Vampire - Tödliche Verführer - Edgar Allan Poe - E-Book

Vampire - Tödliche Verführer E-Book

Edgar Allan Poe

0,0

Beschreibung

Vampire - Tödliche Verführer Blutsaugende Nachtgestalten, die seit Jahrhunderten die Köpfe der Menschen beschäftigen. Wie real sind sie? Lesen Sie die ersten Geschichten und Gedichte, die je über Vampire geschrieben worden sind, von Goethe, Kipling, Poe, Heine und anderen. Wir wünschen angenehmes Gruseln - und lassen Sie das Licht an. 2. Auflage Umfang: 729 Buchseiten bzw. 643 Normseiten Null Papier Verlag

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 762

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Vampire

Tödliche Verführer

Geschichten und Gedichte

Überarbeitung, Korrekturen und Umschlaggestaltung: Null Papier Verlag

2. Auflage, ISBN 978-3-95418-121-6

Umfang: 643 Normseiten bzw. 729 Buchseiten

www.null-papier.de/vampire

Vampir - Meyers Konversations-Lexikon, 1888

Vampir, nach dem Volksglauben, namentlich der slawischen, rumänischen und griechischen Bevölkerung der untern Donauländer und der Balkanhalbinsel, Geist eines Verstorbenen, der des Nachts sein Grab verläßt, um Lebenden das Blut auszusaugen, von dem er sich nährt. Da dieser Aberglaube noch jetzt sehr verbreitet ist und sofort auftritt, wenn in den betreffenden Gegenden einem Familienmitglied andre schnell in den Tod nachfolgen oder hinsiechen, so hat man allerlei Vorsichtsmaßregeln und Gegenmittel, zu denen das Bedecken des Mundes, das Mitgeben von allerlei Beschäftigungsmitteln im Sarg sowie namentlich das Hauptabschlagen des wiederausgegrabenen Toten und Durchstoßen mit einem Holzpfahl gehört. In diesem Wahn führt der Glaube an Vampire häufig zu Leichenschändungen und Friedhofsentweihungen. Abarten des Vampirs sind: der Nachzehrer der Mark, der Blutsauger in Preußen und der Gierfraß in Pommern; die Wilis oder Willis, vor der Hochzeit gestorbene Bräute, die jungen Burschen erscheinen, sie zum endlosen Tanz verlocken, bis sie tot hinstürzen. Alle diese Sagen haben sich wohl aus den klassischen Gestalten der Lamien und Empusen (s. d.) entwickelt. Dichterisch behandelt wurde die Sage bereits im Altertum von Philostratus und Phlegon von Tralles (aus welchem Goethe den Stoff zu seiner »Braut von Korinth« entnahm), in neuerer Zeit von Byron sowie in verschiedenen Opern und Balletten. Vgl. Ranft, Traktat von dem Kauen und Schmatzen der Toten in Gräbern (Leipz. 1734).

Der Vampyr / Der Vampir (The Vampyre) - John William Polidori, 1816

Es ereignete sich, dass, mitten unter den Zerstreuungen eines Winters in London, in den verschiedenen Gesellschaften der tonangebenden Vornehmen ein Edelmann erschien, der sich mehr durch seine Sonderbarkeiten, als durch seinen Rang auszeichnete. Er blickte auf die laute Fröhlichkeit um ihn her mit einer Miene, als könne er nicht an derselben teilnehmen. Nur das leichte Lachen der Schönen schien seine Aufmerksamkeit zu erregen, allein, es schien auch, als wenn ein Blick aus seinem Auge es plötzlich hemme und Furcht in die vorher heitere und unbefangene Brust der Fröhlichen streue. Diejenigen, welche diesen Schauder empfanden, konnten nicht angeben, woher er entstehe; einige schrieben ihn dem fast seelenlosen grauen Auge zu, das, wenn es sich auf das Auge des andern richtete, obschon an sich nichts Eindringendes zu haben, doch oft mit einem Blick das innerste Herz zu durchbohren schien, und richtete es sich auf die Wange, so schien der Strahl wie Blei auf der Haut zu lasten, ohne sie durchdringen zu können. Seiner Sonderbarkeit wegen wurde er in jedes Haus eingeladen; alle wünschten ihn zu sehen, und diejenigen, welche an lebhafte Aufregung gewohnt waren und nun die Last der Langeweile fühlten, freuten sich, ein Wesen um sich zu sehen, welches ihre Aufmerksamkeit zu fesseln vermochte. Trotz der totenbleichen Farbe seines Gesichts, das weder von dem Erröten der Scham, noch dem Aufwallen der Leidenschaft jemals ein wärmeres Kolorit bekam, obgleich die Form und Umrisse desselben sehr schön waren, versuchten es doch einige weibliche Glücksjäger, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, um wenigstens einige Beweise von dem zu erhalten, was sie Zuneigung nennen mochten; Lady Mercer, welche seit ihrer Verheiratung der Gegenstand des Spottes jeder Hässlichen in der Gesellschaft gewesen war, stellte sich ihm in den Weg und suchte auf alle Weise, selbst durch den auffallendsten Anzug, seine Aufmerksamkeit zu reizen. Allein umsonst - wenn sie vor ihm stand, und seine Augen dem Anscheine nach auf die ihrigen gerichtet waren, schien es doch immer, als würde sie nicht bemerkt. Selbst ihre freche Unverschämtheit wurde endlich verwirrt, und sie verließ das Feld. Allein obgleich eine so bekannte freie Dame nicht einmal die Richtung seiner Augen bestimmen konnte, schien das weibliche Geschlecht selbst ihm doch keineswegs gleichgültig zu sein, indessen war die anscheinende Vorsicht mit der er ein tugendhaftes Weib, ein unschuldiges Mädchen anredete, so groß, dass sich nur wenige überhaupt dessen rühmen konnten. Er behauptete jedoch den Ruf eines einnehmenden Sprechers, und sei es nun, dass dies selbst die Furcht vor seine seltsamen Charakter überwand, oder dass man sich von seinem anscheinenden Hasse gegen das Laster rühren ließ, genug, er befand sich ebenso oft unter solchen Frauen, welche den Glanz ihres Geschlechts in häuslichen Tugenden suchen, als unter solchen, die ihn durch ihre Laster beflecken.

Um diese Zeit kam ein junger Edelmann, namens Aubrey, nach London. Er war verwaist. Seine Eltern, die er schon in früher Kindheit verlor, hatten ihm und seiner einzigen Schwester ein sehr großes Vermögen hinterlassen. Die Vormünder nahmen sich mehr der Verwaltung seines Vermögens, als der Sorge für seine Erziehung an, und so blieb diese in den Händen von Mietlingen, welche mehr seine Phantasie, als seinen Verstand zu bilden suchten. Er besaß daher jenes hohe romantische Gefühl für Ehre und Aufrichtigkeit, welches täglich so viel hundert junge Leute zu Grunde richtet. Er glaubte, alle Menschen müssten die Tugend lieben, und dachte, das Laster sei von der Vorsehung bloß des szenischen Effektes wegen in das Weltdrama eingewebt worden; er dachte, das Elend in den Hütten bestehe bloß in der Kleidung, die aber doch warm sei und dem Auge des Malers durch den unregelmäßigen Faltenwurf, die bunten Flecke darauf besser zusage. Mit einem Worte, er hielt die Träume der Dichter für die Wirklichkeiten des Lebens. Er war hübsch, frei und reich; drei Ursachen, warum ihn beim Eintritt in die heitern Zirkel der Welt viele Mütter umringten und alles versuchten, was ihre schmachtenden oder wilden Lieblinge mit den lebhaftesten Farben auszustatten vermochte, indes die Töchter durch ihr glänzendes Benehmen, wenn er sich ihnen näherte, und durch ihre blitzenden Augen, wenn er die Lippen öffnete, ihn zu falschen Vorstellungen verleiteten. Seiner romantischen Einsamkeit ganz hingegeben, staunte er nicht wenig, als er fand, dass, die Talg- oder Wachslichter ausgenommen, welche nicht vor der Gegenwart eines Geistes, sondern aus Mangel an Lichtputzen flatterten, in dem wirklichen Leben durchaus kein Grund zu Anhäufung jener lachenden Gemälde und Beschreibungen vorhanden sei, wie sie sich in den Büchern fanden, die er zum Gegenstand seines Studiums gemacht hatte. Da er indessen einige Vergütung in seiner geschmeichelten Eitelkeit fand, war er im Begriff, seine Träume aufzugeben, als das außerordentliche Wesen, welches wir oben beschrieben haben, ihm in den Weg trat.

