Von der Ursache, dem Princip und dem Einen - Giordano Bruno - E-Book

Von der Ursache, dem Princip und dem Einen E-Book

Bruno Giordano

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Beschreibung

Alles ist eins: In Von der Ursache, dem Prinzip und dem Einen legt der italienische Philosoph Giordano Bruno den Grundstein zu einer neuen Metaphysik und vollzieht eine radikale Abwendung von der dualistischen Weltsicht seiner Zeit: der klassischen Zweiteilung in Gott und Welt, Geist und Materie. Für Bruno sind diese vermeintlichen Gegensätze nur verschiedene Aspekte eines einzigen Seins, einer einzigen, unendlichen und unteilbaren Wirklichkeit. Gott selbst als allerhöchstes Wesen und Ursprung des Seins steht für Bruno nicht außerhalb der Welt, sondern ist Teil der allumfassenden Wirklichkeit des Seins. (Zitat aus getabstract.com)

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Von der Ursache, dem Princip und dem Einen

De la causa, principio, et uno

Giordano Bruno

Inhalt:

Giordano Bruno – Biografie und Bibliografie

Von der Ursache, dem Princip und dem Einen

Widmungsschreiben [Auszug]

Giordano von Nola an die Prinzipien des Universums

An den eignen Geist

An die Zeit

Von der Liebe

Erster Dialog

Zweiter Dialog

Dritter Dialog

Vierter Dialog

Fünfter Dialog

Von der Ursache, dem Princip und dem Einen , G. Bruno

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849605575

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Giordano Bruno – Biografie und Bibliografie

Auch Jordanus Brunus, berühmter Philosoph, geb. 1548 zu Nola im Neapolitanischen (daher B. Nolanus), gest. 17. Febr. 1600 in Rom, verließ seiner freimütigen Ansichten wegen das Dominikanerkloster zu Neapel, dem er seit seinem 15. Jahr etwa angehört hatte, und floh 1576 nach kurzem Aufenthalt in Rom von da und gelangte auf mancherlei Umwegen nach Genf, von wo er wegen der Unduldsamkeit der dortigen Calvinisten weiter nach Lyon und Toulouse ging. Hier blieb er 21/2 Jahre und hielt über verschiedene Teile der Philosophie Vorlesungen. 1581 endlich begab er sich nach Paris, wo er über Philosophie mit Beifall vortrug, auch von dem König Heinrich III. Gunst erfuhr. Hier gab er seine an komischen, oft zynischen Zügen reiche Komödie »Candelajo« (»Der Lichtzieher«) heraus sowie einige philosophische Schriften. Bedrängt von den Aristotelikern, mit denen er in Streit geraten war, begab er sich 1583 nach London, wo er von dem französischen Gesandten Michel de Castelnau, Herrn de la Mauvisière, wohlwollend aufgenommen wurde, auch mit diesem öfter an den Hof der Königin Elisabeth kam. Dort schrieb er seinen »Spaccio della bestia trionfante« (Par. 1584), drei Gespräche, in denen die Tugenden durch die Laster, beide als himmlische Konstellationen dargestellt, vom Firmament verjagt werden, mit satirischen Anspielungen auf die Hierarchie; »La cena delle ceneri«, in der er als Verteidiger des kopernikanischen Weltsystems auftrat, und seine wichtigsten Werke: »Della causa, principio ed uno« (Vened. 1584; deutsch von Lasson, 3. Aufl., Leipz. 1902) und »Del infinito universo e mondi« (Vened. 1584). 1585 ging er wieder nach Paris, wo er »Gli eroici furori« veröffentlichte, dann 1586 nach Wittenberg, 1588 nach Prag, wo er »De specierum scrutinio et lauripode combinatoria Raym. Lulli« herausgab. Hierauf wandte er sich nach Helmstedt, wo er wichtige lateinische Lehrgedichte entwarf, weiter nach Frankfurt a. M. (1590), Padua (1591) und endlich nach Venedig, wo er 1592 von der Inquisition ergriffen und 1593 nach Rom ausgeliefert ward. Wegen Abfalls und hartnäckiger Ketzerei zum Tode verurteilt, ward er in Rom auf dem Campo dei Fiori lebendig verbrannt. Seinen Richtern rief er zu, sie fällten mit größerer Furcht das Urteil, als er es empfange. Das befreite Italien errichte le ihm als Märtyrer der freien Überzeugung eine Statue zu Neapel. Auch auf dem Campo dei Fiori wurde 9. Juni 1889 sein Standbild enthüllt.

