als sich unsere Blicke treffen. Die Situation könnte wirklich nicht seltsamer sein.

»Ich bin Liah«, murmle ich, fast schon schüchtern. »Willkommen, äh, in der Nachbarschaft.«

»Adam. Und ich würde jetzt wirklich gern mein Zeug in die Wohnung schaffen. Das war der letzte Karton und ich bin fix und fertig.« Ein entschlossener Zug legt sich um seinen Mund.

»Natürlich.« Ich richte mich eilig auf, versuche dabei, nichts von meinem Schenkel zu entblößen, und stolpere einen Schritt zurück. »Wir holen das Ganze einfach nach.«

Immerhin wird seine Miene wieder etwas weicher. »Was genau?«

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. »Naja. Die Begrüßung und so.«

Er sagt nichts. Mustert mich nur mit diesen intensiv-grauen Augen. Die Sekunden ticken herunter, ich kann fast schon hören, wie sie zerfallen, doch das Rauschen in meinen Ohren hat andere, weitaus unangenehmere Ursprünge. Ehe die Situation noch seltsamer wird, mache ich einen weiteren Watschelschritt nach hinten und knalle die Wohnungstür hinter mir ins Schloss. Seufzend sinke ich zu Boden, spüre, wie mir Tränen in die Augen schießen. Nicht, weil ich diesen Moment so schrecklich fand, sondern vielmehr, weil meine Lieblings-Leggings nun endgültig den Geist aufgegeben hat. Und das für meinen neuen Nachbarn, der nicht nur verdammt gut aussieht, sondern scheinbar auch noch ein Holzklotz ist.

Prima.

Das gute Stück hätte sich wirklich einen besseren Grund aussuchen können, als für so jemanden den Märtyrer zu spielen.

Ich atme tief durch, reibe mir energisch durchs Gesicht und schlucke die brennenden Tränen herunter. Also gut. Offenbar habe ich einen neuen Nachbarn.

»Ich vermisse dich, Sara«, murmle ich in meine Wohnung. Und: »Willkommen, Fremder.«

Gott sei Dank hört er mich sowieso nicht.

Genervt kicke ich den Rest meiner Sachen über die Türschwelle in die Wohnung, die sich noch immer fremd und ungewohnt anfühlt. Als die Tür endlich hinter mir ins Schloss fällt, seufze ich ergeben auf.

Was für ein beschissener Tag!

Irgendwie hatte ich mir das alles anders vorgestellt. Die Planung meines Umzuges hatte die Hilfe meines besten Freundes ebenso vorgesehen wie die meines Onkels. Doch Person A hat sich vorgestern beim Training das Knie verdreht und Person B hat es nicht einmal zehn Kilometer raus aus unserer Heimatstadt geschafft, ehe der wie immer völlig überraschende Wintereinbruch ihn in den Graben befördert hat – und zwar mit dem Transporter, der eigentlich dafür vorgesehen war, mein Zeug rüber in die neue Wohnung zu schaffen. Ich musste also wie ein Irrer herumtelefonieren, um einen neuen Wagen zu organisieren, und dann auch noch den ganzen Scheiß alleine schleppen.

Wenigstens standen die strategisch wichtigen, großen Möbel heute nicht auf dem Plan. Bett, Sofa und Schrank habe ich neu angeschafft und schon früher in der Woche geliefert bekommen. Die Küche ist Bestandteil der Mietwohnung. Ich musste also nur einen Haufen Kleinscheiß, ein paar sperrige Möbel und diese ganzen dämlichen Kartons alleine schleppen. Zwölf Stunden Plackerei, und natürlich musste der letzte Karton reißen.

Und natürlich hat sich meine neue Nachbarin nicht ein einziges Mal zeigen müssen, sondern erst, als mich dieser dumme, letzte Karton fast in die Knie gezwungen hat.

Warst du beim Trödel oder hast du gerade einen meiner Nachbarn beklaut?

Gereizt starre ich auf die Sachen, die in dem winzigen Eingangsbereich liegen. Wieso zur Hölle sollte ich so etwas klauen? Einen Kochtopf. Kleiderbügel. Ein paar Bücher, die in keine richtige Kategorie fallen. Und diese dämlichen Boxershorts?

Meine Lippen kräuseln sich, während ich mich daran erinnere, dass ich vor dem Umzug darüber nachgedacht hatte, sie einfach zu entsorgen.

Hätte ich es doch bloß getan!

Andererseits – vermutlich gibt es Schlimmeres, als diese Art von Unterwäsche einer völlig Fremden zu zeigen, die weihnachtliche Leggings trägt.

Mit einem tiefen Seufzen fahre ich mir durchs Haar und beschließe, den Kram erst einmal liegen zu lassen, wo er ist, und mir stattdessen ein Bier zu gönnen. In der Erwartung, Unterstützung von zwei Männern zu haben, hatte ich bereits gestern den halben Kühlschrank damit gefüllt – und die andere Hälfte mit Snacks, die wir uns zwischendurch hätten gönnen können. Eilig schiebe ich mir eine Mini-Salami in den Mund, öffne die Flasche mit einem satten »Plopp« und trete an die Fensterfront gegenüber der Wohnungstür.

