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Von Schlangen + Kaninchen erzählt die Fabel eines Lebens, in der der Lug, Betrug, Neid und Missgunst offensichtlich die Oberhand gewinnen. Der Hauptprotagonist sitzt wie ein Kaninchen vor der Schlange und durchlebt Situationen, die nicht alltäglich sind. Wenn auch du schon einmal in dieser Situation warst, dann wirst du diese Geschichte, die mit sehr viel Herzblut und sehr emotional, authentisch geschrieben wurde, lieben. Diese sich immer wieder wandelnde Fabel, erweckt das Kaninchen in seiner reinsten Form in dir. Doch zu welcher Gattung Kaninchen gehörst du? Gehörst du der Gattung "Schockstarre" an? Oder gehörst du eher zu den Freigeistern, für die keinerlei gedankliche Grenzen existieren? Freigeister, die sich jeden neuen Tag in "out of the box thinking" üben. Die Gattung, die permanent die Grenzen verschiebt und die furchtlos der Schlange gegenüber tritt. Furchtlos, weil sie im Hier und Jetzt lebt und der Schlange in jeglicher Hinsicht überlegen ist. Gehörst du zu der Gattung der Furchtlosen, die Lug, Betrug, Neid, Gier, Machtbesessenheit, Hab- und Raffgier und Intrigen an sich abprallen lassen? Die den Schlangen, die sich dessen bedienen, die kalte Schulter zeigen und ihnen das Schutzschild der Erkenntnis entgegen halten? Wer bist du? Wie hättest du in den unterschiedlichsten Situationen, die in den Kapiteln auftauchen gehandelt? Von Schlangen und Kaninchen beschreibt den Werdegang eines Kaninchens vom Kind bis zum Mann, in allen Phasen seines Lebens. Wir erfahren detailliert welche Motive dem Hauptprotagonisten zu Grunde liegen. Der Autor lässt uns fantasiereich an den Gefühlswelten der Hauptperson teilhaben. Dabei wird kaum ein Thema ausgelassen. Tauche ein, in eine Welt von Neid und Missgunst, aber auch von Liebe und Harmonie. In eine Welt, in der das Universum offen zugänglich für Freigeister ist. Sei keine Schlange, sei ein Kaninchen und Freigeist.
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Seitenzahl: 481
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Dr. Wolf von Käppchenrot
Von Schlangen + Kaninchen
Die Fabel eines Lebens
WIDMUNG
Dieses Buch ist all denjenigen gewidmet, die wilde Schicksalsstürme in ihrem Leben erleben durften.
Mich haben die Schicksalsstürme hinauf zu den Sternen getragen.
Und wenn du in einer klaren Nacht nach oben ins Universum blickst und es genau betrachtest, kannst du beobachten, wie ich mit ihnen tanze.
Ich wünsche deiner Seele das Gleiche von ganzem Herzen. Denn im Universum spielen Raum und Zeit keine Rolle und wir alle sind gleich.
Das Einzige was zählt, ist positive Energie und ein positives Mindset.
Viel Spaß beim Lesen dieser, sich immer wieder ändernden Fabel eines Lebens.
Dr. Wolf von Käppchenrot
Dr. Wolf von Käppchenrot
Von Schlangen + Kaninchen
Die Fabel eines Lebens
IMPRESSUM:
© 2023 Dr. Wolf von Käppchenrot
Umschlag, Illustration: „ghost in mindset“ Düsseldorf
Lektorat, Korrektorat: Lektorat Dine´ – Düsseldorf / Neuss
Weitere Mitwirkende: Jacri – St. Prex Schweiz, Nadine P. Neuss, Das Team von mental-mindset.com
Druck und Distribution im Auftrag von Dr. Wolf von Käppchenrot: tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland
ISBN
Paperback
978-3-347-99971-8
e-Book
978-3-347-99972-5
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist Dr. Wolf von Käppchenrot verantwortlich.
Jegliche Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig.
Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag von Dr. Wolf von Käppchenrot, zu erreichen unter:
tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.
Cover
Widmung
Titelblatt
Urheberrechte
Vorwort
Frühjahr 2019
Das Kaninchen und die Schlange
Die Verkündung
Déjà vu
Das Land in dem die Zitronen blühen
Pizzateufel
Die frühen 80er Jahre
Der Auszug
Das Akademikerkaninchen
Die Kindheit
Das Unfassbare
Erstes Studium
Kommilitoninnen
Pläne
Ein Anfang
Paradiesvogel
Die Schwestern
Krawallbürste
Die geschockten Luftgeister
Das falsche Schlangenbiest
Die Spackenfreundin
2004
Angenehme Überraschung
Flamenco, Sekt und Tapas
Die zwei
Falsches Spiel
Der Krankenbesuch
Die Reise des Kaninchenvaters
Zu viele Medikamente
Eine Verhandlung
September 2004
November 2004
Dachratten
Fortschreitende Demenz
Intensive Kaninchenstation
Leere Zimmer
Verhältnisse zurechtrücken
Üble Machenschaften
Das Chefarztkaninchen
Die Büromaus und der Vertriebswolf
Ein Bahnhof kommt näher
Eine Portion Pasta
Der nächste Bahnhof
Die Beerdigungszeremonie
Rückblick – Grüner Ohrensessel
Die Ansichten eines Freigeistes
Rückblick - Nichteltern
Der Trotzohrensessel
November Rain
Der blonde Engel
Von Frostbeulen
Ein Engel kommt nach Hause
Das Jahresamt
Das Testament
Die notarielle Schlange
Von Ansichten und Einsichten
Ein Konzert
Bei klarem Verstand
Die Ansichten von Müttern
Von seltsamen Gefühlen
Folge den negativen Wellen
Schoggi aus dem neutralen Kaninchenland
Nicht besonders Technikaffin
Den Dingen ihren Lauf lassen
Das Schneckenrennen
Die Welt des blonden Engels
So Happy together
Der Engel lernt schwimmen
Zwei Wochen später
Billiges Rasierwasser
Die Eiszeit bricht an
Die Lieblingsholzhütte
Von Fährenten, Elchen und Holzhütten
Die Höllenmaschine
Der Rückblick
Der Tag des Auszugs
Ein neues Zeitalter beginnt
Eine Einladung
Epilog
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Vorwort
Epilog
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Vorwort
Irgendwann, so sagt man, kommt im Leben der Punkt, an dem es nicht mehr weiter geht.
Es ist der Punkt, an dem die Verzweiflung ins Spiel kommt. Sie verdrängt die kurz zuvor dagewesene Hoffnung.
Die Verzweiflung ist eine Schlingpflanze, auf die derjenige, der sie in sich trägt, sehr gut achten sollte. Denn das Gefährlichste an dieser Schlingpflanze ist die Geschwindigkeit, mit der sie wächst.
Gerade eben noch lag das Saatkorn der Verzweiflung völlig unbemerkt im Inneren eines ahnungslosen Betroffenen und schon im nächsten Augenblick beginnt es zu keimen.
Es wächst in Windeseile vom jungen Spross zu einer stattlichen Pflanze heran, die ihre garstigen, tentakelförmigen schlingernden Arme in jede Himmelsrichtung ausbreitet.
Manchmal geschieht dies so schnell, dass der Betroffene unfähig ist, einen klaren Gedanken zu fassen.
Das ist der Moment, in dem der letzte Funke Hoffnung erlischt.
Zum Glück ergeht es nicht jedem so, denn einige Berufene unter uns haben gelernt, der Verzweiflung Einhalt zu gebieten und selbst aus dem kleinsten Funken Hoffnung, innerhalb kürzester Zeit ein wildes, flammendes Inferno zu entfachen, welches den Wildwuchs der Verzweiflung rapide niederbrennt und in einen kümmerlichen Haufen Asche verwandelt.
Doch diese besondere Fähigkeit besitzen nur wenige.
Es sind die Furchtlosen unter uns, die Grenzen und Gefahren schneller erkennen, als alle anderen. Und sie haben gelernt, damit umzugehen.
Selbstbewusst, unbeirrt und furchtlos gehen sie ihren Weg.
Furchtlose nutzen bereits die Situation, während die Ängstlichen noch im Zustand der Schockstarre verharren.
Furchtlose haben ihre ganz eigene Sichtweise der Dinge.
In aufziehende, dunkle Gewitterwolken sehen sie keine drohende Gefahr, nass zu werden. Es würde ihnen ohnehin nichts ausmachen.
Sie sehen viel mehr in dem kurz darauf einsetzenden Regen eine willkommene Bewässerung ihres Rosengartens.
Ein Rosengarten, in dem sie willkommene Erholung finden, nachdem die Sonne wieder zum Vorschein kommt, während der Himmel sein strahlendes hoffnungsvolles Blau preisgibt.