In seiner Philosophie ist B. durchaus Gegner des scholastischen Aristoteles. Seine Logik ging auf die »große Kunst« des Lullus zurück, die er als unfehlbare Methode sowohl zum Finden als zum Behalten der Wahrheit pries. Seine Weltanschauung ist eine pantheistische, indem er die Theorie des Nikolaus von Cusa (s.d.) von der Entstehung des Endlichen durch Selbsteinschränkung des Unendlichen mit dem kopernikanischen Weltsystem in phantastisch-poetisch er Weise verschmolz, dabei vielfach die Alten, namentlich Platon, die Neuplatoniker, die Stoiker, aber auch Epikur benutzte. Er war voller Sehnsucht nach dem Ideal der Schönheit, zugleich ein leidenschaftlicher Verehrer der Na kur oder des Unendlichen, lobte zwar den neuen, durch Telesius eingeschlagenen Weg, vom Einzelnen zum Höchsten aufzusteigen, ohne ihn aber selbst streng einzuhalten, so dass seine Lehre an vielen Unklarheiten, Inkonsequenzen und mystischem Dunkel leidet. Der Philosoph muss nach ihm ein Dichter sein, wie er auch selbst, namentlich in seinem Dialog: »Eroici furori« (heroischer Enthusiasmus), viele Gedichte einwob und seine Lehre z. T. in lateinischen Versen veröffentlichte. Grund und Ursache von allem ist nach ihm das Eine, in dem Alles und das selbst in Allem ist, beseelt und beseelend, natura naturans und natura naturata. Kleinstes, weil es im Kleinsten, und Größtes, weil alles Kleinere in ihm ist, das ins Unendliche sich ausdehnende, raumzeitliche Universum. Eines Gottes im Sinn der peripatetischen Scholastiker, eines extramundanen Bewegers, bedarf es nicht. Form, bewegende Ursache und Zweck sind mit der Materie eins, da der unendliche Äther alle Einzeldinge im Keime in sich birgt und sie nach bestimmten Gesetzen aus sich hervorgehen läßt. Das Endliche ist dem Unendlichen wie dieses jenem innerlich verwandt und daher das Ganze ebenso in jedem Teil wirkend wieder Mensch als Teil des Universums im Ganzen letzteren »erkennend« gegenwärtig. Dem unzerreißbaren Zusammenhang zwischen dem Größten und Kleinsten im Realen entspricht das ununterbrochene Aufsteigen vom Kleinsten zum Größten, vom Nächsten zum Fernsten (vom Menschen zur Gottheit) im Idealen. Während das Ganze als Ganzes stets unverändert bleibt, sind die Teile desselben in steter Wandlung begriffen. Die Welt ist ihrem Wesen nach Harmonie, als Ganzes durchaus vollkommen, weil Gott in ihr lebt bis ins einzelnste. In Brunos Philosophie finden sich Keime mancher späteren philosophischen Systeme, so des Spinozistischen, Leibnizschen, auch neuerer pantheistischer; doch ist ihre Bedeutung mehrfach überschätzt worden. Sie wurde von Jacobi im Anhang zu dessen »Spinoza« (Werke, IV, Abt. 1), dann von Schelling im »Bruno« (Berl. 1802) und Steffens (»Nachgelassene Schriften«, das. 1816) der Vergessenheit entrissen. Die italienischen Schriften sind von Wagner (Leipz. 1830, 2 Bde.) mit Einleitung herausgegeben, einen neuen Druck besorgte P. de Lagarde (Götting. 1888–89, 2 Bde.); die lateinischen wurden ediert von Fiorentino (Neap. 1880–91, 2 Bde. in 3 Teilen). Die Schrift »De umbris idearum« (Par. 1582) hat S. Tugini (Berl. 1868) herausgegeben. Eine Übersetzung der philosophischen Werke ins Deutsche hat Kuhlenbeck begonnen (»Reformation des Himmels«, Leipz. 1890; »Vom Unendlichen, dem All und den Welten«, Berl. 1893; »Eroici furori oder Zwiegespräche zwischen Helden und Schwärmer«, das. 1898), der auch »Lichtstrahlen aus G. Brunos Werken« (Leipz. 1891) veröffentlichte. Von den sehr vielen Schriften über G. B. seien nur folgende angeführt: Bartholmeß, Jordano B. (Par. 1846, 2 Bde.); Carriere, Die philosophische Weltanschauung der Reformationszeit (2.Aufl., Leipz. 1887); Berti, Giordano B., la vita e sue dottrine (2.Ausg., Turin 1889); Sigwart, Die Lebensgeschichte G. Brunos (Tübing. 1880); Brunnhofer, G. Brunos Weltanschauung und Verhängnis (Leipz.1883); Plumptree, Life and works of Giordano B. (Lond. 1884, 2 Bde.); A. Riehl, Giordano B. (Leipz.1900); Louis, Giordano B. (Berl. 1900).

