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Längst hat Emily aufgehört zu zählen, wie viele Damen morgens das Luxusapartment von ihrem sexy Boss Kadir al-Hassan verlassen haben. Aber als Kadir erfährt, dass sein Vater im Sterben liegt, ändert sich alles. Der Playboy-Scheich will heiraten - ausgerechnet sie!
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Seitenzahl: 180
IMPRESSUM
Verführt von einem Playboy-Scheich erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg
© 2014 by Lynn Raye Harris Originaltitel: „Gambling with the Crown“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRABand 396 - 2015 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Valeska Schorling
Umschlagsmotive: Ekaterina Jurkova / shutterstock
Veröffentlicht im ePub Format in 04/2022.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783751514323
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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Der König von Kyr lag im Sterben. Obwohl die Wüstensonne noch nicht untergegangen war, umhüllte ihn eine Decke auf dem Balkon.
Er dachte an sein Leben zurück. Eine lange Regentschaft hatte er hinter sich, und es war eine gute Regentschaft gewesen, aber jetzt wurde es Zeit, einen Nachfolger zu ernennen. Länger konnte er es nicht hinauszögern, seine abtrünnigen Söhne nach Hause zu rufen und den nächsten König zu bestimmen.
Mühsam stand er von der Liege auf. Solange er noch ein letztes bisschen Kraft im Leib spürte, wollte er seine Unabhängigkeit nicht aufgeben. Der Krebs würde ihn zwar irgendwann besiegen, aber noch war es nicht so weit. Langsam, aber äußerst zielstrebig bewegte sich der König auf seinen Schreibtisch zu, während ihn ein fürsorglicher Bediensteter begleitete, der ihn im Notfall auffangen könnte.
Aber noch würde er nicht zusammenbrechen.
Er hatte noch eine letzte Aufgabe zu erfüllen. Und dafür musste er zwei Telefonanrufe tätigen.
Emily Bryant zupfte sich ihren schwarzen Rock zurecht, glättete ihren Haarknoten und balancierte die Kaffeetasse in ihrer Hand, als sie vor der Flügeltür stehen blieb, die zum Schlafzimmer Ihrer höchst erhabenen Hoheit Prinz Kadir bin Zaid al-Hassan führte.
Draußen hatte der Himmel jene besondere Farbe von Lachsrosa und Purpur angenommen, die den Sonnenaufgang ankündigt. Trotz der frühen Morgenstunde war Paris bereits zu neuem Leben erwacht. Auch Kadir würde bald aufwachen – sobald Emily an die geschnitzte Holztür klopfte.
Emily runzelte die Stirn und holte tief Luft. Bestimmt war der Kerl wieder einmal nicht allein, und sie musste sich darauf gefasst machen, über Spitzenunterwäsche, zusammengeknüllte Strumpfhosen und ein Designerkleid zu stolpern. Bei einer Gelegenheit hatte sogar einmal ein BH von einem wertvollen Kronleuchter aus venezianischem Glas heruntergebaumelt.
Wo war das gewesen? Ach ja, in Mailand.
Emily verzog missbilligend das Gesicht – sie hasste nämlich jegliche Unordnung, und vor allem bei Menschen, die es besser wissen mussten – und hob die Rechte, um drei Mal anzuklopfen. „Prinz Kadir? Zeit zum Aufstehen.“
Egal, wann er nachts nach Hause gekommen war, Kadir wollte grundsätzlich vor Sonnenaufgang geweckt werden. Manchmal schlief er anschließend wieder ein, allerdings nicht, ohne Emily Anweisungen für den Tag zu geben und den Kaffee zu trinken, den sie für ihn zubereiten ließ.
Meistens stand er jedoch auf. Emily hatte gelernt, ihren Gesichtsausdruck in der Gegenwart des Prinzen zu kontrollieren und unbeteiligt, kühl und professionell dreinzublicken, wenn Kadir seine Bettdecke zurückschlug und glatte gebräunte Haut und sehnige Muskeln entblößte. Genauso wie sie gelernt hatte, diskret den Kopf abzuwenden, wenn er aufstand und sich einen Morgenmantel überstreifte.
Bei jedem anderen Mann – und in jedem anderen Job – würde sie sich ein solches Verhalten vermutlich nicht gefallen lassen. Hier handelte es sich jedoch um Prinz Kadir, und sie hatte von Anfang an gewusst, was der Job mit sich brachte. Der Prinz hatte sie davor gewarnt, als er sie eingestellt hatte, und sie hatte ihm versichert, dass sie der Aufgabe gewachsen war.
