Verbotene Träume des Glücks - Caitlin Crews - E-Book

Verbotene Träume des Glücks E-Book

CAITLIN CREWS

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Beschreibung

Niemals wird er diese Frau besitzen dürfen! Geschweige denn seine heißen Fantasien mit ihr in die Tat umsetzen! Zu schwer wiegt die Schande, die Sterling über seine Familie gebracht hat. Und doch fühlt sich Scheich Rihad geradezu magisch von der sexy Amerikanerin angezogen …

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Seitenzahl: 165

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IMPRESSUM

Verbotene Träume des Glücks erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2015 by Caitlin Crews Originaltitel: „Protecting the Desert Heir“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 410 - 2016 by HarperCollins Germany GmbH, Hamburg Übersetzung: Traudi Perlinger

Umschlagsmotive: GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2019 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733728809

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Schon einmal war Sterling McRae geflohen, damals in ihrer Verzweiflung mit mehr Mut als Verstand. In ihrem jetzigen hochschwangeren Zustand glich ihre Flucht eher einem unbeholfenen Entenwatscheln, da sie das ungeborene Kind nach Omars Tod um jeden Preis beschützen musste.

Lauf. Rette dich. Versteck dich an einem Ort, wo dich niemand finden kann.

Diesmal, zwölf Jahre älter und an Lebenserfahrung reicher als die Fünfzehnjährige, die ihrer Pflegefamilie in Cedar Rapids, Iowa, davonrannte, war sie wenigstens nicht auf den Greyhound- Bus angewiesen. Dank Omar verfügte sie über Kreditkarten ohne Limit und einen bequemen SUV samt Fahrer, der sie an jeden beliebigen Ort bringen würde, den sie ihm nannte.

Die Absätze der High Heels, auf die Sterling auch in der Schwangerschaft nicht verzichten wollte, klapperten auf dem Marmorboden des Gebäudes, in dem sie mit Omar das Penthouse bewohnte, seit sie ihn nach Abschluss seines Studiums kennengelernt hatte. Eine Welle der Trauer, gegen die sie verbissen ankämpfte, drohte ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen.

Ihr blieb keine Zeit zur Trauer. Sie hatte die Frühnachrichten gesehen. Rihad al Bakri, Omars furchteinflößender älterer Bruder und Herrscher des kleinen Landes am Persischen Golf, dem Omar als Achtzehnjähriger den Rücken gekehrt hatte, war in seinem Privatjet in New York gelandet.

Sterling hatte keinen Zweifel daran, dass er sie aufsuchen würde.

Vermutlich wurde sie bereits überwacht, und der Scheich hatte eine Vorhut ausgesandt, um sie festzuhalten. Diese Vermutung zwang sie, ihre Schritte zu verlangsamen und eine gelassene Miene aufzusetzen. Lächelnd verließ sie den Lift und durchquerte die Lobby, als sei nichts geschehen. Sie würde Verrat an Omar üben, wenn sie sich – und wichtiger noch, ihr Baby – in die Fänge der Menschen begäbe, von denen er sich unter großen Mühen getrennt hatte. Und sie wusste ziemlich genau wie Raubtiere reagierten, wenn sie spürten, dass ihre Beute sich wie Beute verhielt.

Je ängstlicher man sich benahm, desto brutaler wurde man angegriffen. Sterling konnte ein Lied davon singen.

Also zwang sie sich, langsam zu gehen. Zu schlendern.

Sie hatte als Model gearbeitet, bevor sie sich mit Omar anfreundete. In den Augen der Welt war sie die verwöhnte, verschwenderische Geliebte des internationalen Playboys Omar. Nun trat sie in den sonnigen Morgen hinaus, ohne auf den geschäftigen Tumult der Metropole zu achten. Es blieb keine Zeit für Abschiede, wenn sie ihr Baby – Omars Baby – retten wollte.

Sie hatte zwar Omar verloren, aber das Kind wollte sie nicht auch verlieren, so wahr ihr Gott helfe.

Die riesige Sonnenbrille trug sie nicht wegen des grellen Morgenlichts, damit wollte sie nur ihren Gemütsaufruhr, ihre Angst und Tränen verbergen. Es dauerte eine Weile, bis ihr bewusst wurde, dass neben Omars schwarz funkelndem SUV am Straßenrand nicht der Fahrer stand, den sie kannte.