Die Furchtlosen haben gelernt, mit ihren Aufgaben zu wachsen. Sie besitzen die besondere Fähigkeit, Grenzen immer wieder aufs Neue zu verschieben.
Um das tun zu können, treffen sie bereitwillig Entscheidungen, die sie neue Wege beschreiten lässt. Ausgetrampelte Pfade würden sie nie beschreiten, sie gehen ihres eigenen Weges und sie wissen genau, was sie wollen.
Sie sind der Fels in der Brandung.
Die Ängstlichen sehen die Dinge verschwommen. Deshalb sehnen sie sich nach Sicherheit und Geborgenheit. Sie gehen Konflikten jeglicher Art am liebsten aus dem Weg, denn sie denken in Kategorien wie Gut und Böse, Richtig und Falsch. Vor allem aber, haben sie panische Angst davor, eine falsche Entscheidung zu treffen.
Dabei wissen wir alle in unserem tiefsten Inneren, wenn wir eine Entscheidung treffen, so ist dies mit einer Gabelung auf unserem Lebensweg zu vergleichen.
Ein Weg, den jeder von uns geht, alleine und bis zum bitteren Ende.
Es ist die große Reise, auf die wir uns alle begeben.
In jungen Jahren hat mir mal jemand den Verlauf des Lebens, im Vergleich zu einer Zugfahrt erklärt.
„Am Anfang deines Lebens steigst du an einem Bahnhof das allererste Mal in einen Zug. Das ist deine Geburt.
Du sitzt in einem Abteil zusammen mit anderen Reisenden. Das ist deine Familie. Mama, Papa und eventuell Geschwister. Später, wenn du älter bist, wechselst du das Abteil und triffst viele neue Menschen. Du gehst in den Kindergarten, in die Schule, machst eine Ausbildung, oder ein Studium und wechselst in das Berufsleben. Dabei steht es dir frei, das Abteil zu wechseln. Zum Beispiel, wenn du bestimmte Menschen nicht mehr um dich haben möchtest.
Von Zeit zu Zeit hält der Zug an einem Bahnhof an und macht für ein paar Minuten Pause, aber meistens fährt er dem nächsten Bahnhof entgegen.
Während er das tut, kannst du aus dem Fenster schauen und viele Dinge erleben. Das ist dein Leben.
Manche Dinge sind schön, andere weniger schön. Manche Dinge sind sonderbar, andere erscheinen einem ganz natürlich. Einige Dinge möchte man gerne mitnehmen und für immer behalten. Andere möchte man so schnell wie möglich wieder vergessen. Viele Dinge, belustigen und erfreuen uns und manchmal in besonders glücklichen Momenten können wir einfach nicht genug davon bekommen. Wenn der Zug anhält, steigen neue Passagiere hinzu. Das ist, wenn jemand geboren wird. Andere Passagiere steigen aus. Sie kommen nicht mehr wieder. Das ist, wenn jemand stirbt.
Wenn der Zug an einem Bahnhof hält, haben einige Passagiere ihr Ziel erreicht und die, die im Zug sitzen, bleiben und weiterfahren, haben Gelegenheit, sich eine kleine Verschnaufpause von der anstrengenden Fahrt zu gönnen.
Selbstverständlich wird jeder Passagier sich im Laufe der Fahrt verwandeln.
Er wird nicht mehr der sein, der er zu Beginn der Fahrt war.
In jungen Jahren kann man das sehr schön erkennen. Wir wachsen rasch, kommen in die Pubertät und verändert uns nochmals. Im Erwachsenenalter verändert sich unser Körper langsamer.
Aber nicht nur der Körper verändert sich, sondern auch der Geist. Dies geschieht bei jedem Einzelnen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und liegt auch an seiner individuellen Entwicklung, die er während seiner Zugfahrt durchlebt. Wir alle haben Einfluss darauf und können die Dinge formen. Zwar nur in einem bestimmten Rahmen, aber wir können Einfluss darauf nehmen.
Den Geist kannst du relativ leicht beeinflussen, in dem du ihn täglich trainierst. Deinen Körper kannst du auch trainieren, jedoch sind die Grenzen ein wenig enger.
Und nun wünsche ich dir viel Spaß bei deiner bevorstehenden Fahrt“
Während ich mich an diese Worte erinnere und sie noch in meinen Ohren klingen, merke ich, wie mein Zug in vollem Tempo weiterfährt.
Ich hätte mir so sehr gewünscht, dass er wenigstens für ein paar Minuten an einem Bahnhof anhalten würde, damit wir eine kleine Verschnaufpause einlegen zu können.
Das ist nunmehr fünfzehn Jahre her.
Es war der Anfang vom Ende.
Frühjahr 2019
„Wir müssen reden“
Wenn ein Mann eine Frau diesen Satz sagen hört, dann kann er ziemlich sicher sein, dass der finsterste Ort der Hölle, wie ein paradiesischer Strand in der Karibik wirkt, im Gegensatz zu dem, was ihn im darauffolgenden Moment erwarten wird.
Das ihm jedoch ein Platz in der Hölle sicher ist, daran kann nicht der geringste Zweifel bestehen. Das ist so sicher, wie das Amen in der Kirche, nach der Verkündung der frohen Botschaft.
Meine Frau legt den Hörer des Telefons auf und sieht mich an. Dann verkündet sie ihre frohe Botschaft: „Ich habe eine Wohnung“
Die Verkündung der frohen Botschaft hat auf mich schockartige Auswirkungen. Somit ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass kein Amen meinerseits folgt. Ich befinde mich ja auch nicht in der Kirche. Ganz im Gegenteil, mir ist ein Platz in der Hölle gewiss.
Sie hat nicht gesagt wir haben eine neue Wohnung, sondern ich.
Ich habe eine Wohnung.
Ich merke, wie das Blut aus meinem Kopf nach unten gezogen wird, obwohl mir das Herz bis zum Hals schlägt. Ein Gefühl von Schwindel überkommt mich. Ich taumle, schnappe nach Luft, verliere den Halt und den Boden unter den Füssen. Dann kippe ich wie ein Boxer, der sich einen Kinnhacken eingefangen hat, kopfüber zu Boden und merke, wie ich hart aufschlage. „… sieben, acht, neun… Knock-Out“, höre ich den Ringrichter aus einem milchigen Nebel heraus rufen. Die Stimme des Ringrichters entfernt sich immer weiter. Sie wird leiser und leiser und leiser. Dann wird es dunkel um mich herum.
Die Realität kann einen ziemlich hart und unverhofft treffen. In meinem Fall bedeutet es, dass sich soeben fünfundzwanzig Jahre Beziehung, von denen dreizehn Jahre Ehe waren, in Wohlgefallen aufgelöst haben. Fünfundzwanzig Jahre, mit allen Höhen und Tiefen. Wir haben erst nach der Geburt unserer Tochter geheiratet, denn so haben wir damals die Dinge gehandhabt.
Als meine Frau mir verkündete sie sei schwanger und ich ihr einen Antrag gemacht habe, sagte sie: „Die Hochzeit müssen wir wohl noch ein wenig verschieben, denn ich will ja schließlich feiern und im Moment darf ich keinen Alkohol zu mir nehmen“
So sah meine Welt vor fünfzehn Jahren aus. Eine Welt, die scheinbar in Ordnung war.
Eine Welt, in der mein Vater noch lebte.
Das Kaninchen und die Schlange
Natürlich bin ich nicht wirklich auf den Boden unseres Wohnzimmers aufgeschlagen, sondern sitze noch auf unserer Couch. Aber auf der Couch sitze ich auch nicht so wirklich. Ich sitze, wie das sprichwörtliche Kaninchen vor der Schlange.
Das Kaninchen ist hypnotisiert. Es kann keinen klaren Gedanken fassen. Es befindet sich in Schockstarre.
Dieser Zustand wird die nächsten drei Tage anhalten. Drei endlos lange Tage, an denen ich nicht mehr, oder nur noch unter großer Mühe einen klaren Gedanken formulieren kann. Tage, an denen sich meine emotionale Seite nicht mehr mit der rationalen Seite im Gleichgewicht befindet. Tage, an denen sie mich mit Gefühlen überfluten wird.
Klar denken. Das konnte ich einmal. Sehr gut sogar.
Ich liebte die verschiedenen Gedankenvarianten und ich liebte es, sie aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Sie zu denken und dann präzise verbal zu formulieren.
Ich liebte es, mich mit anderen Zeitgenossen in einer Art Wettbewerb, um die klarsten Gedanken und präzisesten Formulierungen, zu befinden.
In Zusatzseminaren an der Universität, haben wir uns buchstäblich daran gemessen. Wir ereiferten uns regelrecht und konnten nicht genug davon bekommen.
