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Sinnlich, sündig, supersexy!
Lady Cecily Francis ist Lord Dury versprochen, doch nach ihrer ersten Begegnung mit dem wilden Earl of Augustine, beginnt sie von einem aufregenderen Leben zu träumen – an der Seite des skandalösen Amerikaners, über den ganz London flüstert. Jonathan will eigentlich nur seine Angelegenheiten in England regeln und so schnell wie möglich nach Amerika zurückkehren. Doch als ihm die charmante Cecily in die Quere kommt, werden plötzlich ganz andere Wünsche ihn ihm wach …
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Seitenzahl: 501
Buch
Lady Cecily Francis soll Lord Drury heiraten, den Mann, der eigentlich eine Schwäche für ihre Schwester hat. Doch nach ihrer ersten, skandalösen Begegnung mit dem wilden Earl of Augustine, über dessen Ausschweifungen ganz London flüstert, beginnt Cecily von einem aufregenderen Leben zu träumen. Wenn sie doch nur den attraktiven Earl aus Amerika heiraten könnte, statt des langweiligen englischen Lords …
Jonathan, Earl of Augustine, hat eigentlich nur ein Ziel: So schnell wie möglich das Erbe seines Vaters abzuwickeln, seine drei englischen Halbschwestern zu verheiraten und dann so rasch es geht in seine Heimat Amerika zurückzukehren. Doch das war, bevor ihm die charmante Cecily in die Quere kam …
Autorin
Emma Wildes hat an der Illinois State University Geologie studiert. Mit ihrem Mann Chris, den sie während ihrer Studienzeit kennenlernte, hat sie drei Kinder. An warmen Sommertagen trinkt sie gerne ein Glas Wein an dem See, der sich in der Nähe ihres Hauses befindet. Am liebsten allerdings sitzt sie in ihrem Arbeitszimmer und schreibt Romane.
Von Emma Wildes außerdem bei Blanvalet lieferbar
Schön und ungezähmt (37501), Ein gefährlicher Gentleman (37778),Eine heißblütige Lady (37779)
Emma Wildes
Verlockungder Leidenschaft
Roman
Deutschvon Juliane Korelski
Die Originalausgabe erschien 2010 unter dem Titel »One Whisper Away«bei Signet Eclipse, a division of Penguin Group (USA), New York.
1. AuflageDeutsche Erstausgabe März 2013 im Blanvalet Verlag, München,einem Unternehmen der Verlagsgruppe Random House GmbHCopyright © der Originalausgabe 2011 by Katherine SmithPublished in agreement with the author, c/o Baror International, Inc., Armonk, New York, USACopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2013 by Blanvalet Verlagin der Verlagsgruppe Random House GmbH, MünchenRedaktion: Regine KirtschigUmschlag: © Johannes Wiebel | punchdesign, unter Verwendungvon Motiven von Shelli Jensen/Shutterstock.com und von Chris Cocozzawr · Herstellung: samSatz: DTP Service Apel, HannoverISBN: 978-3-641-08480-6www.blanvalet.de
Für meinen Cousin Douglas.Du bist einer der nettesten Menschen, die ich kenne.
Kapitel 1
Es war bis zu diesem Vorfall ein absolut angenehmer Abend.
Lady Cecily Francis lächelte den jungen Mann, der sie von der Tanzfläche geleitete, liebenswürdig an. Sie nahm ein Glas Champagner vom Tablett eines vorbeigleitenden Lakaien und entschuldigte sich. Sie gab vor, sich für ein paar Minuten setzen zu müssen. Ihre Füße begannen zu schmerzen, da sie seit ihrem Eintreffen beim Ball zu jedem einzelnen Tanz aufgefordert worden war. Sie wurde belagert, das war vermutlich ein passender Ausdruck für das, was ihr widerfuhr. Obwohl sie sich von so viel Aufmerksamkeit geschmeichelt fühlte, hatte sie ihrer ersten Saison in der Londoner Gesellschaft nicht mit besonders viel Enthusiasmus entgegengesehen.