Draußen schneit es. Den ganzen Tag über kam bereits feuchtkalter Niederschlag vom Himmel, doch mittlerweile haben sich die schweren Tropfen in dichten Schnee verwandelt. Ich bin verdammt froh, fertig zu sein. Zumindest für heute. Meine Glieder schmerzen, mein Kopf dröhnt – aber ich bin endgültig angekommen.

Scheiße, ja. Das bin ich.

Während ich raus in das Schneegestöber starre, schießen mir unterschiedlichste Gedanken durch den Kopf. Die Umstände, wieso ich überhaupt hier gelandet bin. Die Anstrengungen der letzten Wochen. Und diese seltsame Begegnung mit meiner zukünftigen Nachbarin. Vor allem die.

Trotz all der widrigen Umstände ist es ihr herzförmiges Gesicht, das mir immer wieder vor dem inneren Auge herumtanzt. Es irritiert mich, dass sie mich weiterhin beschäftigt, immerhin war es das Chaos mit meiner Ex, das mich letztlich überhaupt hierher gebracht hat. Nach über vier Jahren Beziehung feststellen zu müssen, dass deine Freundin es mit einem anderen treibt, ist wirklich nicht gut. Das hier soll mein Neuanfang sein; nach Monaten des Hin und Her ein frischer Start in ein neues Leben ohne sie. Ausgerechnet zu der Jahreszeit, die mir einst so gut gefallen hat.

Also kein Adventsbrunch in unserer schönen Wohnung im Vorort der Stadt.

Keine gemeinsamen Familienbesuche.

Keine Ugly-Sweater-Challenges, die auf ihrem Insta-Account immer für viel Resonanz gesorgt haben.

Und keine Weihnachtsgeschenke für eine Frau mit teurem Geschmack, die letztlich doch nur Interesse an Materiellem hatte. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, wieso sie es direkt mit meinem Chef treiben musste, der immerhin ein paar Gehaltsklassen über mir rangiert.

Also. Neue Wohnung. Neuer Job. Neues Leben.

Und ganz sicher keine neue Frau. So lautet zumindest die Devise.

Je länger ich hier stehe, desto schwerer werden meine Glieder. Das Bier erfüllt seinen Zweck; ich komme runter, merke dabei aber auch, wie erschlagen ich bin. Wenig motiviert, mir jetzt noch etwas zu kochen, zücke ich mein Handy, um mir eine Pizza zu bestellen. Effektiv und ebenfalls ein weiterer Weg, meiner Ex eine lange Nase zu machen. Die wollte es nämlich immer möglichst frisch und gesund zubereitet. Von mir, natürlich.

Bier. Pizza. Ein ruhiger Abend, ehe ich mich morgen ans Ausräumen der Kartons mache. Ich schätze, das klingt nach einem Plan. Gott sei Dank habe ich die Couch bereits aufbauen lassen. Anstatt mich auf sie zu fallen, steuere ich jedoch erst einmal das Bad an. Eine kurze Dusche muss sein, um mir die Anstrengungen des Tages vom Körper zu waschen. Anschließend kann ich immer noch mein neues Single-Dasein genießen. Der Tag war echt mies, aber immerhin habe ich ganz alleine den Startschuss für mein neues Leben abgegeben. Hat schon etwas Bedeutungsvolles, diese Geste.

Auch nicht das Verkehrteste.

In den kommenden Tagen weiß ich nur deshalb, dass in die Wohnung nebenan jemand eingezogen ist, weil es regelmäßig rumpelt und knallt. Man könnte meinen, er nimmt dort alles auseinander, aber vermutlich bekämpft er einfach nur weitere fiese Kartons, die ihr Zeug lieber überallhin auskotzen, als es wohlbehalten aufzubewahren, bis er weiß, wohin damit.

Ich spiele mit dem Gedanken, ihm etwas Gutes zu tun. Einen Auflauf zu machen und vorbeizubringen, oder so. Aber das machen nur diese sympathischen, gertenschlanken Blondinen von nebenan in all diesen Liebesfilmen, die ich so gerne schaue. Also lasse ich es bleiben. Oder, genauer gesagt, ich mache zwar einen Auflauf, esse ihn aber selber und bilde mir ein, dem Nachbarn damit auch einen Gefallen zu tun. Ich habe ihm etwas gekocht, mute ihm aber nicht die Kalorien zu. Ist doch auch eine nette Geste, nicht wahr?

Adam also.

Mehr als einmal wandert mein Blick zu der Verbindungswand, die unsere Wohnungen voneinander trennt. Ich weiß aus dem Gedächtnis, wie Sara ihr Appartement eingerichtet hatte, und es ist schwer, die Bilder aus dem Kopf zu bekommen. Mit Sicherheit lebt dieser Kerl nicht in einem rosa Paradies junger Frauen. Vermutlich finden sich eher schwarze Ledermöbel und eine Schlachtbank dort drüben.

Oder auch nicht. Auch wenn sein Blick so angespannt war – er besitzt Mistelzweig-Boxershorts! Also bitte!

---ENDE DER LESEPROBE---