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In einer Quizsendung wird das Gespräch zwischen Moderator und Kandidatin mit einem Mal sehr persönlich. Im Aquapark Sealife spuckt eine Seekuh ein Kinderkassettenradio mit merkwürdigen Aufnahmen aus. Und eine Agentur für alternative Realitäten preist ein mysteriöses Produkt an mit den Worten: »Unser Angebot richtet sich nicht primär an die, die immer schon mal ein anderer sein wollten. Sondern vielmehr an diejenigen, die denken, all die anderen sollten andere sein.« Nach seinem viel gelobten Debütroman ›Das kalte Jahr‹ versammelt Roman Ehrlich in ›Urwaldgäste‹ zehn Geschichten aus dem ganz normalen Alltag – mit doppeltem Boden und geheimnisvollen Abgründen. Es geht um die Kippmomente unserer Arbeits- und Medienwelt. Die Momente, in denen Menschen zu Zurückgelassenen werden, zu Bedürftigen nach Rückhalt und Liebe. Sie alle haben das Gefühl, immer nur Gast zu sein, an einem Ort mit undurchschaubaren Regeln. Und sie fordern ein, was bislang keine Rolle gespielt hat: dass jetzt die eigene Geschichte beginnen kann.
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Seitenzahl: 320
ROMAN EHRLICH
URWALDGÄSTE
Erzählungen
eBook 2014
© 2014 DuMont Buchverlag, Köln
Alle Rechte vorbehalten
Umschlag: Nurten Zeren, zerendesign.com
Satz: Angelika Kudella
eBook-Konvertierung: CPI books GmbH, Leck
ISBN eBook: 978-3-8321-8813-9
www.dumont-buchverlag.de
DINGE, DIE SICH IM RAHMEN MEINER TEMPORÄREN ANSTELLUNG BEI DER GRINELLO CLEAN SOLUTIONS EREIGNETEN
Ich fühlte mich ohnehin in diesen Tagen als soziales Wesen, als Mensch unter Menschen, unanbietbar.
Ich hatte auf eine Stellenanzeige aus dem Internetportal des Studentenwerks, auf das ich durch ein Scheinstudium der Physik Zugriff hatte, mit einer schriftlichen Bewerbung reagiert und wurde prompt zum persönlichen Gespräch eingeladen. Tagelang hatte ich mit niemandem gesprochen. Es hatte mir überhaupt nichts ausgemacht, nichts zu sagen. Das Gefühl, überhaupt nichts zu sagen zu haben, hatte überwogen. Es hatte mir eine klare Handlungsanweisung übermittelt: Sprich nicht. Sag nichts.
Konkurrenz um die Stelle gab es offensichtlich nicht. Beim Bewerbungsgespräch wurde ich schon in die Details meiner Arbeitsabläufe eingewiesen, ich wurde gar nicht mehr gefragt, ob ich den Job überhaupt wollte. Es gab lediglich einmal eine sehr lange Pause, in die hinein ich hätte sagen können: Nein, ich möchte lieber nicht. Das ist mir aber auch erst im Nachhinein aufgefallen.
Man hatte mir schon am Telefon gesagt: »Sie werden hier die meiste Zeit alleine sein.« Die Person, die ich vertreten sollte, trat einen langen Schwangerschafts- oder Mutterschaftsurlaub an, ich bin mir nicht mehr ganz sicher. Ich dachte: Prima.
Es ist unmöglich, genau zu sagen, wann das geschehen war– wann dieser Zustand begonnen hatte, in dem ich maulfaul, abwesend und auch taub für die Äußerungen meiner Umwelt wurde. Es war ein Vorgang wie die Ankunft des Winters.
Man wies mich ein in die Bedienung der vollautomatischen Kaffeemaschine und zeigte mir die Schublade mit den verschiedenfarbigen Espressopatronen. Man deutete auf frisch gekaufte Möbel aus furniertem Pressspan und auf Geräte, die mit ordentlich verlegten Kabeln verbunden waren und alles in allem ein vollständig wirkendes Büroumfeld ergaben. Die Person, die ich später vertrat, machte ein paar Probedrucke mit dem WLAN-fähigen Laserdrucker und zeigte mir dann, indem sie die Probedrucke herzhaft und lustvoll zusammenknüllte, wo sich der Papiermüll befand. Ich wurde in Serienbrieferstellung und Tabellenkalkulation eingewiesen, man zeigte mir, wo im Computer an meinem Arbeitsplatz noch ein freier Steckplatz für den kleinen USB-Weihnachtsbaum zu finden wäre, falls ich mir den grauen Tag durch sein buntes Aufleuchten etwas farbiger würde gestalten wollen, was allerdings, wie ich erfuhr, nicht jedermanns Sache ist und keinesfalls Vorschrift. Es roch neu und nach Anfang in den Räumen des Unternehmens. Die Recyclingtonnen waren vollgestopft mit Verpackungsmaterial, mit Einschweißfolie und Styroporteilen zum schadfreien Transport von Flachbildmonitoren. Aus dem kunstledernen Bürostuhl verdampften noch die Chemikalien zur Imprägnierung, in ihm zu sitzen fühlte sich an wie die Probefahrt in einem werksfrischen Kleinwagen.
Auf dem Weg von meinem Haus zu diesem Büro fuhr ich zunächst einige Stationen mit einer die Stadt ringförmig umkreisenden Bahn, die immer nur links um die Kurven bog und dabei viele Werktätige in sich aufnahm. Sie standen dichtgedrängt beisammen, abwesend, müde, grimmig oder schläfrig, hielten sich an den Haltestangen fest, hörten Musik und starrten vor sich auf eine Jackennaht oder direkt ins Nichts. Zwei größere Umsteigebahnhöfe befanden sich auf meiner Strecke, das Wetter war meistens regnerisch und das Fahrgastaufkommen war groß. Aus den Fenstern heraus sah man die Stadt schemenhaft in einer gräulichen Suppe dastehen, versunken und irreal wie in einem Aquarium.
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