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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Hallo, da bist du ja endlich!« Andrea Hofmann saß im Straßencafé in der Innenstadt von Nürnberg, und winkte der Freundin zu. Carla Wessel stellte ihre Einkaufstaschen ab und ließ ein deutliches Stöhnen hören. »Puh, ist das eine Hitze heute«, sagte sie und schaute auf Andreas Cappuccinotasse. »Ich verstehe nicht, daß du so was bei diesem Wetter trinken kannst!« Die Vierundzwanzigjährige schmunzelte. »Was gut gegen die Kälte ist, ist auch gut bei Hitze«, meinte sie. »Also ich brauche was Kaltes«, schüttelte die Freundin und Arbeitskollegin den Kopf. »Am besten einen Eiskaffee.« Den brachte die Bedienung nach kurzer Zeit. Die beiden Frauen, die im Chefbüro eines Nürnberger Spielzeugfabrikanten arbeiteten, hatten die Mittagspause dazu genutzt, rasch in die Innenstadt zu fahren. Während Andrea gemütlich ihren Cappuccino trank, hatte Carla erklärt, sie müsse unbedingt drüben im Kaufhaus einen neuen Badeanzug kaufen. Den Taschen nach zu urteilen, die sie angeschleppt hatte, war es allerdings mehr als nur ein Badeanzug geworden… »Hier schau' mal«, sagte sie und zog eine geblümte Bluse hervor. »Na, ich weiß ja nicht.« Andrea blickte etwas skeptisch auf das Kleidungsstück. »Wenn du das im Schwimmbad anziehst und damit ins Wasser gehst, kann man ja alles sehen.« Sie lachten beide. Natürlich hatte Carla nicht vor, die Bluse zum Schwimmen anzuziehen. Die war ihr nur aufgefallen, als sie mit dem neuen Badeanzug in der Hand zur Kasse ging. Allerdings blieb es dann nicht bei den beiden Kleidungsstücken, in den anderen Tüten befanden sich noch eine Hose, ein paar Hemdchen und diverse Schminkartikel. »Kein Wunder, daß es so lange gedauert hat«, sagte Andrea. »Du hast ja
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»Hallo, da bist du ja endlich!«
Andrea Hofmann saß im Straßencafé in der Innenstadt von Nürnberg, und winkte der Freundin zu. Carla Wessel stellte ihre Einkaufstaschen ab und ließ ein deutliches Stöhnen hören.
»Puh, ist das eine Hitze heute«, sagte sie und schaute auf Andreas Cappuccinotasse. »Ich verstehe nicht, daß du so was bei diesem Wetter trinken kannst!«
Die Vierundzwanzigjährige schmunzelte.
»Was gut gegen die Kälte ist, ist auch gut bei Hitze«, meinte sie.
»Also ich brauche was Kaltes«, schüttelte die Freundin und Arbeitskollegin den Kopf. »Am besten einen Eiskaffee.«
Den brachte die Bedienung nach kurzer Zeit. Die beiden Frauen, die im Chefbüro eines Nürnberger Spielzeugfabrikanten arbeiteten, hatten die Mittagspause dazu genutzt, rasch in die Innenstadt zu fahren. Während Andrea gemütlich ihren Cappuccino trank, hatte Carla erklärt, sie müsse unbedingt drüben im Kaufhaus einen neuen Badeanzug kaufen.
Den Taschen nach zu urteilen, die sie angeschleppt hatte, war es allerdings mehr als nur ein Badeanzug geworden…
»Hier schau’ mal«, sagte sie und zog eine geblümte Bluse hervor.
»Na, ich weiß ja nicht.« Andrea blickte etwas skeptisch auf das Kleidungsstück. »Wenn du das im Schwimmbad anziehst und damit ins Wasser gehst, kann man ja alles sehen.«
Sie lachten beide. Natürlich hatte Carla nicht vor, die Bluse zum Schwimmen anzuziehen. Die war ihr nur aufgefallen, als sie mit dem neuen Badeanzug in der Hand zur Kasse ging. Allerdings blieb es dann nicht bei den beiden Kleidungsstücken, in den anderen Tüten befanden sich noch eine Hose, ein paar Hemdchen und diverse Schminkartikel.