Für Cecilys Geschmack war der Ballsaal viel zu überfüllt, und das Summen hunderter Gespräche deutlich zu laut. Die Luft war schneidend. Aber wie ihr immer wieder von wohlmeinenden Tanten, Cousinen und anderen Familienmitgliedern – unter anderem ihrem Vater – versichert wurde, fand eine junge Frau keinen Ehemann, wenn sie auf dem Land auf einen wartete.
Sie entdeckte ihre Schwester, die mit einigen anderen jungen Ladys beisammenstand und mit ihnen plauderte. Cecily bahnte sich einen Weg zu ihnen. Keine leichte Aufgabe in diesem Gedränge. Als sie nur noch wenige Schritte entfernt war, passierte ein kleines Unglück. Ein ziemlich betrunkener Gentleman, der seinem Gegenüber eine Geschichte erzählte und dabei mit einem Arm eine weit ausholende Geste machte, stieß unglücklicherweise mit seinem Arm gegen Cecilys Ellbogen, und sie verschüttete einen Gutteil des Champagners über ihre Brust. Der Übeltäter war sich keiner Schuld bewusst, selbst dann nicht, als ihr ein erschrockener Laut entfuhr. Sie trug dieses Kleid heute zum ersten Mal, und blaue Seide vertrug sich nicht besonders gut mit Champagner. Einige Tropfen rannen sogar zwischen ihre Brüste.
»Erlaubt ihr?«
Sie blickte auf und schaute in die dunkelsten Augen, die sie jemals gesehen hatte. Diese Augen gehörten zu einem großgewachsenen Mann, der nun ein Leinentaschentuch aus seiner Manteltasche zog. Sie erkannte ihn sofort, schließlich redete der ganze haut ton seit Wochen über die Ankunft von Jonathan Bourne, den neuen Earl of Augustine. Man redete teils deshalb über ihn, weil er von fremdländischer Herkunft war, zum Teil aber, weil er berückend gut aussah.
»Ich danke Euch«, sagte sie erleichtert, obwohl sie ein wenig durcheinander war. Es fühlte sich merkwürdig an, die volle Aufmerksamkeit von Londons aktuell berüchtigtstem und zugleich als Heiratskandidat geeignetstem Earl zu haben. Denn zu seinem guten Aussehen kam hinzu, dass Bourne sehr wohlhabend war.
Allerdings überreichte er ihr das schneeweiße Stoffquadrat nicht. Nein, er beugte sich vor und begann, mitten in dem eleganten Gedränge des Londoner Ballsaals, kühn und eigenhändig den Fleck wegzuwischen.
Überrascht spürte Cecily das Streicheln des zarten Stoffs, der über ihre Kehle und die obere Wölbung ihrer Brüste glitt. Die Bewegung glich einer intimen Liebkosung. Es war fast so, als berührte er sie, ohne dass dieses dünne Stück Stoff zwischen ihrer feuchten Haut und seinen schlanken Fingern war. Sie spürte, wie die Hitze gegen ihren Willen in ihre Wangen schoss.
»Gern geschehen.« Er steckte das Taschentuch wieder ein. Seine Miene wirkte amüsiert.
Ein ziemlich bestürzter Teil von ihr konnte einfach nicht glauben, dass er soeben etwas so Unverschämtes getan hatte. Noch dazu vor den Augen all dieser Zeugen! Ein anderer, widerspenstiger Teil ihres Verstands war jedoch von der Wirkung seiner männlichen Schönheit fasziniert. Er war sündhaft dunkel, vom glatten, ebenholzdunklen Haar, das er der aktuellen Mode entsprechend zu einem Zopf gebunden trug, über die verführerischen Augen bis zu seiner bronzefarbenen Haut. Wenn man über seine ungewöhnliche Hautfarbe hinwegsah, war sein Knochenbau zudem fein modelliert – geschwungene Brauen, eine gerade Nase, ein leicht kantiges Kinn. Seine Unterlippe war etwas voller als die Oberlippe und verlieh seinem Mund einen sinnlichen Zug.
