Waldo Wunders fantastischer Spielzeugladen - Anne Scheller - E-Book

Waldo Wunders fantastischer Spielzeugladen E-Book

Anne Scheller

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Beschreibung

Eigentlich soll Lenni nur auf Herrn Wunders Spielzeugladen aufpassen, solange der verreist ist. Doch plötzlich passieren dort allerhand merkwürdige Dinge: Nachts dringen seltsame Geräusche aus dem Laden, Spielzeuge liegen nicht mehr da, wo sie noch am Vortag waren, und ein magisches Kribbeln erfüllt die Luft. Werden die Spielzeuge etwa in der Nacht lebendig? Und was hat die dritte Schublade im Ladentisch damit zu tun, die Lenni auf keinen Fall öffnen darf?

Mit magischem Aktivteil zum Mitmachen

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Seitenzahl: 151

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Inhalt

Cover

Weitere Titel der Autorin

Über die Autoren

Titel

Impressum

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Fantastischer Rätselspaß

Weitere Titel der Autorin

Fjelle und Emil – Monstermäßig beste Freunde

Becky und der geheimnisvolle Bonbonkocher

Über die Autorin

Anne Scheller, geboren 1980 in Bremervörde, studierte Anglistik, Musikwissenschaft und Mittelalterliche Geschichte in Erlangen. Seit 10 Jahren arbeitet sie als Kinderbuchautorin für verschiedene Verlage und Redaktionsbüros. Sie lebt mit ihrer Familie in der Lüneburger Heide.

Über die Illustratorin

Larisa Lauber ist Illustratorin und lebt in Berlin. Nach ihrem Diplom im Jahr 2000 arbeitete sie viele Jahre als Animatorin für Trickfilme. 2014 war es an der Zeit, etwas Neues auszuprobieren, und so hat sie begonnen, Kinderbücher zu illustrieren.

ANNE SCHELLER

Mit Illustrationen vonLarisa Lauber

BAUMHAUS

Vollständige eBook-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

BAUMHAUS Verlag in der Bastei Lübbe AG

Originalausgabe

Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Umschlaggestaltung: Massimo Billstein unter Verwendung einer Illustration von Larisa Lauber

eBook-Erstellung: Jilzov Digital Publishing, Düsseldorf

ISBN 978-3-7517-0133-4

www.luebbe.de/baumhaus

www.luebbe.de

www.lesejury.de

KAPITEL 1

»Ihr Paket ist angekommen!«

Die gelbe Karte leuchtete Lennart Lindenbaum von der Fußmatte entgegen. Er hob sie auf und klemmte sie in den Mund. Seine Hände brauchte er, um die Wohnungstür aufzuschließen, die immer ein wenig hakte. Mit einem gezielten Tritt schoss Lenni seinen Schulranzen vom Treppenabsatz in den Wohnungsflur. Den Fahrradhelm hängte er dagegen sorgsam auf. Ohne Helm ließ ihn seine Mutter nicht Fahrrad fahren. Er hatte ja auch kein gewöhnliches Rad, sondern ein megacooles neongrünes Bike, mit dem er im Skatepark Wheelies und andere Tricks übte.

Staubige Stille umfing Lenni, nur die Fußbodendielen knarzten etwas. Die Wände waren uneben und krumm. Man sah und spürte überall, dass das Wohnhaus in der Pulvergasse 9 über 300 Jahre alt war. Lenni hatte die Wohnung für sich. Seine Mutter würde erst gegen zehn von der Spätschicht aus dem Krankenhaus kommen.

In der Küche legte Lenni die gelbe Karte auf den Esstisch. Er stutzte. Erst jetzt fiel ihm auf, dass sein Name auf der Karte stand. Wer konnte ihm denn ein Paket schicken? Onkel Franko? Der meldete sich eigentlich nur zum Geburtstag. Oder hatte Lenni letztes Wochenende etwas bei seinem Vater vergessen? Das kam manchmal vor, aber Papa hatte ihm noch nie etwas nachgeschickt. Oder konnte es sein, dass Mama ihm etwas bestellt hatte? Das machte sie manchmal, um ihm etwas Gutes zu tun.

Lola Lindenbaum war Krankenschwester und oft abends oder nachts bei der Arbeit. Dennoch fühlte Lenni sich nie alleingelassen – wahrscheinlich, weil sie trotzdem jederzeit für ihn da war. Nur eins war nicht ihre Stärke: Geschenke aussuchen. Neue Biker-Handschuhe oder ein Handy? Fehlanzeige. Lennis Mutter kaufte immer enorm nützliche, aber völlig öde Dinge wie lange Unterhosen oder Kleiderhaken.