»Kein Wunder, daß es so lange gedauert hat«, sagte Andrea. »Du hast ja deine ganze Mittagspause mit Einkaufen vergeudet.«
»Nicht vergeudet«, widersprach die Kollegin, »sondern sinnvoll investiert. Die Bluse zieh’ ich gleich heute abend zu der Party an. Du kommst doch auch?«
Irene Hessler, eine andere Kollegin, feierte Geburtstag und hatte das halbe Büro dazu eingeladen.
Andrea schüttelte den Kopf.
»Nein, du weißt doch, daß ich morgen früh gleich in Urlaub fahre«, erwiderte sie. »Da will ich ausgeschlafen sein. Ich hab’ mich schon bei Irene entschuldigt.«
Carla verzog den Mund zu einem spöttischen Grinsen.
»Na, da wird Kollege Brunner aber traurig sein«, meinte sie und verzog das Gesicht noch weiter.
»Wenn schon«, zuckte Andrea die Schultern. »Er wird schon damit fertig werden.«
Seit sie vor einem Jahr in der Firma angefangen hatte, machte Manfred Brunner, der Prokurist, ihr den Hof. Allerdings biß er dabei auf Granit, denn Andrea widerstand jedem seiner Annäherungsversuche.
»Und du willst wirklich in dieses Nest fahren?« fragte Carla. »Da ist doch bestimmt nix los.«
Plötzlich hellte sich ihre Miene auf.
»Ach, jetzt weiß ich, warum«, fuhr sie fort. »Wegen diesem Sepp. Sag’ mal, glaubst du etwa, daß der noch an dich denkt?«
Irgendwie bereute Andrea es jetzt, der Freundin einmal davon erzählt zu haben.
»Der ›Sepp‹ heißt Georg«, sagte sie, »und ich fahr’ nicht wegen ihm dahin, sondern weil’s in St. Johann schön ist.«
Im selben Moment wurde ihr klar, daß das nur die halbe Wahrheit war. Seit sie vor drei Jahren den jungen Bauern Georg Mäder kennen- und liebengelernt hatte, gab es keinen anderen Mann mehr in ihrem Leben. Es waren wunderschöne Wochen, die sie mit ihm verbracht hatte, und als ihr Urlaub damals zu Ende war, da schworen sie sich ewige Treue.
Aber natürlich kam es anders als gedacht. Schon aus dem Versprechen, gleich im nächsten Herbst zurückzukommen, wurde nichts. Andreas Mutter erkrankte schwer, und die Tochter mußte sie pflegen. Mehr als zwei Jahre siechte Helene Hofmann dahin. Andrea hatte in der ganzen Zeit gar nicht die Gelegenheit, wieder ins Wachnertal zu fahren. Bis auf ein einziges Mal, in einer Phase, als es ihrer Mutter etwas besser ging. Andrea wollte die Chance ergreifen und wenigstens übers Wochenende ins Wachnertal fahren. Sie mußten sich doch aussprechen können, dachte sie. Doch einen Tag, bevor sie abreisen wollte, bekam Helene Hofmann einen schlimmen Rückschlag, und an die Fahrt war nicht mehr zu denken. Zwar schrieb Andrea ihm die Gründe in einem langen Brief, aber eine Antwort hatte sie von Georg Mäder nie erhalten. Als sie dann einmal mit ihm telefonieren wollte, so wie sie es oft getan hatte, gab sich Georg Mäder recht abweisend und beendete das Gespräch rasch.
Vor einem halben Jahr war ihre Mutter verstorben, und so traurig das Ereignis auch war, für die arme Frau war der Tod eine Erlösung gewesen. Andrea hatte noch lange gezögert. Georg wieder anzurufen, wäre eine Möglichkeit gewesen, aber sie hatten seit damals nichts wieder voneinander gehört, und jetzt kam ihr ein Anruf einfach töricht vor. Außerdem hatte sie nicht vergessen, daß er sich bei ihrem letzten Telefonat so seltsam verhalten hatte. Deshalb überlegte sie sich etwas ganz anderes.
Heimlich wollte sie fahren und sich erst einmal erkundigen, was aus dem jungen Bauern geworden war. Vielleicht war er längst verheiratet, und dann wäre es für beide peinlich gewesen, stünde Andrea plötzlich vor der Tür.