Er sah fremdländisch aus, und sein Akzent verstärkte diesen ersten Eindruck.
Sein schiefes Lächeln verriet ihr, dass er ganz genau wusste, welchen Eindruck er auf sie machte. Es war nicht unbedingt arrogant, strahlte aber auf jeden Fall eine für Männer typische Selbstsicherheit aus.
Diese unverhohlene Männlichkeit war kein englischer Wesenszug. Es war, als seien der maßgeschneiderte Mantel und die enge Reithose nicht mehr als eine Verkleidung. Es war im Grunde egal, dass seine Krawatte perfekt gebunden und mit einer funkelnden Diamantnadel festgesteckt war. Oder dass seine Stiefel offenbar maßgefertigt waren und jemand sie so lange poliert hatte, bis sie glänzten.
Irgendwie gelang es ihm trotzdem, den Eindruck zu vermitteln, er sei … ungezähmt. Exotisch. Vielleicht sogar unzivilisiert, obwohl er alle äußeren Anzeichen seiner noblen Herkunft zur Schau trug.
Dann machte er die ganze Angelegenheit noch schlimmer, indem er sich zu ihr vorbeugte. Er war ihr so nah, dass sein Atem warm über ihr Ohr strich. »Ihr habt eine wirklich köstliche, rosige Gesichtsfarbe angenommen, Mylady. Aber tröstet Euch mit dem Wissen, dass ich den Champagner viel lieber aufgeleckt hätte. Es war also überaus höflich von mir, das Taschentuch zu verwenden.« Er zögerte, weil sie bei dieser dreisten Bemerkung nach Luft schnappte. Erst dann vollführte er eine vollendete Verbeugung. »Guten Abend, Mylady.«
Er drehte sich um und ging an den Zuschauern vorbei, die ihm mit offenem Mund nachstarrten, als sei er sich ihrer Blicke gar nicht bewusst.
Cecily hingegen spürte nur allzu deutlich die gierigen Blicke. Auch ihre Schwester starrte sie an. Nur wenige Schritte entfernt sah Eleanor so aus, als werde sie Cecily gleich ernsthaft wegen eines Vergehens tadeln.
Es war vermutlich das Beste, wenn sie so tat, als sei dieser kurze Moment gar nicht passiert. Cecily gesellte sich zu dem nun schweigenden Grüppchen. »So ein Gedränge«, verkündete sie fröhlich. Aber sie wusste, ihre Wangen waren noch immer hochrot.
Eleanor war jedenfalls nicht gewillt, das soeben Geschehene einfach zu übergehen. »Ich wusste gar nicht, dass du mit Lord Augustine bekannt bist«, bemerkte sie spitz. Eleanor war zwei Jahre älter und erlebte ihre zweite Saison. In der ersten hatte sie einige Heiratsanträge abgelehnt, man konnte nicht gerade von einer erfolgreichen Saison sprechen. Sie war üppiger als Cecily, und ihr Haar hatte eine ganz andere Farbe. Trotzdem bestand eine gewisse Familienähnlichkeit. An diesem Abend trug sie ein hübsches, gelbes Kleid. Das dunkelblonde Haar trug sie zu einem eleganten Chignon aufgesteckt.
»Ich kenne ihn auch gar nicht.« Cecily nahm einen Schluck aus ihrem nun halb leeren Champagnerglas.
»Er hat sich jedenfalls verhalten, als wärt ihr vertraut miteinander.«
Als ob das ihr Fehler war. Es war wirklich schade, dass der meiste Champagner auf ihrem Kleid verschüttet worden war, denn im Augenblick hätte Cecily durchaus etwas mehr vertragen.
