Volksstücke - Adolph L'Arronge - E-Book

Volksstücke E-Book

Adolph L'Arronge

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Adolph L'Arronge war ein deutscher Bühnenautor, Theaterleiter, Theaterkritiker und Dirigent. Dieser Band enthält seine Theaterstücke "Mein Leopold" und "Hasemanns Töchter".

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Volksstücke

Adolph L Arronge

Inhalt:

Adolf L'Arronge  - Biografie und Bibliografie

Mein Leopold

Personen.

Erster Akt.

Verwandlung.

Zweiter Akt.

Verwandlung.

Dritter Akt.

Verwandlung.

Hasemann's Töchter

Personen.

Erster Akt.

Zweiter Akt.

Dritter Akt.

Vierter Akt.

Volksstücke, Adolf L'Arronge

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849630249

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Adolf L'Arronge  - Biografie und Bibliografie

Dramatiker, geb. 8. März 1838 in Hamburg, verstorben am 25. Mai 1908 in Kreuzlingen.Sohn des Theaterdirektors und Schauspielers E. Th. L. (gest. 1878), studierte auf dem Leipziger Konservatorium Musik, wirkte darauf als Theaterkapellmeister in Köln, Königsberg, Würzburg, Stuttgart u.a. O., übernahm 1866 die Direktion der Krollschen Oper in Berlin und schrieb hier seine erste Posse: »Das große Los«, deren Erfolg ihn ermutigte, auf der betretenen Bahn fortzuschreiten und der Musik untreu zu werden. Mit »Gebrüder Bock« beschritt er 1868 das Wallner-Theater, diese klassische Possenstätte, und von 1869–72 redigierte er die »Berliner Gerichtszeitung«. Dazwischen fand er Muße genug, teils mit andern, teils allein für das Theater Verschiedenes zu schreiben, so mit Hugo Müller die »Spitzenkönigin«, mit Wilken »Die Kläffer«, mit Moser den »Registrator auf Reisen« u.a., während er ohne Mitarbeiter für das Berliner Viktoria-Theater eine Feerie, die »Weiße Katze«, und die Kleinigkeit: »Papa hat's erlaubt« verfasste. Großen Erfolg hatte L. mit dem Volksstück »Mein Leopold« (1873), das rasch seinen Weg über alle deutschen Bühnen machte. 1874 übernahm er die Leitung des Lobe-Theaters in Breslau, die er bis 1878 führte; seitdem lebt er in Berlin, wo er 1881 das Friedrich-Wilhelmstädtische Theater erwarb, das er 1883 als »Deutsches Theater« neu eröffnete und bis 1894 leitete; noch jetzt ist er dessen Eigentümer. Weitere dramatische Arbeiten von ihm sind: »Alltagsleben«, Volksstück (1874); »Hasemanns Töchter« (1877); »Doktor Klaus« (1878), überall mit Beifall gespielt; ferner: »Wohltätige Frauen« (1879); »Haus Lonei« (1880); »Der Kompagnon« (1880); »Die Sorglosen« (1882); »Das Heimchen« (1883); »Der Weg zum Herzen« (1884); »Die Verkannten« (1886); »Lolos Vater« (1893); »Pastor Brose« (1895); »Annas Traum« (1896); »Mutter Thiele« (1898); »O. Langmanns Witwe« (1899); »Die Wohltätigen« (1901); »Sanatorium Siebenberg« (1903). L'Arronges Stücke vereinigen volkstümlichen Humor mit viel Sentimentalität, entbehren aber ebensosehr der künstlerischen Durchbildung wie der Lebenswahrheit; für den bis zur Mitte der 1880er Jahre herrschenden Bühnengeschmack sind sie charakteristisch. Auch im höhern Stil versuchte sich L. mit dem Trauerspiel »Die Loreley« (1886).

Mein Leopold

Volksstück in 3 Akten

Personen.

Zernickow, Amtsrichter.

Natalie, dessen Frau.

Marie,

Anna,

Emma, deren Töchter.

Gottlieb Weigelt, Schuhmacher-Meister.

Clara,

Leopold, Referendar, seine Kinder.

Minna, Dienstmädchen in Weigelt's Hause.

Rudolf Starke, Werkführer bei Weigelt.

Mehlmeyer, Klavier-Lehrer.

Hempel,

Stresow,

Lipsky, Gesellen.

Wilhelm, Lehrjunge.

Krümel, Unteroffizier.

Schwalbach, Kaufmann.

Mielisch.

Schmidt.

Gottlieb,

Carl, Knaben.

Eine Wäscherin.

Hausbewohner. Schuhmachergesellen. Gäste. Kellner. Lieferanten.

Ort der Handlung: Berlin.

Zwischen dem ersten und zweiten Akt liegt ein Zeitraum von 2 Jahren

zwischen dem zweiten und dritten Akt ein Zeitraum von 5 Jahren

Erster Akt.