Von der Ursache, dem Princip und dem Einen

Widmungsschreiben [Auszug]

Giordano von Nola an die Prinzipien des Universums

Der du im flutenden Meer noch weilst an der Grenze des Orcus,

Titan, steige empor, fleh' ich, zum Sternengefild!

Wandelnde Sterne, o seht den Kreislauf mich auch betreten,

Jenem gesellt, wenn ihr frei nur eröffnet die Bahn.

Gönne mir euere Huld, dass des Schlafes doppelte Pforte

Weit aufstehe, wenn ich eile durchs Leere empor.

Was missgünstig die Zeit in dichten Schleier verhüllet,

Dürft' ich's aus dunkler Nacht ziehen ans freudige Licht!

Zauderst du, schwaches Gemüt, dein hehres Werk zu vollenden,

Weil unwürdig die Zeit, der du die Gabe verleihst?

Wie auch der Schatten Schwall die Länder decke, du hebe,

Unser Olymp, das Haupt frei zu dem Aether empor!

An den eignen Geist

Wurzelnd ruhet der Berg, tief mit der Erde verwachsen,

Aber sein Scheitel ragt zu den Gestirnen empor.

Du bist beiden verwandt, mein Geist, dem Zeus wie dem Hades,

Und doch von beiden getrennt. Mahnend ertönt dir der Ruf:

Wahre dein Recht auf des Weltalls Höhn! Nicht haftend am Niedern

Sinke vom Staube beschwert dumpf in des Acheron Flut!

Nein, vielmehr zum Himmel empor! Dort suche die Heimat!

Denn wenn ein Gott dich berührt, wirst du flammender Glut.

An die Zeit

Greis, der langsam und schnell zugleich, der verschliesset und aufthut,

Nennt man richtiger gut, nennt man dich böse vielmehr?

Reichlich giebst du und bist doch geizig; was du gespendet,

Raubst du; was du gezeugt, selber vernichtest du's auch.

Alles entspringt aus dir, dann schlingst du alles hinunter;

Was du am Busen gehegt, pflücket dein gieriger Schlund.

Wenn du alles erzeugst und alles zerstörest im Wechsel,

Dürft' ich dich dann nicht gut nennen und böse zugleich?

Doch wo umsonst in Wut du dich liebst zu grausigem Streiche,

Strecke nicht sichelbewehrt dorthin die drohende Hand!

Wo von des Chaos Nacht die letzten Spuren verschwunden,

Nimmer zeige dich gut, nimmer dich böse, o Greis!

Von der Liebe

Gott Amor thut mir auf die Demantpforten

Und lehrt die hehre Wahrheit mich verstehen.

Das Aug' ist meines Gottes Thor; im Sehen

Entspringt, lebt, wächst er, ewig herrscht er dorten.

Er offenbart die Wesen aller Orten;

In treuem Bild darf ich das Ferne spähen.

Mit Jugendkraft zielt er: nun ist's geschehen.

Er trifft ins Herz und sprenget alle Pforten.

O thöricht Volk, von Sinnen stumpf und öde,

Hör' auf mein Wort! denn es ist recht und tüchtig.

Kannst du's, thu' ab vom Aug' die dunkle Binde!

Ihn schiltst du blind, weil deine Augen blöde;

Weil wankelmütig du, nennst ihn du flüchtig;

Weil du unmündig, machst du ihn zum Kinde.

Ursach' und Grund und Eins von Ewigkeiten,

Daraus Bewegung, Leben, Sein entspringen,

Was immer Himmel, Erd' und Höll' an Dingen

Umfasst in allen Längen, Tiefen, Breiten:

Mit Sinn, Verstand, Vernunft schau' ich die Weiten,

Die keine That, nicht Maass noch Rechnung zwingen;

Die Masse, Kraft und Zahl kann ich durchdringen,

Die Untres, Obres wie die Mitte leiten.