Ein Fremder lehnte lässig am Fahrzeug, als gehöre ihm nicht nur der Wagen, sondern die ganze Welt. Sein Blick konzentrierte sich auf das Smartphone in seiner Hand, was Sterling empörend fand. Dann steckte er es weg und richtete den Blick auf sie, einen bohrenden dunklen Blick, der sie mit der Wucht eines Schlages traf.

Sterling blieb erschrocken stehen. Dieser Blick war wie eine Berührung, intim, erotisch. Sie hatte hart an ihrem Image gearbeitet, eine Frau zu sein, die in allen Varianten erotischer Vergnügungen schwelgte; in Wahrheit ließ sie sich nicht gern anfassen. Niemals.

Nicht einmal mit Blicken, die keine echte Berührung waren.

Sich nur echt anfühlten.

Dieser Fahrer war zu hoch gewachsen, zu breitschultrig. Zu verdammt gut aussehend. Von seiner muskulösen, sehnigen Gestalt im dunklen Anzug ging etwas Gefährliches aus. Dichtes schwarzes Haar, kurz geschnitten. Gebräuntes Gesicht und die sinnlichsten Lippen, die Sterling je bei einem Mann gesehen hatte. Ein schockierend schöner Mann. Ein Mann, von dem sie sich nicht gern in die Freiheit fahren lassen wollte. Oder doch? Es blieb keine Zeit, darüber nachzudenken. Ihr Handy schnurrte in ihrer Handtasche, und sie wusste, was es bedeutete.

Rihad al Bakri, der König und Herrscher des Wüstenlandes war in Manhattan angekommen. Omars und Sterlings Freunde warnten sie per SMS oder riefen an, um sie von der Gefahr zu unterrichten.

Sie hatte ihre Schwangerschaft bis zum heutigen Tag geheim gehalten. Das war nun nicht mehr nötig, da sie dieses Leben hinter sich ließ. Sie würde genau das tun, was sie schon einmal getan hatte. Eine weit entfernte Stadt. Eine neue Haarfarbe, ein anderer Haarschnitt. Ein neuer Name und neuer Modestil. Es war nicht schwer, ein neues Leben zu beginnen, es war nur schwer, sich neuen Gegebenheiten anzupassen, sich gegen mächtige Gespenster zu wappnen, besonders in einsamen Stunden.

Aber das hatte sie schon einmal gemeistert und würde es auch diesmal schaffen.

Sterling hatte also keinen Grund, den neuen Fahrer zu begaffen und sich darüber zu wundern, wieso der erste Mann, der seit Jahren ihre Aufmerksamkeit erregte, offenbar eine spontane Abneigung gegen sie hegte, falls sie sich in der feindseligen Miene des Fremden nicht irrte.

„Wo ist Muhammed?“, fragte sie im Näherkommen.

Der Fremde musterte sie herrisch über seine kühn geschwungene Nase, und sie bemerkte goldene Einsprengsel in seinen dunklen Augen. Sie fühlte sich atemlos und flattrig, konnte sich nicht erklären, wieso der Mann sie ansah, als habe sie ihn beleidigt. Das Handy hörte nicht auf, in ihrer Tasche zu summen. Sie war nahe daran, mitten auf der Straße in Tränen auszubrechen. Gereizt öffnete sie den Wagenschlag, da der schweigsame Fahrer keine Anstalten machte, ihr behilflich zu sein.

„Es ist mir letztlich einerlei, wo er ist“, beantwortete sie ihre eigene Frage spitz. Panik schlug wie dumpfer Trommelwirbel in ihr. „Fahren Sie los! Ich bin in Eile.“

Er beobachtete gleichgültig, wie Sterling ihre übergroße Schultertasche auf den Rücksitz wuchtete. Sie hatte sich nie die Allüren einer Diva zugelegt, egal welche Summen Omar ihr zum Verschleudern gegeben hatte. Aber heute war ein schrecklicher Tag nach einer Woche weit schlimmerer Schrecken, seit sie mitten in der Nacht den Anruf der französischen Polizei erhalten und erfahren hatte, dass Omar bei einem Autounfall in der Nähe von Paris ums Leben gekommen war.

