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Was für ein sinnlicher Mann! Erica hat Herzklopfen, als Christian vor ihr steht. Während sie versucht, ihn nicht zu auffällig zu mustern, eröffnet er ihr, dass sie die Erbin eines Multimillionärs ist! Erica kann es kaum glauben. Und um das Knistern zwischen ihr und Christian auszukosten, reist sie mit ihm zum Herrensitz des verstorbenen Vaters, dem sie nie begegnet ist. Dort merkt Erica schnell, dass kein Champagner so prickelnd ist wie Christians Küsse! Doch als Familien-Anwalt ist er für sie tabu - so regelt es sein Vertrag. Hat ihre Liebe also keine Zukunft?
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Seitenzahl: 210
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© 2010 by Harlequin Books S.A.
Originaltitel: „Claiming Her Billion-Dollar Birthright“
erschienen bei: Silhouette Books, Toronto
in der Reihe: DESIRE
Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe: BACCARA
Band 1672 (15/1) 2011 by CORA Verlag GmbH & Co. KG, Hamburg
Übersetzung: Roswitha Enright
Fotos: Harlequin Books S.A.
Veröffentlicht als eBook in 07/2011 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
ISBN: 978-3-86349-195-6
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Satz und Druck: GGP Media GmbH, Pößneck
Printed in Germany
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Maureen Child
Verbotene Gefühle – prickelnd wie Champagner
PROLOG
Christian Hanford weigerte sich, auf dem Sessel des Toten Platz zu nehmen.
Stattdessen ging er zu Don Jarrods Schreibtisch hinüber und lehnte sich gegen die Kante. So ganz wohl war ihm dabei nicht zumute. Das Arbeitszimmer des verstorbenen Patriarchen lag im Wohnbereich der Familie im obersten Stockwerk des großen Herrenhauses. Wie alles Übrige der luxuriösen Ferienanlage Jarrod Ridge Resort war auch das holzvertäfelte Arbeitszimmer sehr edel eingerichtet – mit dicken Teppichen, echten Ölgemälden an den Wänden und einem großen Kamin aus Natursteinen in der Ecke. Natürlich brannte dort kein Feuer. In Colorado war Sommer.
Es herrschte eine angespannte Stimmung unter den Anwesenden, zumindest kam es Christian Hanford so vor. Aber das war auch kein Wunder, schließlich hatten sie erst eine Woche zuvor ihren Vater verloren, und gerade eben war ihnen fast buchstäblich der berühmte Boden unter den Füßen weggezogen worden.
Schon viele Jahre zuvor hatten die Kinder von Don Jarrod den Familienbesitz verlassen, Jarrod Ridge, das luxuriöse Resort, das sich seit Generationen im Besitz der Familie befand. Schuld daran war ihr Vater gewesen, der immer viel zu viel von ihnen verlangt und den Besitz mit eiserner Hand verwaltet hatte, ohne bereit zu sein, Verantwortung abzugeben. In den letzten Jahren hatten sie den Kontakt zu ihm fast vollständig verloren, und jetzt war es zu spät, die Vergangenheit aufzuarbeiten, denn der Vater war tot. Und das war nur schwer zu akzeptieren.
Hinzu kam die Tatsache, dass Don Jarrods Tod die Kinder dazu gezwungen hatte, in ihr Elternhaus zurückzukehren, mehr noch: Durch sein Ableben hatte ihr Vater einen Weg gefunden, seine Kinder ans Jarrod Ridge zu binden, was ihm zu Lebzeiten nicht gelungen war. Denn der riesige Besitz sollte gleichmäßig unter den Geschwistern aufgeteilt werden, und zwar mit der Auflage, dass sie sich persönlich um seine Verwaltung kümmerten. Das war für jedes der Kinder wie ein Schlag ins Gesicht, und sie waren alles andere als glücklich darüber. Denn so hatte der Alte letztendlich doch einen Weg gefunden, sozusagen noch aus dem Grab Kontrolle über ihr Leben zu gewinnen und ihnen seinen Willen aufzuzwingen.
Aufmerksam musterte Christian die Geschwister. Nur zu gut konnte er sich vorstellen, was sie empfanden. Mit aller Kraft hatte er sich bemüht, Don diesen Plan auszureden, doch vergeblich. Und nun war er gezwungen, den Willen seines Klienten umzusetzen.