Nicht blinder Wahn, der Zeit, des Schicksals Tücke,

Nicht ohne Wut, noch Hasses gift'ges Flüstern,

Nicht Bosheit, roher Sinn und freches Trachten

Vermögen je, den Tag mir zu verdüstern,

Mir zu verschleiern meine hellen Blicke,

Noch meiner Sonne Glanz mir zu umnachten.

Personen: Elitropio, Filoteo, Armesso.

ELITROPIO. Gefangenen gleich, die an Dunkelheit gewöhnt aus finsterm Burgverliess an das Licht heraustreten, werden viele Anhänger der landläufigen Philosophie und manche andere dazu scheu werden, stutzen und weil sie unfähig sind, die neue Sonne deiner hellen Gedanken zu ertragen, böse werden.

FILOTEOFILO. Nun, dann liegt die Schuld nicht am Licht, sondern an ihren Augen. Je schöner und herrlicher die Sonne an sich selber ist, - den Augen der Nachteulen wird sie dadurch nur um so verhasster und widerwärtiger.

ELITROPIO. Ein schweres, seltenes und ungewöhnliches Ding unternimmst du, Filoteo, indem du jene Leute aus ihrem lichtlosen Abgrund hervorlocken und zu dem offenen, ruhigen und heiteren Anblick der Gestirne führen willst, die wir in so schöner Mannigfaltigkeit über den blauen Himmelsmantel ausgestreut sehen. Gewiss will dein frommer Eifer nichts als den Menschen sich hilfreich erweisen; gleichwohl werden die Angriffe der Undankbaren auf dich ebenso mannigfach sein, wie die Thiere es sind, welche die gütige Erde in ihrem mütterlich umfassenden Schoosse erzeugt und nährt: falls es nämlich wahr ist, dass die menschliche Gattung in ihren Individuen, in jedem besonders, die Verschiedenheiten aller anderen Gattungen nachbildet, um in jedem Individuum ausdrücklicher das Ganze zu sein, als es in andern Gattungen der Fall ist. Daher werden die Einen blinden Maulwürfen gleich in demselben Moment, wo sie die freie Luft spüren, sich möglichst schnell wieder in die Erde vergraben und in die dunkeln Höhlen zurückkehren, für die sie die Natur bestimmt hat. Die andern werden wie Nachtvögel nicht sobald im leuchtenden Osten die röthliche Botin der Sonne erblicken, als sie sich wegen der Schwäche ihrer Augen auch schon zur Rückkehr in ihre finstern Löcher angetrieben finden werden. Die Wesen alle, welche vom Anblick der himmlischen Lichter ausgeschlossen und für die ewigen Gefängnisse, Grüfte und Höhlen Pluto's bestimmt sind, werden, von dem schaurigen Chor der Alecto zurückgefordert, den schnellen Flug zu ihren Wohnungen zurück nehmen. Die Wesen dagegen, die für den Anblick der Sonne geboren sind, werden, wenn das Ende der verhaasten Nacht gekommen ist, dem Himmel für seine Güte dankbar und freudig die heiss ersehnten und erhofften Strahlen mit ihren Blicken einsaugen und mit Herz, Stimme und Hand jubelnd den Aufgang anbeten. Wenn Titan vom goldnen Osten die feurigen Rosse angetrieben und das träumerische Schweigen der feuchten Nacht unterbrochen hat, dann werden die Menschen sinnig sprechen, die unschuldigen, wolletragenden Heerden blöken; die gehörnten Rinder unter der Obhut des rauhen Landmanns werden brüllen; die Esel des Silenus, weil sie von neuem den bestürzten Göttern hilfreich den dummen Giganten Schrecken einjagen können, werden ihr Geschrei erheben. In schmutzigem Lager sich wälzend mit ungestümem Grunzen werden die hauerbewehrten Eber ihren betäubenden Lärm machen, Tiger, Bären, Löwen, Wölfe nebst den listigen Füchsen das Haupt aus ihren Höhlen hervorstecken, von ihren einsamen Höhen das ebene Jagdgefilde betrachten und aus thierischer Brust ihr Grunzen, Brummen, Heulen, Brüllen, Winseln ertönen lassen. In der Luft und auf den Zweigen weitverästeter Bäume werden die Hähne, Adler, Pfauen, Kraniche, Tauben, Schnepfen, Nachtigallen, Krähen, Elstern, Raben, der Kukuk und die Cicade nicht säumen, ihr lärmendes Gezwitscher zu wiederholen und zu verdoppeln. Und selbst aus dem unbeständigen Gefilde der Fluth werden die weissen Schwäne, die bunten Enten, die geschäftigen Taucher, die Sumpfvögel und die heiseren Gänse nebst den melancholisch quakenden Fröschen die Ohren mit ihrem Geräusche erfüllen. Und so wird das warme Sonnenlicht, indem es die Luft dieser glücklicheren Hemisphäre durchstrahlt, sich begleitet, begrüsst und vielleicht belästigt finden von einer Fülle der Laute, ebenso mannigfaltig, wie es die Geister sind nach Grösse und Beschaffenheit, welche jene Laute aus der Tiefe der Brust hervorbringen.