Aber hier und jetzt einen klaren Gedanken fassen?
Unmöglich. Grollend, tosend überrollt mich ein Gedankentsunami riesigen Ausmaßes, mit seiner wild schäumenden Gicht aus Emotionen. Endlos prasseln sie auf mich nieder und ich merke, wie ich für jede einzelne empfänglich bin.
Es ist jedoch nicht so, dass ich sie hilflos und traurig empfange, sondern eher faszinierend betrachte, wie das Betrachten von „Flashbacks“. Den einen, oder anderen hätte ich gerne festgehalten und nochmal durchlebt, aber das war mir nicht möglich.
Ich bin ein Kaninchen und jeder weiß, Kaninchen denken nicht. Jedenfalls denken sie nicht, wenn sie gerade vor einer Schlange sitzen, oder?
Während der Gedankentsunami über mich hinwegfegt, verkündet die rockig röhrende Stimme aus den Lautsprechern des Radios in unserer Küche, sie wäre auf einem Highway zur Hölle
Jeder Arbeitnehmer würde jetzt vermutlich zum Arzt gehen und sich einen Joker holen. Der Joker ist die Trumpfkarte im Arbeitsleben, die einem wenigstens ein paar Tage Luft verschafft, um sich von gewissen Tiefschlägen zu erholen. Die einen nennen ihn „gelben Schein“, die anderen AU, oder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Ich sage schlicht und ergreifend Joker.
In meinem Fall ist der Joker so ziemlich wirkungslos, da ich selbstständig bin. Ich hatte mich direkt nach dem Studium selbstständig gemacht und bin in die IT- und Telekommunikations-branche eingestiegen. Eine zu dieser Zeit sehr junge und vielversprechende, aber auch sehr komplexe Branche.
Meine Frau ist auch selbstständig. Sie ist jedoch im handwerklichen Segment tätig. Für Selbstständige bedeutet das, wenn wir nicht arbeiten, bekommen wir auch kein Geld.
Ich werde die kommenden drei Tage kaum arbeiten. Das stellt für mich kein großes Problem dar, da ich im Projektgeschäft tätig bin und mir meine Zeit relativ frei einteilen kann.
Zudem wüsste ich gar nicht, welchen Arzt ich aufsuchen sollte.
Meine innere Stimme flüstert mir zu: „Geh doch zum Psychotherapeuten und oute dich als Kaninchen“, dann lacht die innere Stimme süffisant und bemerkt mit schelmischem Unterton „Das würde eine Mordsgaudi geben“
Die Verkündung
Hypnotisiert sitzt das Kaninchen immer noch vor der Schlange.
„Du hast eine Wohnung?“, hakt es nach.
„Ja“
„Ab wann?“, möchte es wissen.
„Ab nächsten Monat“, verkündet die Schlange.
„Und wie stellst du dir das vor?“
„Ich habe noch keine Ahnung, aber die Gelegenheit ist günstig und wenn ich jetzt nicht ausziehe, werde ich es bereuen“, sagt die Schlange.
„Das war es also mit uns?“
„Ja, tut mir leid“, zischelt die Schlange.
„Tut es nicht“, korrigiert die innere Stimme, während das Kaninchen immer noch wie hypnotisiert vor der Schlange sitzt.
„Wir müssen es dem Kind sagen“, hört die innere Stimme das Kaninchen sagen.
„Ja, das müssen wir“, stimmt die Schlange zu.
„Wann?“
„Keine Ahnung“, es ist eine Eigenart der Schlange, dass sie von Zeit zu Zeit spontan ratlos ist.
„Wer übernimmt das?“
„Du! Ich kann sowas nicht“, hypnotisierend und bestimmend sieht die Schlange das Kaninchen an.
Dann verkriecht sie sich ins Schlafzimmer.
„Ba da damm, ba da damm, ba da damm, ba da damm da, ba da damm“, nun verkündet auch die innere Stimme, sie wäre auf dem Highway zur Hölle.
„Schnauze jetzt“, herrscht das Kaninchen ziemlich genervt die innere Stimme an.
Doch die zeigt sich ziemlich unbeeindruckt. „Ist ja mal wieder typisch. Schlangen können solche Dinge eben nicht. Außerdem sehen sie nicht besonders gut. Deshalb fällt es ihnen ja auch so schwer, den Blick auf ihr Handeln und den damit verbundenen Folgen zu richten. Ihnen fehlt eben der Weitblick. Oder anders gesagt, ihnen ist nicht bewusst, welche zukünftige Auswirkung ihr Handeln auf ihr Umfeld hat. Sie handeln meist, ohne sich über die daraus resultierenden Konsequenzen bewusst zu sein. Zum guten Schluss wundern sie sich, dass die Dinge nicht so gelaufen sind, wie sie es gerne hätten. Dann ist es jedoch zu spät. Deshalb hört man von ihnen oft Sätze wie: ´Ist jetzt ebenso´.
Zu allem Überfluss sind Schlangen auch noch taub. Jedenfalls sind sie nicht gerade empfänglich für Worte, die von einem Kaninchen kommen.
Kaninchen sind da ganz anders gestrickt. Sie überlegen erst bevor sie etwas tun. Sie spielen mögliche Szenarien gedanklich durch und versuchen zumindest die Dinge zu planen. Wenn dann gewisse Umstände den Plan ändern, haben sie immer noch einen Plan B, oder C, oder D.
Kaninchen besitzen Weitblick. Genau das ist auch der Grund, warum sie keine Angst vor Schlangen haben müssen.
OK, der allererste Moment, in dem ein Kaninchen erkennt, dass es vor einer Schlange sitzt, lässt die meisten von ihnen in eine Art Schockstarre verfallen. Aber das legt sich relativ schnell wieder.
Es wurden auch schon erfahrene Kaninchen gesehen, denen machte es gar nichts mehr aus, vor einer Schlange zu sitzen. Die wissen, ganz genau, dass sie Herr der Lage sind. Denen können Schlangen gar nichts, außer den Buckel runterrutschen“, versucht die innere Stimme das Kaninchen aufzuklären.
„Du kannst mich, langsam aber sicher auch mal, wenn du so weiter machst“, teilt das Kaninchen ziemlich genervt der inneren Stimme mit.
„Vorsicht mein Freund, dass Eis wird dünner“, entgegnet diese daraufhin. „Ich muss dich nicht immer auf Gefahren aufmerksam machen, das kann ich auch bleiben lassen“
„Du kannst doch gar nicht anders“, entgegnet das Kaninchen der inneren Stimme.
Die innere Stimme existierte, seitdem das Kaninchen denken konnte. Sofort nach ihrem ersten Erscheinen, war klar, sie würde die rein emotionale Seite seines Ichs sein, während das Kaninchen selbst ziemlich rational gepolt sein würde.
Die beiden ergänzten sich perfekt. Bereits in jungen Jahren wurde aus ihnen ein eingespieltes Team.
Da die innere Stimme rein emotional gepolt war, besaß sie wertvolle Fähigkeiten, die den beiden sehr häufig zu Gute kamen.
Sie war wandlungsfähig, flexibel und sehr rapide. Was jedoch das bemerkenswerteste an ihr war und das schätzte das Kaninchen immer wieder, war ihr Einfühlungsvermögen.
Sie konnte in sekundenbruchteilen Situationen und die damit verbundenen Gefahren erkennen. Die konnte sie zwar nicht immer richtig einschätzen. Aber das musste sie auch nicht, denn dafür war das Kaninchen mit seinen rationalen Fähigkeiten zuständig. Und die mussten sehr häufig die innere Stimme bremsen, denn die schlug, in ihrem Übermut, häufig über die Stränge.
Déjà vu
Das Kaninchen sitzt alleine im gemeinsamen Wohnzimmer auf der großen Kunstledercoach und sinniert über Vergangenes.
Während seine Gedanken in der Vergangenheit kreisen, bekommt es einen leichten Schreck und ihm ist, als hätte es ein Déjà vu.
Das alles hatte es schon einmal durchlebt, vor vielen, vielen Jahren. Jedoch waren damals die Rollen ein wenig vertauscht.
Auch seine Eltern hatten sich damals getrennt.
Als junger unerfahrener Kaninchenspund, der gerade einmal süße neun Lenze zählte, lebte er zunächst bei seiner Mutter. Acht Jahre später zog er dann zu seinem Vater, der zwischenzeitlich wieder neu geheiratet hatte.
Mit seiner zweiten Ehefrau eröffnete der Kaninchenvater eine Futterkrippe, die innerhalb kürzester Zeit ziemlich florierte. Der Kaninchenvater, der die Sonne im Herzen trug, strahlte eine sehr positive Energie aus. Das erkannten seine Kunden sofort und dankten es ihm, indem sie die Futterkrippe immer wieder gerne besuchten.
