Von dir bekomme ich nie genug - Jennie Lucas - E-Book

Von dir bekomme ich nie genug E-Book

Jennie Lucas

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Beschreibung

Paolo Caretti ist es gewohnt zu siegen. Als Rennfahrer – und bei Frauen. So brennt in ihm nur ein Wunsch, als Isabelle seinen Heiratsantrag abweist: Rache. Jedenfalls bis er die Prinzessin wiedersieht und sie ein Gefühl in ihm entfacht, von dem er kaum genug bekommen kann: Liebe.

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Seitenzahl: 168

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IMPRESSUM

Von dir bekomme ich nie genug erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2008 by Jennie Lucas Originaltitel: „Caretti’s Forced Bride“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 297 Übersetzung: Elke Schuller-Wannagat

Umschlagsmotive: Deagreez, Naddiya, Roman Kulinskiy/GettyImages

Veröffentlicht im ePub Format in 7/2021

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751507912

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

Paolo Caretti zog den schwarzen Mantel eng um sich, als er aus dem Rolls Royce stieg. Sein Chauffeur stand schon mit einem aufgespannten Schirm bereit, da ein eiskalter Regen über New York vom Himmel fiel. Nur ein blutrot schimmernder Riss in der Wolkendecke verriet, dass irgendwo hinter all dem Grau die Sonne aufging.

Im Laufschritt eilten die beiden Männer zum Eingang des Caretti Tower, dem Verwaltungsgebäude des riesigen Caretti-Konzerns, der Paolo gehörte.

„Paolo! Warte.“

Einen Moment dachte er, dass er sich den leisen Ruf nur eingebildet hatte. Dass der chronische Schlafmangel ihn dazu brachte, in wachem Zustand zu träumen …

Doch dann tauchte eine zierliche, völlig durchnässte Gestalt hinter der hohen Bronzeskulptur auf, die den Vorplatz des zwanzigstöckigen Gebäudes schmückte. Ganz offensichtlich stand die Frau schon seit Stunden im Regen und wartete auf ihn.

„Schick mich nicht weg“, bat sie eindringlich.

Ihre Stimme klang noch so sanft und warm wir früher. Daran erinnerte er sich genau. Er hatte diese Frau einfach nicht aus dem Gedächtnis verdrängen können, trotz der vielen Geliebten, die er sich seither geleistet hatte.

„Du hättest nicht hierherkommen sollen“, erwiderte Paolo schroff.

„Ich … Ich brauche deine Hilfe.“ Prinzessin Isabelle de Luceran atmete tief durch. Ihre Augen schimmerten im Laternen-licht. „Bitte! Ich kann mich an niemand sonst wenden.“

Fast flehend sah sie zu ihm auf. Und er dachte an Frühlingstage, an Picknicks mit ihr im Central Park, an Sommernächte mit ihr in seinem winzigen Apartment in Little Italy, an die vier unglaublich herrlichen, märchenhaften Monate, in denen sie sein Leben hell und schön gemacht hatte. Bis er sie gebeten hatte, ihn zu heiraten …

„Lass dir von meiner Sekretärin einen Termin geben“, empfahl er ihr kühl und wollte an ihr vorbeigehen, aber sie stellte sich ihm in den Weg.

„Das habe ich versucht. Ich muss mindesten zehn Nachrichten bei ihr hinterlassen haben. Hat sie dir nichts ausgerichtet?“

Doch, Valentina hatte ihm mitgeteilt, dass die Prinzessin ihn sprechen wollte, aber er hatte es ignoriert. Isabelle bedeutete ihm nichts mehr. Er hatte vor Langem aufgehört, sie zu begehren.

Jedenfalls hatte er sich das eingeredet. Jetzt überwältigte ihn ihre Schönheit beinah. Die ausdrucksvollen haselnussbraunen Augen, die vollen sinnlichen Lippen, der verführerische Körper unter dem eleganten Mantel – all das war Paolo noch vertraut. Er erinnerte sich an den Geschmack ihrer Haut, an das Gefühl ihrer Lippen, wenn diese über seinen Bauch glitten, an die schmalen Hände, die ihn sanft und zugleich erregend streichelten …

„Du bist allein hier?“, erkundigte Paolo sich und versuchte, die erotischen Erinnerungen zu zügeln. „Wo sind deine Bodyguards?“

„Die habe ich im Hotel gelassen. Bitte, Paolo, hilf mir! Um … der alten Zeiten willen“, flüsterte Isabelle flehend.