»Er stammt aus den Kolonien«, bemerkte eine ihrer Freundinnen, als könne man damit das unkonventionelle Verhalten des Mannes erklären. »Jeder redet im Moment über ihn. Er ist so … anders.«
»So provinziell«, fügte eine andere leise hinzu und fächelte sich gelangweilt frische Luft zu. Ihre Augen verengten sich, während sie ihm nachblickte. Er schob sich durch das Gedränge, doch dank seiner Größe war es leicht, ihn auszumachen. »Und dann ist er noch so unmodern dunkel. Ob es stimmt, dass seine Mutter ein Mischling ist? Mir hat jemand erzählt, sie ist halb Französin, halb eine Wilde. Was für eine Mischung! Earl Savage ist auch irgendwie ein Bastard, oder nicht?«
Obwohl die junge Lady so daherredete, verfolgte sie doch immer noch die hochgewachsene Gestalt des »wilden« Earls durch die Gästeschar mit dem Interesse einer unverheirateten Frau.
Cecily war klar, dass sie nicht die Einzige war, die ihm mit Blicken folgte. Alle Frauen im Ballsaal – zumindest jede, die sie gerade sehen konnte – schienen den Earl ziemlich interessant zu finden.
»Es ist ja offensichtlich, dass er kein Engländer ist. Schaut ihn euch nur an. Aber abgesehen davon ist er einfach betörend attraktiv«, verkündete Miss Felicia Hasselman. »Und nach dem, was man so hört, ist er auch ziemlich reich. Wenn man mal von seiner fragwürdigen Herkunft absieht, ist er keine so schlechte Partie. Aber ich habe gehört, er hat kein Interesse daran zu heiraten. Das steht für ihn wohl nicht an erster Stelle. Außerdem soll er wohl ein illegitimes Kind aus Amerika mit hierhergebracht haben. Er hat das kleine Mädchen als sein Kind anerkannt, sich aber zugleich geweigert, seine Mutter zu heiraten.«
Das war ziemlich schockierend.
»Nicht einmal Reichtum und eine Grafschaft könnten ein solches Verhalten ausgleichen«, bemerkte Mary Foxmoor und schnaubte delikat. Ihr Vater war ein Baronet, dem halb Sussex gehörte. »Ich würde nie einen Mann in Erwägung ziehen, der mich zwingt, seine Bastarde zu akzeptieren. Das ist absolut geschmacklos! Nein, er ist wirklich kein passender Heiratskandidat.«
Ach, jetzt ging es wieder um dieses Thema. Cecily fühlte, wie leiser Ärger in ihr aufstieg, der ihre Beschämung angesichts dessen, was soeben passiert war, übertünchte. Sie alle kannten nur ein Ziel: einen Mann zu finden, der einen Titel und ein großes Vermögen in die Ehe mitbrachte. Es war vielleicht idealistisch und geradezu romantisch, aber Cecily wünschte sich nicht das erste Mal, sie dürfe ihren Ehemann nach anderen Kriterien als seiner Abstammung und seinem Reichtum auswählen.
Obwohl sie das nie laut aussprechen würde, weil sie wusste, dass darüber gnadenlos geklatscht würde, verspürte sie doch eine gewisse Bewunderung für ihn, weil er sein eigen Fleisch und Blut nicht verleugnete und so tat, als existierte das kleine Mädchen nicht, nur weil es illegitim war. Cecily hatte keine Ahnung, welche Umstände Lord Augustine dazu bewogen hatten, nicht den Gentleman zu spielen und die Mutter seines Kinds zu heiraten. Aber sie wusste, dass viele sogenannte Gentlemen mit ihren Mätressen zahllose Kinder zeugten und diese dann auf ländlichen Anwesen wegsperrten. Manchmal hatten sie nicht einmal so viel Mumm, wenigstens so viel Verantwortung zu übernehmen.
»Was hat er zu dir gesagt?«, fragte Eleanor. Sie blickte Cecily neugierig an.
Es ging nicht anders. Erneut stieg Hitze in Cecilys Wangen auf, weil sie sich an seine skandalöse Bemerkung erinnerte. Schlimmer noch, ein verräterischer Teil von ihr fragte sich, wie es sich wohl anfühlte, wenn dieser fein modellierte Mund ihre nackte Haut streifte.
Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Du willst es uns nicht erzählen?«, fragte Felicia ungehalten.
»Nein.« Cecily gab sich große Mühe, ungerührt zu wirken. »Es war nichts.«
Die Freundinnen wechselten Blicke. »Bist du sicher, dass du Lord Augustine nicht kennst?«, fragte Miss Foxmoor skeptisch. »Er hat dir schließlich sogar etwas ins Ohr geflüstert.«
»Wir sind einander bisher nicht vorgestellt worden«, erwiderte Cecily knapp. Sie war nicht bereit einzugestehen, wie sehr diese kurze Begegnung sie aufgewühlt hatte.
»Nun denn«, sagte Eleanor trocken. »Ich denke, jetzt seid ihr wohl miteinander bekannt.«
Zur Abwechslung war Jonathan einmal nicht gelangweilt. Wer hätte gedacht, dass ein verschüttetes Glas Champagner den Abend so beleben könnte?
Nun, vielleicht war nicht das Getränk selbst daran schuld, dass er die Festlichkeit jetzt mehr genoss. Aber bestimmt der hübsche Busen, den der Champagner benetzt hatte.
Er wusste wohl, er hätte nicht so dreist sein dürfen – zumindest nicht vor den Augen der ganzen besseren Gesellschaft. Zu seiner Verteidigung konnte er allenfalls vorbringen, dass er sich seit der Ankunft seines Schiffs an den Docks von London vor einem knappen Monat stets tadellos verhalten hatte. Die Beschränkungen der Gesellschaft hatten ihn nie besonders interessiert, doch allmählich fand er sich in diese Maßstäbe ein. Obwohl die meisten Regeln in seinen Augen albern und unnötig waren.
»Werde ich mir jetzt einen Vortrag über angemessenes Verhalten anhören müssen?«, fragte er über den Rand seines geschliffenen Kristallglases hinweg. Er war erleichtert, dem Gedränge im Ballsaal entkommen zu sein und auf der Terrasse stehen zu können. Die Londoner Luft schmeckte immer leicht nach Kaminrauch, aber wenigstens gab es an diesem Abend, dank einer leichten Brise, Sterne am Himmel. Der aufkommende Wind duftete nach baldigem Regen.
James, ein Cousin ersten Grades und Sohn des jüngeren Bruders seines Vaters, lächelte nur zynisch und stützte einen Arm lässig auf die Balustrade. »Muss ich denn überhaupt erwähnen, dass du das nicht hättest tun dürfen?«
Wenn er den entsetzten Ausdruck auf dem Gesicht der jungen Lady richtig deutete, vermutlich nicht. Jonathan wich der Frage aus. »Sie ist sehr schön.«
James stieß heftig die Luft aus. »Das sind viele andere Ladys auch, die dich bereits mit einer gewissen Neugier und Bereitschaft ansehen, dich an sie heranzulassen. Aber das sind andere Frauen als die unschuldige Tochter des Duke of Eddington.«
Niemand musste ihm sagen, dass sie unschuldig war. Das hatte er an dem leichten – und sehr erregenden – heftigen Einatmen erkannt, als er sich zu ihr hinüberbeugte und ihr etwas ins Ohr flüsterte.
Es war nicht bloß eine Vermutung, dass nie zuvor ein Mann sich dazu erdreistet hatte, ihr so nahezukommen. Er hatte sie schockiert. Andererseits hatte sie auf seine Worte und Taten nicht unbedingt wie eine erzürnte, unschuldige Lady reagiert.
Das war wirklich faszinierend …
Sie hatte ein blumiges Parfüm aufgelegt, und der aufreizende Duft war von ihrer weichen, blassen Haut aufgestiegen. Ihre Augen hatten die ungewöhnlich klare Farbe von Topas. Er hätte bei ihren blonden Haaren und der elfenbeinernen Hautfarbe eigentlich blaue Augen erwartet. Die zarten Gesichtszüge und die Art und Weise, wie ihre Schlankheit ihre weiblichen Kurven noch betonte, hatten ihn überraschend heftig berührt.