FILOTEOFILO. Das ist doch nicht bloss etwas gewöhnliches, sondern auch ganz natürlich und nothwendig, dass jedes lebende Wesen seinen Laut von sich giebt. Unvernünftige Thiere können unmöglich articulirte Töne bilden wie die Menschen, da ihre Körperbeschaffenheit entgegengesetzt, ihr Geschmack verschieden, ihre Nahrung eine andere ist.

ARMESSO. Ich bitte um die Erlaubniss, auch mitreden zu dürfen, nicht über das Licht, sondern über andere Dinge, die dazu gehören und den Sinn nicht sowohl zu erfreuen, als vielmehr das Gefühl des Zuschauers oder Betrachters zu verletzen pflegen. Denn gerade, weil ich euren Frieden und eure Ruhe in brüderlicher Zuneigung wünsche, möchte ich nicht, dass aus diesen euren Reden wieder solche Komödien, Tragödien, Klagelieder, Dialoge oder was immer sonst entständen wie jene, die vor kurzem, als ihr sie in's Freie hinausliesst, euch zwangen, wohl eingeschlossen und zurückgezogen zu Hause zu bleiben.

FILOTEOFILO. Redet nur ganz frei heraus!

ARMESSO. Ich will keinesweges reden wie ein heiliger Prophet, ein verzückter Seher, ein verhimmelter Apokalyptiker oder der verengelte Esel des Bileam; auch nicht räsonniren als wär' ich vom Bacchus inspirirt, von dem Hauche der liederlichen Musen vom Parnass aufgeblasen, oder wie eine vom Phöbus geschwängerte Sibylle oder eine schicksalskundige Cassandra, nicht als wäre ich von der Sohle zum Scheitel von apollinischem Enthusiasmus vollgepfropft, wie ein erleuchteter Seher im Orakel oder auf dem delphischen Dreifuss, wie ein den Problemen der Sphinx gewachsener Oedipus oder ein Salomo den Räthseln der Königin von Saba gegenüber; nicht wie Calchas, der Dolmetscher des olympischen Senates, oder ein geisterfüllter Merlin, oder als käme ich aus der Höhle des Trophonius: sondern ich will in ganz hausbackener und nüchterner Prosa reden, wie ein Mensch, der ganz andere Absichten hat, als sich den Saft des kleinen und grossen Gehirns so lange herauszudestilliren, bis die dura und pia mater zuletzt als trocknes Residuum übrig bleibt; wie ein Mensch, der nun einmal kein anderes Hirn hat als sein eigenes, dem auch die Götter vom letzten Schube, die bloss zur Marschalltafel im himmlischen Hofhalte gehören, versagen; ich meine die Götter, die nicht Ambrosia essen noch Nektar trinken, sondern sich den Durst mit dem Bodensatz im Fass und mit ausgelaufenem Wein stillen, wenn sie gegen das Wasser und seine Nymphen besondere Abneigung hegen. Selbst diese, die sich uns doch sonst heimischer, zutraulicher und umgänglicher zu bezeigen pflegen, wie z.B. Bacchus oder jener betrunkene Bitter vom Esel [Silen], wie Pan, Vertumnus, Faunus oder Priapus, auch sie geruhen mich nicht um eines Strohhälmchens Breite tiefer einzuweihen, während sie doch von ihren Thaten selbst ihren Pferden Mittheilung zu machen pflegen.

ELITROPIO. Die Vorrede ist etwas lang geraten!