Der Kaninchenvater war kein Nordkaninchen. Er kam aus einem weit entfernten Land im Süden.
Einem Land, in dem die Einwohner eine andere Sprache sprechen und dessen Mode auf der ganzen Welt, ein Symbol höchster Eleganz war.
Wer also mit der Zeit gehen wollte und etwas auf sich hielt, der trug Schuhe aus diesem Land, denn die genossen auf der ganzen Welt einen sehr guten Ruf.
Ganz so, wie eine kühle Spezialität, die von den südländischen Kaninchen in unterschiedlichsten Geschmacksorten hergestellt und in kleinen, süßlich schmeckenden Hörnchen, mit einer Portion Sahne verkauft wurde.
Um in dieses Land zu reisen, musste man sehr weit fahren und Berge überqueren. Ja, sogar ganze Bergketten waren zu überqueren, um aus dem Norden in dieses Land zu gelangen.
So war es auch nicht weiter verwunderlich, dass sich viele Sagen und Mythen um dieses Land rankten.
Vor über zweitausend Jahren, soll sogar einmal ein karthagisches Kampfkaninchen, mit vielen anderen Kampfkaninchen und riesigen Trampeltieren, die furchtbar lange Nasen hatten, die Berge überquert haben, um dort ein wenig Krawall zu machen.
Aber die südländischen Kaninchen ließen sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen
Sie waren auch nicht sonderlich davon beeindruckt, dass ihnen jemand lange Nasen zeigen wollte.
Schließlich hatten sie ihre Metropole, für die Ewigkeit gebaut. Da brauchte es schon etwas mehr, als lange Nasen, um sie aus der Ruhe zu bringen. Als das karthagische Kampfkaninchen das erkannte, gab es auf und die südländischen Kaninchen, in der ewigen Metropole, hatten wieder ihre Ruhe.
Mehrere hundert Jahre später, bereiste dann ein lyrisches Nordkaninchen ebenfalls dieses Land. Allerdings in friedlicher Absicht. Es fand solchen Gefallen daran, dass es fortan, von dem Land, in dem die Zitronen blühen, sprach.
Und so wurde dieses Land, als das Land in dem die Zitronen blühen bekannt.
Das Land in dem die Zitronen blühen
Kaninchen die aus dem „Land, in dem die Zitronen blühen“ kommen, haben meist ein schwarzes Fell und braune Augen.
Sie gelten in der Regel als sehr aufbrausend und sehr vital.
Sie sind leicht zu indentifizieren. Man erkennt sie daran, wie sie ihre Unterhaltung führen. Sie unterhalten sich nicht, wie nordländischen Kaninchen, kühl und nur mit Worten.
Nein, das reicht ihnen nicht aus.
Sie unterhalten sich heißblütig, mit Händen und Füssen. Sie gestikulieren wild umher.
Zu allem Überfluss, kam der Kaninchenvater auch noch aus einer sehr berühmten, aber leider auch berüchtigten Stadt im Süden, des Landes, in dem die Zitronen blühen.
Viele Aussagen und Geschichten ranken sich um diese Stadt.
Und wie es der Zufall will, hat die Pizza ihren Ursprung in dieser Stadt. Sie wurde dort erfunden. Jeder der jemals dort eine Pizza gegessen hatte, wollte nie wieder irgendwo anders eine Pizza essen. Denn es ist bis heute schlicht und ergreifend unmöglich, diese geschmacklich zu übertreffen.
Das Geheimnis der Pizzen ist es, dass sie in Steinöfen gebacken werden.
In den Steinöfen, die meist von rundlicher Form sind, sorgen Holzscheite für die nötige hohe Temperatur. Und die ist, von entscheidender Bedeutung, für den Geschmack einer jeden Pizza.
Damit diese stets richtig ist, hat jeder Steinofen einen kleinen Pizzateufel, der die Holzscheite nachlegt und mit seiner Forke die Pizzen in den Ofen schiebt, oder sie, wenn das Werk vollbracht ist, wieder herausholt.
Der einzigartige Duft von zerlaufenem Mozzarella, Tomaten und gebackenem Pizzateig, der die exzellente Qualität verkündet und der auch heute noch, durch die viel zu engen und überfüllten Gassen strömt, in denen sich die Kaninchen und Schlangen drängen, zieht die hungrigen Feinschmecker unter ihnen, schon von Weitem magisch an.
Die weltweit bekannteste Pizza wird traditionell in den Farben des Landes grün, weiß, rot gebacken.
Sie wurde nach der Kaninchenkönigin des Landes, die im Jahre Achtzehnhundertneunundachtzig die Stadt besuchte, benannt und ist seitdem weltweit bekannt.
Und das kam so.
Pizzateufel
Als die Kaninchenkönigin die Stadt besuchte, wollte sie unbedingt etwas Typisches aus der Region essen und wurde ebenfalls von den Düften, die die kleinen Pizzateufel an ihren Feuerstellen erzeugten magisch angezogen. Daraufhin bat sie einen der unzähligen kleinen Pizzateufel, der gerade eifrig mit seinem Ofen beschäftigt war, ihr etwas Typisches aus der Region zu servieren. Der angesprochene kleine Pizzateufel machte sich umgehend ans Werk und legte zur Sicherheit noch ein paar Holzscheite in seinen Steinofen.
Dann belegte er einen zuvor ausgerollten Pizzaboden mit frischen Tomaten und regionaler Mozzarella und schob sein Werk in den Ofen, in dem schon die Flammen wild loderten. Als die Pizza fertig war, entriss er mit seiner Forke das kleine Teufelswerk dem Feuer. Anschließend verzierte er es liebevoll mit frischem Basilikum und überreichte den herrlich duftenden Gaumengenuss, in den Landesfarben, der Kaninchenkönigin. Der lief schon beim bloßen Anblick das Wasser im Mund zusammen.
Der Königin schmeckte die Pizza so vorzüglich, dass sie sich, nach dem Namen dieser Delikatesse erkundigte. Überwältigt von so viel Lob, benannte der kleine Pizzateufel sein Teufelswerk, nach dem Namen der Königin. Fortan hieß die bekannteste und beliebteste Pizza, im „Land, in dem die Zitronen blühen“ „Margherita“.
Die Geburtsstadt des Kaninchenvaters, besitzt sogar einen eigenen Vulkan. Aber der hatte schon seit ewig langer Zeit kein Feuer mehr gespukt. Worüber die Einwohner der Stadt im Grunde ihres Herzens auch recht froh waren, denn ihnen reichten die kleinen Feuer in den Steinöfen, an denen die kleinen Pizzateufel ihr Werk verrichteten, völlig aus.
Überhaupt werden den Einwohnern dieser Stadt einige Eigenarten zu geschrieben. Eine dieser Eigenarten ist, dass für sie die Familie einen sehr hohen Stellenwert besitzt. Im Grunde genommen hat die Familie für sie den allerhöchsten Stellenwert.
Da kommt es auch schon mal vor, dass Leute als Familienmitglied angesehen werden, obwohl sie gar nicht miteinander verwandt, oder verschwägert sind.
Seltsamerweise stört das niemanden und je größer die Familie ist, desto größer ist ihr Zusammenhang und damit auch ihre Macht.
Oft beginnt die ganze Sache damit, dass jemand, einem anderen einen Gefallen erweist. Dieser zeigt sich erkenntlich und erweist diesem jemanden wiederum einen Gefallen. Ein Gefallen kommt zum anderen und so geht das ganze Spiel weiter und weiter. Bis man plötzlich zur Familie gehört.
Außenstehende, die der Familie nicht wohlgesonnen sind, oder ihr nicht mit Respekt begegnen, können da schon mal einen sehr schlechten Stand haben, oder ihre Angehörigen können sie unverhofft im Krankenhaus besuchen. Wenn alles gut läuft.
Wenn es weniger gut läuft, verschwinden sie.
Die respektlosen Außenstehenden, nicht die Angehörigen.
Wenn sie verschwunden sind, brauchen ihre Angehörigen in der Regel nicht zu hoffen, dass sie jemals wiederkommen.
Zum Glück. ist dies in der Familie des Kaninchens noch nie passiert und auch der Kaninchenvater pflegte keinerlei solcher Ambitionen. Aber, wenn der Kaninchenvater, was schon einmal vorkam, mit seinem kleinen Kaninchen ins „Land wo die Zitronen blühen“ in Urlaub fuhr, hörten sie von der Verwandtschaft immer wieder derartige Geschichten.
Es konnte auch schon mal vorkommen, dass einer der Nachbarn nach Amerika ausgewandert war.