Er beobachtete ihn, und die völlige Unmöglichkeit, sich einen Begriff von dem Charakter eines Mannes zu bilden, der, bloß in sich selbst versunken, wenig andere Zeichen seiner Beachtung äußerer Gegenstände von sich gab als die stillschweigende Anerkennung ihres Daseins, vollendete die Vermeidung gegenseitiger Berührung. Da Aubrey seiner Phantasie gestattete, jedes Ding, das seiner Neigung zu seltsamen und ausschweifenden Ideen schmeichelte, sorgfältig auszumalen, so hatte er auch schon dieses Wesen zum Helden eines Romans umgebildet und betrachtete nunmehr den Sprössling seiner Phantasie als die einzige lebende Person außer ihm. Er wurde bekannt mit ihm, bewies ihm Aufmerksamkeiten und gelangte doch so weit bei ihm, dass er seine Gegenwart anerkannte. Er erfuhr nach und nach, dass Lord Ruthvens Angelegenheiten zerrüttet seien, und dass er im Begriff stehe, eine Reise zu unternehmen. Voll Verlangen, über diesen seltsamen Charakter, der bis jetzt seine Neugier nichts weniger als befriedigt hatte, genauere Forschungen anzustellen, äußerte er seinen Vormündern, dass es nun Zeit für ihn sein möchte, die Tour zu machen, die man seit Jahrhunderten für nötig gehalten hat, um den Jüngling in den Stand zu setzen, einige rasche Fortschritte auf der Bahn des Lasters zu machen und so die älteren einzuholen, damit er nicht wie aus den Wolken gefallen scheine, wenn man empörende Intrigen als Gegenstände des Spottes oder Lobes behandelt, je nachdem dabei mehr oder weniger Geschicklichkeit aufgewendet worden ist. Sie stimmten in sein Begehren. Aubrey gab dem Lord Ruthven seine Absicht zu erkennen und erstaunte nicht wenig, von ihm den Antrag zu erhalten, die Reise gemeinschaftlich zu machen. Geschmeichelt durch solch ein Zeichen der Achtung von dem, der dem Anscheine nach mit andern Menschen nichts gemein hatte, nahm er ihn freudig an, und in wenigen Tagen hatten sie das trennende Meer überschritten.

Bisher hatte Aubrey keine Gelegenheit gehabt, Lord Ruthvens Charakter zu studieren, und nun fand er, dass, da er mehrere seiner Handlungen beobachten konnte, die Resultate verschiedene Schlüsse auf die scheinbaren Beweggründe seines Betragens darboten. Sein Gefährte war verschwenderisch freigiebig - der Faule, der Landstreicher, der Bettler erhielt aus seinen Händen mehr als genug, um den augenblicklichen Mangel zu stillen. Der tugendhafte, unverschuldete Arme hingegen ging oft unbefriedigt von seiner Türe, wurde wohl gar mit höhnischem Lachen abgewiesen. Der Lüstling, der sich immer tiefer in den Schlamm seiner Ausschweifungen versenken wollte, konnte auf seine Unterstützung rechnen. Ein Umstand war indes bei den Geschenken des Lords seinem Gefährten bemerklich geworden; es ruhte offenbar ein Fluch auf ihnen, denn die Empfänger waren entweder dadurch auf das Schafott gebracht worden oder in das tiefste, verachtenswerteste Elend versunken. In Brüssel und anderen großen Städten hatte der Lord zu Aubreys Verwunderung die Zirkel der großen Welt aufgesucht. Er spielte und wettete, ersteres stets mit Glück, außer wenn ein bekannter Gauner sein Gegner war, dann verlor er mehr als er gewonnen hatte; allein sein Gesicht behielt dieselbe Unveränderlichkeit, womit er gemeiniglich die Gesellschaft umher beobachtete. Wenn er aber einem raschen, unbesonnenen Jünglinge begegnete, oder dem unglücklichen Vater einer zahlreichen Familie, dann schien sein Wunsch Fortunas Gesetz zu werden, die anscheinende Abstraktheit seines Gemüts verschwand, und seine Augen glänzten wie die der Katze, wenn sie mit der halbtoten Maus spielt. Indessen nahm er keinen Groschen vom Spieltische mit, sondern verspielte zum Ruin manches andern die letzte Münze, die er eben aus der Hand der Verzweiflung gewonnen hatte; dieses mochte das Resultat eines gewissen Grades von Einsicht sein, die jedoch nicht imstande war, die schlauere Erfahrung zu täuschen. Aubrey wünschte oft seinem Freunde dies vorzustellen und ihn zu bitten, einer Freigebigkeit und einem Vergnügen zu entsagen, welches alle Menschen unglücklich mache und ihm keinen Vorteil gewähre, allein er verschob es immer, in der Hoffnung, eine recht passende Gelegenheit dazu zu erhalten, welche sich nie zeigte. Lord Ruthven war in seiner Laufbahn und mitten unter den mannigfachen, bald wilden, bald lachenden Naturszenen immer derselbe - sein Auge sprach noch weniger als seine Lippen, und obgleich Aubrey nun dem Gegenstande seiner Neugier so nahe war, als er sein konnte, hatte er doch dadurch nichts mehr, als eine stärkere Anreizung zur Enthüllung des Geheimnisses erhalten, das seiner exaltierten Einbildungskraft immer mehr wie etwas Übernatürliches vorkam.

Sie gelangten bald nach Rom, und Aubrey verlor seinen Gefährten einige Zeit aus den Augen. Dieser befand sich täglich in den Morgenzirkeln einer italienischen Gräfin, indes er die Denkmäler einer längst untergegangenen Vorwelt aufsuchte. Unter dieser Beschäftigung erhielt er Briefe aus England, die er mit der größten Sehnsucht öffnete. Der erste war von seiner Schwester und atmete die reinste Zärtlichkeit; die anderen waren von seinen Vormündern, und diese setzten ihn in Erstaunen. Hatte er schon vorher den Gedanken gehegt, dass in seinem Gefährten irgendein böser Geist wohnen möge, so erhielt derselbe nun dadurch volle Bestätigung. Die Vormünder drangen in ihn, er möchte sogleich sich von seinem Freunde trennen, denn da dieser eine unwiderstehliche Macht der Verführung zu besitzen scheine, so werde sein Umgang höchst gefährlich. Man habe nämlich entdeckt, dass seine Verachtung gegen Lady Mercer nicht auf ihren Charakter sich gegründet, sondern dass er, um seine Gunstbezeugung zu erhöhen, verlangt habe, dass sein Schlachtopfer, die Teilnehmerin seiner Schuld, von dem Gipfel unbefleckter Tugend in den tiefsten Abgrund des Lasters habe herabgeschleudert werden sollen. Auch sei man nun gewiss geworden, dass alle Frauen, die er dem Scheine nach ihrer Tugend wegen aufgesucht, seit seiner Abreise sich in ganz andrem Lichte, ja in der höchsten Unverschämtheit gezeigt hätten.

Aubrey beschloss, nunmehr einen Mann zu verlassen, dessen Charakter auch nicht einen Lichtstrahl zeigte, auf dem das Auge mit Lust weilen konnte. Er beschloss, auf einen Vorwand zu sinnen und sich von ihm zu trennen, doch in der Zwischenzeit ihn noch genauer als vorher zu beobachten und nicht den geringsten Umstand außer acht zu lassen. Er begab sich in denselben Zirkel und sah, dass der Lord versuchte, auf die unerfahrene Tochter des Hauses zu wirken. In Italien ist es selten, dass man unvermählte Damen in der Gesellschaft trifft, daher musste er seine Pläne im geheimen auszuführen suchen. Allein Aubreys Auge folgte ihm in allen seinen Wendungen, und bald bemerkte er, dass es bis zu einem Rendezvous gekommen sei, wo wahrscheinlich die Unschuld des verdachtlosen Mädchens geopfert werden sollte. Ohne Zeitverlust trat er zu Lord Ruthven ins Zimmer und fragte ihn unverhohlen nach seiner Absicht mit der Signora; der Lord versetzte, seine Absicht sei die bei solchen Gelegenheiten gewöhnliche, und auf die abermalige Frage, ob er denn das Mädchen zu heiraten gedenke, lachte er laut. Aubrey entfernte sich, schrieb ihm aber auf der Stelle einen Abschiedsbrief, ließ seine Sachen in eine andere Wohnung bringen und unterrichtete die Mutter von allem, was er wusste, auch von des Lords Charakter. Das Rendezvous wurde verhindert. Den andern Tag sandte der Lord eine Erklärung, dass er mit der Trennung wohl zufrieden sei, ließ aber nicht das Geringste merken, dass er wisse, sein Plan sei durch Aubrey vereitelt worden.

Nachdem Aubrey Rom verlassen, wandte er seine Schritte nach Griechenland und befand sich nach Durchstreifung der Halbinsel zu Athen. Er nahm hier seine Wohnung in dem Hause eines Griechen, und bald beschäftigte er sich damit, die erbleichenden Erinnerungen alter Herrlichkeit auf den Denkmälern aufzusuchen, die, sich schämend, die Taten freier Menschen vor Sklaven zu erzählen, sich entweder in die schützende Erde versteckt oder hinter rankende Gesträuche verborgen hatten. Mit ihm unter einem Dache aber lebte ein Wesen so zart und schön, dass es einem Maler hätte zum Modell dienen können, der die den Gläubigen in Mohammeds Paradiese versprochene Hoffnung hätte lebend abbilden wollen, nur dass ihr Auge zu viel Seele zeigte, als dass man es denen hätte zuteilen können, welche keine Seelen haben. Wenn sie auf der Ebene tanzte oder längs den Gebirgen hinsprang, glaubte man eine Gazelle zu sehen, aber ihr Auge, aus dem die ganze beseelte Natur zu sprechen schien, wo hätte dieses ein Gleichnis gefunden? - Janthes leichter Schritt begleitete Aubrey oft auf seinen forschenden Wanderungen, und nicht selten enthüllte das unbefangene Geschöpf bei Verfolgung eines Schmetterlings alle Reize seiner schönen Gestalt dem gierigen Blicke des Fremdlings, der nun gern die kaum entzifferten Buchstaben auf einer halbverlöschten Tafel über dem Anschauen dieser lebenden Schönheit vergaß. Die Flechten ihres schönen blonden Haares glichen, um ihr Haupt herabfallend, den Sonnenstrahlen und verdunkelten das Auge des Antiquars, statt es zu erleuchten. Doch wozu der Versuch, das Unbeschreibliche zu beschreiben?