ARMESSO. Nur Geduld! Der Schluss wird dafür desto kürzer sein. Ich will in aller Kürze sagen, dass ich euch will Worte hören lassen, die man nicht erst zu entziffern braucht, indem man sie erst gleichsam der Destillation unterwirft oder sie durch die Retorte gehen lässt, im Marienbade digerirt und nach dem Recept der Quintessenz sublimirt, sondern Worte, wie sie mir meine Amme in den Kopf gepfropft hat, welche beinahe so fett, hochbusig, dickbäuchig, starklendig und vollsteissig war, wie es jene Londonerin nur sein kann, die ich in Westminster gesehen habe und die von wegen der Erwärmung des Bauches ein paar Zitzen hat, die wie die Stulpstiefeln des Riesen Sanct Sparagorio aussehen und aus denen sich, würden sie zu Leder verarbeitet, sicherlich zwei ferraresische Dudelsäcke würden machen lassen.

ELITROPIO. Das könnte nun wohl für eine Einleitung ausreichen.

ARMESSO. Wohlan denn, um zu Ende zu kommen, ich möchte von euch hören, - die Stimmen und Laute bei Gelegenheit den von eurer Philosophie ausstrahlenden Lichtes und Glanzes einmal ganz bei Seite gelassen - mit welchen Lauten ihr wollt, dass wir insbesondere jenes Phänomen von Gelehrsamkeit begrüssen sollen, welches das Buch vom Aschermittwochsgastmahl ausmacht? Was für Thiere sind es, die es vorgetragen haben? Wasser-, Luft-, Land- oder Mondthiere ? Und von den Aeusserungen des Smith, Prudenzio und Frulla abgesehen, - ich möchte gern wissen, ob die sich irren, welche behaupten, dass du eine Stimme annimmst wie ein toller und rasender Hund, dass du ferner zuweilen den Affen, zuweilen den Wolf, die Elster, den Papagei, bald das eine Thier, bald ein anderes nachahmst und bedeutende und ernste Sätze, moralische und physicalische, gemeine und würdige, philosophische und komische blind durch einander würfelst.

FILOTEOFILO. Wundert euch nicht, Bruder! War es doch nichts als eine Gasterei, wo die Gehirne durch Affecte regiert werden, wie sie durch die Einwirkung der Geschmäcke und Düfte von Getränken und Speisen entstehen. Wie ein Gastmahl materieller und körperlicher Art, ganz analog ist auch das Gastmahl in Wort und Geist. So hat denn auch dieses Gastmahl in Gesprächsform seine mannigfachen und verschiedenen Theile, wie ein Gastmahl sie zu haben pflegt: es hat seine eigenthümlichen Verhältnisse, Umstände und Mittel, wie sie in seiner Weise auch jenes haben könnte.

ARMESSO. Seid so gut und macht, dass ich euch verstehen kann!

FILOTEOFILO. Dort pflegt sich der Gewohnheit und Gebühr nach Salat, Speise, Obst und Hausmannskost aus der Küche und aus der Apotheke zu finden, für Gesunde und für Kranke: Kaltes, Warmes, Rohes und Gekochtes; aus dem Wasser, vom Lande, aus dem Hause und aus der Wildnis; Geröstetes, Gesottenes, Reifes, Herbes; Dinge die zur Ernährung allein, und solche, die dem Gaumen dienen; Substantielles und Leichtes, Salziges und Fades, Rohes und Eingemachtes, Bitteres und Süsses. Und so haben sich auch hier in bestimmter Reihenfolge die Gegensätze und Verschiedenheiten eingefunden, den Verschiedenheiten des Magens und des Geschmackes bei denen entsprechend, denen es gefallen möchte, an unserem symbolischen. Gastmahl teilzunehmen, damit niemand sich beklage, er sei umsonst gekommen, und damit wem das Eine nicht gefällt vom Anderen nehme.

ARMESSO. Schon gut; aber was sagt ihr dazu, wenn überdies in eurem Gastmahl Dinge vorkommen, die weder als Salat noch als Speise, weder als Dessert noch als Hausmannskost taugen, weder kalt noch warm, weder roll noch gekocht, die weder für den Appetit noch für den Hunger, weder für Gesunde noch für Kranke gut sind und demgemäss weder aus den Händen des Kochs noch des Apothekers hervorgehen?