Von dieser Art Nachbarn kam selbstverständlich auch niemand jemals wieder. Und ihre Angehörigen? Na ja…
Einmal, der Kaninchenvater war mal wieder mit seinem Sohn in seiner Heimatstadt in Urlaub, begab sich folgendes.
Das kleine Kaninchen und sein Cousin spielten in den Gassen der Stadt, in der der Vulkan, leider, aber sehr zur Freude der Anwohner, immer noch kein Feuer spucken wollte. Dabei fanden sie eine 100 Lire Münze, die sie in einer der vielen Spielhallen, in einen Automaten warfen.
Diese Zeit, das kleine Kaninchen zählte gerade mal zwölf Kaninchenlenze, war mit der heutigen Zeit nicht zu vergleichen. Computer, Mobiltelefone und das Internet gab es nicht. Selbst den Euro gab es nicht und wenn man eine Landesgrenze überquerte, kamen Zöllner, die kontrollierten, ob auch alles seine Richtigkeit hatte.
Zu dieser Zeit nahm niemand Anstoß daran, dass Kinder sich dem Glücksspiel hingaben. Niemand nahm überhaupt Anstoß an Kinder. Kinder waren unter sich und Erwachsene waren unter sich.
Die Welt war aufgeteilt und in Ordnung.
Das kleine Kaninchen nahm also die 100 Lire Münze, steckte sie in den Schlitz eines Spielautomaten und zog an einem Hebel. Daraufhin drehten sich drei Walzenräder eine Zeit lang, bis sie nacheinander stehen blieben. Die erste Walze blieb stehen und zeigte einen goldenen Stern. Dann blieb die zweite Walze stehen und zeigte ebenfalls einen goldenen Stern. Als die dritte Walze stehenblieb und auch einen goldenen Stern anzeigte, klingelte und bimmelte der Automat wie verrückt und warf jede Menge Münzen in eine eiserne Auffangschale an seinem unteren Ende. Das kleine Kaninchen hatte den Hauptgewinn von 50.000 Lire gewonnen.
Als der Besitzer der Spielhalle das sah, forderte er daraufhin 20% vom Gewinn. Das Kaninchen fragte seinen Cousin, was das solle? Worauf dieser entgegnete, das sei hier so üblich.
Das kleine Kaninchen zahlte seinen Obolus und verließ daraufhin rasch mit seinem Cousin die Spielhalle.
Es hatte gelernt keine „blöden Fragen“ zu stellen.
Überhaupt lernte man sehr schnell und unter sehr ungewöhnlichen Umständen in dieser Stadt.
Wenn man es denn wollte.
Wenn man es nicht wollte, konnte man sehr schnell irgendwie auf der Verliererseite landen. Landete man auf der Verliererseite, so war das mit Problemen verbunden. Die konnten dann sehr rasch, sehr groß werden.
Das Kaninchen wollte keine Probleme und es sorgte dafür, dass es auch keine bekommen würde.
Bevor die Familie des Kaninchens auseinander brach, fuhren sie gemeinsam ins „Land, in dem die Zitronen blühen“, um dort Urlaub zu machen. Dort aßen sie ausgiebig, mit den anderen Familienangehörigen, die leckersten Köstlichkeiten, fuhren ans Meer und ließen es sich gut gehen.
Die Kinder spielten am Strand Fußball, Handball, oder gingen schwimmen und die Eltern spielten meist unter einem riesigen Sonnenschirm Karten. Abends bewunderte man den Sonnenuntergang und die Erwachsenen genossen dazu ein Glas Rotwein.
Wenn die Kaninchenmutter heute an diese Zeit zurückdenkt, kommt sie ins Schwärmen und zitiert das lyrische Nordkaninchen mit den Worten: „Hach, Neapel sehen und sterben“
Die Kaninchenmutter ist kein typisches Nordkaninchen.
Nordkaninchen sind in der Regel blond, oder dunkelblond und haben meist grüne Augen.
Aber die Kaninchenmutter sticht aus der Menge der Nordkaninchen heraus, weil sie nicht blond ist.
Sie ist rothaarig.
Das war dem Kaninchenvater, als sie sich kennenlernten, sofort aufgefallen. Außerdem war sie mit 1,65m und ihren braunen Augen eine äußerst attraktive Erscheinung.
Der Kaninchenvater hatte ebenfalls braune Augen und wie es sich für ein Kaninchen, aus dem Land, in dem die Zitronen blühen gehört, ein schwarzes und sehr gepflegtes Fell.
Das Kaninchen selbst, ist wie sein Vater 1,75m groß, hat blaue Augen, dunkelblonde Haare und die gleiche Schuhgröße wie sein Vater.
Ein Umstand, der ihm sehr zu Gute kam, denn der Kaninchenvater brachte seinem Sohn, nach jeder Reise ins Land, in dem die Zitronen blühen, stets ein paar elegante Schuhe der neuesten Kollektion mit.
Die frühen 80er Jahre
Die Futterkrippe des Kaninchenvaters, war sehr gut frequentiert und da sie so sehr florierte, gab es stets viel zu tun.
Immer wenn Not am Mann war und das Kaninchen nicht für die Schule lernen musste, half es bei den Vorbereitungen, oder im Verkauf in der Futterkrippe aus.
Es wurden eimerweise Zwiebel geschält, riesige Mengen Kohl geschnitten, um daraus Krautsalat herzustellen und unzählige Schnitzel wurden paniert.
Immer, wenn das Kaninchen seinem Vater und dessen zweiten Ehefrau aushalf, freute sich dieser sehr. Der Vater revanchierte sich und half seinem Sohn finanziell ein wenig aus. Er bezahlte ihm den Führerschein und schenkte ihm das erste Fahrzeug.
Doch bevor dies geschah, musste das Kaninchen noch sehr viele Zwiebeln schälen, eine Menge Kohl schneiden und Unzählige Schnitzel panieren.
Dann, vor seinem achtzehnten Geburtstag, hatte der Vater sich ein neues Auto gekauft und überlies das alte seinem Sohn.
Das alte Auto besaß die Form eines Käfers, hatte ein paar kleinere Dellen und sich im Laufe der Zeit mit dem Rost angefreundet.
Es war nicht besonders komfortabel. Aber das störte nicht weiter, denn für einen Fahranfänger, war es genau das richtige Fahrzeug. Das Kaninchen war jung, voller Lebensenergie und nun war es zudem auch noch flexibel.
In dieser Zeit absolvierte es eine technische Ausbildung, an deren Anschluss es zum Wehrdienst eingezogen wurde. Den verbrachte es in einer Kaserne im Norden des Landes und kam nur selten zu seinem Vater nach Hause.
Auch in der Kaserne nutzte das Kaninchen jede erdenkliche Gelegenheit sich fortzubilden. In seiner freien Zeit las es jede Menge Bücher.
Eines der Bücher hieß „1984“ und als ein Offizier das Kaninchen einmal darauf ansprach sagte es: „Das passt doch. Es ist 1984 und ich lese 1984. Und später werde ich mich daran erinnern und rückblickend sagen, 1984 habe ich 1984 gelesen“
„Kaninchen, bist du jetzt völlig durchgeknallt?“, wollte der Offizier wissen.
„Nein, nein, man muss nur gedankliche Zeitsprünge machen und schon werden einige Zusammenhänge viel deutlicher. Das ist übrigens sehr hilfreich bei der Entscheidungsfindung“, entgegnete es seinem Vorgesetzten.
Der Offizier, der kein Wort verstand, drehte sich zu einem Kameraden um. Dann machte er eine Scheibenwischerbewegung, schüttelte den Kopf und sagte: „Komm wir gehen. Dem ist nicht mehr zu helfen“
Nach fünfzehn Monate, war das „Soldat spielen“ endlich vorbei und das Kaninchen war wieder bei seinem Vater.
Der war sehr froh darüber, denn Hilfe war in der florierenden Futterkrippe stets willkommen.
Der Auszug
Ein paar Monate später fragte der Kaninchenvater seinen Sohn: „Warum machst du dich nicht auch selbstständig? Versuch dein Glück, ich gebe dir das Startkapital“
„Nein vielen Dank Papa, aber ich möchte einen anderen Weg gehen. Ich habe mein Abitur geschafft und einen Studienplatz bekommen. Im Herbst werde ich leider wieder ausziehen und studieren gehen. Ich danke dir für alles, was du für mich getan hast“, sagte das Kaninchen.
„Ausziehen? Du willst ausziehen? Wo willst du denn hin?“
„Ich habe das Auto verkauft und mir ein Motorrad gekauft. Ich werde ins saure Kaninchenland ziehen, um dort zu studieren. Außerdem kann man dort wunderbar die Kurven der Landstraßen erkunden“
Der Kaninchenvater, der es gar nicht mochte, dass sein Sohn Motorrad fuhr, wurde wütend.