Zu seinem Entsetzen bemerkte er, dass ihr Tränen über die Wangen liefen und ihre Hände bebten. Isabelle weinte? Ausgerechnet sie? Was immer sie von ihm wollte, es musste ihr sehr wichtig sein.

Sich vorzustellen, wie sie vor ihm niederkniete und um einen Gefallen bettelte, gefiel ihm. Das wäre zwar keine ausreichende Wiedergutmachung für das, was sie ihm angetan hatte, aber immerhin ein Anfang.

„Ich soll dir also einen Gefallen tun?“ Er trat näher zu ihr und strich ihr mit einem Finger lässig über die nasse, kalte Wange. „Umsonst mache ich es natürlich nicht, wie du dir denken kannst.“

„Das war mir klar“, bestätigte sie leise.

„Gut, dann komm mit.“ Damit nahm Paolo dem Chauffeur den Schirm ab und eilte die breiten Stufen hinauf, ohne auf Isabelle zu warten.

„Guten Morgen, Salvatore“, begrüßte er den Wachmann im Foyer.

„Guten Morgen, Signor Caretti. Kalt heute, nicht wahr? Da wünscht man sich in die alte Heimat zurück, wo es wärmer ist.“ Der Blick des Manns glitt zu Isabelle. „Oder auch nach San Piedro.“

Er hat sie also auch erkannt, dachte Paolo. Wie würde seine Sekretärin Valentina dann erst reagieren? Sie war eine ausgesprochen kompetente Frau mit einer einzigen, ausgeprägten Schwäche: Sie schwärmte für Prominente und die Regenbogenpresse.

Und Isabelle de Luceran, Prinzessin eines winzigen Fürstentums am Mittelmeer, war der Liebling der Paparazzi. Über kaum eine andere Frau wurde so viel und so oft berichtet wie über sie.

Als sie zum Lift gingen, pfiff Salvatore leise und anerkennend. Paolo konnte es ihm nicht verübeln. Mit achtzehn war Isabelle ein bezauberndes junges Mädchen gewesen, jetzt war sie eine atemberaubend schöne Frau.

Sobald sie im Lift waren und die Türen sich geschlossen hatten, wandte er sich an Isabelle. „Also, was willst du von mir?“

„Alexander ist entführt worden“, erwiderte sie verzweifelt.

„Dein Neffe?“, hakte er bestürzt nach. „Gekidnappt?“

„Ja. Nur du kannst ihn retten.“

Noch immer zweifelnd zog er die Brauen hoch. „Der Thronerbe von San Piedro braucht ausgerechnet meine Hilfe?“

„Er ist nicht mehr nur Erbe, sondern Fürst“, informierte Isabelle ihn. „Mein Bruder und seine Frau sind vor zwei Wochen tödlich verunglückt. Davon hast du doch bestimmt gehört.“

Natürlich hatte Valentina ihm alle Details über das Bootsunglück vor Mallorca erzählt, bei dem das Fürstenpaar umgekommen war. Ihr erst neunjähriger Sohn Alexander trat ein schweres Erbe an.

„Ja, ich habe davon gehört. Mein Beileid, Isabelle.“

„Danke.“

„Wer führt denn jetzt die Regierungsgeschäfte?“, fragte Paolo. „Dein Neffe ist doch noch viel zu jung.“

„Meine Mutter ist offiziell Regentin, bis Alexander mit achtzehn volljährig wird. Aber sie spürt allmählich das fortschreitende Alter, also versuche ich zu helfen, wo ich kann.“ Sie atmete tief durch. „Gestern war ich in London auf dem Wirtschaftsgipfeltreffen und bekam einen verzweifelten Anruf von Alexanders Kinderfrau. Der Junge wird vermisst. Inzwischen habe ich eine Nachricht vom Entführer erhalten. Er verlangt, dass ich ihn heute um Mitternacht treffe. Allein.“

„Du denkst doch nicht etwa daran, diese Forderung zu erfüllen?“

„Was soll ich denn sonst tun? Wenn du mir nicht hilfst …“

„Auch wenn San Piedro klein sein mag, habt ihr doch Militär, Palastwache und Polizei. Wende dich an sie, damit sie den Jungen finden.“

