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"Du hast es einfach nicht drauf", hatte Jenny gesagt und mit ihm Schluss gemacht. Um die Sache mit Jenny hinter sich zu lassen und um dem Unibetrieb und dem deutschen Winter für eine Woche zu entfliehen, bucht Doktorand Tom kurz entschlossen eine Fernreise. Ein glücklicher Zufall führt ihn in ein Luxushotel auf Maui. Dies verändert sein Leben.
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Ein Vorschlag
Hinreise
Tag 1
Tag 2
Tag 3
Tag 4
Tag 5
Tag 6
Wieder in Deutschland
Danksagung
Man ist erst einmal wieder einigermaßen gesättigt. Tom mag die vegetarische Bolognese zu den Vollkornnudeln richtig gerne. Und man bekommt davon reichlich Nachschlag. Die anderen hatten Fischstäbchen. Die bestehen hauptsächlich aus Panade und schwimmen in Remouladensauce.
»Käffchen, Cafete?«, fragt Marco.
»Unbedingt«, sagen die andern. Keiner hat so richtig Lust, jetzt schon wieder in die Büros der Arbeitsgruppe zurückzukehren. Die vier schwenken in die Cafeteria ein, drücken den Kaffee am Automaten und wählen unter den Köstlichkeiten der Süßkramvitrine.
Die Juristen kloppen wieder lautstark Karten. Und das schon seit heute Morgen. Dieselbe Truppe. Müssen die nicht auch mal was studieren?, fragt sich Tom.
Sie setzen sich wieder an einen Tisch ganz dicht an der Scheibe. Die Cafete liegt direkt über dem Haupteingang der Uni und man kann die Leute kommen und gehen sehen. Dick verpackt, es sind da draußen bestimmt minus zehn Grad Celsius. Kein Wunder Ende Januar.
Sie, das sind die Theoretiker der Arbeitsgruppe. Das heißt, am Computer simulieren sie die Wirklichkeit in Modellsystemen. Tom ist beim Zusammenschreiben seiner Doktorarbeit und Gandolf liest, was Tom kürzlich produziert hat. Es gilt, einerseits einen Befund zu beschreiben, der zu interessant ist, um nicht herausgestellt zu werden, und der sich andererseits allen physikalischen Erklärungsversuchen widersetzt. Eine knifflige Stelle. Gandolf, in jeder Generation musste ein Sohn der Mühlenwegs so heißen, ist der theoretischste der Truppe und hat am wenigsten Haupthaar. Was vielleicht daran liegt, dass er beim Denken mit der rechten Hand kreisend über das große Haupt fährt. Wahrscheinlich hatte er im Laufe der Zeit immer mehr Kalottenfläche freigemäht. Außerdem prüft er, gedankenverloren, zwischendurch immer, ob er genug Druck auf seinen Bizepsen hat. Eine merkwürdige Angewohnheit.
»Messen kann man das nicht, oder?«, fragt er den Verfasser.
»Nein, das geht bisher nicht wegen kappa hoch n und n ist mindestens 2,5, jedenfalls in dem Frequenzbereich, den ich simulieren will.«
Gandolf brummt Verständnis.
»Wart mal, die Münchner hatten doch kürzlich dazu was in der Richtung publiziert, oder?«
»Ich darf unsern Herrn Professor diesbezüglich zitieren«, entgegnet Tom: » Diese Stinkstiefel besitzen die Frechheit, die hochangeregten Zustände einfach nichtrelativistisch abzuschätzen, und deren Potentialansatz ist von geradezu kindlicher Naivität.«
»Der Effekt ist jedenfalls echt«, bestätigt Gandolf, »alle deine numerischen Verfahren konvergieren immer auf das gleiche Ergebnis. Das ist schon gediegen.«
Das wusste Tom selber. Fragt man einen Kollegen etwas zum eigenen Spezialgebiet, kommt der eigentlich immer nur mit dem an, was auch im Lehrbuch steht. Aber vielleicht würde Gandolf Formulierungen finden, die der Chef schlucken würde, ohne noch ein paar Wochen Rechnerei und Denkerei anzuordnen.
