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Ein junger Deutscher und eine junge Amerikanerin reisen in die weltberühmte Lagunenstadt. Eine Erzählung über Venedig, über eine intensive junge Liebe in dieser alten Stadt. Dazu eindrückliche Schwarzweiß-Fotografien, die den Text kongenial ergänzen.
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Seitenzahl: 35
Leben heißt sich trennen
Von dem, was wir waren, um
uns in das zu verwandeln,
was wir in einer unbekannten
Zukunft einmal sein werden …
Octavio Paz
Unsere Chance ist über die
Welt hin verstreut, wer weiß
wo, allenthalben nur darauf
wartend, sich zur Blüte zu
entfalten, doch knittrig wie der
Mohn in seiner Knospe.
André Breton
Prolog
Kapitel I
Kapitel II
Kapitel III
Kapitel IV
Kapitel V
Kapitel VI
Kapitel VII
Kapitel VIII
Kapitel IX
Kapitel X
Kapitel XI
Kapitel XII
Nachwort
… und Reihn
von Spiegelbildern ziehn aus dem Kanale
und sie erinnern an die andern Male:
dann gibt sie sich erst zu und fällt sich ein
wie eine Nymphe, die den Zeus empfing.
Das Ohrgehäng erklingt an ihrem Ohre
sie aber hebt San Giorgio Maggiore
und lächelt lässig in das schöne Ding.
Rainer Maria Rilke
Das Rad dreht sich, ein zweites. Zahnräder greifen ineinander. Das Mahlen des Räderwerks der Zeit will die Musik vergangener Tage verdrängen, Melodien und Lieder, aufgestiegen aus Quelle und Urgrund. Nun will das Räderwerk des Alltags wieder bestimmen. Wir wissen, worum es sich dreht …
Nein, ich bin nicht noch einmal durch das erregende Gewirr der Gassen gegangen, entlang der Kanäle, den Lebensadern, folgend den Wasserläufen, erregt von Spiegelungen, habe nicht noch einmal die sonnigen Orte der Rendezvous aufgesucht, die Orte der Vereinigung alles Gegensätzlichen, wo die Widersprüche des Lebens sich auflösten, wo in unseren Augen das Grenzenlose aufschien, wo unsere Existenzen in zeitlosen Momenten verschmolzen zu einer einzigen Existenz …
»Darum ging es, die Chance zu ergreifen, der Bosheit seines Schicksals zu entrinnen.« Wenn auch nur für eine bemessene Zeit …
Nein, ich bin nicht noch einmal mit dem Passagierboot zur Insel San Giorgio Maggiore mit der gleichnamigen Basilika und Benediktinerabtei gefahren, gegenüber vom Piazza San Marco und dem Palazzo Ducale gelegen, wo wir an unserem ersten Abend gestanden und auf das Wasser mit den sprühenden Lichtreflexen geblickt hatten. Hinüber zur kraftvollen Symmetrie, die sich durch die Staffelung des Gebäudeensembles der Chiesa di San Giorgio mit seinem markanten Campanile ergibt und wo Palladios Kirche einen städtebaulicher Dialog mit andern Gebäuden und Kirchenkuppeln der Stadt eingeht …
Das war, als alle Hindernisse sich aufzulösen begannen, Hindernisse sozialer und moralischer Bedenken, Hindernisse durch Herkunft und Vernunft. »Die Rücksicht auf die materielle Notwendigkeit, wie sie ganz allgemein sowohl die Liebe als auch die Poesie vereitelt.«
Für einige Zeit danach bin ich umhergeirrt, habe viele Bahnhöfe gesehen, habe mich, meine Gedanken und die Ereignisse den Zügen und Strecken überlassen, habe andere Städte durchwandert und bin neuen Menschen begegnet. Immer dem Strom des Lebens folgend …
Du bist gegangen, Deborah. Was zurückblieb nach dem Feuer war Asche. Asche als Dünger des Lebens …
Bilder sind mir nachträglich vor Augen gekommen, Photographien, die sich mit meinen Reflexionen nicht nur verbanden, sondern zu Fixpunkten wurden, zum Finden der Wörter und Sätze beitrugen, zur Belebung der Sprache und der Erinnerung. Der Erinnerung an dich und die geteilte Zeit mit dir, Erinnerung an die Tage in Venedig, die Stadt, die noch lebt, allen Befürchtungen, die das Mahlen des Räderwerks der Zeit uns einflüstern will, zum Trotz …
Nur was im Gedächtnis einen Platz eingenommen hat, soll bleiben …
Deine leichte Hand würde aus dem Dunkel des Raumes langsam, traumwandlerisch erscheinen und sich auf dem zerfurchten Fensterbrett niederlassen. Wie ein Vogel der Frühe, den ein Luftzug aus einer traumerfüllten Nacht herbeiführt. Von erschütternder Zartheit erscheint diese Hand. Sie würde die wehende Gardine mit nur einer Fingerspitze ertasten, gerade dort, wo der Kontrast zwischen Hell und Dunkel am stärksten ist, und sie in ein loderndes Feuer verwandeln oder in einen Wasserfall. Und ich wäre mittendrin, läge in dem Gewühle der Bettücher und würde mich strecken, während ich die Linien deines schlanken, aufrechten Körpers mit meinen Blicken liebkosend nachzeichnen würde …