„Nein! In der Nachricht hieß es, dass ich Alexander nie mehr wiedersehe, wenn ich mich an die offiziellen Stellen wende.“

Paolo lachte. „Natürlich droht der Kidnapper damit. Das kennt man doch aus jedem Krimi. Lass dich nicht ins Bockshorn jagen, sondern benachrichtige sofort eure Polizei. Die erledigt das schon. Fahr nach Hause, und lass mich in Frieden, Isabelle.“

„Moment.“ Bittend legte sie ihm die Hand auf den Arm. „Ich habe dir noch nicht alles erzählt.“

Es kam ihm vor, als gingen von ihrer Hand elektrische Schwingungen aus, die seinen ganzen Körper prickeln ließen. Am liebsten hätte er Isabelle an die Wand gepresst, ihr den Rock hochgeschoben und sie genommen, gleich hier und jetzt im Lift. Kurz und heftig und ohne innere Beteiligung.

Was war nur mit ihm los? Schließlich empfand er für sie nur noch Verachtung, weil sie eine oberflächliche, kaltherzige Person war, die ihn ausgenutzt hatte, als er ein naiver, verliebter junger Mann gewesen war.

Trotzdem reichten fünf Minuten in ihrer Nähe, um seine Lust zu entfachen. Sogar durch den Stoff seines Mantels hindurch schien ihre Hand seine Haut zu versengen. Rasch zog er den Arm weg.

Der Lift blieb im obersten Stock stehen, und die Türen öffneten sich.

„Na gut“, verkündete Paolo barsch. „Ich gebe dir fünf Minuten. Vergeude sie nicht.“

Wieder eilte er voraus zu seinem Büro, ohne auf die Angestellten im Flur zu achten, die ihn respektvoll grüßten. Im Vorzimmer saß Valentina am Schreibtisch – wie immer der Inbegriff von Effizienz und Eleganz. Das schicke lila Kostüm betonte ihre Kurven, das schimmernde kastanienbraune Haar trug sie locker aufgesteckt. Als einziger Schmuck funkelte eine kleine goldene Uhr an ihrem Arm, die er ihr zu Weihnachten geschenkt hatte.

Augenblicklich stand Valentina auf. „Guten Morgen, Mr. Caretti. Hier sind die Bilanzen aus Rom. Palladium notiert zwei Prozent höher. Heute Morgen haben einige Reporter angerufen, die das Gerücht gehört haben wollen, dass verkauft werden soll. Und dann kamen, wie ich Ihnen ja schon am Telefon sagte, die Anrufe von dieser Frau, die behauptet, sie wäre …

Plötzlich atmete sie tief durch und sah Isabelle fassungslos an.

„Sie haben den Reportern gesagt, dass Caretti Motors nicht verkauft wird, richtig?“

Valentina sah aus, als würde sie gleich in Ohnmacht fallen. „Ja. Nein. Das heißt, ich …“

„Stellen Sie in den nächsten fünf Minuten keine Anrufe durch“, wies er sie an. Dann packte er Isabelle am Handgelenk und zog sie mit sich in sein Büro. Bevor die Sekretärin noch etwa sagen konnte, schloss er die Tür.

„Danke.“ Isabelle rieb sich das Handgelenk. „Dafür, dass du mir …“

„Sag, was du zu sagen hast, und dann verschwinde“, herrschte Paolo sie an.

Wieder atmete sie tief durch. „Ich brauche deine Hilfe.“

„Das weiß ich schon. Allerdings hast du mir nicht erklärt, warum du ausgerechnet mich brauchst, anstatt dich an die Polizei und Palastwache von San Piedro zu wenden. Oder“, fügte er verächtlich hinzu, „an deinen Verlobten.“

„Du weißt von Magnus?“ Sie klang überrascht.

„Natürlich.“ Er verschränkte die Arme und versuchte, sich seine Anspannung nicht anmerken zu lassen. „Du bist eine Berühmtheit, Isabelle. Ich höre ständig Einzelheiten aus deinem Leben, ob ich will oder nicht.“

Dass Isabelle jetzt mit Magnus liiert war, hatte Valentina ihm ungebeten mitgeteilt. Seitdem kochte er insgeheim vor Wut über diese „glanzvolle Beziehung“, wie es in den Klatschspalten hieß. Am liebsten hätte er auf irgendetwas eingeschlagen – vorzugsweise auf Magnus, diesen gut aussehenden, lammfrommen … Waschlappen.