»Da hinten kommt Jenny«, meldet Marco.
Tom dreht sich um. Sie hat diese enge grüne Samthose mit dem schrägen, goldenen Reißverschluss an. Dazu eine kühl wirkende dunkelblaue Seidenbluse, die so geknöpft ist, dass man gerade den Ansatz ihres schwarzen BHs sehen kann. Und diese eleganten braunen Stiefelletten mit ganz schön viel Absatz. Ob zu viel Absatz, ist eine Frage der XY-Ausstattung, des Hormonspiegels und der orthopädischen Kenntnisse.
Marco trommelt etwas Unrhythmisches auf dem Tisch und singt: »Too sexy für Chemie, too sexy für Physik, too sexy für den Tom. Und jetzt alle!«
»Ach, hör doch auf damit!«, antwortet der genervt.
Nachdem sie sichergestellt hat, dass Tom sie gesehen hat, bleibt Jenny einige Tische weiter entfernt stehen, das Becken vorgeschoben, und begrüßt strahlenden Angesichts diesen habilitierten Heini von der germanistischen Fakultät. Der, breit und bräsig wie er dasitzt, darf ihr natürlich den Arm um die Hüfte legen.
»Oh, das sieht nicht gut aus, gar nicht gut«, kommentiert Marco.
Alexander, der bislang nur still mit dem Taschenmesser seinen fettglänzenden Nougatkringel zerteilt hat, blickt Tom mit seinen großen, braunen, traurigen Augen an und stellt fest:
»Schade, dass Jenny mit dir Schluss macht, echt Jammer, Mann. Take it easy.«
»Alexandr Jewgenjewitsch, du bist einer der führenden Spezialisten für Transformationen von Fett in Torusform, aber von gewissen Dingen hast du keine Ahnung«, wehrt Tom den Gedanken ab.
Bevor Tom noch weiter protestieren kann, ist Jenny am Tisch der Vierergruppe angelangt.
»Hallo, Simulanten! Ja, der Sven da drüben, der hat eine Assistenzprofessur in Wyoming in Aussicht. Sven hat’s echt drauf! Marco, glotz nicht so! Alex, wie alt bist du eigentlich? Fünf? Gandi, schon mal über ein Toupet nachgedacht? Tom, kann ich Dich mal kurz alleine sprechen? Kannst mich zu meinem Spind begleiten. Dauert nicht lange.«
»Aha, Wyoming. Seit wann lesen Rinder denn Goethe?«, fragt Tom.
»Nee, Rinder nicht, aber Buffalo Bill,« platzt es aus Marco heraus, der sich darüber selbst halb tot lacht.
»Ach Thomas, was weißt denn du von Amerika! Wo machst du Urlaub, in Österreich? Du willst einfach nicht aus Deinem Schneckenhaus herauskommen. Ähm, jetzt kommst du mal mit zu meinem Schrank!«
Und, was wollte sie, sagen die fragenden Blicke, als Tom zurückkommt.
»Sie hat Schluss gemacht. Ich sei ja so ganz nett und höflich und zuverlässig. Aber so einer wie Sven,…«
»Der hat’s echt drauf«, ergänzen die anderen. »Und du nicht so«.
»Sie steigt jetzt ganz groß ins Hotelbusiness ein, vermutlich auch in Wyoming«, informiert sie Tom noch.
»Es ist so typisch, dass du auch bei deinem Forschungskram nicht in der wirklichen Welt bist. Literatur, ja die spiegelt das echte Leben wider. In dem nicht alles genau planbar ist, so wie du das immer versuchst. Aber du, weißt du was, du willst einfach eigentlich nicht leben!«
Hatte sie auch noch konstatiert. Das sagt Tom seinen Kumpels natürlich nicht.