Motorrad fahren war seiner Meinung nach viel zu gefährlich.
Fast täglich erschien in den Nachrichten, dass ein Motorradfahrer verunglückt sei. Nicht selten kamen viele von Ihnen dabei ums Leben.
„Wenn du das tust enterbe ich dich“, drohte der Kaninchenvater.
„Mir doch egal. Ich will dein Geld nicht. Ich will es auf meine Art und Weise versuchen. Das hier ist mein Leben und ich gestalte es nach meinen Vorstellungen.
Du kannst nicht von mir verlangen, dein Leben zu leben, oder das, was immer du dir darunter vorstellst.
Gerade du müsstest das sehen und anerkennen. Kannst du das denn nicht verstehen?“
„Nein, ich verstehe das nicht“, murmelte der Kaninchenvater vor sich hin.
„Papa, wenn ich das jetzt nicht mache, werde ich es ein Leben lang bereuen. Jetzt bin ich jung und die Welt steht mir offen. Ich habe alle Möglichkeiten dieser Welt und dafür habe ich sehr hart gearbeitet. Ich bin nicht umsonst dort, wo ich jetzt bin.
Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mir das jemals wieder von irgendjemandem nehmen lassen werde?
Ich werde bis an meine Grenzen gehen und diese immer weiter verschieben. Sollte ich irgendwann in die Kiste steigen müssen, dann will ich absolut nichts von dem, was ich je getan habe, bereuen müssen.
Ich weiß genau, wer ich bin und vor allem weiß ich, was ich kann.
Es tut mir sehr Leid für dich, aber ich muss das jetzt tun.
Ich möchte dich ungern enttäuschen, aber ich kann sehr viel mehr, als das hier. So sieht es nun mal aus“, entschlossen schaut das Kaninchen seinen Vater an, der ungläubig seinen Kopf schüttelt.
Damit hatte er nicht gerechnet. Aber, es blieb ihm nichts anderes übrig, er würde die Entscheidung seines Sohnes akzeptieren müssen.
Drei Monate später steht das Kaninchen in Ledermontur vor seinem Vater und sagt: „Papa, es ist soweit. Ich muss jetzt leider gehen“
Dem Kaninchenvater rollten Tränen über seine Wangen, denn er wollte immer noch nicht wahrhaben, dass sein Sohn auszog.
„Mach dir keine Sorgen um mich, alles was ich tue, mache ich sorgfältig und gewissenhaft und ich werde unbeschadet wiederkommen. Ich werde dann zwar ein anderer sein, als der, der jetzt vor dir steht, aber du wirst es erkennen und irgendwann sehr stolz sein“, sagt das Kaninchen zu seinem Vater.
Anschließend küsst es ihn auf jede Wange, sagt „Ich liebe dich“.
Dann geht es zu seinem Motorrad, auf der gegenüberliegenden Straßenseite und setzt seinen Integralhelm auf. Es steckt den Zündschlüssel ins Schloss, dreht ihn um, stülpt sich Lederhandschuhe über und drückt den roten Knopf des Elektrostarters.
Der 650er Motor der Maschine, röhrt kurz mit dunklem, sattem Sound und leicht aggressiv auf.
Während der Motor anschließend gleichmäßig vor sich her säuselt, nimmt das Kaninchen auf der Sitzbank Platz. Es checkt die Instrumente. Dann neigt es seinen Körper leicht zur rechten Seite, klappt mit schwarzglänzenden Lederstiefeln den Seitenständer ein und dreht zweimal leicht am Gasgriff.
Der Motor quittiert dies mit zwei gedämpft, aggressiven „Wrrrruuuuuuuww, Wrrrruuuuuuuww“.
Anschließend klappt es das Visier seines Helms herunter und winkt seinem Vater ein letztes Mal zu. Der steht mit wässrigen Augen in der Eingangstüre seiner Futterkrippe auf der anderen Straßenseite und beobachtet, wie sein Sohn eine leichte Kurvenhaltung einnimmt. Dann dreht er mit gut dosierter Handbewegung am Gasgriff und lässt die Kupplung sanft und gefühlvoll kommen.
Die Maschine beschleunigt und katapultiert ein furchtloses Kaninchen durch eine lang gezogene Kurve, hinfort von der Vergangenheit, in eine ungewisse kurvenreiche Zukunft.
Das Akademikerkaninchen
In der Familie des Kaninchens gab es sowohl mütterlicher- als auch väterlicherseits, keine Akademiker. Seine Vorfahren kamen aus einer anderen Zeit, in der andere Gesetzmäßigkeiten galten. Niemand von ihnen war je daran interessiert einen akademischen Weg einzuschlagen.
Das Kaninchen jedoch begriff sehr schnell, dass es anders war, als seine Vorfahren. Es war stets neugierig, wissbegierig und wollte den Dingen unbedingt auf den Grund gehen.
Seine Eltern hatten kein Verständnis dafür. Ihnen war es zu anstrengend und kompliziert Ursachen und Prinzipien zu erforschen. Sie kamen aus einfachen Verhältnissen. Deshalb handhabten sie die Dinge gerne auch einfach und beließen es dabei.
So kam es, dass sie das Kaninchen, in ihrer Unwissenheit und Ahnungslosigkeit, auf eine Hauptschule schickten.
Direkt an den ersten beiden Tagen des Schulbesuchs dort, stellte das Kaninchen fest, dass es ziemlich unterfordert war.
Aber die Würfel waren gefallen und nun gab es kein Zurück mehr. Nachdem diese Erkenntnis reifte, beschloss es alle Abschlüsse nach zu holen und studieren zu gehen.
Dieser Weg würde hart und steinig werden und niemand würde ihm etwas schenken, das war ihm sofort bewusst.
Doch so hart und steinig er auch werden würde, so sehr stand fest, nichts und niemand könne es jemals von diesem Vorhaben abbringen.
Sein Weg war vorgezeichnet.
Die Kindheit
Als Kind wuchs das Kaninchen bei seiner Nordkaninchengroßmutter auf, die ihren Enkel jeden Abend zu Bett brachte.
Beim Betreten des Schlafzimmers schaltete sie das Licht ein und da das Kaninchen schon als Kind ein aufmerksamer Beobachter war, fragte es eines Abends die Großmutter, wie es denn sein könne, dass wenn sie den Lichtschalter betätigte, im Anschluß die Lampe leuchtete.
„Oma, wie funktioniert das?“, wollte ihr Enkel wissen. Die Großmutter konnte es nicht erklären. Ihre einzige Erklärung auf das ziemlich hartnäckige Hinterfragen des Kaninchens war: „Das funktioniert elektrisch“
„Aber Oma“, sagte ihr Enkel. „das kannst du doch bestimmt irgendwo nachlesen“
„Nee, da verstehen wir nix von“, lautete die Antwort der Großmutter und damit war für sie das Thema erledigt.
Die Großmutter und ihre Vorfahren, waren es nicht gewohnt den Dingen auf den Grund zu gehen. Sie hatten dies nicht gelernt.
Aber für das Kaninchen war dieses Thema noch lange nicht erledigt. Denn tief in seinem Inneren spürte es, dass es sich sehr von seinen Vorfahren unterschied.
„Oma, ich werde zur Schule gehen und wenn es sein muss, werde ich studieren gehen und dann werde ich dir alles erklären, was du wissen möchtest“, versprach der Enkel seiner Großmutter.
„Ja, mach das“, die Großmutter lächelte sanft und erzählte ihm noch eine „Gute Nacht Geschichte“, woraufhin ihr Enkel tief und fest einschlief.
Jahre später, das mittlerweile jugendliche Kaninchen hatte sich schon einen beachtlichen Schatz an Wissen angeeignet, besuchte es die Großmutter wieder, um ihr die Sache mit dem Licht zu erklären.
Als es das tat, zeigte es der Großmutter viele Bilder von Atommodellen und vermeintlichen Elektronen die um einen Kern kreisten und es errechnete die wildesten Formeln.
„Es ist ganz einfach. Im Grunde genommen ist Strom nichts anderes, als ein Fließen von Elektronen“, sagte es der Großmutter.
Zu seinem großen Bedauern erkannte es jedoch, dass sie nichts von all dem, was ihr das Kaninchen erklärte, verstand und dass seine ganzen Anstrengungen vergebens waren.
Es hatte das genaue Gegenteil von dem erreicht, was es eigentlich wollte. Das Kaninchen wollte helfen, doch die Großmutter fühlte sich, mit derartigem Wissen konfrontiert, völlig überfordert und hilflos.