Für einen Mann wie diesen anmaßenden Fremden, der sie ansah, als entscheide er, wann und wohin er sie fahren würde, hatte sie jedenfalls kein höfliches Wort übrig. Ihr aufsteigender Zorn kam ihr nur gelegen. Ein ungehobelter Bediensteter war ein leichteres Ziel, um Aggressionen loszuwerden, als Omars grässlicher Bruder, der jeden Moment auftauchen und ihr Leben zerstören könnte.

Nach allem, was sie Omars spärlichen Berichten entnehmen konnte, war der Scheich zu allem fähig und schreckte auch vor Mord nicht zurück.

„Wie in aller Welt sind Sie an diesen Job gekommen?“, fragte sie herablassend. „Dafür sind Sie nämlich völlig ungeeignet. Ist Ihnen nicht klar, dass man einem Fahrgast den Wagenschlag öffnet?“

„Ja, gewiss“, sagte er endlich. Sterling registrierte verdutzt seine tiefe melodische Stimme und den sarkastischen Tonfall. Unwillkürlich legte sie eine Hand schützend um ihren runden Bauch; ihre Kehle war plötzlich sehr trocken. „Mein Fehler. Es ist natürlich mein einziges Ziel im Leben, amerikanischen Ladys behilflich zu sein. Meine Aufgabe und mein Traum.“

Sterling blinzelte. Sein Tonfall war impertinent, bedrohlicher aber war sein Blick. Der Blick eines mächtigen, hungrigen Raubtieres, das seine Begierden unter einer Lackschicht der Höflichkeit verbarg. Ein Blick, der sie traf wie die Spitze eines tödlichen Pfeils.

Ein Blick, der ihr zum ersten Mal seit langer Zeit ihre Weiblichkeit bewusst machte. Nicht nur die werdende Mutter des Kindes ihres besten Freundes, sondern wirklich eine Frau. Ein sinnliches Prickeln durchrieselte sie vom Kopf bis zu den Zehenspitzen, einschließlich der Stellen, die dazwischen lagen.

In diesem Moment versetzte ihr das Baby einen kräftigen Boxhieb. Und Sterling redete sich ein, das unruhige Baby sei der Grund, warum sie kaum atmen konnte, warum ihr ganzer Körper angespannt und verkrampft war.

„Zu dumm! Ihr Leben scheint eine bittere Enttäuschung sein“, erklärte sie kühl, „wenn Sie in Ihrem Beruf so kläglich versagen.“

„Verzeihung“, antwortete er ohne Zögern mit weicher Stimme, die Sterling benommen machte. „Ich vergaß mich.“

Nun richtete er sich zu seiner vollen Größe auf, und Sterling hätte sich nicht gewundert, wenn er sie mitsamt ihrem Kugelbauch schwungvoll in den Wagen gehoben hätte.

Was er natürlich nicht tat. Stattdessen vollführte er eine einladende Geste, als gehöre ihm der Wagen.

Unpassende Bilder tauchten in ihr auf, jedes unangemessener und peinlicher als das vorherige. Was war nur los mit ihr? Solche Gedanken kannte Sterling nicht. Sie hasste es, angefasst zu werden, ganz zu schweigen von …

„Schon gut“, sagte sie nach einem elektrisierenden Moment. Sie fühlte sich schwach und erhitzt, vermochte jedoch den Blick nicht von ihm zu wenden. „Versuchen Sie, so etwas nicht wieder zu tun.“

Seine gold gesprenkelten Augen leuchteten, der Anflug eines ironischen Lächelns schien seinen schönen Mund zu umspielen. Sterling durchrieselte ein sinnlicher Schauer.

„Aber nun müssen wir endlich los“, sagte sie in einem besänftigenden Tonfall, den sie sich im Umgang mit Männern zugelegt hatte. Mochte das Leben mit Omar ihr zwar vorgegaukelt haben, sie habe nichts zu befürchten, so hatte sie immer gewusst, dass es für sie kein dauerhaftes Glück gab. „Ich habe eine weite Reise vor mir und bin bereits spät dran.“

„Wie Sie wünschen“, sagte er ironisch. „Steigen Sie ein. Ich möchte Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten.“

Damit ergriff er ihre Hand, um ihr beim Einsteigen zu helfen.