Die Zwillinge Blake and Guy waren die ältesten der Jarrod-Kinder. Beide sahen dem Vater ziemlich ähnlich, wobei Blake eher steif und reserviert war, während Guy das Leben von der leichteren Seite nahm. Gavin war zehn Jahre jünger als die Zwillinge und arbeitete schon seit vielen Jahren mit Blake zusammen in Las Vegas. Dann kam Trevor, der unbeschwerteste der Brüder, zumindest versuchte er immer diesen Endruck zu erwecken. Und schließlich war da noch Melissa, die Jüngste und das einzige Mädchen.
Das zumindest hatten sie bisher immer geglaubt.
Verdammt! Christian unterdrückte einen Fluch. Warum hatte der Alte ihn auch in diese Situation bringen müssen. Wahrscheinlich lachte er sich jetzt ins Fäustchen – wo immer er auch war –, dass er seinem Anwalt diese unangenehme Aufgabe aufs Auge gedrückt hatte.
Plötzlich sprang Blake auf, als könne er nicht mehr stillsitzen. Der Tod des Vaters war erst eine Woche her, und bisher hatte keines der Kinder Zeit und Muße gehabt, sich damit auseinanderzusetzen. Und nun das! Eine Stunde zuvor waren sie vom Friedhof zurückgekehrt. Und nachdem Christian ihnen den größten Teil des Testaments vorgelesen hatte, waren sie anfangs sprachlos vor Empörung gewesen. Dann hatten alle auf einmal auf Christian eingeredet. Wenn die wüssten …
„Noch was, Christian?“, fragte Guy jetzt ungeduldig. „Du hast das Testament verlesen und …“
„Ja, es gibt noch etwas.“
„So? Was denn?“ Trevor sah die Geschwister fragend an und richtete den Blick dann wieder auf Christian. „Die Sache scheint doch ziemlich klar zu sein. Dad zwingt uns, zum Jarrod Ridge zurückzukommen, was er immer wollte.“
„Ich kann immer noch nicht glauben, dass er nicht mehr lebt“, stieß Melissa leise hervor.
Gavin legte ihr den Arm um die Schultern und drückte sie kurz an sich. „Ich weiß, Mel. Das braucht Zeit. Alles wird gut.“
„So, meinst du?“, warf Blake scharf ein. „Wir alle haben uns unser Leben fernab vom Jarrod Ridge aufgebaut. Und jetzt sollen wir das alles einfach so aufgeben?“
„Ich kann mir vorstellen, wie euch zumute ist“, sagte Christian ruhig. „Ich habe auch versucht, eurem Vater diesen Plan auszureden, aber …“
„Aber er hat nicht auf dich gehört?“, unterbrach ihn Guy.
„Er hatte seinen eigenen Kopf.“
„Wie immer“, meinte Trevor nur.
„Wie wir es auch drehen und wenden“, ergriff Blake das Wort, „Tatsache ist, dass Dad den Besitz zwischen uns fünf aufgeteilt hat, damit müssen wir uns abfinden.“
Das ist mein Stichwort, dachte Christian und holte tief Luft. Was er jetzt zu sagen hatte, fiel ihm schwer. „Nicht ganz. Tatsache ist vielmehr, dass der Besitz nicht unter fünf, sondern unter sechs Erben aufgeteilt wird.“
„Sechs?“ Überrascht sah Gavin die Geschwister nacheinander an. „Aber wir sind doch nur fünf!“
„Nein, sechs. Das ist die letzte Überraschung eures Vaters. Ihr habt eine Schwester, von der ihr bisher nichts wusstet.“
1. KAPITEL
„Bitte, lass ihn reinkommen, Monica.“ Erica Prentice fuhr sich hastig durchs Haar und strich den schwarzen schmalen Rock glatt. Kurz wandte sie sich zu dem kleinen Fenster hinter dem Schreibtisch um und warf einen Blick auf den Pazifik. Obgleich sie nur einen winzigen Ausschnitt sehen konnte, erfreute sie sich daran. Da sie ihr Büro im untersten Stockwerk von Brighton und Bailey hatte, einer PR-Firma in San Francisco, war der Blick nicht überwältigend. Aber immerhin, sagte sie sich. Sie würde ihrem Arbeitgeber und ihrem Vater schon zeigen, was sie leisten konnte.