„Das musst du nicht“, sagte das Kaninchen, als es das bemerkte „Du bist früher für uns Kinder da gewesen und jetzt sind wir für dich da. Wenn du irgendetwas wissen möchtest, egal was es ist, dann kannst du mich zu jeder Zeit fragen. Ich werde dir immer helfen“
Aber die Großmutter hatte keine Fragen. Sie bewunderte zwar das Wissen ihres Enkels, gefragt hat sie das Kaninchen jedoch nie.
Später, bei Familienfeiern, wurden oft die unterschiedlichsten Themen diskutiert und wenn man sich uneinig war und das Kaninchen gefragt hatte, war es in der Lage, selbst die kompliziertesten Sachverhalte, auf einfache Art und Weise zu erklären.
Doch damit trat ein neues Phänomen auf. Je komplizierter, auf die anderen Diskussionspartner der Sachverhalt wirkte, desto weniger waren sie von den Erklärungen des Kaninchens überzeugt. Obwohl dieses stets bemüht war, die Zusammenhänge so einfach wie möglich zu erklären.
Dann, eines schönen Tages, geschah das Unfassbare.
Das Unfassbare
Während einer Diskussion, man war sich mal wieder uneinig, wurde das Kaninchen befragt, ob es ein bestimmtes Thema erklären könne. Daraufhin erklärte es, den nicht ganz so komplizierten Zusammenhang, mit einfachsten Worten. Worauf alle Beteiligten sich ungläubig anblickten, die Erklärung selber, als völligen „Quatsch“ deklarierten und zu allem Überfluss das Kaninchen auch noch für „verrückt“ erklärten.
Der so Betitelte, hatte derartiges noch nicht erlebt und wurde regelrecht wütend über so viel Ungerechtigkeit.
Ja, sogar die innere Stimme wurde wütend.
„Diese Spacken, hätten sich ja auch mal selbst informieren können. Beim nächsten Mal schlage ich eine andere Strategie vor. Wenn sie dich das nächste Mal fragen, lügst du das Blaue vom Himmel herunter. Mal sehen, was sie dazu sagen werden“, schlug die innere Stimme vor.
Als die Kaninchenverwandtschaft kurz darauf erneut zusammenkam und das Kaninchen um seine Meinung gefragt wurde, tat dies, wie ihm die innere Stimme geheißen und log das Blaue vom Himmel runter. Der Verwandtschaft leuchtete die subtile Erklärung des Kaninchens sofort ein und alle waren glücklich und zufrieden.
Nur das Kaninchen hatte ein schlechtes Gewissen. Es fragte sich, wie es denn sein könne, dass die anderen nicht die Wahrheit hören wollten.
„Das ist in den meisten Fällen so“, erklärte die innere Stimme, „Wenn du die Wahrheit verkündest, oder sie aufdeckst, bist du entweder böse, oder verrückt, oder wenn es ganz schlimm kommt, das Arschloch. Und mit Arschlöchern, will wirklich niemand etwas zu tun haben.
Die Leute haben es lieber, wenn man ihnen nach dem Mund redet, oder ihnen die Geschichte auftischt, die sie hören möchten“
„Aber das ist ja ganz furchtbar, die machen sich doch selbst etwas vor“, dachte das Kaninchen.
„Du kannst die Welt nicht ändern. Du kannst nur dich selbst ändern. Die einzige Möglichkeit, die du hast, wenn du derartige Zeitgenossen erkennst ist, mache einen großen Bogen um sie. Alles andere ist mit Ärger verbunden, oder was noch schlimmer ist, du solltest deine wertvolle Lebensenergie nicht für solche Dinge verschleudern. Dafür ist das Leben viel zu kurz. Mach einen großen Bogen um derartige Zeitgenossen und erfreue dich an den schönen Dingen des Lebens. Damit fährst du viel besser“, schlug die innere Stimme vor.
Das Kaninchen nahm sich vor, fortan den Rat der inneren Stimme zu berücksichtigen. Anfangs fiel ihm das sehr schwer, aber mit der Zeit bekam es Übung darin und machte einen Bogen um derartige Angelegenheiten.
Erstes Studium
Vermutlich war der Vorfall mit der Großmutter und dem Licht der Auslöser für die ungeheure Wissbegierigkeit des Kaninchens. Jedenfalls gab es eine Zeit, in der es sich einfach nicht genug Wissen aneignen konnte.
Zu dieser Zeit absolvierte es eine Ausbildung und wohnte bei seinem Vater.
Früh morgens um 7.30 Uhr begann das Kaninchen die Ausbildung, die bis 16.30 Uhr dauerte und im Anschluss daran, machte es an drei Abenden in der Woche, von 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr, sein Abitur nach.
Es hatte sich fest vorgenommen studieren und den Dingen auf den Grund zu gehen.
Zu dem Zeitpunkt wusste es noch nicht, dass es zweimal studieren würde. Das erste Mal studierte es im wunderschönen sauren Kaninchenland. Den Studienplatz hatte es von der ZVS (Zentrale Vergabestelle für Studienplätze) zugewiesen bekommen. Das Studium selbst war sehr technisch, aber keineswegs nur theoretisch und die ersten Semester liefen ganz gut. In den Laboren und technischen Übungen hatte es mit wenigen anderen Kommilitonen auf Anhieb alle Leistungsnachweise in den Laboren bekommen.
Dort wurden Versuche durchgeführt, in denen Materialien auf Festigkeit und Belastbarkeit geprüft wurden. Das gefiel dem Kaninchen außerordentlich gut, denn man brachte den Studenten in diesen Versuchen bei, wissenschaftlich vorzugehen.
Die wissenschaftliche Vorgehensweise lag ihm sehr und als es sich umfangreiches Wissen darüber angeeignete, merkte es sehr bald, dass die Anwendung wissenschaftlicher Methoden einen gewissen Vorteil in sich barg.
Wenn man sich wissenschaftlicher Methoden bediente, lief alles wesentlich strukturierter ab und man kam sehr viel zügiger und mit belegbaren Erkenntnissen an sein Ziel.
Das Wichtigste aber war, dass man allen anderen gegenüber, die sich dieser Methoden nicht bedienten, ganz klar im Vorteil war. Denn im Laufe der Zeit kam eine Erkenntnis zur anderen und so erweiterte sich der Wissens- und Erfahrungsschatz permanent aufs Neue.
Ein Umstand, mit dem das Kaninchen sich später noch ausgiebig beschäftigen würde.
Von den Studenten wurde schon in den ersten Semestern verlangt, umfangreiche technische Zeichnungen anzufertigen.
Damit alles reibungslos ablief, hatte das Kaninchen für sich ein riesiges Zeichenbrett organisiert, denn Computer existierten nur vereinzelt. Sie waren gerade erst erfunden worden und zudem äußerst teuer. Computer waren den meisten Zeitgenossen unheimlich.
Deshalb wurden sie gerne mit einem Orakel verglichen, das auf seinem Bildschirm seltsame Botschaften verkündete.
Da die meisten Studenten nicht gut betucht waren, konnten sie sich keine Computer leisten, denn die Programme, die darauf liefen, bewegten sich preislich gesehen, in astronomischen Höhen. CAD Programme, wie man sie heute kennt, waren, wenn überhaupt, nur in großen Firmen zu finden. Konstruktionszeichnungen wurden damals noch mit Tuschestiften auf Transparentpapier gezeichnet.
Hatte man einen Fehler in seiner Zeichnung, so musste dieser ausradiert und korrigiert werden. Da jedoch die Zeichnungen mit Tusche auf Transparentpapier angefertigt wurden, konnte kein normaler Radiergummi benutzt werden.
Es war üblich, dass der technische Zeichner, wenn er denn einen Fehler gezeichnet hatte, oder was auch öfter vorkam, eine Änderung vornehmen musste, diese mit Hilfe einer Rasierklinge ausradierte.
Gute technische Zeichner schafften es, bis zu 10 Mal an der gleichen Stelle zu radieren.
Das Kaninchen war ein sehr guter technischer Zeichner, denn es hatte vor dem Studium seine Haushaltskasse ein wenig aufgebessert, indem es in einem Konstruktionsbüro gearbeitet hatte. Dort hatte es sich einige nützliche Eigenschaften angeeignet, die ihm nun zu Gute kamen.
Eine der nützlichen Eigenschaften war, fünfzehn Mal an der gleichen Stelle radieren zu können.
Wenn das Kaninchen eine Sache anfing, dann wollte es diese auch zu Ende bringen und perfekt beherrschen. Es war stets bestrebt alles einhundertprozentig zu machen. Es war ein Perfektionist. Zwar wusste es, dass „das Perfekte“ nicht existierte, denn irgendeinen Fehler, oder eine Änderung gab es immer. Aber es hatte einen Riesen Spaß daran, wenn eine Sache „nahezu perfekt“ war. Darüber konnte es sich dann richtig freuen und alles was es tat, tat es mit sehr viel Leidenschaft und Hingabe.