„Ich kann nichts dafür, dass ich in den Klatschspalten so oft auftauche“, verteidigte Isabelle sich. „Du weißt doch, wie Reporter sind.“

„Ja, du bist eine ganz Arme“, spottete er.

Er glaubte nicht eine Sekunde, dass sie ihre Berühmtheit nicht genoss. So eitel und selbstverliebt, wie sie schon immer gewesen war, so gierig auf Bewunderung. Damals war er ja auch so dumm gewesen, sie …

Energisch verdrängte er den Gedanken.

„Also, warum bittest du nicht deinen Verlobten um Hilfe?“, erkundigte Paolo sich nochmals.

„Wir sind nicht verlobt. Er hat mir erst vor wenigen Tagen einen Heiratsantrag gemacht, und ich habe noch nicht angenommen. Zuerst muss Alexander in Sicherheit sein. Dann werden Magnus und ich unsere Verlobung offiziell verkünden.“

Obwohl er es schon wusste, traf ihre Bestätigung Paolo wie ein Schlag.

„Außerdem würde Magnus darauf bestehen, dass ich zur Polizei gehe und die üblichen Maßnahmen eingeleitet werden“, erklärte sie weiter. „Aber das würde dauern, und ich bin zu ungeduldig. Ich kann doch nicht dasitzen und abwarten, während ein Verbrecher Alexander in seiner Gewalt hat.“

„Und weshalb kommst du ausgerechnet zu mir?“

„Ich habe auch einiges über dich gehört und gelesen“, erwiderte Isabelle. „Es heißt, du wärst völlig skrupellos und hättest gewisse Verbindungen. Magnus hat mir erzählt, dass du …“

„Dass ich was?“, unterbrach Paolo sie scharf.

„Dich bei den Motorradrennen immer nur auf dich selbst konzentrierst und den Schmerz anderer ignorierst. Du fährst an Unfällen vorbei, beinahe unmenschlich in deiner Entschlossenheit zu siegen.“

Innerlich atmete Paolo auf. Magnus hatte ihr also nichts von den Dingen erzählt, die die beiden Männer verband und für die sich beide schämten.

„Wegen genau dieser Eigenschaften gewinne ich die Motorradrennen, während Magnus ewiger Zweiter ist“, meinte er selbstgefällig.

„Und es heißt, dass du der wahre Sohn deines Vaters bist“, fügte sie ruhig hinzu.

Das hatte Paolo schon so oft gehört, dass es ihn nicht mehr aus der Ruhe brachte. „Du suchst also nach einem eiskalten Ungeheuer ohne Hemmungen und moralische Bedenken, um gegen ein Monster vorzugehen?“, fasste er spöttisch zusammen.

„Ja. Möglicherweise sind Alexanders Bodyguards in die Entführung verwickelt, deshalb brauche ich unbedingt einen Außenseiter. Du bist der Einzige, an den ich mich wenden kann. Die Öffentlichkeit darf nicht erfahren, dass er gekidnappt wurde“, erklärte sie eindringlich. „Das würde so aussehen, als könnten wir in San Piedro nicht einmal unseren Fürsten beschützen, was ziemlich schlecht für das Image meines kleinen Landes wäre.“

„Soll ich es auch vor deinem Zukünftigen geheim halten?“, wollte Paolo wissen. „Ein Geheimnis ist keine gute Grundlage für eine Ehe.“

„Kümmere dich nicht um meine Beziehung, bring mir Alexander zurück.“

„Magnus hat dich wirklich nicht zu mir geschickt?“, hakte er noch einmal misstrauisch nach.

„Warum sollte er? Er weiß nichts von der Entführung und wäre absolut entsetzt, wenn er wüsste, dass ich mich einmische und selbst in Gefahr bringe.“

„Ja, er ist immer der perfekte Gentleman“, bestätigte Paolo sarkastisch.

„Er ist wirklich perfekt“, verteidigte Isabelle ihren Zukünftigen hitzig. „Attraktiv und charmant, außerdem einflussreich und unglaublich vermögend – immerhin der zehntreichste Mann der Welt!“

„Ich wusste ja immer schon, dass du dich an den Meistbietenden verkaufen würdest“, höhnte Paolo.