Einfach möbliertes Zimmer beim Stadtrichter Zernickow. Eine Mitteltür, zwei Seitentüren; rechts ein Fenster, davor ein Nähtisch nebst Stuhl und Fußbank. Links zur Seite ein altes Sopha, davor ein mit einem Tischtuch bedeckter Tisch, auf demselben einige Vasen mit frischen Blumen, kleine Geschenke, Stickereien u.s.w. und ein Napfkuchen.

1. Szene.

Zernickow. Natalie. Marie. Anna. Emma.

Alle sitzen um den Tisch und trinken Kaffee.

ZERNICKOW. Das muß wahr sein, so reich, wie heute, bin ich noch nie beschenkt worden. Gewiß habt Ihr wieder bis in die Nächte hinein gearbeitet, Euch die Finger wund gestochen?

ANNA. Mach' dir darum keine Sorge, Vater.

MARIE. Du weißt ja, wie glücklich es uns macht, dir eine kleine Freude bereiten zu können.

ZERNICKOW. Ja, das weiß ich, und wenn mich etwas inmitten meiner Zufriedenheit bekümmert, so ist es der Gedanke, daß ich es nicht einmal dahin bringen kann, so viel zu verdienen, daß Ihr, meine guten Kinder, nicht nötig hättet, für fremde Leute zu arbeiten. Mein Gehalt reicht leider kaum für das Notwendigste.

NATALIE. Du hast gar nicht nötig, dich zu beklagen, Alter. Wir sind Gottlob alle gesund, wir haben satt zu essen.

MARIE. Dann mußt du ja auch bald Rat werden.

ZERNICKOW. Na, damit hat's gute Wege; es sind Aeltere, auch wohl Verdienstvollere da.

ANNA. Du bist zu bescheiden, Vater.

NATALIE. Die Mädchen haben ganz recht, du setzest dich immer hintenan, du denkst nie an dich. Wir haben erst gestern darüber gesprochen – dein schwarzer Rock ist nun schon vier Jahre alt, er ist ganz aus der Mode gekommen.

ZERNICKOW. Aber er ist noch heil.

NATALIE. Ganz egal, du mußt dir einen neuen Rock machen lassen.

ZERNICKOW. Es geht nicht, Mutter, so viel ist nicht übrig.

EMMA. Es ist unerhört, daß der Staat seinen intelligentesten Beamten nicht einmal so stellt, daß er moderne Röcke tragen kann.

ZERNICKOW. Das verstehst du nicht, Hanswurst. Der Staat braucht Beamte, aber der Beamte braucht keinen Staat. Wenn Ihr die Mode mitmacht und Euch putzt, so hat das gewissermaßen seine Berechtigung – Ihr seid junge Mädchen, wollt heiraten, müßt also Eure Netze ausstellen.

EMMA mit komischer Empfindlichkeit. Netze ausstellen? Oho, Herr Amtsrichter, das haben so liebreizende junge Damen, wie wir, gar nicht nötig.

ZERNICKOW lächelnd. Na, na?

EMMA. Wenn wir wollten, könnten wir alle Tage heiraten.

ZERNICKOW. Ich wäre begierig zu wissen, wen?

EMMA. Wen? Na, da ist erstens der Sohn unseres Hauswirts, ein sehr hübscher junger Mann.

NATALIE. Ach, Emma, schwatze doch keinen Unsinn.

MARIE. Ich dächte auch –

ZERNICKOW. Bildest du dir wirklich ein, daß der sich um Euch bekümmert?

EMMA. Von Einbildung kann hier gar nicht die Rede sein, ich weiß es genau, daß Herr Weigelt junior schon seit mehreren Wochen jedesmal, wenn er ausgeht und wieder nach Hause kommt, seine Blicke mit lebhaftem Interesse auf dieses Fenster richtet. Wen sein Auge hinter der Gardine sucht, weiß ich nicht, aber doch jedenfalls Eine von uns Dreien.

ANNA achselzuckend. Ich kenne den Herrn gar nicht.

NATALIE. Und ich sage dir, wenn er sich wirklich um Eine von Euch bewerben sollte – woran er gewiß gar nicht denkt – ich würde mich doch sehr besinnen, ehe ich »Ja« sagte.

EMMA. Und warum?

NATALIE. Der Herr Referendarius Weigelt erfreut sich gar keines guten Rufes.

MARIE. Ich glaube, liebe Mutter, du bist mit deinem Urteil doch wohl etwas zu vorschnell. So viel ich weiß, oder vielmehr gehört habe, trifft die Schuld für den etwas zweifelhaften Ruf des Sohnes mehr den Vater. Er hängt mit einer wahren Affenliebe an ihm, hat ihn verhätschelt und verzogen und von Jugend auf jeden seiner Wünsche, fast noch ehe er ausgesprochen war, erfüllt. Die überschwängliche Empfehlung des Vaters erweckt gegen den Sohn eine Antipathie, welche – so glaube ich wenigstens – durchaus nicht gerechtfertigt ist.

EMMA. Na, da habt Ihr's ja! Marie wirft sich zu seinem Verteidiger auf – das ist die Harmonie verwandter Seelen – sie ist es, der seine Fensterpromenaden gelten.