Daher ertrug sie seine Marotten und seine Launen mit stoischer Gelassenheit. Wäre er nicht so intelligent und würde er sie nicht gut bezahlen – extrem gut –, sie wäre vielleicht nicht so lange an seiner Seite geblieben. Ganz zu schweigen davon, dass diese Anstellung direkt nach dem College ein echter Glücksgriff gewesen war. Sie war immer noch fest davon überzeugt, dass Kadir trotz ihrer hervorragenden Zeugnisse einem Vorstellungsgespräch mit ihr nie zugestimmt hätte, wenn er nicht so verzweifelt jemanden gesucht hätte, der mit seinem extravaganten Lebensstil umgehen konnte.
„Kommen Sie rein.“ Seine Stimme auf der anderen Seite der Flügeltür klang tief und heiser.
Emily öffnete die Tür und durchquerte den verdunkelten Raum. Sie trug dabei vernünftige flache Schuhe, wobei sie früher einmal hochhackige Schuhe genauso geliebt hatte wie jedes andere Mädchen, aber die flachen waren wesentlich bequemer. Sie zog den dicken Damastvorhang zurück, um das Tageslicht hineinzulassen, und stellte die Kaffeetasse auf den antiken Nachttisch.
Ein verstohlener Blick verriet ihr, dass Kadir allein war. Erleichtert seufzte sie auf. Sie mochte die Frau nicht, mit der er gerade zusammen war – Lenore Bradford, das zurzeit angesagteste Model der Modewelt. Lenore wirkte ohnehin nicht besonders sympathisch, aber Emily gegenüber verhielt sie sich geradezu bösartig.
Es kam Emily fast so vor, als sei die Frau eifersüchtig, was völlig unangebracht war, da Emily für Kadir nichts weiter darstellte als der Mensch, der seinen Alltag organisierte und seinen Terminkalender pflegte. Doch diese Tatsache hielt Lenore nicht davon ab, Emily bei jeder sich bietenden Gelegenheit wütende Blicke zuzuwerfen oder unmögliche Dinge von ihr zu verlangen.
Wie an jenem Morgen, an dem Lenore auf Schokocroissants von einer Boulangerie am anderen Ende der Stadt bestanden hatte. Dabei hatte sie an den Croissants kaum geschnuppert, ehe sie sich ihrem Omelett aus Eiweiß zuwandte. Emily hatte auf dem Weg zur Bäckerei vor Wut gekocht. Gott sei Dank hatte sich dieser Ausflug nicht wiederholt, da Kadir ziemlich wütend geworden war, als er davon erfahren hatte. Lenore gab ihr natürlich auch daran die Schuld. Doch Kadir war nicht dumm und konnte die Anschrift auf der Brottüte lesen, die Lenore offensichtlich zu verstecken vergessen hatte.
Kadir lehnte sich gegen das Kopfende und griff nach seinem Kaffee. Sein dunkles Haar war zerzaust, und er brauchte dringend eine Rasur rund um den Mund, aber trotzdem war er einer der attraktivsten Männer, die Emily je gesehen hatte. Nicht, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Absolut nicht! Er war ein arroganter, verwöhnter, wenn auch hochintelligenter Kindskopf, und auf solche Männer stand sie überhaupt nicht.
Verdammt, wenn er sie nicht so gut bezahlen würde, würde sie sich keinen Pfifferling um ihn scheren!
Obwohl das nicht so ganz stimmte. Kadir trieb sie zwar mit seiner kühlen Selbstsicherheit und Überheblichkeit in den Wahnsinn, aber er dachte immer an ihren Geburtstag und den Jahrestag ihres ersten Arbeitstages bei ihm. Irgendwie schien er sich auf seine Art um seine Untergebenen zu kümmern, obwohl das vielleicht nur an seinem überragenden Gedächtnis lag, denn er vergaß grundsätzlich nichts.
Emily zog es jedoch vor, ihn für fürsorglich zu halten, also verabscheute sie ihn nicht ganz.
Zumindest nicht vollkommen.
Emily schlug ihr Notizbuch auf und ignorierte die an Kadirs Körper hinabrutschende Decke und seine muskulöse Brust mit dem verdammt dunklen Haar, das sich von seinem Bauchnabel an nach unten verjüngte.