Gewöhnlich favorisierte er keine blassen Blondinen. Aber die Tochter des Dukes war in der Tat wunderhübsch. »Wie heißt sie?«
»Richte dein Interesse lieber auf andere Frauen, Jon.«
Sie kannten einander gut seit James’ Zeit bei der Royal Navy, die ihn nach Amerika geschickt hatte, wo sich dank der Fügungen des Schicksals – und ihrer Familienbande – die Wege der beiden Männer kreuzten. Wenn man bedachte, welche Spannungen zwischen ihren beiden Ländern bestanden – und dass diese erst vor kurzem beigelegt worden waren –, hatten sie doch stets freundlichen und beständigen Kontakt gehalten, trotz oder gerade wegen dieses Konflikts. Jonathan mochte James, und er hätte ihn auch als Freund bezeichnet, wenn sie nicht so eng verwandt gewesen wären. Sie sahen sich sogar ein bisschen ähnlich, hatte man ihnen schon oft gesagt. Ihre Hautfarbe unterschied sich aber sehr voneinander.
Jonathan hob amüsiert eine Augenbraue. »Bist du jetzt etwa mein Aufpasser?«
»Zum Glück nicht.« James schmunzelte reumütig. »Ich bezweifle, dass irgendwer dieser Aufgabe gewachsen wäre. Aber wenn du meinen Rat hören willst: Bedenke bitte, du bist hier nicht in der Wildnis. An den Regeln des Anstands kannst du dich noch so aufreiben, aber sie sind nun einmal da. Ich weiß, wie sehr du selbstherrliche Verbote verabscheust.«
»Du kannst Boston kaum als Wildnis bezeichnen.«
»Und wie viel Zeit hast du tatsächlich in Boston verbracht?« James nippte an seinem Whisky und blickte Jonathan ausdruckslos an.
Zu viel, wollte Jonathan erwidern. Er verabscheute Städte. Dennoch hatte er oft geschäftlich in Boston zu tun gehabt, weil er Partner bei einem Unternehmen war, das dort mehrere Banken besaß. James hatte insofern recht, dass er, sobald es ihm nur irgend möglich war, in seinem Haus auf dem Land residierte. Dort konnte er lange Ausritte machen, frühmorgens im See schwimmen und beobachten, wie die Sonne über den Bäumen aufstieg …
Das vermisste er schon jetzt sehr. Dabei wusste er, seine Zeit hier in London hatte gerade erst begonnen.
»Erzähl mir mehr über sie.«
»Soll ich damit beginnen, dass sie dich etwas kostet, von dem du selbst gesagt hast, du hättest kein Interesse daran, diesen Preis zu zahlen? Wenn du vor Zeugen in einer Kathedrale stehen willst und deinen Namen und deinen Schutz im Tausch für sie in deinem Bett zu geben bereit bist, dann mach nur so weiter und jage ihr nach. Anderenfalls empfehle ich dir, dich auf anderen Pfaden nach den Vergnügungen umzuschauen, die London dir zu bieten hat. Ihr Vater ist ein sehr mächtiger Mann. Der Duke of Eddington ist einer der reichsten Männer Britanniens.«
Irgendwo sang ein Nachtvogel, und sein Ruf kam Jonathan fremd vor. Er war nun seit drei Wochen in England und fühlte sich wie ein Fremder. Daheim hätte er den Vogel mit absoluter Sicherheit sofort bestimmen können. »Ich habe doch wohl nicht gesagt, dass ich wünsche, mit ihr anzubandeln. Ich bin nur neugierig.«
Sein Cousin warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu, der eine Mischung aus Belustigung und Skepsis war. Dann zuckte er mit den Schultern. »Sie hat dieses Frühjahr ihr Debüt gegeben. Ihre ältere Schwester ist auch im heiratsfähigen Alter, wobei sie nicht so beliebt ist. Was an ihrem Ruf als Blaustrumpf allererster Güte liegen könnte. Die Kombination aus Schönheit und einer stattlichen Mitgift hat jedenfalls ihre Wirkung auf die Gesellschaft nicht verfehlt. Man geht davon aus, dass Lady Cecily eine sehr gute Partie machen wird.«
Jonathan bezweifelte, dass er eine sehr gute Partie war. Was nur realistisch erschien, denn trotz seines Vermögens und eines Titels, nach dem er nie gestrebt hatte, war er ein Mischling. Auch wenn er für gewisse englische Ladys ein Novum war und sie sich um ihn rissen, war er nun einmal anders, und das in einer Gesellschaft, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit Gleichförmigkeit feierte.