Da das Kaninchen zu diesem Zeitpunkt ein Motorrad besaß, fuhr es dieses selbstverständlich auch mit Leidenschaft.
In seiner Heimatstadt im Rheinland hatte es eine sehr attraktive Freundin, die ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit und immer wieder gerne im sauren Kaninchenland besuchte.
Seine Freundin war ein Sprachgenie, denn sie sprach 5 Sprachen perfekt. Die beiden hatten ein extrem vertrautes und inniges Verhältnis, mit sehr viel Tiefgang zueinander und in ihrer freien Zeit, wenn das Kaninchen nicht lernen musste, testeten sie gerne das Kurvenverhalten des Motorrads.
Dabei erkundeten sie immer neue Gegenden im sauren Kaninchenland, denn die Straßen dort sind sehr kurvenreich.
Die Freundin war es auch, sehr zur Freude des Kaninchens, welches ebenfalls seine Reize hatte. Die Leidenschaft der beiden für einander, war extrem groß und sehr intensiv. So kam es, dass die beiden nach jeder erfolgten Kurvenfahrt glücklich, zufrieden und sehr verliebt am Ende des Tages ins Bett fielen. Weil beide so sehr verliebt waren, beschlossen sie direkt in den zweiten Semesterferien einen traumhaften Urlaub in Florida zu verbringen. Die beiden genossen ihre Verliebtheit in vollen Zügen. Am letzten Urlaubstag machte das Kaninchen ein Foto vom Sonnenuntergang und schenkte es, nach deren Heimkehr, als 1,5m großes Bildposter seiner Mutter. Die freute sich sehr über das Glück der beiden. Dann nach fünf Semestern, hatte das Kaninchen genug Kurven erkundet und getestet. Es brach sein Studium ab, denn es hatte etwas Entscheidendes gelernt.
Es hatte gelernt, dass in seiner Welt nicht die Technik das Wichtigste sein würde, sondern die Kaninchen drum herum. Die Technik, deren Regeln und Gesetze es nun beherrschte, wurde zur Nebensache. Die Zeit war gekommen, sich auf andere Wissensgebiete zu konzentrieren.
Diese Art Studium erschien ihm ohnehin viel zu technisch und es konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, in der Ecke eines Konstruktionsbüros, vor einem Orakel zu versauern.
Das war einfach nicht sein Ding. Das Kaninchen spürte tief in seinem Inneren, dass eine Zeit der Veränderung in großen Schritten nahte.
Konsequenterweise wurde der Studentenbau wieder verlassen. Das Motorrad wich einem Auto und ein neuer Kaninchenbau im Rheinland wurde bezogen. Das erfreute den Kaninchenvater sehr, denn der neue Bau befand sich ganz in der Nähe der Futterkrippe. Sein Ziel ein Studium zu absolvieren, verlor sein Sohn jedoch nicht aus den Augen.
Leider verlor das verliebte Paar sich in dieser Phase der Umstrukturierung aus den Augen. Beide spürten in ihrem Inneren, dass ihre Wege sich trennen mussten. Das Universum hatte andere Pläne mit den beiden.
Ein Jahr später fing das Kaninchen an einer anderen Uni ein Wirtschaftsingenieurstudium an, welches es vier Jahre später sehr erfolgreich abschloss.
Die attraktive und sprachgewandte Kaninchenfreundin erschien ebenfalls zur anschließenden Abschlussfeier. Die beiden tauschten sich aus, wünschten einander Glück und gingen fortan ihre eigenen Wege.
Kommilitoninnen
Das zweite Studium war weniger technisch und gefiel dem Kaninchen außergewöhnlich gut. Die Hochschule war in akzeptablem Abstand zu seiner Wohnung und die Vorlesungszeiten waren gut strukturiert.
Da es sich um eine kleine Hochschule handelte, war die Anzahl der Studenten übersichtlich und alles lief sehr zur Freude aller Studierenden ziemlich „familiär“ ab.
Auch sein Liebesleben nahm ein wenig Fahrt auf und so kam es, dass es sich des Öfteren heftig verliebte, was damit einherging, dass auch seine Freundinnen wechselten.
Die innere Stimme war fast jeden Monat aus dem Häuschen und die Stimmung schwankte immer wieder, zwischen Himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt.
Dann eines Tages fiel seine Aufmerksamkeit auf ein glänzend Schwarzfellkaninchen. Das studierte an der gleichen Hochschule. Es hatte die gleiche Körpergröße, einen extrem durchtrainierten schlanken Körper, schulterlanges, glattes, schwarzes Haar und tiefe dunkelbraune Augen.
Weil die Augen so tief dunkelbraun waren, verlor sich das Kaninchen darin und gleich beim ersten Mal, als sie sich sahen, war es um sie geschehen.
Amor schoss direkt eine ganze Salve von Liebespfeilen in Richtung der beiden ab.
Leider gelang es dem Kaninchen nicht, auch nur einem einzigen davon aus dem Weg zu gehen. Es war hin und weg und zu dem im „besten Mannesalter“. Da es ebenfalls von sportlicher Natur war, besaß es auch für viele andere Kommilitoninnen eine sehr große Anziehungskraft.
Aber mit denen hatte es nichts im Sinn, denn es hatte sich ja in die Augen des glänzend Schwarzfellkaninchens verloren.
Ungefähr zu dem Zeitpunkt entdeckte die innere Stimme ihre musikalische Ader und fing an zu singen. Immer wenn eine Situation besonders prekär war, meldete sie sich mit einem passenden Liedchen.
Zwei Tage später stand das glänzend Schwarzfellkaninchen mit einer Gruppe Kommilitonen auf dem Flur, vor dem Sekretariat der Uni, als das Kaninchen die Treppe rauf kam und sie erblickte.
„…Yeah… Hey… Badda dadda damm daa”, stimmt die innere Stimme an. Dann lässt sie crunchige Gitarrensounds erklingen, Keyboardtöne mischen sich unter die Gitarrentöne und die innere Stimme singt in englischer Sprache „Oh meine Temperatur steigt an, aber ich stehe mit den Füssen auf dem Boden. Die Verrückten um mich herum, rocken völlig ab, weil sie mehr davon wollen. Ich weiß nicht was es genau ist, aber du hast etwas, was ich mag. Lass es uns langsam angehen, denn dieser Ort hier ist sooooo heiß… Badda dadda damm daa Gimme some lovin“
Als das Kaninchen das glänzend Schwarzfellkaninchen erblickte, pochte sein Herz bis zum Hals und ihm wurde ganz mulmig. Aber es nahm all seinen Mut zusammen, ging zu ihr hin und fragte sie, ob sie einen Moment Zeit hätte.
Sie nickte und die beiden gingen ein paar Meter weiter, den Gang entlang. Als sie etwas abseits der Gruppe waren, fasste das Kaninchen sich ein Herz, schilderte gefühlvoll seine Sympathie und bat um ein Rendezvous.
Das glänzend Schwarzfellkaninchen war angenehm überrascht, willigte ein und die beiden verabredeten sich.
Zum Rendezvous brachte das Kaninchen Blumen mit und kurze Zeit später, waren beide ein Kaninchen Paar.
Es stellte sich heraus, dass die beiden die gleichen Interessen hatten. Ihre Interessen waren groß und äußerst vielfältig. Sie waren sehr aneinander interessiert und manchmal kaum auseinander zu kriegen. Ihre Beziehung konnte man durchaus, als kurz und ziemlich exzessiv bezeichnen. Was das Kaninchen anbetraf, so war ihre Beziehung viel zu kurz und hätte noch exzessiver sein können. Aber nach sechs Monaten verliebte sich das glänzend Schwarzfellkaninchen in den Freund ihrer besten Freundin und gab sich diesem hin.
Daraufhin klingelte ein paar Tage später, in seiner bescheidenen Studentenbude, das Telefon und am anderen Ende der Leitung konnte man die Stimme der besten Freundin, des glänzend Schwarzfellkaninchens vernehmen.
„Oh, wie komme ich denn zu dieser Ehre? Was darf ich für dich tun?“, fragte das Kaninchen.
„Das kannst du dir doch sicherlich vorstellen, oder?“, hauchte diese säuselnd ins Kaninchenohr.
Das Kaninchen hatte eine rege Fantasie und konnte sich sehr gut vorstellen, was zu tun sei. So kam es, wie es kommen musste und in den kommenden Wochen und Monaten boten sich viele Gelegenheiten den Erfahrungsschatz zu erweitern.