MARIE aufstehend. Ich finde deine Späße sehr unpassend, liebe Emma.

EMMA steht ebenfalls aus und umarmt Marie – gutmütig. Du bist mir doch nicht etwa böse?

MARIE leise, sehr erregt. Ich bitte dich, höre auf, du marterst mich.

EMMA erstaunt. Wie?!

ZERNICKOW. Nun, Marie, was ist das? Bist du schon fertig mit dem Frühstück?

MARIE. Ja, ich habe heute die Küche und muß dafür sorgen, daß der Geburtstagsbraten auf's Feuer kommt.

Rasch ab durch die Mitte.

2. Szene.

Vorige, ohne Marie.

ZERNICKOW. Na, Hanswurst, ist dein Appetit auch schon gestillt?

EMMA. Durchaus nicht, Väterchen, ich werde jetzt erst anfangen dem Napfkuchen Ehre anzutun. Setzt sich wieder an den Tisch.

ANNA zu Emma. Du, was hatte denn Marie? War sie wirklich böse?

EMMA. Bewahre! Aber Ihr wißt ja, wie sie ist. Von dem Kuchen essend. Ihr gutes Herz kann es nicht zugeben, daß man über irgend jemand etwas Schlechtes sagt.

NATALIE. Das ist eine sehr lobenswerte Eigenschaft, viel hübscher, als wenn man sich über jemand moquiert.

EMMA. Das soll gestichelt sein, ich weiß schon, aber es stimmt nicht. Da ist zum Beispiel unser Chambreganist, der Herr Mehlmeyer, über den Ihr Euch immer lustig macht.

ZERNICKOW. Der närrische Kauz mit den langen Haaren?

ANNA. Der überall, wo er geht und steht, Klavier spielt –

NATALIE. Von dem man keine andere Antwort kriegt, als Triller und Passagen –

EMMA welche unruhig auf ihrem Stuhle hin- und herrückt. Seht Ihr, seht Ihr! Da seid Ihr schon im besten Zuge. Und ich – was tue ich? Ich stimme nicht mit ein in Eure moquanten Bemerkungen, im Gegenteil, ich sage: Herr Mehlmeyer ist ein sehr interessanter Mann, ein genialer Künstler. Außerdem hat er Aussichten, sehr gute Aussichten: eine reiche Tante in Bremen, einen reichen Onkel in Hamburg und einen reichen Bruder auf den Südseeinseln. Wenn Einer stirbt, erbt er was.

NATALIE. Emmchen, sprich nicht so laut; wenn er dich hörte, könnte er am Ende glauben, daß –

EMMA. Was? Daß ich nicht »Nein« sagen würde, wenn er mich fragte, ob ich ihn heiraten will?

NATALIE vorwurfsvoll. Aber Emma!

EMMA näher an den Tisch rückend, geheimnisvoll. Kinderchen, Scherz bei Seite, ich habe Ahnungen – paßt auf, es ereignet sich was. Neulich, als wir zusammen vierhändig spielten, machte er allerlei verfängliche Anspielungen. Wenn meine rechte Hand im Diskant zu tun hatte, suchte seine linke Hand immer den Baß, und wenn ich mit dem einen Fuß den Pianodämpfer drückte, drückte er mit dem andern Fuß immer den Fortezug. Ihr sollt sehen, er macht mir nächstens einen Antrag.

NATALIE. Ach, du bist närrisch.

ANNA. Ich finde das nicht sehr anständig.

EMMA piquiert. Was?

ANNA. Daß Ihr nicht nur vierhändig, sondern auch vierfüßig spielt.

EMMA aufspringend. Hör' mal, das muß ich mir verbitten.

ZERNICKOW. Na, na, wollt Ihr Euch auch zanken?

NATALIE. Es wäre besser, Ihr wähltet Euch anderen Unterhaltungsstoff, als junge Männer, die Euch eigentlich gar nichts angehen. Da Ihr aber den Herrn Mehlmeyer aufs Tapet gebracht habt, so wollen wir auch nicht vergessen, daß heute der Erste ist und ihn durch eine kleine Nota daran erinnern.

ZERNICKOW. Nicht doch, Natalie, das könnte er übelnehmen.

NATALIE. Alterchen, das ist mein Ressort, das verstehst du nicht. Wenn ich den jungen Herrn nicht allmonatlich daran erinnerte, daß er seine Miete zu bezahlen bar, würde ich manchmal mit dem Hausstandsgeld zu kurz kommen. Zu Anna. Hat die Aufwärterin schon sein Frühstück geholt?

ANNA. Nein.

NATALIE. Dann will ich ihm gleich die Rechnung mitschicken. Anna, hole mir doch von der Kommode drinnen mein Notizbuch, in dem die kleinen Auslagen stehen.

ANNA aufstehend. Ja.

NATALIE. Bringe auch Papier und das Schreibzeug mit.

ANNA ab nach rechts.

ZERNICKOW sieht nach der Uhr. Der Tausend! Es ist ja schon beinahe halb neun Uhr; ich werde mich ankleiden und aufs Gericht gehen. Steht auf.