Wenn er bemüht war, die Überreste der alten Welt in Zeichnungen für künftige Stunden aufzubewahren, so stand das Mädchen bei ihm, seine Arbeit bewundernd und ihm die ländlichen Tänze ihrer Heimat beschreibend oder einen Hochzeitszug, dessen sie sich noch aus ihrer Kindheit erinnerte. Oft erzählte sie ihm auch Märchen, worunter sich das von einem lebenden Vampyr befand, der jahrelang unter seinen Freunden und Verwandten umhergegangen sei, gezwungen, jedes Jahr durch Aufzehrung des Lebens eines schönen Weibes seine Existenz für die nächste Zeit zu verlängern. Aubrey gerann dabei das Blut in den Adern, indes er versuchte, die Erzählerin wegen ihrer furchtbaren Phantasien auszulachen. Janthe aber nannte ihm die Namen alter Leute, welche ein solches Wesen erst unter sich entdeckt hatten, als viele ihrer nächsten Verwandten und Kinder mit den Zeichen des gestillten Appetits ihres Feindes gefunden worden waren, und als sie ihn so ungläubig fand, bat sie ihn, ihr doch ja zu glauben, denn man habe bemerkt, dass die, welche es gewagt hätten, die Existenz der Vampyre zu bezweifeln, genötigt worden waren, mit gebrochenem Herzen endlich die Wahrheit einzugestehen. Sie beschrieb ihm das Äußere dieser Wesen der Sage gemäß, und wie groß war sein Entsetzen, als er darin eine treue Schilderung des Lord Ruthven erkannte; demungeachtet suchte er ihr die Furcht auszureden, ob er sich gleich wunderte über so manches, das hier zusammengetroffen war, um den Glauben an eine übernatürliche Gewalt des Lord Ruthven zu begründen.

Aubrey neigte sich mehr und mehr zu Janthen hin; ihre Unschuld, im Kontraste mit den affektierten Tugenden der Weiber, unter denen er Urbilder seiner romantischen Ideen gesucht hatte, gewann sein Herz, und indes er es lächerlich fand, dass ein junger Engländer ein unerzogenes griechisches Mädchen heiraten wolle, fand er sich immer stärker von der schönsten Gestalt angezogen, die er je gesehen hatte. Janthe ahnte diese aufkeimende Liebe nicht und blieb sich in ihrer ersten kindlichen Unbefangenheit immer gleich. Sie trennte sich zwar immer ungern von Aubrey, allein meistens deshalb, weil sie nun niemand hatte, unter dessen Schutz sie ihre Lieblingsorte besuchen konnte. In Hinsicht der Vampyre hatte sie sich auf ihre Eltern berufen, und beide bestätigten, bleich vor Schrecken schon bei Nennung des Wortes, die Wahrheit der Sache.

Kurz darauf wollte Aubrey wieder einen Ausflug machen, der ihn einige Stunden beschäftigen konnte; als die Leute den Namen des Ortes hörten, baten sie ihn dringend, nur nicht des Nachts zurückzukehren, weil er durch einen Wald reiten müsse, wo sich kein Grieche nach Sonnenuntergang zu verweilen pflege. Hier hielten nämlich die Vampyre ihre nächtlichen Orgien, und wehe dem, der ihnen dabei begegnete. Die Leute entsetzten sich, als er es wagte, über die Gewalt unterirdischer Mächte zu spotten, und so schwieg er.

Am nächsten Morgen begab sich Aubrey ohne alle Begleitung auf seine Wanderung; er wunderte sich über das schwermütige Aussehen seines Wirtes und war sehr bewegt, als er hörte, dass seine Worte, womit er den Glauben an jene furchtbaren Feinde hatte verspotten wollen, auf die Familie so schreckend gewirkt hatten. Als er sich zu Pferde setzte, bat ihn Janthe nochmals, vor nachts zurückzukehren, und er versprach es.

Seine Nachforschungen beschäftigten ihn indessen dergestalt, dass er das Abnehmen des Tages nicht bemerkte, und wie sich am Horizonte eine von den kleinen Wolken zeigte, die in wärmeren Klimaten so schnell zu furchtbaren Gewittern anwachsen und oft Verheerung über ganze Gegenden verbreiten. Er bestieg demungeachtet sein Pferd, um durch Eile die versäumte Zeit nachzuholen, allein zu spät; die Dämmerung ist in jenen Gegenden fast ganz unbekannt; sogleich nach Untergang der Sonne wird es Nacht, und er war noch nicht weit geritten, als das Ungewitter mit Sturm, Regen, Blitz und Donner losbrach. Sein Pferd wurde scheu und stürmte mit furchtbarer Schnelligkeit durch den finstren Wald hin. Endlich blieb es ermüdet stehen, und beim Scheine der Blitze erkannte er, dass er sich in der Nähe einer Hütte von Binsen oder Rohr befinde, die kaum aus der Masse welker Blätter und verworrenen Gebüsches hervorsah, womit sie umgeben war. Er stieg ab und näherte sich, in der Hoffnung, entweder einen Führer nach der Stadt oder wenigstens Schutz vor dem Ungewitter zu finden. Als er ganz nahe war und der Donner einen Augenblick schwieg, vernahm er das schreckliche Geschrei einer weiblichen Stimme, untermischt mit einem höhnischen Gelächter, das fast ununterbrochen fortdauerte. Er stutzte, aber aufgeschreckt von dem über ihn hinrollenden Donner erbrach er mit einer gewaltigen Anstrengung die Tür der Hütte. Er stand in dicker Finsternis, doch leitete ihn der Schall; er rief, aber der Ton dauerte fort. Man schien ihn nicht zu bemerken. Er stieß endlich mit jemand zusammen, den er sogleich fasste; da schrie eine Stimme: "Abermals getäuscht!" worauf ein lautes Gelächter folgte. Endlich fühlte er sich selbst von jemand ergriffen, der eine übermenschliche Stärke zu haben schien. Er beschloss, sein Leben so teuer als möglich zu verkaufen, und kämpfte, allein vergebens, seine Füße glitten aus, und er wurde mit ungeheurer Gewalt zu Boden geworfen. Sein Feind warf sich auf ihn und stemmte ihm die Hand auf die Brust, da fiel der Schein einiger Fackeln durch das Loch, durch die das Tageslicht eindrang; sogleich sprang jener auf, ließ seine Beute los, rannte zur Tür hinaus, und bald vernahm man das Geräusch der Zweige nicht mehr, durch die er sich Bahn gemacht hatte.

Der Sturm war nun vorüber, und Aubrey, der sich nicht rühren konnte, wurde von denen gehört, die draußen waren. Sie traten herein; das Licht der Fackeln fiel auf die schmutzigen Wände und die einzelnen Lagerstätten von Stroh und Binsen, worauf einige Kleidungsstücke lagen. Auf Aubreys Begehren suchte man nach derjenigen, deren Geschrei ihn angezogen hatte. Er blieb nun wieder im Dunkeln; allein wer malt sein Entsetzen, als er beim Lichte der rückkehrenden Fackeln die reizende Gestalt seinen Führerin erkannte, die jetzt ein lebloser Leichnam war! Er traute seinen Augen kaum, doch ein abermaliges Hinstarren überzeugte ihn, dass es wirklich das liebliche Geschöpf sei. Auf ihren Wangen, selbst auf ihren Lippen war keine Farbe mehr; doch war über das Gesicht eine Ruhe verbreitet, die fast so anziehend schien als das sonst hier wohnende Leben; auf ihrem Nacken und ihrer Brust war Blut sichtbar, und an der letzteren sogar das Zeichen von Zähnen, die eine Ader geöffnet hatten. Plötzlich riefen die Männer, mit Entsetzen darauf hindeutend: "Ein Vampyr! ein Vampyr!" Man machte eine Tragbahre und legte Aubrey an die Seite derjenigen, welche vor kurzem noch Gegenstand seiner Bewunderung und manches süßen Traumes gewesen war. Er wusste nicht, was er denken sollte, sein Geist versank in eine wohltätige Betäubung; auf einmal ergriff er fast bewusstlos einen nackten Dolch von ganz besonderer Bildung, der in der Hütte am Boden gelegen hatte; da erschienen auch Leute, die die Vermisste im Namen der Eltern suchten. Als sie sie fanden, schrien sie laut auf; und als endlich die Eltern das unglückliche Kind erkannten, starben beide in kurzem vor Schmerz und Gram.

Aubrey wurde von einem hitzigen Fieber befallen und hatte oft Geistesabwesenheiten; in diesen rief er den Lord Ruthven und Janthe - durch eine unerklärliche Verbindung der Ideen schien er seinen früheren Gefährten zu bitten, das Leben derjenigen zu schonen, die er liebte. Zu andern Zeiten schüttete er mehr Verwünschungen über sein Haupt aus, als über ihren Mörder und Verführer.

Lord Ruthven kam um diese Zeit selbst nach Athen, und sobald er von Aubreys Zustande hörte, nahm er seine Wohnung gleichfalls in demselben Hause und wurde sein immerwährender Gesellschafter. Als der Kranke aus seiner Geistesabwesenheit zu sich kam, erschrak und erstaunte er über den Anblick desjenigen, dessen Bild er stets mit dem eines Vampyrs verwechselt hatte; allein Lord Ruthven versöhnte den Kranken bald mit seiner Gegenwart durch seine freundlichen Reden und durch die Reue, die er über den Fehler bezeugte, der ihre Trennung veranlasst hatte, mehr noch aber durch die Aufmerksamkeit, Besorglichkeit und Teilnahme, die er ihm bewies.