Jetzt aber würde sie gleich einem Anwalt gegenübersitzen, der ihr am Telefon nicht hatte sagen wollen, weshalb er sie sprechen musste. Diese Geheimnistuerei hatte sie nervös gemacht. Denn von ihrem Vater hatte sie gelernt, dass das plötzliche Erscheinen eines Anwalts selten etwas Gutes verhieß. Die Prentice Holding, einer der größten Kleidungshersteller des Landes, hatte ständig mit Anwälten zu tun, und das meist aus unerfreulichen Gründen. Sollte sie ihren Vater anrufen und ihn fragen, ob er irgendetwas von einem Anwalt aus Colorado wusste, der sie unbedingt sprechen wollte?
Dazu war keine Zeit mehr, denn schon öffnete sich die Tür, und Erica drehte sich um, um ihren Besucher zu begrüßen. Doch welche Floskel auch immer sie verwenden wollte, beim Anblick des Fremden verschlug es ihr die Sprache. Der gute Schnitt des dunkelblauen Anzugs unterstrich seinen athletischen Körperbau. Seine Schultern waren breit, die Beine lang und gerade, und als er sie mit seinen dunkelbraunen Augen aufmerksam musterte, hielt Erica kurz den Atem an. Was für ein Mann! Das dunkle Haar trug er kurz geschnitten, und sein maskuliner Mund sah nicht so aus, als würde er oft lächeln. Doch wahrscheinlich war es nicht nur das Aussehen, sondern auch das kühle Selbstbewusstsein, das der Fremde ausstrahlte und von dem sich Erica unweigerlich angezogen fühlte.
Erst als sie sicher war, gelassen zu wirken, streckte sie die Hand aus und lächelte freundlich. „Guten Tag, Mr Hanford. Ich bin Erica Prentice. Sie wollten mich sprechen?“
Schnell kam er auf sie zu, ergriff ihre Hand, die er etwas länger als nötig festhielt, und sagte: „Danke, dass Sie Zeit für mich haben.“
Als hätte ich eine Wahl gehabt, dachte sie, während sie auf einen der zwei Stühle wies, die vor dem Schreibtisch standen. Er hatte ihr keine Gelegenheit gegeben abzulehnen. „Ich bin neugierig, das muss ich zugeben. Weshalb nimmt ein Anwalt aus Colorado den langen Weg auf sich, um mich persönlich zu sprechen? Hätten Sie mir nicht auch am Telefon sagen können, um was es geht?“
„Nein, und Sie werden gleich verstehen, warum nicht. Es ist eine lange Geschichte.“ Er sah sich forschend in dem Büro um.
Wahrscheinlich findet er das alles hier ein bisschen schäbig, dachte sie und musterte ihn unauffällig. Das Büro war sehr klein, an den beige gestrichenen Wänden hingen nur zwei Bilder, die sie von zu Hause mitgebracht hatte. Aber sie stand ja auch erst am Anfang ihrer Karriere, damit tröstete sie sich immer wieder. Sicher, ihre Situation wäre eine vollkommen andere, wenn ihr Vater ihr eine Position im Familienunternehmen angeboten hätte …
Doch obwohl die älteren Brüder verschiedene Geschäftszweige leiteten, hatte ihr Vater von Anfang an klargemacht, dass es für Erica keinen Platz in der Firma gab. Zwar hatten er und sie sich nie besonders nahegestanden, aber sie hatte doch gehofft, dass er auch ihr die Gelegenheit geben würde, sich zu beweisen. Aber er hatte dagegen entschieden, und sie wusste, wenn die Entscheidung einmal gefallen war, war sie wie in Stein gemeißelt.
Doch darum ging es jetzt nicht. Und so verführerisch der Gedanke auch war, mit diesem hinreißend aussehenden Mann ein langes Gespräch zu führen und seinen bewundernden Blick auf sich zu spüren, sie hatte heute keine Zeit dafür. Zwischen zwei wichtigen Terminen hatte sie nur ein paar Minuten für ihn erübrigen können. Also legte sie die Arme auf den Tisch, faltete die Hände und sah ihr Gegenüber lächelnd an. „Ich fürchte, für Ihre lange Geschichte habe ich jetzt keine Zeit. In einer Viertelstunde habe ich meinen nächsten Termin. Deshalb wäre ich Ihnen dankbar, wenn Sie mir kurz sagen könnten, weshalb Sie gekommen sind.“
Er blickte ihr direkt in die Augen. „Ich bin der Anwalt des verstorbenen Donald Jarrod“, sagte er ruhig.