NATALIE. Wann kommst du zum Essen?

ZERNICKOW. Na, ich denke bis zwei Uhr zu Hause zu sein. Ich werde mich bemühen, die Parteien möglichst schnell abzufertigen. Im Vorbeigehen Emma auf die Schulter klopfend. Na, Hanswurst, woran denkst du?

EMMA aus ihren Gedanken auffahrend. Ich? An gar nichts. Ich werde in die Küche gehen und Marie beim Kochen helfen.

Anna kommt zurück; sie bringt Papier, Schreibzeug und das Notizbuch mit und stellt alles vor Natalie auf den Tisch.

ZERNICKOW. Du auch? Sapperlot! Da darf ich mich wohl auf lukullische Genüsse vorbereiten? Ich bin sehr neugierig. Ab nach rechts.

Emma und Anna räumen das Kaffeegeschirr zusammen und gehen damit durch die Mitte ab.

EMMA währenddessen bei Seite. Ich muß jedenfalls erfahren, was das mit Marie und dem jungen Weigelt für eine Bewandtnis hat. Ab.

3. Szene.

Natalie. Dann Mehlmeyer.

NATALIE schreibend. Miete für einen Monat: 24 Mark – Frühstück: 6 Mark. Nun die Auslagen. Schlägt das Notizbuch auf. Es klopft an der Türe links. Klopfte da nicht jemand? Es klopft wieder. Das ist an Herrn Mehlmeyer's Tür. Herein!

Mehlmeyer tritt von links ein. Er trägt ein Nachthemd ohne Kragen und Manschetten, er hat den Rock bis an den Hals zugeknöpft und sucht zu verbergen, daß er noch nicht Toilette gemacht hat. Mehlmeyer hat ein dünnes Schnurrbärtchen und lange blonde Haare, die ihm öfters über die Stirn ins Gesicht fallen; er wirft die Haare dann mit einer raschen Kopfbewegung zurück. Fast unaufhörlich trällert er Melodien und Passagen vor sich hin, auch bewegen sich seine Finger dabei, als ob er Klavier spielte. Wenn er in der Nähe eines Möbelstückes steht, so trommelt er, leise summend, auf demselben herum; auch selbst Personen, mit denen er im Gespräch ist, berührt er, in Gedanken immer Klavier spielend, mit den Fingern. Doch wird der Darsteller des Mehlmeyer zu bedenken haben, daß er darin nicht zu weit geht und durch

Uebertreibung nicht etwa die komische Wirkung abschwächt.

MEHLMEYER sich höflich verbeugend. Ich wünsche guten Morgen, Frau Amtsrichter. Wirft die Haare zurück.

NATALIE. Guten Morgen, Herr Mehlmeyer. Sie sind ja heute früh bei Wege?

MEHLMEYER. Früh? Allerdings – ja, wenn man bedenkt, daß ich diese Nacht – Dudilie! Markiert in der Luft mit beiden Händen eine Passage.

NATALIE. Wie?

MEHLMEYER. Wir hatten gestern Abend nach dem Konzert noch eine gehörige Kneip – ein Festessen hatten wir – ja. Da haben wir fest gegessen und gesessen.

NATALIE lächelnd. Wahrscheinlich auch getrunken.

MEHLMEYER vergnügt. Richtig, getrunken und gejeu – geschehen ist nichts weiter, nein. Didideldeldum!

NATALIE. Was verschafft mir denn die Ehre Ihres frühen Besuches? Wollen Sie nicht Platz nehmen?

MEHLMEYER. Ich bin so frei. Setzt sich an den Tisch. Ah, Kuchen, Blumen –

NATALIE. Es ist heute der Geburtstag meines Mannes – Betonend. der erste Juni.

MEHLMEYER. Der Geburtstag des Herrn Amtsrichters? Ich gratuliere von Herzen.

NATALIE. Mein Mann ist am ersten Juni geboren.

MEHLMEYER. Am ersten Juni – so? Ich bin am zwanzigsten Oktober geboren. Wie gesagt, ich gratuliere. Dudideldum. Führt eine Passage auf dem Tisch aus und wirft dabei eine der Blumenvasen auf die Erde.

NATALIE erschrocken. Ach!

MEHLMEYER aufstehend und die Vase wieder aufnehmend. Entschuldigen Sie, ich dachte gerade an die neue Sonate von Brahms. Ich sage Ihnen, da sind ein paar verflixte Oktavensprünge drin. Sehen Sie, ich kann doch wahrhaftig was greifen – Hält ihr seine ausgespannte rechte Hand vors Gesicht. aber –

NATALIE abwehrend. Bitte, das interessiert mich gar nicht.

MEHLMEYER. So?

NATALIE. Sie würden mich sehr verbinden, wenn Sie mich auf einen Augenblick ungestört ließen.

MEHLMEYER zurücktretend. Mit Vergnügen.

NATALIE. Ich bin eben dabei, Ihre kleine Monatsrechnung zusammenzustellen.