Der Lord schien in der Tat gänzlich verändert. Er war gar nicht mehr das teilnahmslose Wesen, das so furchtbar auf Aubrey gewirkt hatte; allein sowie dessen Genesung fortschritt, fiel jener auch wieder in sein voriges Wesen zurück, und Aubrey bemerkte keine Veränderung an ihm, als das zuweilen Ruthvens Blick mit einem Ausdrucke von höhnischem Lächeln um die Lippen fest auf ihm zu ruhen schien. Dieses Lächeln erfüllte ihn mit geheimem Schauder, ohne dass er wusste warum.

Aubreys Gemüt war durch diese Erschütterung äußerst angegriffen worden, und jene geistige Elastizität, die ihn sonst ausgezeichnet hatte, schien auf immer verschwunden. Er war jetzt ein ebenso großer Liebhaber der Einsamkeit als Lord Ruthven, allein sein Gemüt konnte dieses Verlangen nicht in der Nachbarschaft von Athen erfüllt finden; wo immer er sich hier hinbegab, stand Janthes liebliche Gestalt vor ihm; in den Wäldern glaubte er ihren leichten Schritt zu bemerken, wie sie Veilchen und andere Frühlingsblumen suchte, bis sie ihm plötzlich ihr bleiches Gesicht und ihre verwundete Brust mit einem holdseligen Lächeln auf den rosigen Lippen zu zeigen schien. Er beschloss, eine Gegend zu fliehen, wo ihn solche Erinnerungen verfolgten, und machte daher dem Lord Ruthven, dem er sich für die zarte Teilnahme verbunden fühlte, die er ihm während seiner Krankheit bewiesen hatte, den Vorschlag, diejenigen Gegenden Griechenlands zu besuchen, die sie noch nicht gesehen hatten. Sie durchstreiften nun das Land in allen Richtungen, ohne jedoch das sehr zu beachten, was sich ihren Blicken darbot. Sie hörten viel von Räubern, fingen jedoch an, auf diese Nachrichten weniger acht zu geben, weil sie sie für die Erfindung eigennütziger Personen hielten, welche ihren Schutz teuer verkaufen wollten. Die Warnung der Einwohner übersehend, reisten sie auch einst nur mit weniger Bedeckung, die ihnen mehr zu Führern als zum Schutze diente. In einem engen Hohlweg, in dessen Tiefe ein Bach hinrauschte, und den auf beiden Seiten hohe Felsmassen umstarrten, hatten sie Ursache, ihre Nachlässigkeit zu bereuen; denn kaum war der ganze Zug in den Engpass hinein, als sie durch das Pfeifen von Kugeln dicht über ihren Häuptern, durch den Knall von Flintenschüssen, die das Echo wiederholte, erschreckt wurden. In einem Augenblicke hatten ihre Wachen sie verlassen, und, hinter die Felsen sich stellend, begannen diese in der Richtung zu feuern, woher die Schüsse tönten. Lord Ruthven und Aubrey, ihr Beispiel nachahmend, zogen sich für einen Augenblick hinter die schützenden Seitenwände des Hohlweges zurück, allein, sich schämend, dass sie sich vor einem Feinde verstecken sollten, der sie herauszufordern schien, und fürchtend, hier endlich im Rücken genommen zu werden, beschlossen sie, den Angreifern mutig entgegen zu gehen. Jedoch, kaum hatten sie ihren Schutzort verlassen, als Lord Ruthven einen Schuss in die Schulter erhielt, der ihn zu Boden streckte. Aubrey eilte ihm zu Hilfe und sah sich bald nun von den Räubern umringt, denn die Begleiter hatten schon ihre Waffen weggeworfen und sich ergeben.

Durch Versprechung großer Belohnung brachte Aubrey die Räuber dahin, seinen verwundeten Freund in eine nahe Hütte zu tragen, und nachdem er ein Lösegeld versprochen hatte, wurde er nicht mehr durch ihre Gegenwart belästigt, denn sie begnügten sich, bloß den Eingang zu bewachen, bis der Abgeschickte mit dem Lösegeld zurückgekehrt sein würde.

Lord Ruthvens Kräfte nahmen schnell ab, in zwei Tagen war er dem Tode nahe, und er fühlte diesen mit schnellen Schritten sich nahen. Sein Aussehen und Benehmen hatte sich nicht verändert, er schien weder der Schmerzen noch seiner Umgebung zu achten, gegen Ende des letzten Abends aber wurde er sichtbar unruhig, und sein Auge heftete sich oft auf Aubrey, der ihm seinen Beistand mit mehr als gewöhnlichem Ernst anzubieten sich gedrungen fühlte.

"Helfen Sie mir! Sie können mich retten! Sie können mehr tun als das! - Ich meine nicht mein Leben, ich achte den Verlust desselben nicht höher als den des scheidenden Tages, aber - meine Ehre können Sie retten, Ihres Freundes Ehre! - "

"Wie? Reden Sie! Ich werde alles tun, was ich vermag", versetzte Aubrey.

"Ich bedarf nur wenig ... mein Leben entflieht schnell ... ich kann nicht alles enthüllen ... wenn Sie aber, was Sie von mir wissen, verbergen wollen, so würde meine Ehre vom Gerede der Welt unbefleckt bleiben ... und wenn mein Tod einige Zeit in England unbekannt bliebe ... Ich ... aber das Leben ... "

"Er soll nicht bekannt werden!"

"Schwören Sie!" rief der Sterbende, indem er sich mit ungewöhnlicher Heftigkeit aufrichtete. - "Schwören Sie bei allem, was Ihnen heilig ist, bei allem, was Sie fürchten, dass Sie binnen Jahr und Tag keinem lebenden Wesen auf irgendeine Art das mitteilen wollen, was Ihnen von meinem Verbrechen und meinem Tode bekannt ist, es mag sich ereignen, was da will, Sie mögen sehen, was Sie wollen." Seine Augen schienen sich bei dieser Rede aus ihren Kreisen zu drehen.

"Ich schwöre!" rief Aubrey, und jener sank sterbend auf sein Kissen zurück und atmete nicht mehr. Aubrey begab sich zwar zur Ruhe, konnte aber nicht schlafen, die mancherlei Umstände, wovon seine Bekanntschaft mit diesem Manne begleitet gewesen war, wurden wieder klar in seiner Seele; und er wusste nicht, wie es geschah, wenn er sich seines Schwures erinnerte, überfiel ihn ein kalter Schauer, wie das Vorgefühl von etwas Schrecklichem, das ihn erwartete.

Mit dem frühesten Morgen stand er auf, und eben war er im Begriff, die Hütte zu betreten, wo er den Leichnam verlassen hatte, als ihm ein Räuber entgegentrat und ihm meldete, dass sich jener nicht mehr dort befinde, indem er von ihm und seinen Kameraden auf den Gipfel eines benachbarten Berges getragen worden sei, in Gemäßheit des Versprechens, das sie dem Lord gegeben, dass er dem ersten kalten Strahle des Mondes, der nach seinem Tode aufgehen würde, ausgesetzt werden sollte. Aubrey erstaunte, nahm einige der Männer mit sich, entschlossen, den Berg zu besteigen und den Leichnam an dem Orte zu beerdigen, wo er läge. Allein, als er den Gipfel erreicht hatte, fand er weder Spuren von dem Leichnam, noch von den Kleidern, obgleich die Räuber schworen, das sei derselbe Felsen, wohin sie den Toten gelegt. Er verlor sich einige Zeit in seltsamen Vermutungen, allein endlich kehrte er zurück, in der Überzeugung, dass sie den Körper, um die Kleider zu gewinnen, beerdigt hätten.

Überdrüssig einer Gegend, wo er so furchtbares Mißgeschick erfahren, und wo sich alles verschworen zu haben schien, jene zum Aberglauben sich neigende Schwermut zu nähren, die sich seines Gemüts bemächtigt hatte, beschloss er abzureisen, und in kurzem befand er sich in Smyrna. Indes er auf ein Schiff wartete, welches ihn nach Otranto oder Neapel überführen sollte, beschäftigte er sich mit Ordnung der Sachen, die er als dem Lord Ruthven zugehörig mit sich genommen hatte. Unter denselben befand sich auch eine Kiste, welche verschiedene Angriffswaffen enthielt, die mehr oder weniger geeignet waren, unfehlbar den Tod zu geben. Auch mehrere Dolche und Jatagans waren dabei. Indem er ihre seltsame Gestalt betrachtete, wie erschrak er, als er eine Scheide fand, in derselben Art verziert wie der Dolch, den er in jener Hütte gefunden hatte! ... Er schauderte ... Nach weiteren Beweisen suchend, fand er auch die Waffe, und man kann sich seinen Schreck denken, als er entdeckte, dass sie, wenn auch besonders geformt, in die Scheide genau passte, die er in der Hand hielt. Wie gern hätte er gezweifelt. Er starrte fest auf den Dolch hin, ja! er war es ... auch Blutstropfen waren auf ihm und der Scheide zu bemerken! - Er verließ Smyrna, und auf seinem Rückwege nach der Heimat war es in Rom sein erstes Geschäft, sich nach der jungen Dame zu erkundigen, die er aus des Lord Ruthvens Fallstricken zu befreien gesucht hatte. Ihre Eltern lebten im Elende, ihr Vermögen war zu Grunde gerichtet, und man hatte seit des Lords Abreise nichts wieder von ihr gehört. Aubreys Gemüt erlag fast unter den Stürmen so wiederholter Schrecknisse, er fürchtete, auch die junge Italienerin möchte Janthes Verführer zur Beute geworden sein. Er wurde düster und einsilbig; sein Geschäft bestand bloß darin, die Postillions zur Eile anzutreiben, gleich als sei er im Begriff, das Leben eines ihm teuren Wesens zu retten. So kam er in Calais an; ein Landwind, der seinen Wünschen günstig war, brachte ihn schnell an Englands Küste. Er eilte nach dem väterlichen Hause, und hier schien er, auf Augenblicke wenigstens, in den Umarmungen seiner Schwester die Erinnerungen des Vergangenen aus den Augen zu verlieren. Hatte sie schon früher durch ihre kindlichen Liebkosungen seine Zuneigung gewonnen, so erschien sie ihm jetzt als Jungfrau noch reizender und liebenswerter.