Ein Feuersturm loderte in ihr auf, raste durch ihre Adern, durchdrang jede Faser ihres Körpers, drohte sie zu verschlingen. Ihre Vergangenheit fiel von ihr ab, als habe sie nie existiert. Jeder Muskel, jede Sehne in ihr war zum Zerreißen gespannt, zugleich fühlte sie sich schwerelos und von mächtiger Sehnsucht erfasst …

Sie wollte ihm ihre Hand entziehen, wie immer, wenn jemand sie ohne ihre Erlaubnis anfasste, aber sie tat es nicht. Sterling genoss zum ersten Mal in ihrem Leben eine Berührung, statt davon abgestoßen zu sein.

Diese verblüffende Erkenntnis durchzuckte sie wie ein greller Blitz.

„Wie kann ich Ihnen zu Diensten sein, wenn Sie nicht einsteigen?“ Der Blick des Fremden aus verengten Augen nahm ihr den Atem und seine weiche Stimme entfachte neue Hitze.

Sterling empfand diese Spannung jedoch nicht als Panik. Sie kannte Panikattacken zur Genüge. Dieses Gefühl reichte tiefer, lebensbedrohlich tief.

Ihre einzige Rettung waren Gedanken an ihr Baby. Hastig drängte sie all die verwirrenden Empfindungen beiseite und kletterte in den Wagen, bevor die Beine ihr den Dienst versagten.

Es gab eine Reihe von Dingen, die Rihad al Bakri, Herrscher und König des Reiches von Bakri, nicht begreifen konnte.

Zunächst fragte er sich, wieso sein verstorbener Bruder nie erwähnt hatte, dass seine Geliebte ein Kind von ihm erwartete. Wie war es dieser jungen Amerikanerin gelungen, seinen Sicherheitskräften zu entwischen? Und schließlich fragte er sich verblüfft, wieso sie ausgerechnet ihn für einen bezahlten Chauffeur hielt.

Keine dieser Fragen konnte ihn über den tragischen Verlust seines Bruders hinwegtrösten. Er wollte nicht begreifen, wieso Omar, der sich die letzten zehn Jahre seines Lebens mit dieser frivolen Frau herumgetrieben hatte, einen plötzlichen Unfalltod erleiden musste.

Seine trüben Gedanken schwanden, als Rihad sie wie ein höflicher Bediensteter bei der Hand nahm, um ihr in den SUV zu helfen.

Der Lärm der City schien kreischend aus der Spur zu laufen wie die stumpfe Nadel auf einer alten Schallplatte, bevor alles verstummte.

Ihre Hand fühlte sich zart und kräftig zugleich an, was Rihad nicht gefiel. Ihm behagte auch nicht, wie sie ihre Lippen zusammenpresste. Dabei verspürte er den wilden, beinahe unbezwinglichen Drang, von diesen Lippen zu kosten.

Nie und nimmer.

Ihr rotblondes, zu einem flüchtigen Knoten hochgestecktes Haar, aus dem sich goldene und kupferfarbene Strähnchen stahlen, gab ihr ein frisches Aussehen. Sie trug eine weite Tunika zu hautengen Jeans und absurd hochhakige Schuhe, als sei sie nicht hochschwanger, als habe sie sich nur einen riesigen Ball unter ihre Tunika geschoben. Außerdem bewegte sie sich verblüffend anmutig wie ein Model auf dem Laufsteg, und er fragte sich, wie sie sich wohl bewegte, wenn sie nicht schwanger war.

Rihad wollte keine Gedanken über diese Frau zulassen, schon gar nicht erotische Gedanken. Ihm lag nur daran, den Makel ihrer Erinnerung aus dem Leben seines Bruders zu löschen und die königliche Familie Bakri von diesem Schandfleck reinzuwaschen. Aus diesem Grund war er direkt nach Omars Bestattung nach New York geflogen, statt die Person durch seine Sicherheitsagenten zum Teufel jagen zu lassen.

Schluss mit den Skandalen. Schluss mit all dem leichtfertigen egoistischen Benehmen. Sein ganzes Leben hatte Rihad sich bemüht, die Skandalgeschichten seines Vaters, Omars Skandale und auch das unbotmäßige Verhalten seiner Halbschwester Amaya zu vertuschen und aus der Welt zu schaffen. Diese Sterling McRae war das Symbol aller Ausschweifungen seiner Familie, und Rihad wollte sie – und sämtliche Relikte des liederlichen Lebens seines Bruders auslöschen.