„Um halb sieben haben Sie einen Termin mit dem Vorstandsvorsitzenden von RAC Steel und anschließend ein Telefonat mit Andrakos Shipping. Außerdem müssen Sie noch mit dem Makler reden und sich heute Nachmittag eine Baustelle ansehen.“
Kadir trank einen Schluck Kaffee und sah sie unter unglaublich langen Wimpern an. Seine Augen waren klar, dunkelgrau und blitzten vor Intelligenz.
Mal ehrlich, warum musste ein so schöner Mann auch noch intelligent sein?
„Sie sind wie immer ein Vorbild an Effizienz, Miss Bryant.“
Emily warf einen Blick auf ihre Armbanduhr und versuchte zu verbergen, dass sie sich geschmeichelt fühlte. „Das Frühstück ist schon unterwegs, Eure Hoheit. Und ich habe den Chauffeur instruiert, pünktlich um sieben hier zu sein.“
Kadir musterte Emily von Kopf bis Fuß. Wie immer, wenn er sie so ansah, verspürte sie ein seltsames Prickeln, das ihr vom Nacken den Rücken hinunterrieselte.
Etwas, worauf sie ehrlich gesagt gut verzichten konnte. Sie fuhr sich mit der Zungenspitze über die plötzlich trockenen Lippen und klappte das Notizbuch wieder zu, während Kadir sie aus schmalen Augen fixierte. „Ist das alles, Eure Hoheit?“
„Ja.“
Emily wandte sich zum Gehen ab, als es vor der Tür plötzlich lärmte. Kurz darauf platzte Lenore Bradford ins Zimmer. Hinter ihr ragte ein ungehaltener Wachposten auf.
„Lenore.“ Kadirs Stimme hätte für jeden anderen gelangweilt geklungen, doch für jemanden, der ihn besser kannte, war der gefährliche Unterton nicht zu überhören.
Oh, Lenore, jetzt hast du es vermasselt.
Emily schloss die Augen und wartete darauf, dass das Unwetter losbrach. Hinter ihr hörte sie das Rascheln der Bettdecke. Kadir streifte sich vermutlich seinen Morgenmantel über und machte dem Wachmann eine Geste, denn der schlüpfte unauffällig beiseite.
„Wo warst du gestern Abend?“ Lenore stellte Kadir schrill zur Rede. „Das war meine Party, und du bist einfach verschwunden.“
„Vielleicht hätte ich das nicht getan, wenn du nicht sechs Reporter und eine Kameracrew eingeladen hättest. Ich spiele doch nicht den Köder für deine Geltungssucht, Lenore.“
Lenores hübsche Hände flatterten. Sie war blond, groß, dünn und von Kopf bis Fuß makellos gestylt, sogar zu dieser frühen Uhrzeit. Sie war ein echter Hingucker, wie Emilys Dad sagen würde. Aber was Kadir anging, verhielt sie sich nicht sehr schlau. Er gehörte nämlich nicht zu den Männern, die sich herumkommandieren oder manipulieren ließen.
Emily ging zur Tür, um sich unauffällig davonzustehlen. Sie wollte das Zimmer verlassen, bevor der Streit eskalierte. Außerdem war die Angelegenheit Kadirs Privatsache, und obwohl sie nur zu gern mit ansehen würde, wie er Lenore einen Kopf kürzer machte, ging es sie nichts an.
„Bleiben Sie, wo Sie sind, Miss Bryant“, sagte Kadir in seinem üblichen Befehlston, und Emily erstarrte. „Lenore wollte sowieso gerade gehen.“
Lenore errötete. „Ich werde nicht eher gehen, als bis wir die Sache geklärt haben, Kadir! In einer Beziehung muss man über solche Dinge reden können. Vielleicht war es falsch von mir, aber …“
„Für dich bin ich Prinz Kadir oder Eure Hoheit!“, unterbrach er sie kühl. „Und uns verbindet keine Beziehung. Es wird auch keine geben. Und jetzt geh bitte.“
Kadir sprach jedes Wort so sanft und ruhig aus, als könne er sich noch nicht einmal dazu herablassen, wütend zu werden. Emily tat die andere Frau fast leid. Aber nur fast.
Kadir ging an Emily vorbei und baute sich vor Lenore auf. Er trug einen dunkelblauen Morgenmantel aus Seide. Sein Haar war noch immer zerzaust, und doch sah er von Kopf bis Fuß wie ein echter Prinz aus. Es fiel Emily immer schwer, ihren Dienstherrn in solchen Augenblicken nicht zu bewundern. Ihr Herz wurde von einem seltsamen und sehr verwirrenden Gefühl des Stolzes erfüllt.