MEHLMEYER. Ah, sehr angenehm. Bei Seite. Das könnte mir gerade noch fehlen. Eine scheußliche Situation! Drinnen sitzt meine Wäscherin und will die Oberhemden nicht eher hergeben, als bis ich neun Mark berappt habe. Wo soll ich heute neun Mark herkriegen – nach solch' pechöser Nacht! Der Bube hat nicht ein einziges Mal eingeschlagen. Aber meine Wäsche muß ich haben – ich kann doch nicht im Nachthemd ausgehen und Stunden geben. Ob ich mich der Alten anvertraue? Die Leute scheinen ganz gut situiert zu sein. Ich möchte es versuchen. Lalalabumbum!

NATALIE welche bisher an den Fingern gerechnet und dann geschrieben hat, steht auf. So, hier ist die kleine Nota. Ich wollte sie Ihnen eigentlich mit dem Frühstück hineinschicken –

MEHLMEYER sich verbeugend, wobei ihm das Haar ins Gesicht fällt. O, Sie sind zu aufmerksam.

NATALIE. Nun können Sie sie ja gleich in Empfang nehmen. Miete, Kaffee, kleine Auslagen – zusammen sieben und dreißig Mark vierzig Pfennige.

MEHLMEYER die Rechnung einsteckend. Sehr schön, ich danke.

NATALIE betonend. Sieben und dreißig Mark vierzig Pfennige!

MEHLMEYER. Jawohl, sieben und dreißig Mark vierzig Pfennige. Noch neun Mark dazu, das wäre dann zusammen –

NATALIE. Wie?

MEHLMEYER. Ach so! Tief Atem holend. Gnädige Frau – Rasch. kennen Sie die neue Sinfonie von Mahler?

NATALIE verwundert den Kopf schüttelnd. Nein.

MEHLMEYER. Nein? – schade! Aber Ihr Fräulein Tochter, Fräulein Emma – ja, die kennt sie. Wir haben sie neulich vierhändig gespielt. Dideldidum! O, Fräulein Emma ist sehr musikalisch.

NATALIE bei Seite. Wie kommt er denn auf Emma? Laut. Nun, ich denke, Sie wollten mich um etwas bitten?

MEHLMEYER. Ganz recht – ja. Wenn ich nämlich vorhin sagte: Neun Mark dazu, so meinte ich – sehen Sie, gnädige Frau, es ist scheußliches Pech, daß der Bube nicht ein einziges mal – Nein, ich wollte sagen, nur eine momentane Verlegenheit; denn am Ende – ich habe eine reiche Tante in Bremen, einen reichen Onkel in Hamburg und einen reichen Bruder auf den Südseeinseln. Wenn Einer stirbt, erbe ich was. Jawohl. Ist näher getreten und berührt unwillkürlich mit den Fingern Natalien's Schulter. Diese sieht ihn erstaunt an, und er weicht zurück. Entschuldigen Sie.

NATALIE bei Seite. Der Mensch kommt mir heute ganz sonderbar vor. Sollte die Emma vielleicht doch Recht haben?

MEHLMEYER bei Seite. Ich verheddere mich immer mehr und komme nicht zum Ziel. Laut. Gerade heraus, Frau Amtsrichter –

NATALIE. Nun?

MEHLMEYER Mut fassend, indem er nach links zeigt. Meine Wäscherin ist drinnen.

NATALIE. Ach so! lassen Sie sich gar nicht stören. Wir können unser kleines Geldgeschäft auch später abmachen. Guten Morgen, Herr Mehlmeyer. Ab nach rechts.

MEHLMEYER sich verbeugend. Es war mir sehr angenehm.

4. Szene.

Mehlmeyer. Dann Emma. Später die Wäscherin.

MEHLMEYER. Donnerwetter! Das habe ich dumm angefangen – sie hat gar nichts gemerkt. Aber ich muß meine Hemden haben, und der alte Cerberus drinnen gibt sie nicht her ohne Berappung. Zählt sein Geld. Fünfzig Pfennige – sechszig Pfennige – noch ein Pfennig und ein Knopf – das reicht nicht. Was fange ich nur an?

EMMA durch die Mitte. Nein, wer hätte das gedacht von der stillen Marie – ein heimliches Liebesverhältnis! Erblickt Mehlmeyer und schreit auf. Ha!

MEHLMEYER Emma bemerkend. Ach, Fräulein Emma! Habe ich Sie erschreckt?

EMMA. Ich habe allerdings nicht vermutet, Sie hier zu finden.

MEHLMEYER. Ich hatte eine kleine Unterredung mit Ihrer Frau Mutter.

EMMA. Ach so. Setzt sich an den Arbeitstisch am Fenster; bei Seite. Was mag er nur gewollt haben?

MEHLMEYER bei Seite. Es ist zwar ein kühner Gedanke, aber – in der Not frißt der Teufel Fließen – ich möchte es beinahe wagen. Laut. Ich störe Sie doch nicht bei der Arbeit?

EMMA. Durchaus nicht.