Zu allem Überfluss war diese Frau für alle Welt ersichtlich hochschwanger.

Wie konnte es anders sein?

2. KAPITEL

„Sie erwarten ein Kind“, knurrte Rihad mürrisch, nachdem die Mätresse seines Bruders auf der Rückbank Platz genommen und ihm ihre Hand entzogen hatte – unnötig hastig, als habe die harmlose Berührung auch in ihr etwas ausgelöst.

Doch damit wollte er sich nicht befassen.

„Sie sind ein scharfer Beobachter.“ Klang das nach Sarkasmus? Gegen ihn gerichtet? Rihad blinzelte. Sie fuhr fort, kühl und gebieterisch: „Schließen Sie bitte die Tür und fahren los!“

Sie erteilte ihm Anweisungen und erwartete von ihm, ihr zu gehorchen. Um diese abwegige Vorstellung zu verarbeiten, schloss er stumm den Wagenschlag und überlegte, wie er sich verhalten sollte.

Rihad wünschte, Omar wäre nicht der Vater ihres Kindes, machte sich allerdings keine großen Hoffnungen. Die Affäre seines Bruders mit dieser Person hatte beinahe zehn Jahre gedauert. Er hatte die damals kaum Siebzehnjährige irgendwo aufgegabelt und sie bereits nach einer Woche bei sich einziehen lassen, ohne sich darum zu kümmern, dass sie eine hergelaufene Obdachlose mit falschem Namen und nicht einmal volljährig war.

Damals war die Skandalpresse mit hämischen Artikeln über das ungleiche Paar hergefallen.

„Omar wird ihrer bald überdrüssig“, hatte sein mittlerweile verstorbener Vater erklärt, als er in seinem Palast einen dieser Schmähartikel überflog.

Der betagte Scheich hatte sich stets zu leichtlebigen Frauen hingezogen gefühlt, eine habgierige ukrainische Tänzerin geheiratet, die ihn nach der Geburt ihrer gemeinsamen Tochter Amaya verlassen und den Ruf des Königshauses jahrelang mit erfundenen Enthüllungsstorys wie ‚Mein Leben im Harem des grausamen Wüstenscheichs‘ geschädigt hatte. Amaya, in mancher Hinsicht ihrer Mutter ähnlich, stellte eines der zahlreichen Probleme Rihads dar, da sie während ihrer Verlobungsparty ihren Verlobten verlassen hatte. Und der alte Herrscher hatte zwar nicht wieder geheiratet, allerdings das Interesse an Frauen nicht verloren.

„Vielleicht wäre ein Auffrischungskurs in Staatsraison für Omar angebracht“, hatte Rihad trocken vorgeschlagen. „Sein Lotterleben in New York scheint sein Gedächtnis bezüglich seiner Pflichten für sein Land getrübt zu haben.“

Sein Vater hatte nur wehmütig geseufzt, wie nicht anders zu erwarten. Rihad war zwar der Thronfolger, aber nie sein Lieblingssohn gewesen. Kein Wunder, denn Omar und der alte Scheich glichen einander im Wesen wie ein Ei dem anderen, gingen rücksichtslos ihren lasterhaften Vergnügungen und Neigungen nach, ohne sich um die Konsequenzen zu scheren. Und Rihad hatte die Aufgabe, geschickt und umsichtig die Scherben hinter den beiden Bonvivants zu beseitigen.

Jemand musste die Verantwortung übernehmen, sonst würde das Land in die Hände seiner Feinde fallen. Und dieser Jemand war Rihad, solange er denken konnte.

„Jeder Mann hat seine Schwächen“, hatte sein Vater stirnrunzelnd erklärt. „Nur bedauerlich, dass Omar alles in der Öffentlichkeit ausbreitet.“

Rihad wusste nicht einmal, ob auch er Schwächen hatte, da ihm nie Gelegenheit geboten wurde, eine Schwäche zu zeigen. Er hatte nie eine Geliebte ausgehalten. Ihm war stets bewusst, dass er als Thronfolger von Geburt an zu einem Ehebündnis aus politischen Erwägungen verpflichtet war. Und nach Abschluss seiner Studien in England hatte er die für ihn ausersehene Braut geheiratet.