Miss Aubrey besaß nicht jenes einnehmende Wesen, welches die Aufmerksamkeit und den Beifall großer Gesellschaften zu erregen imstande ist, nichts von jenem glänzenden Schimmer, der nur in der erhitzten Atmosphäre eine vollgestopften Zimmers leuchtet. Ihre blauen Augen waren nicht die leicht beweglichen Spiegel eines leichtsinnigen Gemüts. Ein melancholischer Reiz wohnte in ihnen, der nicht von Unglück, sondern von einem tieferen Gefühl herzurühren schien, das auf eine Seele schließen ließ, die sich eines höheren Vaterlandes bewusst war. Ihr Schritt war nicht ein leichtes Hüpfen, durch einen Schmetterling oder eine glänzende Blume angezogen, sondern ernst und sinnend. Wenn sie allein war, wurde ihr Gesicht nie durch das Lächeln der Freude verklärt, aber wenn ihr Bruder ihr seine Liebe bewies, wenn er in ihrem Umgange jenen Gram zu vergessen suchte, der, wie sie wusste, seine Ruhe untergrub, wer hätte dann ihr Lächeln gegen das der Wollust vertauscht? - Dann schien es, als glänzten diese Augen, dieses Gesicht in dem Lichte ihres schöneren Geburtslandes. Sie stand erst im achtzehnten Jahre und war noch nicht in die Welt eingeführt worden, indem es ihre Vormünder für besser gehalten hatten, ihre Vorstellung daselbst so lange zu verschieben, bis ihr Bruder, vom Festlande zurückgekehrt, öffentlich als ihr Beschützer würde auftreten können.

Es war nun bestimmt, dass der nächste Hofzirkel, der nicht sehr entfernt war, die Epoche ihres Eintritts auf den geräuschvollen Schauplatz werden sollte. Aubrey hätte sich freilich lieber auf sein väterliches Haus beschränkt und der Melancholie Nahrung gegeben, die sich seiner ganz und gar bemächtigte. Er konnte keine Teilnahme empfinden an dem leichtfertigen Gespräch modischer Fremder, indes sein Gemüt durch die Begebenheiten zerrissen wurde, von denen er Augenzeuge gewesen war; allein er beschloss, seine eigene Bequemlichkeit der Beschützung seiner Schwester aufzuopfern. Bald trafen sie in der Stadt ein und rüsteten sich für den nächsten Tag, der zum Galatage angesetzt war. Die Menschenmenge war außerordentlich, seit langer Zeit war kein Zirkel gewesen, und alles, was sich in dem Lächeln der Hoheit zu sonnen trachtete, eilte sehnsuchtsvoll herbei. Aubrey mit seiner Schwester hatte sich gleichfalls eingefunden. Indes er einsam in einer Ecke stand, die Umgebungen wenig beachtend, versank er in die Erinnerung, dass er an derselben Stelle den Lord Ruthven zum ersten Mal gesehen habe ... Da fühlte er sich plötzlich am Arme ergriffen, und eine nur zu bekannte Stimme raunte ihm ins Ohr: "Gedenke deines Eides!" Er hatte kaum den Mut, sich umzusehen, fürchtend, er möchte ein Gespenst erblicken, als er in einiger Entfernung dieselbe Gestalt wahrnahm, welche seine Aufmerksamkeit beim ersten Eintritte in diesen Saal auf sich gezogen hatte. Er starrte darauf hin, bis ihn seine Füße nicht mehr tragen wollten, dann fasste er den Arm eines Freundes, bahnte sich einen Weg durch die Menge, warf sich in den Wagen und eilte nach Hause. Hier schritt er mit heftigen Schritten das Zimmer auf und ab, die Hand an die Stirn gelegt, gleich als fürchtete er, die Gedanken möchten diese zersprengen. Lord Ruthven stand vor ihm ... Umstände aus der Vergangenheit belebten sich ... der Dolch ... sein Eid! - Sollten die Toten auferstehen? - Er glaubte, seine Phantasie habe bloß das Bild belebt, welches in seiner Seele wohnte. Es konnte unmöglich Wirklichkeit sein, er beschloss daher, wieder in Gesellschaft zu gehen; denn obgleich er versucht hatte, sich nach Lord Ruthven zu erkundigen, so erstarb doch der Name auf seinen Lippen, und er vermochte nichts über ihn zu erfahren.

Einige Tage nachher besuchte er mit seiner Schwester eine Gesellschaft bei einem nahen Verwandten. Er ließ sie unter dem Schutze einer älteren Dame und begab sich an einen stillen Ort, wo er seinen Gedanken nachhing. Da er aber endlich bemerkte, dass einige Abschied nahmen, erhob er sich, ging in ein anderes Zimmer und fand hier seine Schwester von mehreren umgeben und, wie es schien, im ernsten Gespräche: er suchte sich Platz zu machen und zu ihr zu gelangen, da wandte sich jemand, den er bat, ihn durchzulassen, und - er erkannte dieselben Züge, die er so sehr verabscheute. Schnell ergriff er den Arm seiner Schwester und zog sie eilig mit sich fort auf die Straße. An der Tür wurde er durch die Menge der Diener verhindert, vorwärts zu kommen, und indem er sich durchdrängen wollte, hörte er, dass eine Stimme wieder ganz dicht bei ihm flüsterte: "Gedenke deines Eides!" Er wagte es nicht, sich umzuschauen, sondern eilte, seine Schwester mit sich fortziehend, schnell nach Hause.

Aubrey wurde fast wahnsinnig. War sein Geist schon vorher in einen einzigen Gedanken versunken gewesen, wie sehr wurde dieser Zustand verstärkt, da er nun die Gewissheit hatte, dass des Ungeheuers Leben von neuem sein Gemüt belastete. Er beachtete seiner Schwester Zärtlichkeit kaum, und vergebens drang sie in ihn, nach der Ursache seines rätselhaften Benehmens forschend. Er stieß bloß wenige Worte aus, und diese erschreckten sie. Je mehr er nachsann, umso verstörter wurde er. Sein Eid machte ihn schaudern ... sollte er denn gestatten, dass das Ungeheuer Verderben hauchend unter allen, die ihm teuer waren, umhergehe, und nicht versuchen, seine Fortschritte zu hemmen? Seine eigene Schwester konnte ja von ihm erreicht werden! - Aber gesetzt auch, er wollte seinen Eid brechen und seine Vermutungen laut werden lassen, wer würde ihm glauben? Er kam wohl auf den Gedanken, seine eigene Hand zu brauchen, um die Welt von solch einem Elenden zu befreien, allein der Tod, erinnerte er sich, hatte ja keine Gewalt über ihn. Mehrere Tage blieb er in diesem Zustande, schloss sich in seinem Zimmer ein und genoss bloß einige Nahrung, wenn seine Schwester zu ihm kam und ihn mit tränenden Augen bat, doch um ihretwillen seine Kräfte nicht sinken zu lassen. Endlich konnte er selbst die Stille und Einsamkeit nicht länger ertragen, er verließ seine Wohnung und eilte von Straße zu Straße, ängstlich fliehend vor dem Bilde, welches ihn immerwährend verfolgte. Er vernachlässigte seine Kleidung und wanderte ebenso am hellen Tage wie um Mitternacht umher. Man erkannte ihn kaum. Anfangs kehrte er mit dem Abend nach Hause zurück, allein endlich legte er sich da nieder, wo ihn die Ermüdung überfallen hatte. Seine Schwester, besorgt für seine Gesundheit, stellte Leute an, die ihm folgen mussten, aber sie verloren ihn bald aus dem Gesicht, denn er floh vor jedem Verfolgenden schneller, als mancher vor Gedanken.

Indessen änderte sich mit einem Male sein Benehmen. Ergriffen von der Idee, dass er in seiner Abwesenheit alle seine Freunde mit einem Feinde allein ließ, dessen Gegenwart sie nicht ahnten, beschloss er, wieder in Gesellschaft zu gehen und ihn genau zu bewachen, in der Absicht, trotz seines Eides alle zu warnen, denen sich Lord Ruthven auf eine vertrauliche Art nähern mochte. Doch wenn er in einen geselligen Kreis trat, waren seine lauernden, spähenden Blicke so ergreifend, sein innerlicher Schauder so sichtbar, dass sich seine Schwester endlich genötigt sah, ihn zu bitten, er möge ihretwegen doch nicht eine Gesellschaft besuchen, welche einen so unangenehmen Eindruck auf ihn zu machen scheine. Da jedoch alle Vorstellungen fruchtlos waren, glaubten die Vormünder, sich ins Mittel schlagen zu müssen, und fürchtend, dass sein Geist zerrüttet werden mochte, hielten sie es für hohe Zeit, ein Amt wieder zu übernehmen, das ihnen schon vorher von Aubreys Eltern übertragen worden war.