Alexander setzt noch einen letzten kühnen chirurgischen Schnitt.
»Fertig!«
Die anderen blicken auf die Kringelsegmente.
»Was soll das darstellen?«, fragt Gandolf. »Die Navier-Stokes-Gleichung?«
»Das ist ein Kätzchen, das sieht man doch«, antwortet Alexander.
Und fährt fort: » Mein ehemaliger Mitbewohner, der Taxidriver, hatte echt Sportsgeist. Als seine damalige Hauptfreundin ihn abserviert hatte, ist er ihr bis New York nachgereist!«
»Im Yellow Cab!«, bricht es aus Marco heraus und er beginnt schon wieder zu lachen.
»Marco, ist gut jetzt«, sagen die anderen.
»Apropos USA. Erstens. Der Chef und Lars sind nächsten Monat eine ganze Woche auf Tagung, nicht nur über Rosenmontag und Dienstag. Die fahren schon an Weiberfastnacht. Nicht in die USA, sondern nach UK, ich glaube Cardiff, und dann noch nach Edinburgh zum Messen. Zweitens. Das Rechenzentrum kriegt in jener Woche die neue Maschine. Still wird der See ruhen. Wenn ihr also Langläufer habt, müsst ihr zusehen. Ist nicht mehr so lang hin. Ach ja, und wenn der Chef wieder da ist, gleich Montag Punkt 10 erwartet er die Präsentation des Standes unserer Arbeiten!«
»Danke, Gandi.«
»Gandolf, suffer fools gladly«, meint Alexander mit Blick zu Marco.
Der Chef, das ist Professor Schmidt, und sein akademischer Oberrat Dr. Lars Rüter wären also demnächst für ein paar lange, schöne Tage abwesend. Schmidt würde sich bei der Gewährung von ein paar Tagen Urlaub so kurz nach den Weihnachtsferien mit Sicherheit anstellen.
»Was unser Prof nicht weiß, macht ihn nicht heiß. Thomas«, rät Alexander, »mach mal was ganz Spontanes, zeig’s ihr. Nimm den Nachtzug nach Heilbronn, zum Beispiel.«
»Heilbronn?«, fragt Tom.
»Na ja, bei Amsterdam stimmt die Silbenzahl, es reimt sich aber nicht.«
Die anderen wissen, wenn man um eine Erläuterung bäte, bekäme man einen langen Vortrag über eigenartige literarische Werke zu hören. Sie wollen das jedoch nicht, und fragen nicht nach.
»Da kannst du bestimmt ’n guten Riss machen, in Heilbronn. Das musst du jetzt zugeben, Tom, von Frauen versteht unser Sascha etwas«, stellt Marco abschließend fest.
Abends ist es nasskalt. Die Kälte, die so richtig durchdringt. Auch an diesem Freitagabend fährt Tom trotz der kalten Jahreszeit mit dem Fahrrad von der Uni nach Hause. Im Bus und in der Straßenbahn stehen die Leute dicht zusammen und husten und niesen, was das Zeug hält. Außerdem fährt er für sein Leben gern Rad. Trotz allem. Trotz ewigem Winterhusten, Halskratzen und hohem Taschentuchverbrauch.
Wohin mit dem Schnee in der City? Auf die Radwege natürlich. Wieder einmal ist alles voll damit. Festgefrorene Spuren darin, fast wie Gleise, und dann wieder matschig rutschige Stellen. Ein kleiner Moment der Unaufmerksamkeit, etwas zu schnell, da ist nichts mehr zu wollen, das Vorderrad schlägt zu weit ein, und Thomas schmiert kontrolliert zur Fahrbahnseite hin ab. Nix passiert. Er liegt noch, da passiert ein PKW die Eiswasserpfütze gleich nebenan und eine volle Ladung Wasser und Schneematsch überschüttet Rad und Radler. Winter in the city, can be pretty shitty!