MEHLMEYER. Dann bin ich so frei – auf einen Augenblick. Nimmt sich einen Stuhl und setzt sich neben Emma. Mein Fräulein, ich weiß nicht, wie Sie über mich denken? Dudeldideldum!

EMMA lächelnd. O, ich habe großen Respekt vor Ihrer Virtuosität.

MEHLMEYER. Sie sind sehr gütig, sehr liebenswürdig – wahrhaftig! Und wenn ich wüßte, daß ich Ihnen, ohne Sie zu erzürnen, etwas sagen dürfte –

EMMA. Warum denn nicht? Bei Seite. Das klingt ja gerade, als wollte er –

MEHLMEYER. Sehen Sie, zuerst wollte ich eigentlich mit Ihrer Frau Mutter darüber sprechen, nun möchte ich es aber lieber Ihnen sagen.

EMMA. Ich glaube auch, daß das richtiger ist.

MEHLMEYER. Sie glauben? Um so besser! Wir sind uns ja auch am Ende nicht mehr so ganz fremd – Trillert eine Passage auf der Lehne ihre Stuhles.

EMMA. O nein.

MEHLMEYER. Ich habe Ihnen, glaube ich, schon über meine Verhältnisse gesprochen: ich habe eine reiche Tante in Bremen, einen reichen Onkel in Hamburg und –

EMMA fortfahrend. – einen reichen Bruder auf den Südseeinseln. Wenn Einer stirbt, erben Sie was.

MEHLMEYER. Erbe ich was – richtig. Es fragt sich nur, ob Sie darauf hin, das heißt, ob Ihnen diese Sicherheit –

EMMA bei Seite, erfreut. Es ist richtig, er will mir einen Antrag machen. Laut. Herr Mehlmeyer, ich hoffe, Sie denken nicht schlecht von mir, daß Sie glauben, ich möchte mein Leben lang die Hände in den Schoß legen. Wir sind zur Häuslichkeit erzogen, ich bin an die Arbeit gewöhnt und habe mir schon manches hübsche Taschengeld verdient.

MEHLMEYER näher rückend. Wirklich? Das freut mich sehr. Lalala! Bei Seite. Sie kommt mir halb und halb entgegen – gutes Mädchen! Laut. Mein Fräulein, Fräulein Emma! Wie soll ich es Ihnen sagen? Ich befinde mich in einiger Verlegenheit –

EMMA. O, Sie! ein Künstler, der so viel mit Damen umgeht –

MEHLMEYER. Eigentlich poussiere ich mehr den Buben.

EMMA erstaunt. Wie?!

MEHLMEYER. Ich spreche schon wieder dummes Zeug. Aber ich will Mut fassen und Ihnen unumwunden alles gestehen.

EMMA bei Seite. Darauf warte ich ja.

MEHLMEYER ergreift ihre Hand. Liebe Emma! Schlägt einen Triller in Emma's Hand.

EMMA zusammenzuckend. Nicht doch, das kitzelt. Zieht ihre Hand zurück.

MEHLMEYER. Entschuldigen Sie. Bei Seite. Schade! Jetzt war ich gerade so weit.

DIE WÄSCHERIN steckt den Kopf durch die Seitentür links. Na, wie ist das, Herr Mehlmeyer? Lange warte ich nun nicht mehr. Schlägt heftig die Tür zu.

EMMA erstaunt. Was war das?

MEHLMEYER. Das war – das ist es ja eben – Ergreift wieder ihre Hand. Liebe Emma –

EMMA bei Seite. Kein Zweifel, er liebt mich!

MEHLMEYER. Werden Sie mir auch nicht böse sein?

EMMA verschämt zur Erde blickend. Warum denn böse?

MEHLMEYER. Nun – Rasch einen Anlauf nehmend. Borgen Sie mir zehn Mark.

EMMA aufspringend. Was?! Weiter wollen Sie nichts von mir?

MEHLMEYER ebenfalls aufstehend. Nein. Die Dame, welche sich soeben gemeldet hat, ist meine Wäscherin; sie will die Oberhemden nicht ohne Berappung hergeben, und ich bin momentan ganz blank. So, nun ist's raus. Dudeldidum!

EMMA gewaltsam ihren Zorn niederkämpfend. Mein Herr! Sie – Sie – o, pfui!

MEHLMEYER kleinlaut. Sie sind mir also doch böse?

EMMA höhnisch lachend. Böse? O nein, durchaus nicht. Bitte, es wird mir eine große Ehre sein. Oeffnet den Nähtisch. Da, da, nehmen Sie doch – drei, sechs, neun, zehn Mark. So, Sie – Sie, pfui! Schämen Sie sich. Bei Seite; vor Aerger ihr Taschentuch zerrend. Schändlich! Ich erwarte eine Liebeserklärung, und er pumpt mich an. Es ist empörend! Zornig ab durch die Mitte.

MEHLMEYER. Ein gutes Mädchen, die Emma – sie tut zwar ein bischen böse, aber sie hat mir die zehn Mark doch gegeben. Sie würde mir vielleicht noch mehr gegeben haben, wenn ich es verlangt hätte. Na, ein andermal! Vorläufig bin ich froh, daß ich meine Oberhemden einlösen kann. Tralala! Trällernd ab nach links.