Voll Verlangen, ihn vor den Beleidigungen und Unannehmlichkeiten zu schützen, die er täglich auf seinen Wanderungen erfuhr, und den Augen der Menge nicht das bloßzustellen, was sie für Zeichen des Wahnsinns hielten, veranlassten sie einen Arzt, in seinem Hause Wohnung zu nehmen und ihn in steter Obhut zu halten. Er schien dies kaum zu bemerken, so sehr war sein Geist nur mit dem einzigen furchtbaren Gegenstande beschäftigt. Seine innere Verworrenheit wurde endlich so groß, dass er auf sein Zimmer beschränkt werden musste. Hier lag er denn oft auf einer Stelle tagelang, ohne dass er imstande war, aufzustehen. Er war äußerst mager geworden, seine Augen hatten ein gläsernes Aussehen bekommen, das einzige Zeichen von Gefühl und Erinnerung entfaltete er beim Eintritt seiner Schwester, dann sprang er zuweilen auf, und ihre Hand ergreifend, bat er sie mit Blicken, die sie in innerster Seele durchdrangen, sie möge ihn nicht berühren. "O!" sagte er, "berühre ihn ja nicht!" Wenn sie nun forschte, worauf sich diese Bitte bezöge, war seine einzige Antwort: "Gewiss! Gewiss!" und dann sank er wieder in einen Zustand zurück, aus dem auch sie ihn nicht erheben konnte. So blieb es mehrere Monate; sowie indes das Jahr allmählich vorüberging, wurden auch seine Gemütszerrüttungen minder häufig, und sein Geist befreite sich zum Teil von seiner Verdüsterung. Seine Wächter bemerkten auch, dass er des Tags zuweilen eine gewisse Zahl an den Fingern berechnete und dann lächelte. Fast war die Zeit verflossen, als am letzten Tage des Jahres einer seiner Vormünder in das Zimmer trat und mit dem Arzt über den traurigen Umstand sprach, dass sich Aubrey noch immer in einer so schrecklichen Lage befinde, indes seine Schwester nächstens verheiratet werden würde. Dies erregte sogleich Aubreys Aufmerksamkeit, und er fragte ängstlich, an wen? - Voll Freude über diesen Beweis des rückkehrenden Verstandes, dessen sie ihn schon für ganz beraubt gehalten hatten, nannten sie ihm den Namen des Earl of Marsden. Da er dachte, dass dies ein junger Edelmann sei, den er in Gesellschaft gesehen habe, schien Aubrey sehr zufrieden und setzte die Vormünder noch mehr dadurch in Verwunderung, dass er den Wunsch zu erkennen gab, bei der Hochzeit zugegen zu sein und seine Schwester zu sehen. Sie antworteten ihm nichts, aber in wenigen Minuten war seine Schwester bei ihm.

Er war dem Anscheine nach noch fähig, von der Wirkung ihres lieblichen Lächelns gerührt zu werden, denn er drückte sie an seine Brust und küsste ihre Wange, welche Tränen benetzten, die dem Gedanken flossen, dass ihres Bruders Gemüt den Empfindungen der Liebe wieder geöffnet sei. Er begann nun, mit all seiner gewöhnlichen Wärme zu sprechen und ihr Glück zu wünschen zu ihrer Vermählung mit einem durch Rang und andere Vollkommenheiten so ausgezeichneten Manne; da bemerkte er plötzlich ein Miniaturbild auf ihrer Brust; er betrachtete es genauer, und wie groß war sein Erstaunen, als er die Züge des Ungeheuers erkannte, welches einen so langen Einfluss auf sein Leben gehabt hatte. In einem Anfall von Wut ergriff er das Porträt und trat es mit Füßen. Als sie ihn fragte, warum er so die Abbildung ihres künftigen Gemahls zerstöre, sah er sie an, als wenn er sie nicht verstünde, dann ergriff er ihre Hände und schaute sie mit einem Ausdruck wilder Verwirrung an, indem er sie bat, zu schwören, dass sie nie dieses Ungeheuer heiraten wolle, denn er ... Er konnte nicht weiter sprechen, es schien, als ob die Stimme ihn wieder aufforderte, seines Eides zu gedenken, - schnell wandte er sich um und dachte Lord Ruthven zu erblicken, allein er sah niemand. Unterdessen waren die Vormünder und der Arzt eingetreten, welche das alles mit angehört hatten, und da sie es für die Rückkehr seines Wahnsinnes hielten, trennten sie ihn mit Gewalt von Miss Aubrey und baten sie, sich zu entfernen. Nun fiel er ihnen zu Füßen, bat, beschwor sie nur einen Tag um Aufschub. Sie wurden dadurch noch mehr in ihrer Meinung von dem rückkehrenden Wahnsinne Aubreys bestärkt, versuchten ihn zu beruhigen und entfernten sich.

Lord Ruthven hatte den Morgen nach dem Hofzirkel seinen Besuch machen wollen, war jedoch so wie niemand angenommen worden. Als er von Aubreys Übelbefinden hörte, fühlte er wohl, dass er es verursacht habe; als er aber vollends erfuhr, er sei wahnsinnig geworden, konnte er seine Freude kaum vor denen verbergen, von denen er diese Nachricht erfahren hatte. Er eilte nach der Wohnung seines früheren Gefährten, und durch beharrliche Aufmerksamkeit, sowie durch Äußerung einer großen Zärtlichkeit gegen den Bruder und Teilnehmer an seinem Unglücke, gelang es ihm, allmählich bei Miss Aubrey Gehör zu finden. Wer vermochte auch seinen Künsten zu widerstreben? Er hatte Gefahren und Beschwerden zu erzählen - sprach von sich selbst, als von einem Wesen, welches durchaus mit keinem anderen auf der Welt, außer mit der, an die er seine Worte richtete, übereinstimmend empfinde, erzählte ihr, wie nur, seitdem er sie kenne, sein Dasein ihm der Erhaltung wert geschienen habe, gleich als ob er nur ihren schmeichelnden Worten und Tönen habe lauschen wollen - mit einem Worte, er wusste die Schlangenkünste so trefflich zu gebrauchen, oder es war vielmehr der Wille des Schicksals, dass er ihre volle Zuneigung gewann. Da der Titel des älteren Zweiges der Familie mit der Zeit auf ihn fiel, so erhielt er einen ansehnlichen Gesandtschaftsposten, der ihm zur Entschuldigung diente, dass er die Vermählung (trotz des Bruders zerrütteter Gesundheit) beschleunigte, denn sie sollte den Tag vor seiner Abreise nach dem Festland stattfinden.

Aubrey versuchte, als ihn die Vormünder und der Arzt verlassen hatten, die Diener zu bestechen, doch vergebens! Er verlangte Feder und Tinte. Sie wurden ihm gereicht; er schrieb einen Brief an seine Schwester, in dem er sie beschwor, so wert ihr ihre eigene Glückseligkeit, ihre eigene Ehre und die Ehre derer sei, die nun im Grabe schlummerten, aber sie einst als die Hoffnung ihres Hauses in ihren Armen hielten, nur um wenige Stunden eine Vermählung zu verschieben, auf die er die schrecklichsten Verwünschungen ausschüttete. Die Diener versprachen ihm, den Brief zu bestellen, übergaben ihn aber dem Arzte, der es für besser hielt, das Gemüt der Miss Aubrey nicht noch mehr durch das zu ängstigen, was er für Anfälle eines Wahnsinnigen hielt.

Die Nacht verstrich den geschäftigen Bewohnern des Hauses ohne Ruhe, und Aubrey hörte mit einem Entsetzen, das man sich eher vorstellen als beschreiben kann, die Zeichen geschäftiger Vorbereitungen. Der Morgen kam, und das Geräusch der anfahrenden Wagen berührte sein Ohr. Aubrey geriet ganz außer sich. Die Neugier der Diener besiegte endlich ihre Wachsamkeit; sie stahlen sich allmählich weg und ließen Aubrey unter der Aufsicht eines alten schwachen Weibes. Er benutzte diese Gelegenheit. Mit einem Sprunge war er aus dem Zimmer, und in einem Augenblicke stand er in dem, wo sich alles zur Feierlichkeit versammelt hatte. Lord Ruthven war der erste, der ihn bemerkte; er trat sogleich zu jenem hin, ergriff ihn heftig beim Arme und riss ihn, sprachlos vor Wut, mit sich aus dem Zimmer. Auf der Treppe raunte ihm Lord Ruthven ins Ohr: "Erinnern Sie sich Ihres Eides, und bedenken Sie, dass, wenn Ihre Schwester nicht heute meine Gemahlin wird, sie entehrt ist! Die Weiber sind schwach!" - Mit diesen Worten drängte er ihn gegen seine Diener hin, welche, durch das alte Weib aufgeregt, ihn zu suchen gekommen waren. Aubrey konnte sich nicht länger aufrecht erhalten. Seine Wut, die keinen Ausbruch fand, hatte ein Blutgefäß zerrissen, und er wurde zugleich zu Bette gebracht. Dies wurde indessen seiner Schwester verschwiegen, welche bei seinem Eintritt nicht zugegen gewesen war, denn der Arzt wollte sie nicht beunruhigen. Die Vermählung wurde vollzogen, und Braut und Bräutigam verließen London.

Aubreys Schwäche nahm immer mehr zu; der Blutverlust erzeugte Symptome des herannahenden Todes. Er wünschte, seiner Schwester Vormünder möchten zu ihm gerufen werden, und als die Glocke Mitternacht geschlagen hatte, erzählte er alles, was die Leser auf den vorstehenden Blättern gefunden haben, und starb augenblicklich.