Seine Wohnung liegt in der Altstadt mit Blick auf die belebte Straße und die gegenüberliegenden Geschäfte unter den Bögen. Der Schreibwarenladen, das Wettbüro und das Reisebüro. Der Buchmacher hat bis in den späten Abend geöffnet und wird von ungewöhnlichen Erscheinungen aufgesucht. Tom war sogar ein Mal dort gewesen. Marco wollte unbedingt wetten, traute sich jedoch nicht allein in eine solche Lokalität. Also gingen sie alle drei, Marco, Tom und Alexander, und Alexandr mit seinem russischen Akzent musste die Wette platzieren. Against all odds hatte das Ross sogar gewonnen.
In dem Schreibwaren- und Krimskramsladen mit Posthalterei war er Jennifer zum ersten Male begegnet. Sie kaufte Briefmarken und er hatte ein Buch zu versenden. Das war jetzt immer ein bisschen sehr blöd, hinunterzusehen auf den Laden und an Jenny zu denken.
Wyoming, Jenny beim Square Dance, wirbelnde Boots und schwingende Skirts. Tom quält sich oft mit erotischen Phantasien mit Jenny in der Hauptrolle. Jenny konnte in gewissen Momenten sehr direkt sein.
Und er fragt sich leider viel zu oft, was das mit Jenny überhaupt gewesen war. War er nur ein Name in her welcome book, a feather on her hat? War er für Jenny der bunte Vogel gewesen, der, anders als deren übliche harte Männer, seine Wäsche sortierte und verfärbungsfrei und in Originalgröße wusch, schmackhafte Nahrung bereiten konnte und seine Schuhe reinigte?
Auf den Freitag folgt ein Samstag. Also länger schlafen, in Ruhe frühstücken, ein bisschen durch die Altstadt bummeln und ein wenig einkaufen. Wieder in seiner Wohnung, bereitet Tom sich etwas zu essen. Zucchini, frische Tomaten, getrocknete Tomaten, Zwiebeln, schwarze Oliven façon grec und zwei Pakete Feta, Olivenöl dazu und ab in den Backofen, dazu Pide und ein Andechser.
Nach dem Essen will er im Sessel ein bisschen lesen, döst jedoch ein.
Erwacht, rafft er sich zu etwas Training auf. Das Fernsehen simuliert menschliche Gesellschaft. Liegestütze, Hantelarbeit, Expanderziehen, gerade so viel, dass die Muskulatur über den Winter nicht abbaut.
Im Fernsehen brilliert der Mentalist.
In besagter Woche einfach mal unbemerkt zu verschwinden ist ein Gedanke, der ihn beschäftigt. Aber er hat sich definitiv gegen Heilbronn entschieden.
Schottland im Februar? Nasskalt. Oder Wales, der Snowdon, die Zahnradbahn geht von Llanberis aus. Wie spricht man dieses ll nochmal aus? Na ja, das kommt ja jetzt ohnehin nicht in Frage, man durfte dort dem Chef und Lars natürlich nicht über den Weg laufen.
Patrick Jane ist mit Lisbon im Orange County unterwegs. Kalifornien im Februar, schon besser, I should wear some flowers in my hair. Jenny würde vielleicht Augen machen!
So, Schluss mit Sport. Ich kann mich doch sehenlassen, findet Tom. Er setzt sich Teewasser auf und holt den Kuchen aus dem Kühlschrank.