Cecily. Er fand, der Name passte zu ihr. Sehr englisch, sehr erlesen. Der Name ließ ihn an Rosenblüten in einem grünenden Garten denken. Trotzdem ließ das Wort Partie ihn innerlich zusammenzucken. James hatte natürlich recht. Er wusste auch gar nicht, warum er überhaupt gefragt hatte. Selbst wenn ihre anspruchsvolle Familie ihn als angemessen akzeptierte – und er bezweifelte, dass sie das tun würden –, war er doch nicht auf der Suche nach einer Ehefrau.
Höchste Zeit, das Thema zu wechseln. Er wollte nicht länger über die reizende, aber leider unerreichbare Tochter des Dukes nachdenken. Kühl sagte er: »Sag mir, was hast du heute über die Angelegenheit mit dem Bergbau herausgefunden?«
Er lauschte, während sein Cousin ihm erklärte, die Geschäftsbücher seien zuletzt nur flüchtig geführt worden. Der Verwalter habe sich erneut über die ungeschickt geführte Buchhaltung beklagt. »Beende Brownes Beschäftigungsverhältnis«, wies Jonathan seinen Cousin entschlossen an. »Es ist offensichtlich, dass er nichts taugt. Wir werden uns ab sofort nach einem neuen Mann für diese Aufgabe umsehen. Ich stelle jemanden ein, dem ich vertraue, und dann versuchen wir die Lage einzuschätzen.«
»Einverstanden. Ich habe schon vor langer Zeit versucht, deinen Vater zu überreden, die Verwaltung aller Landsitze und ebenso der Minen neu zu organisieren.«
»Und es hat beinahe ein Jahr gedauert, ehe ich nach England kommen konnte.« Jonathan war sich durchaus bewusst, dass es ihm nicht möglich gewesen war, nach dem Dahinscheiden seines Vaters in angemessener Zeit nach England zu kommen. Zunächst hatte es gedauert, ehe die Nachricht zu ihm durchdrang, und er hatte danach erst seine geschäftlichen Verpflichtungen in Amerika so regeln müssen, dass es ihm möglich war, nach England zu segeln. Dann nahm die Reise auch eine gewisse Zeit in Anspruch.
Nicht zu vergessen, dass es noch einige rechtliche Dinge zu erledigen gab. Wie zum Beispiel seine Abstammung nachzuweisen. Zu seiner äußersten Verblüffung hatte Uneinigkeit darüber bestanden, ob er das Recht hatte, sein Erbe anzutreten. Sein Vater hatte diese Probleme aber vorausgesehen und klugerweise dafür gesorgt, dass die wichtigen Dokumente bei seinem Anwalt hinterlegt waren.
Die Vorurteile, die man den Mischlingsnachkommen eines Adeligen entgegenbrachte, übertrafen die Auswirkungen eines Krieges und überwanden mühelos einen ganzen Ozean. Später musste er sich vermutlich aus diesem Grund auch um die Zukunft seiner Tochter sorgen; ihr würden sich vermutlich ähnliche Hindernisse in den Weg stellen. Wenigstens hatte er in ihrem Fall das Recht auf seiner Seite.