„Jarrod … Jarrod …“ Erica runzelte kurz die Stirn, dann fiel es ihr ein. „Sie kommen aus Colorado. Sprechen Sie von dem Jarrod, dem das Luxusresort in Aspen gehört?“
Er nickte lächelnd, zog einen Umschlag aus seiner Aktentasche und schob ihn Erica zu. „Ja, ich bin der Rechtsvertreter genau dieses Donald Jarrod.“
Verwirrt und neugierig zugleich griff Erica nach dem Umschlag und öffnete ihn. Langsam zog sie ein Dokument heraus. „Aber dies ist ja sein Testament. Was soll ich mit seinem Testament?“
„Sie sind eine der Erben.“
Ungläubig sah sie erst ihn an, dann das Testament, dann wieder ihn und schüttelte langsam den Kopf. „Aber warum denn? Dafür gibt es doch überhaupt keinen Grund.“ Sie steckte das Dokument wieder in den Umschlag und schob ihn zurück über den Schreibtisch. „Ich kenne den Mann nicht. Warum also sollte er mich in seinem Testament bedenken?“
Christian lächelte kurz und sah sie verständnisvoll an, während er den Umschlag nahm und wieder einsteckte. „Ich habe Ihnen ja gesagt, dass es eine lange Geschichte ist.“
„Das stimmt.“ Sie sah, wie er die schwarze Ledertasche schloss, und ärgerte sich plötzlich, dass sie sich das Testament nicht genauer angesehen hatte. Jetzt war sie darauf angewiesen, dass dieser aufregende Fremde sie aufklärte, was er offenbar nur zu gern tun wollte. Und sie hatte nicht die leiseste Ahnung, was sie mit diesem toten Milliardär zu tun hatte.
„Vielleicht sollten wir uns lieber zusammensetzen, wenn Sie etwas mehr Zeit haben“, schlug er vor.
Am liebsten wollte Erica sofort die Wahrheit erfahren, aber der nächste Termin ließ sich nicht verschieben. „Mehr Zeit … Ja, das ist wahrscheinlich besser. Ich bin nur …“ Verlegen strich sie sich das Haar zurück. „Entschuldigen Sie, das ist alles so verwirrend. Vielleicht können Sie wenigstens andeuten, worum es geht. Warum Mr Jarrod mich in seinem Testament bedacht hat.“
Doch er schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass das sinnvoll ist. Wenn, dann sollten Sie auch die volle Wahrheit hören. Und dazu fehlt uns jetzt die Zeit.“
Als er aufstand, musste sie den Kopf in den Nacken legen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. Er blickte sie ernst an, und plötzlich wusste sie, dass das, was er ihr zu sagen hatte, ihr Leben komplett umkrempeln würde. Und noch etwas konnte sie in seinen Augen lesen: Offenheit, Mitgefühl, ja, Sympathie. Himmel, wie sollte sie den Tag durchstehen, ohne zu wissen, was da auf sie zukam? Wie sollte sie sich auf ihre Arbeit konzentrieren, wenn sie ständig darüber nachdenken musste, was es mit diesem Testament auf sich hatte?
Das war unmöglich. Spontan stand sie auf. „Wenn ich es mir recht überlege, ist es vielleicht doch besser, wenn wir dieses Gespräch nicht zu lange aufschieben. In einer halben Stunde könnte ich das Wichtigste geklärt haben, und wenn Sie so viel Zeit haben, können wir uns …“ Treffen, aber wo? Auf keinen Fall in ihrem Apartment. Fremde Männer, selbst Anwälte, nahm sie nie mit nach Hause. Aber auch nicht in ihrem Büro. Denn falls es schlimme Nachrichten waren, wollte sie nicht, dass ihre Kollegen Zeuge wurden. Wer weiß, vielleicht würde sie sich nicht beherrschen können und in Tränen ausbrechen.