Dann zappt er bisschen herum. 50 erste Dates. Das scheint eine Liebesgeschichte auf Hawaii zu sein. Es wäre schön, wenn man noch mehr von der Insel sähe, denkt Tom. Riesige Brandungswellen, Vulkane, Ananasplantagen, das ist doch typisch? Tom ist sich nicht ganz sicher. Auf jeden Fall Outriggerboote, Katamarane, Surfer, und alle Besucher bekommen zur Begrüßung diese Blumenkränze um den Hals gelegt. Tom und das Hulamädchen, ein Film von Rosamunde Traumer …
Thomas Windmann, 28, simuliert sogar die Südsee, denkt Tom. Frau Mundt, seine nette Vermieterin, die im gleichen Haus im Erdgeschoss wohnt, würde sich gerne wieder um seine paar Pflanzen kümmern. Frau Mundt ist ein paar Mal im Jahr zum Wandern fort, und dann ist Tom der Catsitter für Balu. Füttern, spielen, abends auf dem Sofa eine Weile Bäuchlein kraulen, ja, und natürlich Katzeklo, Katzeklo macht bekanntlich die Katze froh.
Reisepass? Selbstverständlich hat Thomas einen gültigen Reisepass. Der liegt ordnungsgemäß in der obersten Schublade des Rollcontainers in seinem roten, mit Blumen handbemalten Holzkistchen. Eine frühe gestalterische Arbeit von Thomas Windmann. Professor Schmidt hatte darauf bestanden, dass alle Mitglieder seiner Arbeitsgruppe einen gültigen Reisepass besitzen. »Stellen Sie sich bloß vor, Sie würden ans MIT oder Caltech eingeladen, ihre Ergebnisse vorzutragen, und Sie müssten absagen, weil Sie keinen Reisepass besitzen!«
Er war gleich andern Tags losgestürzt, biometrische Passfotos im Drogeriemarkt machen zu lassen, und hatte sich auf dem Passfoto mit einem großkarierten Hemd und der betagten grauen Strickjacke, die mit dem aufgeribbelten Bündchen und dem intensiv gelben Currysoßenfleck drauf, verewigt, wer betrachtete schon ein Passfoto nach modischen Gesichtspunkten. Bloß nicht den Eliteunis absagen müssen.
Gut, gut, die Sache nimmt doch langsam Gestalt an. Er kauft sich einen aktuellen Reiseführer, schmökert mit zunehmendem Vergnügen darin und sein Reiseziel steht fest.
Visum, fällt es Thomas plötzlich ein. Mist! Das dauerte doch bestimmt monatelang, bis der Secret Service oder wer auch immer einen überprüft hätte. Aber schnell stellt er übers Internet fest, dass man nur die ESTA-Einreisegenehmigung benötigt. Die kann man online beantragen. In 72 Stunden ist die ausgestellt.
Das Reisebüro hat noch geöffnet.
Die Nacht ist eiskalt, wie die Nächte zuvor. Die Tage sonnig. Und hoch liegt der Schnee. Im Radio ist eindringlich vor Straßenglätte durch überfrierende Nässe gewarnt worden.
Ein letzter Blick in der Wohnung herum. Es gibt nichts, was Frau Mundt nicht finden dürfte, sollte er das große Abenteuer nicht überleben. Koffer und Handgepäck stehen parat, Euros und die druckfrischen, sehr eigenartig riechenden Dollarnoten sind gut verteilt im Brustbeutel, im Bauchgürtel und der Geheimtasche in der Hosentasche der Outdoorhose deponiert. Laut Reiseführer würde er problemlos mit der EC-Maestrocard Bargeld abheben können. Die Reisedokumente hat er griffbereit in der Cargotasche. Die Unitasche mit den Unterlagen, ein paar Folien, für den Fall, dass der Projektor mal wieder »ausgeliehen« ist, und die Vortragsskizze für den Chef um 10 Uhr am Montag stehen griffbereit. Ach, es ist viel Zeit bis dahin.
Pünktlich um 4 Uhr am Sonntagmorgen geht es mit dem Taxi zum Flughafen. Zügig auf der linken Spur.
»Die da so rumschleichen, die haben alle keine vernünftigen Reifen drauf. Oder die haben einfach Schiss. Ist super fahren, die Autobahn wird doch gestreut.«
Spricht der Taxifahrer und legt noch einen Zahn zu.