Und morgen sollte es losgehen. Die hübsche Sekretärin würde lügen, wenn sie behauptete, daß sie nicht aufgeregt sei. Die letzten Stunden des Arbeitstages wollten nicht vergehen, und als sie am Abend ins Bett ging, konnte sie lange nicht einschlafen.
Wie wird’s wohl werden, unser Wiedersehen?
Diese Frage stellte sie sich, und sie ließ Andrea nicht mehr los.
*
»Na, Loisl, schaust ja schon wieder ganz gesund aus«, meinte Sebastian Trenker, als er den selbsternannten Wunderheiler von St. Johann im Krankenhaus besuchte.
Der Alte saß auf dem Bett, trug ein Nachthemd, das die Schwestern ihm gegeben hatten, und schaute den Bergpfarrer mit mürrischem Gesicht an.
»Das liegt ganz sicher net an der Medizin hier«, behauptete er. »Sondern daran, daß mein Körper all die Jahre ein gutes Immunsystem entwickelt hat, und das kommt allein’ von meinen Wundermitteln!«
Sebastian verkniff sich ein Lächeln. Daß der Brandhuber seine angeblich heilenden Salben, Tees und andere Mixturen an gutgläubige Menschen zu überhöhten Preisen verkaufte, war ihm von jeher ein Dorn im Auge. Aber daß der Quacksalber seine Mixturen selbst schluckte, glaubte er keinen Moment.
»Jetzt laß mal dein Kräuterzeugs«, entgegnete er, »und nimm brav, was die Schwestern dir verabreichen. Aber ich bin net hergekommen, um über Medikamente mit dir zu reden, sondern über die Behandlungskosten. Dr. Winkler hat mir die Summe genannt, die dein Aufenthalt hier ungefähr kosten wird. Da ich weiß, daß du net der arme Bursche bist, als den du dich ausgibst, würd’ ich gern’ von dir erfahren, wie du dir’s mit dem Bezahlen gedacht hast.«
Alois Brandhuber sah Sebastian an, als wäre der Geistliche der Teufel persönlich.
»Ich hab’ nix«, grantelte er. »Das hab’ ich doch schon gesagt.«
»Tisch mir hier keine Lügenmärchen auf«, sagte der gute Hirte von St. Johann heftiger, als er es eigentlich wollte. »Mit deinem Kräuterkram verdienst’ net schlecht, und ausgegeben wirst’ das Geld net haben. Überhaupt kannst froh sein, daß du noch am Leben bist. Das hast dem Dr. Wiesinger und den Ärzten hier zu verdanken.«
Der Brandhuber-Loisl hatte wirklich Glück gehabt. Toni Wiesinger, der Dorfarzt von St. Johann, hatte eigentlich vorgehabt, den Alten wegen eines Mittels zur Rede zu stellen, das Loisl an Grippekranke verkauft hatte. Einer von diesen Kunden war zu Toni in die Praxis gekommen und hatte gefragt, ob der Arzt ihm nicht nachträglich ein Rezept dafür ausstellen könne. Die Medizin sei doch so teuer, und er wollte versuchen, das Geld von seiner Krankenkasse zurückzubekommen.
Empört hatte Dr. Wiesinger das Ansinnen des Mannes zurückgewiesen und die Flasche gleich behalten, um deren Inhalt untersuchen zu lassen. Die Analyse hatte gezeigt, daß es sich keineswegs um ein wirksames Grippemittel handelte, sondern um ein Gemisch aus Kräutern und Wurzeln, das mit viel Alkohol versetzt worden war und eigentlich nur dazu taugte, in den Abfluß gegossen zu werden.
Als der Arzt dann zu der Hütte kam, in der Loisl hauste, schien der Alte nicht zu Hause zu sein. Dr. Wiesinger fand indes die Hintertür unverschlossen, und als er sie öffnen wollte, lag der Wunderheiler bewußtlos dahinter.
Im Krankenhaus stellte man fest, daß es kein Schlaganfall war, wie zuerst angenommen. Loisl selber erzählte später, er sei gestürzt und habe das Bewußtsein verloren. Tatsächlich hatte er sich so schwer verletzt, daß er mindestens zwei Tage dagelegen hatte, ohne wieder zu sich zu kommen. Dr. Wiesinger rettete ihm im letzten Moment das Leben.
Sebastian Trenker sah ihn an und schüttelte den Kopf.