Lenore war inzwischen puterrot angelaufen. „Das ist alles? Du willst noch nicht mal mit mir reden?“
Kadir gab keine Antwort, sondern stand nur mit vor der Brust verschränkten Armen da und sah Lenore herrisch an.
Die Blondine zeigte plötzlich mit einem perfekt manikürten Finger auf Emily. „Glaubst du etwa, ich weiß nicht, was hier vorgeht? Glaubst du, ich merke nicht, wie deine Assistentin …“, irgendwie betonte sie das Wort auf eine schmutzige Art, so, als ob sie stattdessen Hure meinte, „… versucht, uns auseinanderzubringen? Sie will dich für sich allein haben!“
Emily öffnete sogleich protestierend den Mund, doch Kadir kam ihr zuvor. „Es ist mir ziemlich egal, was Miss Bryant von dir hält. Wichtig ist nur, was ich denke. Und ich bin fertig mit dir.“
Er ging auf Lenore zu, packte sie an einem Ellenbogen und schob die lautstark Protestierende hinaus. Danach schloss er nachdrücklich die Tür und drehte sich um. Sein Gesicht war vor Wut gerötet.
Emily senkte den Blick und musterte ihre Schuhe, während ihr das Herz bis zum Hals schlug. Sie war bisher noch nie Zeugin gewesen, wenn der Prinz mit einer Frau Schluss gemacht hatte, aber sie wusste, dass das in den letzten vier Jahren ihrer Anstellung sehr oft passiert war. Jede Frau, mit der er zusammen gewesen war, hatte ihn einfangen wollen, aber bisher war das noch keiner von ihnen gelungen.
„Es tut mir leid, dass Sie das mit anhören mussten.“
Emily hob den Kopf und erwiderte seinen intensiven Blick. Ihr Herz machte dabei einen Satz, und es überlief sie heiß. „Ich will Sie nicht für mich haben“, platzte sie heraus. Ihre Wangen glühten.
Oje.
Kadir hob spöttisch eine Augenbraue. „Wirklich nicht? Wie man sich erzählt, bin ich ein guter Fang. Wie erstaunlich, einer Frau zu begegnen, die mich nicht will.“
Für einen Moment wusste Emily nicht, was sie darauf antworten sollte. Erst dann wurde ihr bewusst, dass er sie nur neckte, und sie senkte wieder den Blick. Sie brauchte diesen Job und würde ihn auf keinen Fall aufs Spiel setzen. „Verzeihen Sie mir meine Bemerkung, Eure Hoheit.“
„Da gibt es nichts zu verzeihen. Lenore war Ihnen gegenüber unglaublich unhöflich.“
„Trotzdem. Es wird nicht wieder vorkommen, das versichere ich Ihnen.“
Er lachte. „Oh, ich glaube doch.“
Emily sah ihn verwirrt an. Ihr Herz begann so heftig zu klopfen, dass sie ihren Pulsschlag am Hals und an den Händen spürte. Erst dann wurde ihr bewusst, dass er die Szene mit Lenore gemeint hatte.
„Keine Sorge, Miss Bryant“, fuhr er fort. Seine Stimme klang so glatt wie Seide und so hart wie Stahl. „Lenore wird nicht zurückkommen, aber es wird natürlich andere Frauen geben.“
Emily hätte am liebsten genervt die Augen verdreht, widerstand diesem Impuls jedoch.
Kadir schien ihr anzusehen, was in ihr vorging. Spöttisch hob er eine Augenbraue. „Wollten Sie etwas sagen?“
„Nur dass Ihr Frühstück jeden Moment hier sein wird.“
„Das lag Ihnen bestimmt nicht auf der Zunge.“
Kadir senkte den Blick zu ihrem Mund. Emily zuckte zusammen, als würde er einen Finger über ihre Lippen gleiten lassen. Beim Anblick seines Lächelns schmolz sie förmlich dahin.
Noch etwas, worauf sie gut verzichten konnte.
„Kommen Sie schon, Emily. Wir kennen einander jetzt fast vier Jahre. Sie wissen mehr über mich als jeder andere Mensch, abgesehen von mir natürlich.“
Er hatte sie noch nicht oft Emily genannt. Sie liebte seinen Akzent, und wenn er ihren Namen aussprach, erschauerte sie jedes Mal. Es fühlte sich fast wie eine Liebkosung an, wie von einem Liebhaber berührt zu werden.