Als könnte er Gedanken lesen, machte Christian einen sehr akzeptablen Vorschlag. „Wir könnten uns doch zum Lunch treffen. Ich hole Sie in einer Stunde ab, einverstanden?“
„Ja, einverstanden.“
Sowie er gegangen war, atmete Erica ein paar Mal tief durch. In ihrem Kopf drehte sich alles, und ihr Magen spielte verrückt. Was hatte das nur alles zu bedeuten? Kurz dachte sie daran, ihren Vater anzurufen und ihn um Rat zu fragen. Aber wahrscheinlich würde er wie immer nur sagen, das sei ihre eigene Sache und sie müsse selbst damit fertig werden. Walter Prentice hatte seinen Kindern in solchen Fällen nie geholfen, nicht einmal ihr, seiner einzigen Tochter, die dazu noch die Jüngste war.
Nein, sie würde sich mit Christian Hanford treffen, sich alles anhören und dann selbst entscheiden, was zu tun war. Aber vorher musste sie sich um die anstehenden Termine kümmern. Vorläufig war nicht abzusehen, wie lang das Gespräch dauern würde. Und möglicherweise wäre sie danach nicht mehr in der Lage, ins Büro zurückzukehren. Sie drückte auf den Summer, und kurz danach öffnete sich die Tür. Monica steckte ihren hübschen Kopf herein. Sie schmunzelte, und ihre blauen Augen blitzten, als sie fragte: „Was war denn das für ein Traummann?“
Erica antwortete nicht sofort, sondern seufzte nur leise. Monica und sie waren die Jüngsten in der Firma und hatten etwa zur selben Zeit angefangen. Deshalb war Monica auch mehr eine Freundin als eine Assistentin, und beide hatten oft beim Lunch und beim Dinner über berufliche, aber auch über private Probleme gesprochen. Doch heute fühlte Erica sich nicht in der Lage, auf den spaßhaften Unterton ihrer Freundin einzugehen. „Keine Ahnung, ich kenne ihn nicht“, antwortete sie schließlich abweisend.
Verblüfft sah Monica sie an. „Was ist denn? Geht’s dir nicht gut?“
„Das kann ich dir jetzt noch nicht sagen. Heute kann ich allerdings keine Termine mehr wahrnehmen. Mir ist etwas dazwischengekommen, um das ich mich kümmern muss.“
„Gut. Soll ich gleich neue Termine vereinbaren?“
„Ja, bitte, so bald wie möglich. Zur Not müssen wir abends auch mal länger bleiben.“
„Okay. Das hört sich ja wirklich wichtig an. Gibt’s irgendwelche Probleme?“
Erica zuckte die Schultern. „Das weiß ich ehrlich gesagt auch noch nicht.“ Aber sie hatte das Gefühl, dass allerlei auf sie zukommen würde.
Als Erica durch die Halle ging, wartete Christian bereits auf sie. Bei ihrem Anblick spürte er wieder diese leichte Erregung, die er schon bei ihrer ersten Begegnung empfunden hatte. Kaum hatte er ihr in die goldbraunen Augen gesehen, hatte er gewusst, dass es Probleme geben könnte.
Und mit dieser Art von Problemen hatte er nichts im Sinn, zumindest war es in den letzten Jahren so gewesen. Deshalb hatte er auch erreicht, was er sich vorgenommen hatte. Eine gute berufliche Position und mehr Geld, als er ausgeben konnte. Und er hatte nicht vor, das alles aufzugeben, nur weil er auf die falsche Frau stand. Und Erica Prentice war ganz sicher die falsche. Denn sie war nicht nur die uneheliche Tochter seines langjährigen Arbeitgebers. Er musste auch an die eiserne Regel des alten Jarrod denken, die private Beziehungen zwischen Familienmitgliedern und Angestellten strikt untersagte.
Das war bisher nie ein Problem gewesen. Melissa Jarrod war nett, aber er hatte sich nie für sie interessiert. Das sah bei Erica Prentice schon anders aus, zumindest hatte er in diesem Punkt ganz eindeutige Befürchtungen.
Als sie direkt auf ihn zukam, musterte er sie von Kopf bis Fuß – und mit klopfendem Herzen. Ihr schulterlanges hellbraunes Haar sah so weich aus, dass er es am liebsten berührt hätte. Sie hatte eine helle Haut und volle Lippen, und die Augen, die sie auf Christian gerichtet hielt, waren von dunklen Wimpern umrahmt. Erica Prentice war eher klein, hatte aber eine sehr feminine Figur und gehörte zu dem Typ Frau, den jeder Mann am liebsten sofort in die Arme geschlossen hätte.