FILOTEOFILO. Du wirst gleich sehen, dass auch darin unser Gastmahl jedem beliebigen anderen nicht unähnlich ist. Wie du dort mitten im besten Essen dich entweder an einem allzuheissen Bissen verbrennst, so dass du ihn entweder ausspeien oder unter Aechzen und Thränen dem Gaumen liebäugelnd so lange anvertrauen musst, bis du ihn hinunterwürgen kannst; oder es wird dir ein Zahn stumpf, oder die Zunge kommt dir in den Weg, dass du mit dem Brode auf sie beisst; oder ein Sternchen wird zwischen den Zähnen zertrümmert, dass du den ganzen Bissen ausspeien musst; oder ein Härchen aus dem Barte oder vom Kopfe des Kochs schleicht sich durch bis zu deinem Gaumen, um dich zum Brechen zu reizen; oder eine Gräte bleibt dir im Halse stecken, um dich sänftiglich husten zu machen; oder ein Knöchlein legt sich dir quer vor den Schlund und bringt dich in Gefahr zu ersticken: gerade so haben sich in unserem Gastmahl zu unserem und aller Missvergnügen entsprechende und ähnliche Dinge eingefunden. Und ach, der Grund von dem allen ist die Sünde unseres alten Urvaters Adam. Seitdem ist die verderbte menschliche Natur dazu verdammt, dass sich ihr zu jedem Genuss der Verdruss gesellt.

ARMESSO. Wie andächtig und erbaulich das klingt! Nun, was antwortet ihr denen, welche sagen, dass ihr ein wütender Cyniker seid?

FILOTEOFILO. Ich werde es freudig zugestehen, wenn nicht unbedingt, so doch teilweise.

ARMESSO. Aber wisst ihr auch, dass der Vorwurf, Beschimpfungen hinzunehmen, nicht so schwer ist wie der, sie auszutheilen.

FILOTEOFILO. Mir genügt's, dass die meinigen als Wiedervergeltung, diejenigen anderer als Angriffe gemeint sind.

ARMESSO. Auch Götter kommen in die Lage, Beleidigungen hinzunehmen, Beschimpfungen zu dulden und Tadel zu erleiden; aber selber tadeln, beschimpfen und beleidigen ist die Art gemeiner, unedler, unwürdiger und schlechtgesinnter Menschen.

FILOTEOFILO. Wohl wahr; aber wir beleidigen ja auch nicht; wir geben nur die Beleidigungen zurück, die nicht sowohl uns, als der verachteten Philosophie angethan werden, und wir thun es, damit nicht zu den schon erlittenen Kränkungen neue hinzukommen.

ARMESSO. Ihr wollt also einem bissigen Hunde gleichen, damit jedermann sich hüte, euch lästig zu fallen?

FILOTEOFILO. So ist's. Ich wünsche Ruhe zu haben, und der Verdruss verdriesst mich.

ARMESSO. Schön; aber man meint, ihr verfahrt zu streng.

FILOTEOFILO. Damit sie nicht wieder kommen, und damit andere lernen, nicht mit mir und mit anderen anzubinden; sie sollen vielmehr aus ähnlichen Mittelbegriffen die gleichen Schlüsse ziehen.

ARMESSO. Die Beleidigung war eine private, die Rache aber ist öffentlich.

FILOTEOFILO. Ist sie deshalb ungerecht? Viele Vergehen, die im verborgenen begangen sind, werden doch mit Fug und Recht öffentlich gestraft.

ARMESSO. Aber damit verderbt ihr euren Ruf und macht euch tadelnswerther als jene; denn man wird öffentlich sagen, dass ihr ungeduldig, launenhaft, eigensinnig, unbesonnen seid.

FILOTEOFILO. Das soll mich wenig kümmern, wenn nur sie und andere mir nicht weiter lästig fallen. Dazu zeige ich den Prügel des Cynikers, dass sie mich mit meiner Handlungsweise in Ruhe lassen, und wenn sie von mir keine Liebkosungen wollen, nicht an mir ihre Unhöflichkeit auslassen.

ARMESSO. Scheint es euch denn einem Philosophen zu geziemen, dass er auf Rache sinne?

FILOTEOFILO. Glichen die, die mich ärgern, der Xanthippe, so würde ich Sokrates gleichen.

ARMESSO. Weisst du nicht, dass Langmuth und Geduld allen gut steht? dass wir durch sie den Heröen und Göttern ähnlich werden, welche nach einigen sich spät rächen, nach anderen sich überhaupt nicht rächen noch erzürnen?

FILOTEOFILO. Du irrst, wenn du glaubst, ich hätte es auf Rache abgesehen.

ARMESSO. Auf was denn?