Das Boarding verzögert sich. Das Freiräumen der Startbahn dauert länger als erwartet. Endlich. Tom kommt zwischen zwei Herren im Geschäftsanzug mit Aktenkoffer, dem sie sofort ihre Laptops entnehmen, zu sitzen. Tom seinerseits hat sich bewusst dagegen entschieden, sein Notebook mitzunehmen. Er will sich eine Auszeit von seiner Forschung nehmen und gar nicht erst in Versuchung kommen, doch wieder über seinen Ergebnissen zu grübeln. Oder schlimmer: »Herr Windmann, was kritzeln Sie da auf dem Flipchart herum, der Beamer steht zu Ihrer freien Verfügung, wo ist Ihr Notebook?«
»Ähm, Herr Schmidt, das hab ich versehentlich liegenlassen, my notebook is noch over the ocean.«
Better safe than sorry.
Sein Sportgerät bleibt auch besser zu Hause. Bei der Durchleuchtung könnte es Probleme geben und überhaupt ist am Zielort wohl Golf die angesagte Sportart.
Flugzeugführer, geh an! In Heathrow warten sie nicht! Aber denkste. Denn nun verkündet der Bordlautsprecher, dass die Tragflächen enteist werden müssen. Die grauen Herren rechts und links wirken zwar unbekümmert, doch Tom sieht immer häufiger auf seine Armbanduhr. Die Aussicht, in London zu stranden, lässt ihn stets unruhiger werden. Heathrow könnte für ihn unter ungünstigen Umständen ein heißes Pflaster werden, wegen Prof. Schmidt und so.
Beim Landeanflug auf Heathrow kann Tom sehen, dass hier in Südengland so gut wie kein Schnee liegt. Der Anblick des grünen Grases muntert ihn irgendwie auf.
Ha, Greenwich-Zeit, fällt es ihm ein. England ist immer eine Stunde zurück. Wir sind pünktlich.
»Good morning, you are going to Los Angeles?«, sagt die dunkelhäutige Zollbeamtin, Angelees mit langem i. Und lächelt, als sie seinen passport prüft.
»You know, you don’t have to wear exactly the same outfit as on the photograph, do you?«
»Ay ma’am, thank you. I’m from Germany.« Genial doofe Antwort. Was soll’s. Er würde den customs officer nie wiedertreffen.
Im Shuttlebus versucht Tom, genau so lässig, entspannt und reiseerfahren zu wirken wie die Leute um ihn herum. Dabei hat er ständig Angst, irgendwo falsch abzubiegen, wofür es nicht wirklich viele Gelegenheiten gibt, und prüft viel zu oft nach, ob seine Papiere noch da sind.
›Ach, was ein Zufall! Jenny!‹
›Was, ich? Ich muss auch mal eben in die Staaten, weißt ja, wie’s gehen kann.‹
Tom seufzt. Und nee, so toll wär das jetzt auch gar nicht, wenn Jenny wirklich mit im Shuttlebus wäre, echt nicht.
Interessant, denkt er. Alle Shuttlebusfahrer sehen indisch aus und tragen Turban. Sind das alles Sikhs?, fragt er sich. Offenbar handelt es sich um Nachwirkungen des British Empire.
Auch in einer B 747 wird die Zeit lang. Die Speisung bringt ein wenig Abwechslung. Man döst, nimmt ein Getränk, beobachtet die anderen Fluggäste. Die mittlere Toilette wird frei.
Tom stimmt sich mit seinem Reiseführer noch ein wenig mehr auf das Ziel ein.
Das Flugzeugsymbol kommt nur sehr langsam auf der Karte im Display voran.
Warum sieht die Tag-und-Nacht Grenze so geschwungen aus? Ach ja, durch die Projektion auf die Fläche erscheint der Terminator so verzerrt sinusartig, gibt Tom sich sofort die Antwort. Und überlegt, wie man ein Bild von