Die Vormünder eilten fort, Miss Aubrey zu retten, allein, es war zu spät. Lord Ruthven war verschwunden und Aubreys Schwester hatte den Durst eines Vampyrs gestillt.

John William Polidori - 1795 - 1821. Englischer Leibarzt und dadurch Reisegefährte von Lord Byron. Im Alter von 26 Jahren beging Polidori Selbstmord.

Berenice - Edgar Allan Poe, 1835

"Dicebant mihi sodales, si sepulchrum amicae visitarem, curas meas aliquantulum forelevatas." (Ebn Zaiat)

("Meine Freunde erklärten mir, dass ich eine Erleichterung meines Elendes finden könne, wenn ich das Grab meiner Geliebten besuchte.")

Mein Taufname ist Egaeus; meinen Familiennamen will ich nicht nennen. Doch gibt es im ganzen Land keine Zinnen, die mehr Jahre und Ruhm gesehen als die des düsteren Schlosses meiner Väter. Man hat unsere Familie ein Geschlecht von Geistersehern genannt; und viele Einzelheiten, die an dem Äußeren unseres Stammschlosses auffielen, gaben diesem Glauben eine gewisse Berechtigung; ich denke an die Fresken des Salons, die Wandbekleidungen der Schlafzimmer, die ziselierten Strebepfeiler der Waffenkammer, dann ganz besonders an die Galerie alter Gemälde, an den Eindruck, den das Bibliothekzimmer machte, und endlich an den Inhalt der Bibliothek selbst.

Alle Erinnerungen aus meiner frühen Jugend sind mit diesem Zimmer und seinen Büchern, von denen ich jedoch nichts weiter sagen will, aufs engste verbunden. In diesem Gemach starb meine Mutter. Hier wurde ich geboren. Aber es ist wohl müßig, zu behaupten, dass ich nicht schon vorher gelebt - dass unsere Seele keine Vorexistenz habe. Sie leugnen es? Wir wollen nicht weiter darüber streiten! Ich bin überzeugt und habe kein Verlangen, andere zu überzeugen. Ich bin überzeugt, denn mich begleitet eine Erinnerung an ätherische Formen, an geisterhafter viel sagende Augen, an melodische, traurige Töne - eine Erinnerung, die mich nie verlassen wird, ein Andenken, wie ein Schatten unbestimmt, unbeständig, veränderlich und auch einem Schatten ähnlich in der Unmöglichkeit, mich davon zu befreien, solange die Sonne meiner Vernunft leuchtet.

In diesem Zimmer wurde ich also geboren. Ich kam aus der langen Nacht, die nur scheinbar das Nicht-Dasein ist, in ein Geisterland, in ein Zauberschloss, in die seltsamen Gefilde des Gedankens und klösterlicher Gelehrsamkeit. Ist es da verwunderlich, dass ich mit erschrockenen, heißen Augen um mich blickte, dass ich mein Knabenalter unter Büchern begrub und meine Jugend an Träumereien verlor?

Seltsam und verwunderlich ist nur, dass, als die Jahre flohen und der volle Mittag meiner Männlichkeit mich noch im Hause meiner Väter fand, die Quellen meines Lebens plötzlich zu versiegen schienen und sich eine vollständige Veränderung in dem Wesen selbst meiner gewöhnlichsten Gedanken vollzog. Die Wirklichkeiten der Welt berührten mich wie Visionen und nur wie Visionen, während die seltsamen Vorstellungen des Traumlandes nicht etwa die Nahrung meines Daseins wurden, sondern einzig und allein dies Dasein selbst! Berenice und ich waren Geschwisterkinder und wuchsen zusammen in meinem väterlichen Hause auf. Doch entwickelten wir uns verschieden: ich war kränklich und stets in tiefen Melancholien versunken - sie dagegen lebhaft, graziös und von überströmender Lebenskraft. Ich vergrub mich in mein Studierzimmer - sie sprang munter auf den Hügeln und Feldern umher. Ich lebte nur in meinem Herzen und weihte Körper und Geist den tiefsten, schmerzvollsten Betrachtungen - sie eilte sorglos durch das Leben, ohne an die Schatten auf ihrem Pfade zu denken oder jemals über die schweigsame Flucht der schwarzbeschwingten Stunden zu erschrecken. Berenice! Berenice! Laut rufe ich ihren Namen, und in wildem Aufruhr flattern auf finsteren Eulenflügeln tausend Gedanken aus den grauen Ruinen der Erinnerung hervor! Und wieder steht sie deutlich vor mir wie in den ersten Tagen ihrer leichtherzigen Fröhlichkeit. Berenice, die strahlende, phantastische Schönheit, die Sylphide in den Gebüschen der heimatlichen Flur, die Najade ihrer Quellen!

Und dann wurde alles in ihr Geheimnis und Grauen - dann begann eine Geschichte, die man nicht erzählen sollte.

Ein Übel, ein verhängnisvolles Übel überfiel sie wie ein Samum. Vor meinen Augen wurden ihr Körper, ihr Gemüt, die ganze Einheit ihres Wesens eine Beute des grässlichen Zerstörers, der wie ein Vernichter kam und ging! Doch wo blieb sein Opfer? Die Kranke kannte ich nicht - kannte sie nicht als Berenice!

Unter dem zahlreichen Gefolge von Leiden, welche dieser erste furchtbare Aufruhr in dem körperlichen und geistigen Verhalten der Cousine nach sich zog, muss ich eine Art von Epilepsie als eines der traurigsten und hartnäckigsten bezeichnen. Diese ging häufig in vollständigen Starrkrampf über, der alle Merkmale der wirklichen Auflösung an sich trug, obwohl sich die Kranke stets wieder, und zwar ganz plötzlich, von ihm erholte.

Zu gleicher Zeit wuchs mein eigenes Übel erschreckend schnell und bildete sich zu einer Monomanie aus, die sich auf ganz neue, außerordentliche Weise äußerte. Von Stunde zu Stunde, von Minute zu Minute wurde sie stärker und errang zuletzt eine unbeschränkte Herrschaft über mich. Diese Monomanie bestand in einer krankhaften Reizbarkeit jener geistigen Fähigkeit, welche die psychologische Wissenschaft unter dem Ausdruck ›die Fähigkeit zur Aufmerksamkeit‹ begreift. Man wird mich höchstwahrscheinlich nicht verstehen, denn ich fürchte, es wird auf keine Art und Weise möglich sein, einen genauen Begriff von der Innerlichkeit des nervösen Interesses zu geben, mit welchem ich mich auf die Betrachtung der außergewöhnlichsten Gegenstände des Weltalls warf und in diese vergrub.

Ich konnte stundenlang und unermüdlich über irgendeine kindische, oberflächliche Bemerkung am Rand oder im Text eines Buches nachsinnen. Zuweilen wurde ich den größten Teil eines Sommertages ganz von der Betrachtung irgendeines Schattens in Anspruch genommen, der schräg auf die Tapete oder den Fußboden fiel. Es war möglich, dass ich mich eine ganze Nacht hindurch in den Anblick der ruhigen Flamme einer Lampe oder der Glut eines Kohlenfeuers verlor oder ganz monoton ein alltägliches Wort so lange wiederholte, bis sein Klang jeden Sinn für mich verloren hatte. Manchmal erstickte ich auch in mir jedes Gefühl körperlichen Daseins durch eine hartnäckig fortgesetzte, vollkommene Ruhe.

Das sind einige der häufigsten und harmlosesten Abirrungen meines kranken Geistes. Vielleicht erscheinen sie nicht ganz ohne Beispiel - jedenfalls spotten sie jeder Erklärung.

Doch möchte ich nicht missverstanden werden. Diese ungebührlich tiefe, krankhafte Aufmerksamkeit, welche von an sich ganz unbedeutenden Dingen erregt wurde, darf nicht mit dem natürlichen Hang zum Grübeln verglichen werden, den alle Menschen mehr oder weniger verspüren und dem sich ganz besonders Personen mit lebhafter Phantasie oft überlassen. Meine Krankheit war nicht, wie es vielleicht scheinen könnte, der äußerste Ausdruck dieser Neigung, sondern etwas von ihr ursprünglich und wesentlich Verschiedenes. Im ersten Fall wird der Träumer, der Schwärmer, gewöhnlich durch einen nicht alltäglichen, nicht banalen Gegenstand angeregt, und in einer Wildnis von Deduktionen und Suggestionen, die ihm derselbe auf zwingt, verliert er unbemerkt diesen Gegenstand selbst aus den Augen, so daß er schließlich, am Ende seiner Träume, die für ihn selbst übrigens meist angenehm, wollüstig angenehm sind, die erste Ursache seines Nachdenkens verloren und vergessen hat. In meinem Fall jedoch war der Ausgangspunkt stets unbedeutend, obwohl er durch das Medium meiner krankhaften Anschauung eine scheinbare Wichtigkeit erhielt. Nur äußerst selten gab ich mich irgendwelchen Folgerungen hin; und wenn es einmal der Fall war, kehrten sie stets wieder mit Hartnäckigkeit auf ihren Ausgangspunkt zurück.

Die Betrachtungen waren niemals angenehm; und zum Schluss war mir die erste Ursache der Grübelei nicht entschwunden, sondern hatte in mir eben jenes unheimliche, unnatürlich gesteigerte Interesse erregt, das als das eigentliche Merkmal meines Übels anzusehen ist.