„So wie ich wusste, dass du mich durch die ordinärste Schlampe ersetzen würdest, die du finden konntest“, konterte sie, nicht weniger ätzend. „Es hat mich nur gewundert, dass du dazu eine ganze Stunde gebraucht hast.“

In der Nacht, als Isabelle ihm so plötzlich und unerwartet den Laufpass gegeben hatte, war Paolo mit seiner Nachbarin ins Bett gestiegen, nachdem er sich vorher besinnungslos betrunken hatte. Eine junge Frau, die versuchte, am Broadway zu landen, und an deren Namen er sich nicht mehr erinnerte.

Ganz kurz fragte er sich, wieso Isabelle von diesem One-Night-Stand wusste, allerdings wollte er sie auf keinen Fall danach fragen.

„Hattest du erwartet, ich würde den Rest meiner Tage wie ein Mönch leben und deinen Verlust betrauern?“, fragte er stattdessen zynisch.

„Nein. Das wäre doch jämmerlich“, erwiderte sie errötend und biss sich auf die Lippe.

Gegen seinen Willen und trotz seiner Abneigung gegen Isabelle erregte ihn diese Geste. Ihre Lippen waren so voll und weich – und er erinnerte sich immer noch, wie sie sich unter seinen angefühlt hatten. Oder wie sie langsam und aufreizend über seinen Körper geglitten waren …

„Ein Mann wie du kann natürlich nicht lange treu sein“, fügte sie von oben herab hinzu. „Darum bin ich ja so froh, jetzt jemanden gefunden zu haben, dem ich vertrauen kann.“

Mir hat sie offensichtlich nie vertraut, dachte Paolo und ballte unwillkürlich die Hände zu Fäusten. Er musste das Thema wechseln, bevor er die Beherrschung verlor und etwas völlig Verrücktes tat, wie etwa … sie an den Schultern zu packen und so leidenschaftlich zu küssen, dass sie Magnus vergaß und all die Männer, mit denen sie in den vergangenen zehn Jahren liiert gewesen war.

„Dann bitte doch deinen Märchenprinzen Magnus um Hilfe“, empfahl Paolo schließlich bitter.

„Ich habe dir doch schon gesagt, dass er mir in der jetzigen Situation nicht helfen kann. Das kannst nur du. Bitte, Paolo! Ich weiß, ich habe dir damals sehr wehgetan …“

„Du doch nicht!“ Ein Blick aus dem Fenster sagte ihm, dass der Himmel noch immer tief über der Stadt hing, grau und bedrückend wie ein Leichentuch. „Wer profitiert eigentlich von der Entführung deines Neffen?“

„Politisch niemand, bei einem so kleinen Land wie unserem“, antwortete sie prompt.

„Also geht es um Lösegeld?“

„Höchstwahrscheinlich. Wenn eine sehr hohe Summe gefordert werden sollte, hätten wir Probleme, sie zu bezahlen. Die Steuereinnahmen sind gesunken, seit einige Firmen in Billiglohnländer übergesiedelt sind. Unsere Wirtschaft hat wirklich zu kämpfen. Wenn es nicht den Tourismus gäbe …“

„Zu kämpfen?“, wiederholte Paolo zweifelnd und blickte vielsagend auf ihre Perlenohrringe, den Designermantel und die teuren Stiefel.

Isabelle errötete. „Meine Garderobe erhalte ich gratis von den Designern, weil es für sie die beste und billigste Reklame ist, so oft wie ich in den Klatschspalten erscheine. Prinzessin Isabelle in einem bezaubernden Model von Blablabla … und es kostet sie nichts weiter als ein Gratisstück. Jeder will doch Publicity!“ Sie blickte unbehaglich zur Tür. „Da wir gerade davon sprechen: Muss ich damit rechnen, dass jemand aus deinem Mitarbeiterstab die Presse von meinem Besuch hier benachrichtigt?“

„Ich vertraue ihnen allen“, erwiderte er kühl.

Gleichzeitig dachte er, dass Valentina bestimmt demnächst ihren Freundinnen brühwarm erzählen würde, wen sie gerade eben in voller Lebensgröße gesehen hatte. Normalerweise war sie die Diskretion in Person, doch bei ihrer Leidenschaft für Promis konnte man sicher sein, dass sie die Begegnung mit Prinzessin Isabelle de Luceran nicht für sich behalten könnte.