Adela war die größte Freude seines Lebens.
»Aber du bist gekommen«, sagte James gelassen. »Und was mich betrifft, so bin ich froh, dich hier zu haben. Ich bin allein nicht besonders gut vorangekommen.«
Als der Nächste in der Erbfolge hatte sein Cousin sich bis zu Jonathans Ankunft um seine Belange gekümmert, obwohl er wusste, dass ein anderer den Titel erben würde. Es war daher eine überaus großzügige Geste, und Jonathan hatte ihn inzwischen überzeugt, auch in Zukunft einige seiner Güter zu verwalten. »Ich weiß deine Bemühungen zu schätzen«, fügte Jonathan hinzu. »Soweit ich das bisher verstanden habe, sind meine Halbschwestern eine ziemliche Herausforderung.«
»Da wirst du von mir keinen Widerspruch hören«, murmelte James und hob das Glas zum Mund. »Mein Glück ist, dass sie jetzt dein Problem sind.«
Kapitel 2
Eher durch Zufall und ohne ihre eigene Schuld hatte sie London am gestrigen Abend in Aufruhr versetzt.
Nein, das stimmte so nicht, korrigierte Cecily sich stumm. Sie schaute auf die Rechtecke aus Sonnenlicht, die durch die Fenster im Salon ihrer Großmutter auf den Teppich fielen. Lord Augustine hatte diesen Aufruhr ausgelöst.
Sie saß auf der vorderen Kante ihres Stuhls im Stile Louis Quatorze’ und fragte so höflich wie möglich: »Können wir nicht einfach das Thema wechseln?«
Ihre Großmutter, die sich kerzengerade hielt, erwiderte kühl: »Wusstest du, dass man in den Clubs der Gentlemen bereits Wetten darüber annimmt, was er zu dir gesagt haben könnte?«
Die Antwort auf diese Frage lautete Ja. Sie hatte davon gehört. Natürlich nur, weil Eleanor sie ziemlich knapp gewarnt hatte. Aber ihr war klar, dass ihre Großmutter vor allem von dem Gedanken entsetzt war, ein Mitglied ihrer Familie könne Teil einer geschmacklosen Wette zwischen jungen Männern sein, die zu viel Geld und zu wenig Beschäftigung hatten.
Es zählte nicht, dass Cecily nicht um diese zweifelhafte Ehre gebeten hatte. Ihrer Großmutter mochten Horrorvorstellungen im Kopf herumspuken, aber in Wahrheit wusste Cecily, dass sie nichts Falsches getan hatte.
Wenn man davon absah, dass sie sich geweigert hatte, die Gerüchteküche noch weiter einzuheizen, indem sie wiederholte, was er gesagt hatte. Sie wusste selbst nicht genau, warum sie so zurückhaltend war. Seine dunkle Schönheit hatte sie nämlich mehr als nur ein bisschen berührt, und er war auch nicht grob unhöflich zu ihr gewesen. Ganz im Gegenteil. Sein Verhalten mochte ein wenig skandalös gewesen sein, natürlich. Das stand außer Frage. Aber wenn sie ehrlich war, hatte Lord Augustine ihr Interesse an ihm geweckt.
Keiner der höflichen, sich bei ihr anbiedernden Verehrer dieser Saison hatte das bisher auch nur annähernd geschafft.
»Was geschehen ist, ist bestimmt nicht wert, mit so viel Aufmerksamkeit bedacht zu werden«, protestierte sie. »Ein ungeschickter Gentleman hat mich angestoßen, weshalb ich etwas Champagner verschüttet habe. Lord Augustine kam mir zu Hilfe. Mehr ist nicht passiert.«
»Er hat deine … deine Person berührt, und dann hat er dir mit einer geradezu entsetzlichen Ungezwungenheit etwas zugeflüstert. Sein Verhalten hätte nicht einmal einem Ehemann zugestanden, der mit seiner Frau an einem öffentlichen Ereignis teilnimmt.«
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