Aber was wusste sie schon über Liebhaber? Ihr letztes Mal Sex war schon so lange her, dass sie sich kaum noch daran erinnern konnte. Sie war einfach zu viel unterwegs, folgte Kadir um die ganze Welt, während er seine Wolkenkratzer baute. Da blieb ihr nicht viel Zeit für ein Privatleben.
Es sei denn, sie waren in Chicago. Dann besuchte sie ihren Vater, um sich zu vergewissern, dass ihm alles zur Verfügung stand, was er brauchte. Verglichen damit waren Sex und Männer Nebensache.
„Sie bezahlen mich dafür, Ihre Assistentin zu sein, und nicht dafür, um Ihnen gute Ratschläge zu erteilen.“
„Aber trotzdem wollten Sie etwas sagen. Das konnte ich Ihren blitzenden grünen Augen ansehen. Und ich würde zu gern wissen, was es war.“
„Ich ziehe es vor, meinen Job zu behalten.“ Sie konnte einen scharfen Unterton nicht unterdrücken. Meine blitzenden grünen Augen?
„Oh, das werden Sie. Ich erlaube Ihnen hiermit auszusprechen, was Ihnen durch den Kopf geht. Sonst explodieren Sie womöglich noch vor lauter Selbstbeherrschung, Miss Bryant.“
Emily seufzte. Sie wusste, dass ihr Chef nicht lockerlassen würde. Sie hatte ihn schon oft bei Verhandlungen erlebt. Sie hatte beobachtet, wie er seine Beute umkreiste wie ein Raubvogel und immer engere Kreise zog, ehe er blitzschnell zuschlug und genau das bekam, was er haben wollte – ganz egal, ob es sich um eine Stahllieferung, ein Sonderkaufrecht oder ein Stück Land handelte.
„Na schön, wie Sie wollen. Ich frage mich, warum Sie sich diese unangenehmen Szenen nicht gleich ersparen. Die würde es nämlich nicht geben, wenn Sie Ihre … Affären ein bisschen anders handhaben würden.“
Als sie seinen belustigten Blick sah, überlief es sie schon wieder heiß.
„Und wie soll ich meine Affären handhaben? Indem ich den Frauen für immer abschwöre? Leider mag ich Frauen, und solange das der Fall ist, wird es immer eine geben, die hofft, dass ich sie zu meiner Prinzessin mache. Leider reagieren die meisten Frauen nicht sehr verständnisvoll, wenn sie herausfinden, dass das nie geschehen wird.“
„Dann sollten Sie sich Ihre Frauen vielleicht lieber nach deren Intellekt als nach deren Körbchengröße aussuchen“, platzte Emily heraus.
Kadir stutzte einen Moment und brach dann in schallendes Gelächter aus.
Emily lief ein Schauer über den Rücken, aber nicht vor Angst und auch nicht aus Verlegenheit. Nein, es war eher die tiefe Befriedigung, ihrem Dienstherrn endlich einmal die Meinung sagen zu können.
„Oh, ich werde Ihren charmanten Vorschlag überdenken, versprochen.“
„Sie wollten ja wissen, was ich denke.“
„Das wollte ich in der Tat.“ Kadir hob die Arme und reckte sich wie eine geschmeidige Katze. Sein Morgenmantel klaffte auf und entblößte seine festen Bauchmuskeln – und schon wieder diese verdammt schwarzen Haare. Gott sei Dank trug er wenigstens seidene Boxershorts.
Emily wandte den Blick ab, als sie spürte, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte und ihr der Atem stockte. Wieder überlief es sie heiß, doch sie unterdrückte die Empfindung – sie versteckte ihr Gefühl hinter ihrer üblichen Maske aus Anstand und Pflichterfüllung. Sie gehörte einfach nicht zu den Menschen, die sich von ihren Trieben steuern ließen. Wahrscheinlich hatte sie noch nicht einmal welche – zumindest nicht mehr. Und für eine derart professionelle Haltung hatte sie verdammt hart gearbeitet.
Was zum Teufel war also heute mit ihr los? Kadir sah sündhaft attraktiv aus, aber das war doch nichts Neues. Eigentlich hatte sie sich längst für immun gegen seinen Charme gehalten, aber unter den richtigen Umständen brachte er ihren Puls anscheinend noch immer in Aufruhr.
Vielleicht musste sie einmal zum Arzt, denn womöglich spielten ihre Hormone verrückt. Ja, das war die einzig plausible Erklärung.