„Zurück zu deinem Problem“, meinte er dann brüsk. „Hätte Magnus Grund, deinen Neffen zu entführen?“

Fassungslos sah sie ihn an. „Magnus? Weshalb sollte er?“

„Damit seine eigenen Kinder den Thron erben.“

„Von welchen Kindern redest du?“, keuchte sie bestürzt.

„Von seinen zukünftigen mit dir“, antwortete Paolo und sah ihr tief in die Augen.

„Ach so.“ Isabelle seufzte leise. „Nein, das kann ich mir nicht wirklich als Motiv für die Entführung vorstellen. San Piedro ist zwar schön und reich an Geschichte und Kultur, aber, wie du sicher weißt, nicht größer als knapp acht Quadratkilometer. Magnus besitzt allein in Österreich mehr Ländereien, und sein Stammbaum geht bis auf Kaiser Karl zurück. Für die Herrschaft über unser kleines Fürstentum begeht er sicher kein Verbrechen. Er ist ein durch und durch anständiger Mann.“

„Stimmt“, gab Paolo widerwillig zu.

Seit fünf Jahren trat er beim Motorrad Grand Prix gegen Magnus von Trondhem an und wusste daher, dass sein Rivale tatsächlich den Charakter eines Pfadfinders hatte. Allzeit hilfsbereit, tat er alles mit Bedacht – sogar bei den Rennen – und war deshalb letztlich fad und nichtssagend.

Er wird sich von Isabelle gern an die Kandare nehmen lassen, dachte Paolo verächtlich. Ja, Magnus war der perfekte Ehemann für sie. Das langweilige Leben, das ihr mit ihm bevorstand, gönnte er ihr.

Und trotzdem …

Er gönnte sie keinem anderen Mann, obwohl sie ihn bereits vor zehn Jahren verlassen hatte, wie er in diesem Moment siedend heiß erkannte. Noch immer weckte sie in ihm verzehrendes Verlangen, allein durch ihren Duft, ihren Anblick und ihre Nähe.

Und er schwor sich, sie wieder zu besitzen. So lange, bis er ihrer überdrüssig wurde und sie so unbekümmert fallen lassen konnte, wie sie ihn damals abserviert hatte.

Das wäre seine Rache!

„Was ist denn nun?“, fragte Isabelle. „Wirst du mir helfen?“

Als er nicht sofort antwortete, blickte sie ihn mit ihren wunderschönen goldbraunen Augen bittend an und legte ihm die Hand auf den Arm.

„Ich flehe dich an, Paolo, hilf mir!“

Er schaute kurz auf ihre schlanken Finger und dann durchs Fenster. Inzwischen nieselte es nur noch, die Sonne war als blassgelbe Scheibe schwach hinter dem Wolkenschleier zu erkennen. Unten, in den düsteren Straßenschluchten, krochen die Autos wie Käfer dahin, während ungezählte Menschen ameisengleich die Bürgersteige entlanghasteten. Die ganze Stadt schien aus tristen Grautönen zu bestehen.

Mit einer Ausnahme: Isabelle. Obwohl sie durchnässt und verzweifelt war, ging von ihr ein helles Leuchten aus.

Ein warmer Schimmer, der ihn magnetisch anzog.

Plötzlich erkannte Paolo, dass alle Frauen, mit denen er sich in den vergangenen zehn Jahren abgegeben hatte, nur ein blasser Abglanz gewesen waren. Er fragte sich, wann er eine Frau zuletzt so heiß begehrt hatte wie Isabelle jetzt.

Die Antwort lautete: Isabelle damals.

Er erinnerte sich, wie sie sich in seinem winzigen Apartment in Little Italy geliebt hatten, wie sich ihre Haut unter seinen Fingerspitzen angefühlt hatte. Erinnerte sich an den Geschmack ihrer Küsse. An die winzigen Schweißperlen auf ihren Brüsten.

Sie hatten auf einer Matratze auf dem Boden gelegen, über ihnen hatte der Deckenventilator langsam und surrend rotiert, denn es war Sommer und sehr, sehr heiß gewesen.

Das alles war ihm unvergesslich geblieben, denn …

„Paolo?“

„Na gut.“ Er wandte sich ihr wieder zu. „Ich helfe dir. Dein Neffe wird ohne Aufsehen gerettet. Und als Lohn dafür wirst du … meine Geliebte.“

Entsetzt sah Isabelle Paolo an. „Das ist nicht dein Ernst, oder?“