5. Szene.

Weigelt durch die Mitte eintretend.

Weigelt, ein derber Handwerksmeister, etwa 50 Jahre alt, dunkles Haar, sehr rüstig. Er trägt große goldene Ringe, mit denen er kokettiert, eine dicke Uhrkette und altmodischen Rohrstock mit vergoldetem Knopf. Sein Auftreten ist ein sehr sicheres und selbstbewußtes.

Auftritts-Lied.

WEIGELT.

Mein Leben kennt bloß eine einz'ge Wonne,

Und dafür geb' ich Alles in den Kauf.

Mein Sohn, mein Leopold, ist meine Sonne,

Mein ganzer Mensch geht in dem Vater auf.

Ich habe zwar noch eine Tochter Kläre,

Sie ist, ich weiß es, auch ein gutes Kind;

Allein, wie ich mir auch dagegen wehre,

Für ihre guten Seiten bin ich blind.

Meine einzige Passion

Ist mein Sohn!

Ich rauche nicht und schnupfe nicht und esse

Bescheiden selbst das einfachste Gericht;

Daß ich nicht trinke, zeigt der Nase Blässe,

Auch in ein Wiener Café geh' ich nicht.

Ich gehe nicht mit Flinte oder Angel

Nach Wildpret oder Fische auf die Jagd;

Ich geh' auch in einen Tingeltangel

Und auch nicht an die Börse, wo es kracht.

Meine einzige Passion

Ist mein Sohn!

Mein Vater war Schuster, hatte Vermögen und einen einzigen Sohn – gerade wie ich. Aber was hat er für mich getan? Gar nischt. Er hat mir aufwachsen lassen, wie und so lang ich wollte, dann hat er sich hingelegt, is gestorben und hat mir nischt hinterlassen, als sein Geld und die Kunst, aus Leder, Pech und Draht Stiebeln zu machen. Ich bin – Sich umsehend.allein kann ich es mir ja gestehen – ein ganz ungebildeter Mensch; ich befinde mir in einem ewigen Kampf mit der Grammatik. Und das is mein Schmerz. O, warum gab es in meiner Jugend noch keinen gütigen Magistrat, der nachlässige Eltern zwung – zwängte – zwickte. – Zum Publikum. Da sehen Sie's – Energisch.zwong, ihre Kinder in die Schule zu schicken?! Aber so bin ich aufgewachsen als reiner Naturmensch. Wenn ich sage, Naturmensch, dann meine ich, ohne Gumminasium, ohne Universum. Dafür habe ich mir aber gelobt: Gottlieb, sagte ich mir, wenn du mal Nachkommenschaft kriegst, und es is ein Junge, denn soll er lernen, was in ihm ringeht, damit er sich nich, wie sein Vater, zu schämen braucht vor einem dämlichen Schusterjungen, der orthodox schreiben kann. Und so kam es auch. Freudestrahlend. Mein Leopold! Das is ein andrer Kerl wie ich – ja! Studiert hat er sogar – jux utri – utri – na egal, jux hat er studiert – ja! Minister kann er werden, wenn er will – ja! Aber wie ich den Bengel auch lieb habe, des glaubt keen Mensch nich. Was er sich wünscht, das kriegt er – man hat es ja dazu! Mein Sohn, mein Leopold, soll mal anders von mir denken, wie ich von meinem Vater. Er weiß auch nich, wie schlecht ich mit die Grammatik stehe. Bewahre! Mein Tochter Kläre schreibt meine Briefe und liest mir die Zeitung vor, so daß ich immer Bescheid weiß, was in die Welt vorgeht. Auch 'ne Bibliothek habe ich – ja! Schiller und Goethe! Und die kann ich sehr gut von einander unterscheiden. Schiller habe ich nämlich in Rinds- und Goethe in Schweinsleder binden lassen, und auf Leder versteh' ich mir – ja!

6. Szene.

Weigelt. Zernickow.

ZERNICKOW von rechts, zum Ausgehen angekleidet, mit Hut und Stock. Entschuldigen Sie, Herr Weigelt, daß ich Sie warten ließ. Meine Tochter sagt mir, daß Sie mich zu sprechen wünschen?

WEIGELT. Das stimmt.

ZERNICKOW nach der Uhr sehend. Nun, ein Viertelstündchen habe ich wohl noch Zeit, dann muß ich aufs Gericht.

WEIGELT. Darum handelt es sich ja gerade.

ZERNICKOW. Ich verstehe nicht recht –?

WEIGELT. Ich werde Ihnen das gleich klar machen. Setzt sich auf den am Nähtisch stehenden Stuhl und deutet auf den anderen, daneben stehenden Stuhl. Bitte, setzen Sie sich doch.

ZERNICKOW. Sie sind sehr gütig. Setzt sich.

WEIGELT. Es handelt sich nämlich um meinen Sohn, meinen Leopold. Sie kennen meinen Sohn?

ZERNICKOW. Nur von Ansehen.