Nicht dass Christian solche Absichten hatte. Aber je näher sie kam, desto klarer wurde ihm, dass er seinen Besuch in San Francisco so schnell wie möglich hinter sich bringen sollte.
„Tut mir leid, dass ich mich verspätet habe“, sagte sie und lächelte leicht, als sie dicht vor ihm stehen blieb.
„Macht nichts.“ Schnell legte er die Hände auf den Rücken, um nicht in Versuchung zu geraten, ihre Hand zu nehmen. Verdammt, das konnte ja heiter werden. „Ein Stückchen weiter die Straße hinunter ist ein kleines Restaurant. Dort können wir Mittag essen und in Ruhe alles besprechen.“
„Gut.“ Sie ging vor ihm durch die Glastür, blieb aber auf dem Bürgersteig stehen und strich sich das Haar aus den Augen. Wie so oft wehte auch heute ein starker Wind vom Meer herüber. Langsam drehte sie sich zu Christian um und sah ihn abwartend an. „Verraten Sie mir nur eins: Wird mich das, was Sie mir mitteilen wollen, glücklich machen? Oder wird es mein ganzes Leben durcheinanderbringen?“
„Um die Wahrheit zu sagen, wahrscheinlich ein bisschen von beidem.“
2. KAPITEL
„Das ist doch totaler Unsinn“, sagte Erica eine Viertelstunde später.
Sie saßen in einem kleinen italienischen Restaurant, das direkt an einer lebhaften Kreuzung im Zentrum von San Francisco lag. Lediglich einige Tische waren besetzt, denn zum Lunchen war es eigentlich noch zu früh. Im Grunde war das Fabrizio Ericas Lieblingsrestaurant, aber wegen der Sache, die sie eben gehört hatte, war es ihr bestimmt für immer verleidet.
Sie starrte den Mann an, der ihr gegenübersaß und sie nicht aus den Augen ließ. „Das ist doch totaler Unsinn“, wiederholte sie. „Einfach verrückt. Ich bin nicht Donald Jarrods uneheliche Tochter!“
In diesem Moment tauchte der Kellner hinter ihr auf, und Erica konnte nur hoffen, dass er ihre letzten Worte nicht gehört hatte. In diesem Restaurant war sie gut bekannt, und natürlich würde man über sie sprechen und alle möglichen Spekulationen anstellen. Aber das geschieht sowieso, dachte sie und seufzte. Wie die Jarrods in Aspen, Colorado, so war auch die Familie Prentice in San Francisco stadtbekannt und tauchte immer wieder in den Klatschblättern auf. Selbst wenn das, was Mr Hanford ihr eben eröffnet hatte, nicht stimmte, und davon war sie nach wie vor überzeugt, würden die Zeitungen Wind von der Sache bekommen. Dann würde Erica sich sehr schnell auf den Titelseiten der Boulevardpresse wiederfinden.
Nicht auszudenken, wie ihr Vater und ihre Stiefmutter Angela darauf reagieren würden. Walter Prentice hasste Skandale. Familienangelegenheiten waren seiner Meinung nach absolut privat und hatten in der Presse nichts zu suchen. Was würde er sagen, wenn nun in aller Öffentlichkeit schmutzige Wäsche gewaschen würde und die Familie auf allen Cocktailpartys das Gesprächsthema Nummer eins wäre? Das musste auf jeden Fall verhindert werden.
„Eistee für die Dame und Kaffee für den Herrn“, sagte der Kellner und verbeugte sich leicht. „Haben Sie schon gewählt?“
„Nein“, sagte Christian, „wir brauchen noch ein paar Minuten.“
„Lassen Sie sich Zeit.“
Erica starrte auf die Speisekarte, ohne etwas zu sehen, und griff nach dem Tee. Momentan hatte sie den Eindruck, als könne sie in ihrem Leben nie wieder etwas essen. Der Appetit war ihr total vergangen. Die kalte Flüssigkeit tat ihrer trockenen Kehle gut. Aufatmend setzte sie das Glas ab, beugte sich vor und sah Christian eindringlich an. „Ich weiß nicht, was das alles soll“, stieß sie leise hervor. „Wer oder was steckt dahinter?“
Kurz blickte er sich nach allen Seiten um. „Ich werde Ihnen alles erklären.“ Dabei sah er aus, als fühle er sich genauso unbehaglich wie sie. Am liebsten wäre sie aufgesprungen, zur Tür hinaus gestürzt und in der dichten Menschenmenge untergetaucht, die sich auf dem Bürgersteig entlangschob. Aber damit wäre das Problem nicht aus der Welt, das wusste sie genau. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als hierzubleiben und zuzuhören.