»Hör’ zu, Loisl«, sagte er. »Ich steh’ dem Dr. Winkler im Wort, weil ich ihm gesagt hab’, daß ich dafür grade steh’, daß du zahlst. Also bring’ mich jetzt net in eine unmögliche Situation. Ich will noch warten, bis du in der nächsten Woche entlassen wirst, aber dann müssen wir ein ernstes Wort miteinander reden.«
»Ist schon recht«, murmelte der Alte schließlich. »Ich zahl’ ja schon.«
»Na also«, nickte der Bergpfarrer zufrieden. »Dann fahr’ ich jetzt wieder. Wenn’s meine Zeit zuläßt, komm’ ich die Woche noch mal wieder vorbei. Ansonsten hol’ ich dich dann ab. Dr. Winkler hat versprochen, mich anzurufen, wenn du entlassen wirst. Dann pfüat di’, bis dahin.«
Ohne eine Antwort auf seinen Gruß abzuwarten, verließ Sebastian das Krankenzimmer und ging über den Flur der Station. Aus dem Ärztezimmer kam ihm Dr. Winkler entgegen.
»Ah, Hochwürden, ich grüße Sie«, sagte der Arzt. »Na, haben S’ mal wieder unsren Lieblingspatienten besucht?«
Sebastian schmunzelte.
»Wie führt er sich denn so?« erkundigte er sich.
Dr. Winkler machte eine vage Handbewegung.
»Na ja, wenn man davon absieht, daß er immer über das Essen schimpft und die Medikamente nicht einnehmen will, eigentlich ganz gut«, antwortete er.
»Ich hab’ übrigens das Problem mit der Bezahlung der Behandlungskosten angesprochen«, erklärte Sebastian. »Der Loisl scheint eingesehen zu haben, daß er zahlen muß. Sie brauchen sich also wegen der Rechnung keine Gedanken zu machen.«
»Das hätte ich ohnehin nicht«, lachte der Arzt. »Höchstens unser Verwaltungsdirektor. Aber der kann dann ganz schön harte Mittel ergreifen, wenn jemand zahlungsunwillig ist.«
»Gott sei Dank hat sich das ja erledigt«, sagte Sebastian und reichte dem Arzt die Hand. »Also, ich schau’ wieder rein, wenn ich Zeit hab’.«
Zufrieden fuhr er nach St. Johann zurück. Es war ein herrlicher Sommertag, und das Leben schien unbeschwert. Sebastian wünschte, daß es immer so heiter weitergehen möge. Allerdings wußte er auch, daß es immer wieder Probleme gab, bei denen seine Hilfe gebraucht wurde.
Er dachte an die beiden jungen Paare, denen er erst vor kurzem zu ihrem Glück verholfen hatte. Schon bald sollten in St. Johann die Hochzeitsglocken läuten, und vielleicht überwogen ja die freudigen Ereignisse die weniger schönen.
Als er daran dachte, ahnte er allerdings nicht, daß sich schon bald etwas über seinem geliebten Dorf zusammenbrauen würde, das ein dunkles Geheimnis an den Tag bringen sollte…
*
Je näher Andrea Hofmann dem Wachnertal kam, um so schneller klopfte ihr Herz. Sie war am frühen Morgen in Nürnberg losgefahren, und bis zu ihrem Ziel waren es nur noch ein paar Kilometer. Jetzt fuhr sie eine Bergstraße hinauf und lenkte ihren Wagen rechts in eine Parkbucht. Sie stieg aus und ging zur anderen Seite hinüber. Von dort aus hatte sie einen herrlichen Blick ins Tal hinunter und konnte St. Johann schon sehen.
Hätte ich es doch nicht tun sollen? Wird er mich überhaupt wiedersehen wollen? Was, wenn es inzwischen eine Frau Mäder auf dem Hof gibt?
Diese Fragen stellte sie sich immer wieder, aber inzwischen war es zu spät, um wieder umzukehren.
Lange Zeit stand Andrea so da und schaute ins Tal und zur anderen Seite hinüber, wo die Berge in den Himmel ragten. Immer wieder hatte sie sich in all den Jahren ihre erste Begegnung mit Georg in Erinnerung gerufen. Aus einer Laune heraus, hatte sie sich dazu entschlossen, im Wachnertal Urlaub zu machen. Früher war sie gerne mit einer Freundin an die See gefahren, oder auch ins Ausland. Rom, Madrid und Paris hatten sie gesehen. Doch dann heiratete die Freundin, und Andrea war auf sich allein gestellt, wenn es um die Urlaubsplanung ging.