Kurz also: die Fähigkeit des Geistes, die bei mir krankhaft reizbar war, bestand, wie ich schon sagte, in einer Fähigkeit zur Aufmerksamkeit, während bei dem gewöhnlichen Träumer die Gabe der Betrachtung in Tätigkeit tritt.

Wenn die Bücher, die ich in jener Epoche las, das Übel auch nicht gerade erregten, so steigerte ihr mystischer und zuweilen wenig logischer Inhalt, der mich zu immer neuem Grübeln trieb, meine Krankheit doch in beängstigender Weise. Ich erinnere mich unter anderem noch sehr genau der Abhandlung des edlen Italieners Coelius Secundus Curio "De Amplitudine Beati Regni Dei", des großen Werkes des heiligen Augustinus "Der Gottesstaat" und Tertullians "De Carne Christi", in welchem sich der paradoxe Ausspruch findet, der mich mehrere Wochen lang in schwerem, fruchtlosem Nachdenken gebannt hielt: "Mortuus est Dei filius; credibile est quia ineptum est; et sepultus resurrexit; certum et quia impossibile est." -

Mein Geist, den so unbedeutende Dinge aus dem Gleichgewicht bringen konnten, mochte wohl Ähnlichkeit mit jenem Meeresfelsen haben, von dem Ptolemäus Hephestion erzählt, dass er aller menschlichen Gewalt, ja dem wilden Ansturm der Elemente widerstand, doch in seinen Grundfesten erbebte, wenn man ihn mit der Blume Asphodill berührte. So wird nur ein oberflächlicher Denker glauben können, dass ich über die Verwüstungen, die das unglückselige Leiden in dem seelischen Zustand Berenicens angerichtet hatte, in meiner krankhaften Art nachgegrübelt hätte. Tatsächlich war dies durchaus nicht der Fall.

In meinen klaren Augenblicken empfand ich wohl sehr viel Kummer über ihr Unglück; der Gedanke an den vollständigen Schiffbruch, den ihr schönes, heiteres Leben erlitten, schnitt mir tief ins Herz, und ich dachte oft und mit Bitterkeit über die bösen Zauberkräfte nach, die eine so grauenhafte Umwandlung bewirken konnten. Doch hatten diese Reflexionen nichts von der Idiosynkrasie meines Übels an sich und mochten in dieser Gestalt unter ähnlichen Umständen wohl an allen Menschen angestellt werden. Mein krankes Grübeln beschäftigte sich vielmehr mit den weniger wichtigen, aber vielleicht auffallenderen Veränderungen, die sich in der körperlichen Erscheinung Berenicens vollzogen hatten - mit der sonderbaren und erschreckenden Verzerrung ihres äußeren Wesens.

Ich wusste bestimmt, dass ich sie in den strahlenden Tagen ihrer unvergleichlichen Schönheit nicht geliebt hatte. Die seltsame Anomalie in meinem Dasein ließ meine Gefühle niemals dem Herzen, ließ meine Leidenschaften stets dem Gedanken entspringen. In früher, grauer Morgendämmerung, zu Mittag unter den zitternden Schatten des Waldes, des Nachts in der Stille meines Bibliothekzimmers war sie vor meinen Augen erschienen: nicht als die lebende, atmende Berenice, sondern als die Berenice eines Traumes; nicht als ein irdisches Wesen von Fleisch und Blut, sondern als die Abstraktion eines solchen Geschöpfes, nicht als ein Gegenstand der Bewunderung, sondern als ein Objekt der Analyse, nicht als ein Wesen, geschaffen zur Liebe, sondern als Thema sinn- und planlosen Nachdenkens. Und nun - nun erbebte ich in ihrer Gegenwart, nun erblasste ich, wenn sie sich mir näherte, und plötzlich ward mir bewusst, dass sie mich seit langem liebte, und ich sprach ihr in einer bösen Stunde trotz ihres zerfallenen, trostlosen Zustandes von Heirat.

Der Tag, den wir für die Hochzeit festgesetzt hatten, nahte heran. Ich saß an einem Winternachmittag - es war ein sonderbar ruhiges, nebeliges, warmes Wetter - in meinem Bibliothekzimmer und glaubte mich allein. Doch als ich meine Augen erhob, sah ich Berenice vor mir stehen.

Lag es an meiner übererregten Phantasie - oder an dem Einfluss der Nebelluft, an der unbestimmten Dämmerung im Zimmer, an der dunklen Kleidung, die sie in langen Falten umhüllte, dass mir ihre Umrisse so schwankend und undeutlich erschienen? Ich vermag es nicht zu entscheiden. Vielleicht war sie während ihrer Krankheit gewachsen!? Sie sagte kein Wort, und ich - hätte nicht für die Welt eine Silbe sprechen können. Ein Schauder durchfuhr meinen Körper; ein Gefühl unerträglicher Angst bedruckte mich; eine verzehrende Neugierde rang sich in meiner Seele hoch; ich sank in meinen Stuhl zurück und verharrte eine Zeit lang regungslos, atemlos, die Blicke fest auf Berenice gerichtet. Ach, wie erschreckend sie abgemagert war! Ich konnte keine Spur des früheren Wesens auch nur im flüchtigsten Umriss wieder erkennen.

Meine wilden Blicke fielen endlich auf ihr Gesicht: die Stirn war hoch, sehr bleich und sonderbar ruhig. Ihr früher pechschwarzes Haar fiel zum Teil über die Stirn und beschattete die hohlen Schläfen mit zahllosen Locken von schreiend gelber Farbe, deren phantastischer Anblick grausam gegen die müde Trauer ihrer Züge abstach. Die Augen waren ohne Leben und Glanz und scheinbar ohne Pupillen, und unwillkürlich schraken meine Blicke vor ihrem gläsernen Starren zurück und betrachteten ihre dünnen, zusammengeschrumpften Lippen. Sie teilten sich, und mit einem besonderen, bedeutsamen Lächeln enthüllten sich die Zähne der also veränderten Berenice. Wollte Gott, dass ich sie nie gesehen hätte oder dass ich nach ihrem Anblick gestorben wäre!

Das Geräusch einer sich schließenden Tür schreckte mich empor: ich gewahrte, dass meine Cousine das Zimmer wieder verließ. Doch das weiße Gespenst ihrer Zähne war aus meinem Gehirn nicht zu bannen, nicht fortzutreiben. Jedes Fleckchen auf deren Oberfläche, jede Tönung auf deren Email, jede Ausbuchtung an der Schneide hatte ihr flüchtiges Lächeln meinem Gedächtnis unauslöschlich eingebrannt! Ich sah sie jetzt sogar deutlicher, als ich sie soeben gesehen, diese Zähne! - Diese Zähne! - Sie waren hier - und waren dort - und überall, sichtbar, greifbar vor mir: lang, schmal und außerordentlich weiß. Bleiche Lippen zogen sich um sie herum, genau wie in dem schrecklichen Augenblick, da ich sie zuerst gesehen! Dann überfiel mich meine krankhafte Einbildungssucht mit wilder Wut, und vergebens kämpfte ich gegen ihre unerklärliche, unwiderstehliche Gewalt! Unter den zahllosen Gegenständen der äußeren Welt hatte ich nur noch Gedanken für diese Zähne. Nach ihnen trug ich ein wahnsinniges Verlangen. Alle Erscheinungen der Welt, alle Interessen des Lebens wurden davon aufgesogen. Sie - sie allein waren meinem inneren Auge gegenwärtig, ihr Wesen wurde zum alleinigen Inhalt meines Gedankenlebens. Ich betrachtete sie von jedem Gesichtspunkt, von jeder Seite aus. Ich studierte ihre besonderen Merkmale, ich sann über ihre Eigentümlichkeiten nach, ich grübelte über ihre Ähnlichkeit untereinander. Ich forschte nach den Veränderungen, denen sie unterworfen waren. Und als ich ihnen in meiner Vorstellung Gefühlskraft und Ausdrucksfähigkeit auch ohne den Beistand der Lippen zuschreiben musste, da schauderte ich! Von Mademoiselle Salle hat man sehr bezeichnend gesagt: "Que tous ses pas étaient des sentiments", und von Berenice glaube ich viel fester, dass alle ihre Zähne Ideen seien. Ideen! War das der idiotische Gedanke, der mich zugrunde richten sollte? Ideen!?! Begehrte ich sie wohl deshalb so wahnsinnig? Ich fühlte, dass nur ihr Besitz allein mir jemals Frieden, jemals den Verstand zurückgeben konnte.

So senkte sich der Abend auf mich herab, und die Dunkelheit der Nacht kam, blieb und verschwand wieder - ein neuer Tag erschien, und die Nebel einer zweiten Nacht schlugen um mich zusammen - und noch immer saß ich regungslos in meinem einsamen Zimmer - noch immer saß ich in Betrachtungen versunken - noch immer übte das Gespenst der Zähne seine schreckliche Macht und schwebte mit lebendiger, grässlicher Deutlichkeit da und dort durch die wechselnden Lichter und Schatten des Zimmers. Endlich brach in meine Träume ein Schrei des Entsetzens und der Furcht, dem nach einer Pause trostlose Stimmen und banges, schmerzerfülltes Seufzen folgten. Ich erhob mich von meinem Sitz, öffnete die Tür des Bibliothekzimmers und fand im Vorraum eine Dienerin, die mir tränenüberströmt verkündete, dass Berenice nicht mehr sei! Am frühen Morgen hatte ein Epilepsie-Anfall sie heimgesucht. Nun, bei Anbruch der Nacht, waren die Vorbereitungen zur Bestattung beendet, und das Grab erwartete seinen Bewohner. -