WEIGELT. Aber was für ein Ansehen – nicht wahr? ein schöner Mensch!

ZERNICKOW lächelnd. Gewiß, gewiß.

WEIGELT. Er is auch bei's Gericht – Refferendarius. Sie werden ihn wohl kennen?

ZERNICKOW. Nur dem Namen nach.

WEIGELT. Aber was für einen Namen – wie? Er is jetzt schon der Berühmteste bei's ganze Kammergericht.

ZERNICKOW. So?

WEIGELT. Das is ja bekannt. Also mein Sohn äußert neulich mal den Wunsch, daß er gerne ein Reitpferd haben möchte. Natürlich habe ich mir gleich nach eins umgesehen. Das werden Sie begreifen, nich wahr?

ZERNICKOW. Warum nicht! wenn man die Mittel dazu hat!

WEIGELT. Für meinen Sohn is mir nischt zu teuer. Aber einen Stall muß ich ihm doch bauen; darum habe ich nu den Korbmacher Müller, der auf'n Hof wohnt, gekündigt.

ZERNICKOW mitleidig. Hm! Der Mann hat eine große Familie!

WEIGELT. Nicht wahr? Sechs Kinder, das Geschrei den ganzen Tag – man is ja froh, wenn man solche Leute los is. Aber was sagt der Mensch? »Ich ziehe nich«, sagt er. Wie gefällt Ihnen die Frechheit?

ZERNICKOW. Ja, ist denn sein Kontrakt abgelaufen?

WEIGELT. Bewahre! Denn hätte ich doch nich zu kündigen brauchen. Ich nehme noch die Rücksicht und sage: »Herr Müller«, sage ich, »es handelt sich um meinen Sohn.« Und was gibt der Mensch mir zur Antwort? »Det is mir schnuppe,« sagt er und schmeißt mir die Türe vor der Nase zu. Nanu werde ich doch wild. »Kläre,« sage ich zu meine Tochter, lies mir mal den Mietskontrakt vor.

ZERNICKOW unruhig auf seinem Stuhl hin- und herrückend und nach der Uhr sehend. Ich begreife nur nicht, was ich –?

WEIGELT. Warten Sie man, jetzt kommt's. §8, Nr. 3: »Es darf kein eiserner Ofen gebraucht, kein Rohr in den Kachelofen geleitet werden.« Nu hatte ich ihm. In seine Wohnung steht nämlich ein eiserner Ofen und das Rohr geht durch den Kachelofen. Ich verklage ihm also auf Exmistion.

ZERNICKOW kopfschüttelnd. O!

WEIGELT. Sie meinen, ich gewinne nich? Daran is gar nich zu zweifeln, zumal Sie die Sache unter sich haben.

ZERNICKOW. Ich?

WEIGELT. Na ja. Heute um Elfe is Termin. Ich ließ mir heute früh von meine Tochter nochmal die Vorladung vorlesen, und da steht unten drunter: Amtsrichter Zernickow. Das sind Sie doch?

ZERNICKOW. Allerdings.

WEIGELT. Na, sehen Sie, besser konnte sich das ja gar nicht treffen. Sie als Mieter werden wissen, was Sie mir als Wirt schuldig sind.

ZERNICKOW. O, ich dächte: nichts; ich bezahle an jedem Quartalsersten pünktlich meine Miete –

WEIGELT. Na, das versteht sich ja von selbst. Wenn ich sage, schuldig, denn meine ich Respekt, Hochachtung.

ZERNICKOW aufstehend. Mein werter Herr Weigelt, ich bin Richter und muß nach Recht und Gewissen, unparteiisch –

WEIGELT ebenfalls aufstehend. Unparteiisch – natürlich! Sie werden bedenken, daß ich mir auch sehr rücksichtsvoll gegen Ihnen benommen habe.

ZERNICKOW. Inwiefern, wenn ich fragen darf?

WEIGELT. Meinen Sie, ich weiß nicht, daß Sie eine Wohnungszulage bekommen haben?

ZERNICKOW. Nun, das ist ja kein Geheimnis.

WEIGELT. Ich habe aber bis jetzt noch keinen Gebrauch davon gemacht.

ZERNICKOW. Wovon?

WEIGELT. Na, von die Wohnungszulage, ich habe Ihnen noch nich gesteigert.

ZERNICKOW. Ah, das ist eine eigentümliche Auffassung. Aber wie gesagt, Herr Weigelt, es tut mir leid, ich muß aufs Gericht.

WEIGELT. Ich will Ihnen auch nich länger aufhalten. Sie wissen ja nun, woran Sie sind. Begleitet Zernickow bis zur Tür. Der Müller muß unter jeder Bedingung exmistiert werden; erstens wegen die Frechheit gegen mir, und dann, weil es sich um ein Vergnügen für meinen Sohn handelt – das ist die Hauptsache.

ZERNICKOW schon in der Tür. Ich wiederhole nochmals, Herr Weigelt, daß ich nach Recht und Gewissen prüfen und entscheiden werde. Ab durch die Mitte.

7. Szene.

Weigelt allein.