Tasnim mochte zwar keine Schönheit mit kupferblonder Lockenmähne und einem sündigen Mund gewesen sein wie die Person, mit der Omar all die Jahre zusammen gelebt hatte, aber seine Braut fühlte sich ebenso wie Rihad zu diesem Bündnis verpflichtet. Und in drei Jahren war zwischen dem Paar eine Art Zuneigung gewachsen. Doch dann erhielt Tasnim bei einer Routineuntersuchung die Diagnose Krebs. Als sie vor fünf Jahren starb, hatte Rihad eine Freundin verloren.

Sein Groll richtete sich auch gegen Tasnim, die zwar alle Erwartungen erfüllt hätte, aber viel zu früh verstorben war. Die gleiche alte Mischung aus Wut und Fassungslosigkeit tobte in ihm, da Omar sich wieder einmal über alle Regeln hinweggesetzt und seiner Gespielin ein Kind gemacht hatte. Und damit hatte er letztlich eine bakrianische Prinzessin einem ungewissen Schicksal überlassen in der Obhut einer pflichtvergessenen, liederlichen Mutter.

Vielleicht aber hatte die beiläufige Berührung ihrer Hand etwas in ihm ausgelöst, das alte Wunden aufbrechen ließ. Er spürte die Wärme ihrer Hand immer noch.

Unerträglich.

Ein anderer Mann wäre ins Grübeln geraten, dass sein beschleunigter Puls ihn in Versuchung führte, Möglichkeiten in Erwägung zu ziehen, mit denen er nichts zu tun haben wollte.

Rihad aber war nicht irgendein Mann; Rihad akzeptierte keine Schwächen.

Nach einer spontanen Entscheidung wählte er eine Nummer auf dem Handy und erteilte knappe Anweisungen, während er sich hinters Steuer setzte. Eine probate Methode, mit Krisen umzugehen, versicherte er sich. Nicht weil er ihre Berührung noch immer spürte, als habe sie ihn gebrandmarkt. Er konnte Sterlings Gesicht im Rückspiegel sehen – was für ein lächerlicher Name – und ihre gerunzelte Stirn.

„Sie dürfen nicht telefonieren, während Sie fahren“, wies sie ihn zurecht. „Das wissen Sie doch, oder?“

Als sei er schwer von Begriff. Nie zuvor war Rihad von Fremden anders als mit äußerstem Respekt – wenn nicht in ehrfürchtiger Demut – behandelt worden.

Einen Moment lang war er sprachlos.

Er sollte empört sein. Aber seltsamerweise war ihm nach Lachen zumute.

„Darf ich nicht?“, fragte er mit mildem Spott.

„Erstens ist es verboten und zweitens gefährlich“, fuhr sie gereizt fort. Im Rückspiegel beobachtete er, wie sie ihre Hände schützend um ihren Kugelbauch wölbte, eine Geste, die nicht zum Bild der eiskalt berechnenden Hure passte, das er sich von ihr zurechtgelegt hatte.

„Eigentlich wäre es mir einerlei, wenn Sie mit dem Wagen gegen eine Mauer krachen, aber es geht nicht nur um mich.“

„Richtig.“ Rihad schob das Handy in die Innentasche seines Jacketts und ließ den Motor an. „Ihr Ehemann würde Sie vermissen, nicht wahr?“

Eine unnötige Stichelei. Ein erneuter Blick in den Rückspiegel zeigte ihm nicht wie erwartet ihre entrüstete Miene. Sie hielt vielmehr den Blick auf das Hochhaus gerichtet, während Rihad den Wagen in den Verkehr einfädelte. Ihr Blick wirkte beinahe wehmütig, als falle ihr der Abschied schwer von dem Haus, in dem sie mit seinem Bruder oder von seinem Bruder viele Jahre gelebt hatte.

Es war ja nun auch wesentlich schwieriger für sie, einen betuchten Gönner zu finden. Sie war älter und hatte sich einen berüchtigten Ruf als Partyluder erworben. Außerdem erwartete sie in Kürze ein Kind, was ihre Chancen bei betuchten Lebemännern erheblich einschränken dürfte.

Findest du sie etwa mit dem Kind deines Bruders im Bauch nicht attraktiv?