Kadir schlenderte in seinem eleganten Gang ins Schlafzimmer zurück, während Emily atemlos zurückblieb. Da er die Tür nicht hinter sich schloss, hörte sie kurz darauf die Dusche angehen und malte sich unwillkürlich aus, wie er den Morgenmantel abstreifte und die Boxershorts über seine schmalen harten Oberschenkel gleiten …
Emily umklammerte ihr Notizbuch so fest, dass ihre Finger schmerzten. Dann glättete sie sich das Haar und die Kleidung, obwohl beides bereits perfekt saß, und ging nach Kadirs Frühstück sehen.
Nach einem langen und äußerst produktiven Tag saß Kadir in seiner Limousine und rieb sich den Nacken. Er hatte stundenlang am Schreibtisch gesessen und an seinem neuesten Projekt gearbeitet – einem Bürohochhaus im Pariser Geschäftsviertel und das letzte einer Reihe von Bauvorhaben, die er in den vergangenen Jahren verwirklicht hatte.
Er liebte es, der Stadtsilhouette ein neues Gesicht zu geben und den Entstehungsprozess zu begleiten, wie sich ein Stahlskelett in ein mit Leben gefülltes Gebäude verwandelte. Sein Auftraggeber würde sich über das Ergebnis freuen.
Neben ihm tippte seine Assistentin etwas in ihren Laptop. Kadir warf ihr einen verstohlenen Seitenblick zu. Miss Emily Bryant war vermutlich die beste Assistentin, die der Prinz je gehabt hatte. Sie war fleißig, professionell und managte sein Leben mit einer Effizienz, die er inzwischen mehr als zu schätzen wusste. Nichts entging ihrer Aufmerksamkeit, nichts blieb unerledigt. Und trotz der Szene von heute Morgen konnte nichts ihre Ruhe wirklich erschüttern.
Insgeheim freute er sich jeden Morgen darauf, dass sie in ihrem schwarz-weißen, dunkelblauen oder grauen Businessoutfit und ihren hässlichen Schuhen auftauchte, ehe sie mit ihm seinen Terminkalender durchsprach.
Emily war angenehm unkompliziert – die einzige Frau in seinem Leben mit dieser Charaktereigenschaft. Gott sei Dank fühlte er sich nicht zu ihr hingezogen, sonst würde er zweifellos seine längste Beziehung zu einer Frau, die nicht mit ihm verwandt war, ruinieren.
Er musste wieder an ihre Bemerkung von heute Morgen denken – sich die Frauen nach ihrem Intellekt anstatt nach ihrer Körbchengröße auszusuchen – und musste erneut schmunzeln. Emily war sonst immer so zurückhaltend, dass er nie mit einer so offenen Bemerkung ihrerseits gerechnet hätte.
Irgendwie fand er ihren Auftritt ganz reizvoll. Normalerweise wagte es nämlich keine Frau, ihm offen die Meinung zu sagen. Einem Prinzen widersprach man einfach nicht.
Sein Handy summte in diesem Augenblick. Er zog es aus der Tasche und reichte es an Emily weiter, da er sich zu müde zum Telefonieren fühlte. Emily sprach mit ihrer jungen frischen Stimme, die immer so klang, als sei sie noch sechzehn und nicht fünfundzwanzig. Kadir schloss die Augen und lehnte den Kopf zurück. Nachher würde er sofort ins Bett gehen. Er nahm sich für diesen Abend vor, keine Partys zu besuchen, manipulativen Models aus dem Weg zu gehen und sich überhaupt keinen Zerstreuungen hinzugeben.
„Eure Hoheit!“, sagte Emily plötzlich außer Atem und sah ihn aus geweiteten hellgrünen Augen an. Sie hielt ihm das Handy hin. „Ihr Vater ist am Apparat.“
Kadir umklammerte das Eisengeländer des Balkons und blickte auf die Stadt unter sich. Der Eiffelturm ragte leuchtend in den Himmel, und unter ihm glitten Autos durch die Straßen. Er hörte Gelächter von irgendwo aus dem Hotel, in dem er ein ganzes Stockwerk gemietet hatte, und eine sanfte Brise kühlte ihm die Haut.
Sein Vater lag im Sterben. Wieder und wieder spielte er Zaids Anruf im Kopf durch und war dabei emotional so aufgewühlt, dass er kaum klar denken konnte. Er musste an den majestätischen Mann seiner Kindheit denken – einen Mann, der ihm gleichzeitig Angst und Ehrfurcht eingeflößt hatte. Kadir wusste noch, wie sehr er sich immer um die Aufmerksamkeit seines Vaters bemüht und alles für ein bisschen Zuwendung getan hatte.