Wieder schaute Christian sich um, wie um sich zu vergewissern, dass ihn keiner belauschen konnte, und sah Erica dann eindringlich an. „Ich kann mir vorstellen, dass das Ganze für Sie ein Schock ist“, sagte er leise.
„Ja, wenn es wahr wäre.“
„Es ist wahr, Ms Prentice.“ Jetzt flüsterte er fast. „Wenn sich jemand nur einen Spaß mit Ihnen erlauben wollte, wäre ich dann hier?“
„Aber was ist es dann? Ich kann mir nur vorstellen, dass mich irgendjemand unter Druck setzen will, vielleicht sogar erpressen.“
„Wie kommen Sie denn auf diese absurde Idee?“, fragte Christian leicht gereizt. „Ich bin Anwalt und auf Veranlassung meines verstorbenen Klienten hier. Es war sein ausdrücklicher Wunsch, dass ich Ihnen persönlich diese Nachricht überbringe.“
„Gut, dann ist es kein schlechter Scherz. Aber es ist ein Irrtum. Sie müssen mir glauben, ich bin die Tochter von Walter Prentice.“
„Nein, das sind Sie eben nicht. Ich kann es Ihnen beweisen.“
„Und wie?“ Ihr Herz klopfte wie verrückt.
Er öffnete seine Aktentasche und holte einen Umschlag heraus. Mit zitternden Händen nahm Erica ihn entgegen und zog drei Blatt Papier heraus. Das erste war ein Brief an Don Jarrod und unterzeichnet von … Ericas Mutter! Sie hatte eine sehr schöne gleichmäßige Handschrift. Da sie bei der Geburt gestorben war, hatte Erica die eigene Mutter nie kennengelernt. Was sie immer bedauert hatte, denn die Brüder hatten viel von der Mutter erzählt. Allerdings hatte Danielle Prentice Tagebuch geführt, und dieses Tagebuch war Erica mit sechzehn übergeben worden. Wie oft hatte sie darin gelesen und auf diese Weise versucht, eine Beziehung zu der Verstorbenen aufzubauen. Daher war ihr auch die großzügige Handschrift vertraut.
Der Brief war kurz, aber mit Herzblut geschrieben, das konnte Erica auch nach so langer Zeit noch spüren.
Mein lieber Don,
ich möchte Dir nur sagen, dass ich die Zeit mit Dir nie vergessen werde. Wir wussten beide, dass unsere Liebe keine Zukunft hatte, aber ich werde Dich immer in meinem Herzen bewahren. Bitte, versprich mir, dass Du Dich nie zu unserem Kind bekennen wirst. Walter hat mir verziehen und versprochen, das Kind wie sein eigenes zu lieben. Deshalb bitte ich Dich, keinen Kontakt mehr mit mir zu suchen, sodass wir beide, Du und ich, unser altes Leben wieder aufnehmen können. Es ist das Beste für uns alle.
In Liebe, Danielle
Erica traten die Tränen in die Augen. Das alles kam für sie vollkommen überraschend. Mit keiner Silbe hatte die Mutter in ihrem Tagebuch angedeutet, dass sie eine Affäre mit Don Jarrod gehabt hatte. Aber dies war ganz eindeutig der Beweis, und vorsichtig strich sie mit dem Finger über die verblasste Tinte, als könne sie auf diese Weise Verbindung zu ihrer Mutter aufnehmen. Das Herz wurde ihr schwer, als ihr bewusst wurde, was dieser Brief bedeutete. Walter Prentice war nicht ihr Vater.
Walter war nie besonders liebevoll mit ihr umgegangen, auch nicht mit seinen Söhnen. Ihr gegenüber aber war er sogar noch zurückhaltender gewesen. Nun kannte sie wenigstens den Grund. Sie war nicht seine Tochter. Und, was noch schlimmer war, sie war der lebende Beweis für die Untreue seiner Frau und eine ständige Erinnerung daran …