Georg lernte sie kennen, als sie einen Ausflug in die Umgebung machte. Der junge Bauer saß am Wegesrand und machte Brotzeit. Auf dem Feld stand sein Traktor, mit dem er beim Pflügen war. Sie kamen ins Gespräch und waren sich auf Anhieb sympathisch. Am darauffolgenden Samstagabend sahen sie sich im Löwen wieder. Der Tanzabend, der dort veranstaltet wurde, war für die Bauern der Höhepunkt einer Woche voller harter Arbeit. Aber auch die Urlauber vergnügten sich gerne dort, und Andrea hatte sich rechtzeitig einen Platz reservieren lassen.
Als Georg sie dann entdeckte und aufforderte, schien es beiden ein Wink des Schicksals zu sein, daß sie sich hier wiedersehen sollten. Sie blieben den ganzen Abend zusammen, und am Sonntag besuchte Andrea ihn auf seinem Hof.
Der Bauer hatte ihn vor zwei Jahren übernommen, als sein Vater verstarb. Gerade mal zwanzig Jahre alt, war er da gewesen. Dem ersten Besuch folgten noch viele weitere, und es dauerte nicht lange, bis Georg Andrea den ersten Kuß gab. Es war ein lauer Abend, und über dem Wachnertal stand ein sternenübersäter Himmel, als er ihr seine Liebe gestand.
Drei Jahre waren nun vergangen. Andrea hatte sich oft gefragt, warum die Beziehung so enden mußte. Natürlich, die Verpflichtung, die sie ihrer kranken Mutter gegenüber hatte, tat das ihrige, aber vielleicht hätten weder sie, noch Georg so schnell aufgeben sollen. Bestimmt hätte es einen Weg gegeben, trotz aller Widrigkeiten und der Entfernung, zusammen zu bleiben.
Aber es war müßig, über Versäumtes nachzudenken. Das Rad der Zeit ließ sich nicht zurückdrehen, und vielleicht bedeutete diese Reise ja einen Neubeginn…
Andrea setzte sich wieder in ihr Auto und fuhr weiter. Damals hatte sie in einer Pension außerhalb des Ortes gewohnt. Diesmal war für sie ein Zimmer in der Pension Stubler reserviert. Die Wirtin begrüßte sie freundlich und zeigte ihr das Zimmer. Die junge Frau war sehr angetan von der familiären Atmosphäre, die sie empfing und war sicher, daß sie sich hier wohlfühlen würde.
Aber viel mehr beschäftigte sie die Frage, was aus Georg geworden war.
Das Zimmer war geräumig und gemütlich eingerichtet. Andrea machte sich zuerst daran, ihre Sachen auszupacken und in den Schrank zu hängen, dann ging sie ins Bad, duschte, bürstete die langen, dunklen Haare durch und zog sich an. Zufrieden betrachtete sie sich in dem großen Spiegel, der an der Innentür des Badezimmers angebracht war. Sie trug einen leichten Pulli, eine helle Jeans und offene Sandalen. Schlank war sie, und die Anmutigkeit ihres Gesichts wurde durch ein braunes Augenpaar unterstrichen. Auf Schminke verzichtete Andrea im Urlaub gerne. Zwar ging sie ohnehin sparsam damit um, aber jetzt war sie der Meinung, weder Rouge, noch Lippenstift zu brauchen.
»So, jetzt wollen S’ wohl erst mal einen Bummel durchs Dorf machen, was?« erkundigte sich Ria Stubler, als die beiden Frauen sich im Flur begegneten. »Schauen S’ sich vor allem die Kirche an. Die ist wirklich sehenswert.«
Andrea nickte. Sie mußte an sich halten, um nicht zu schmunzeln. Natürlich kannte sie das Gotteshaus von St. Johann, genauso den Pfarrer. Sie hatte sich damals schon das großartige Gemälde »Gethsemane« angeschaut und die herrliche Madonna bewundert. Aber das konnte die freundliche Wirtin ja nicht wissen.