»Ihr Paket ist angekommen! Hinterlegt bei: W. Wunder«.

Nun wurde Lenni aber doch neugierig. Er verließ die Wohnung und lief die steilen Treppen zurück ins Erdgeschoss. Unten im Haus befand sich Waldo Wunders fantastischer Spielzeugladen. Früher war Lenni oft bei Herrn Wunder im Laden gewesen, zum Beispiel wenn seine Mutter Besorgungen machen oder Freundinnen treffen wollte. Inzwischen fand Lenni aber, dass er für einen Spielzeugladen viel zu alt war. Was sollten Max und die anderen Jungs aus dem Skatepark denken, wenn sie erfuhren, dass Lenni nachmittags zwischen Robotern und Puppen abhing?

Durch die Verbindungstür vom Hausflur gelangte Lenni in den hinteren Teil des Ladens. Der Ladenraum lag wie immer im Dämmerlicht. Die Schaufenster waren bis obenhin mit Spielzeugen zugestellt, und das matte Licht einer Lampe in Fliegenpilzform half auch nicht viel weiter. Lenni wusste aber auch so, was es zu kaufen gab. In Einbauregalen aus dunklem Holz, die bis unter die Decke reichten, in unzähligen Fächern, Schubladen und Kisten stapelten sich alle nur erdenklichen Arten von Spielzeugen: Spieltiere und ferngesteuerte Roboter, Fahr- und Flugzeuge, Flitzebogen und Gummipfeile, Kuscheltiere, Puppen und Sorgenfresser, Puzzle und Bastelsets, Bücher, Rätsel, Gedulds- und Geschicklichkeitsspiele, Lupen und Ferngläser, Glücksbringer, Handschmeichler, Flummis, Glibberknete, nachleuchtende Sterne, Schatzkisten, Nachtlampen und sogar ein paar uralte Blechfiguren, die ratternd herumfuhren, wenn man sie aufzog. Damit man in all dem Durcheinander auch den Überblick behielt, wiesen verschnörkelte goldene Schilder zum Mars (ein Tisch mit Robotern und Raumschiffen), in den Elfenwald (ein Regal voller Spielfiguren von Elfen, Feen und Einhörnern), in die Werkstatt (ein Regal mit Schnitzholz und Werkzeugen direkt neben Herrn Wunders eigener Werkstatt) oder zum Indianercamp (wo es alles vom Tipi bis zum Tomahawk gab).

Waldo Wunder stand hinter dem Ladentisch und schloss ruckartig eine Schublade, als Lenni hereinkam. Lenni vermutete insgeheim, dass der Spielzeughändler etwa so alt war wie das Haus in der Pulvergasse. Er war klein und drahtig, hatte schneeweißes Haar und eine so dicke Brille auf der Nase, dass seine vergrößerten Augen immer etwas erstaunt wirkten. Er trug jeden Tag die gleiche dunkelblaue Weste und ein gebügeltes Hemd mit steifem Kragen. Nur wenn er hinten in der Werkstatt arbeitete, zog er einen Arbeitskittel über.

»Ah, Lennart, ich hatte dich bereits erwartet.« Herr Wunder spähte hinter seinen dicken Brillengläsern zur Tür. »Du hast Post, dort drüben. Ich hatte dagegen nicht so viel Glück.« Er nickte zu einem kleinen Päckchen hinüber, das auf einem turmhohen Kartonstapel thronte wie die Prinzessin auf der Erbse.

»Nicht so viel Glück?«, fragte Lenni ungläubig. »Aber Sie haben doch haufenweise Pakete bekommen!«

»Ah, das«, sagte Herr Wunder und nickte bedächtig. »Natürlich, die Lieferung aus der Spielzeugfabrik. Aber eigentlich habe ich etwas anderes erwartet. Sehnsüchtig erwartet …« Er schwieg einen Moment, dann holte er Luft und lächelte Lenni an. »Geh schon, öffne dein Paket! Was ist denn drin? Ich habe doch nicht etwa deinen Geburtstag vergessen? Wie alt wirst du?«

»Ich werde elf, aber erst im September«, sagte Lenni abwesend. Er bahnte sich einen Weg zwischen den Schienen einer Modelleisenbahn hindurch, nahm das oberste Päckchen vom Stapel und riss das Klebeband ab. Ein großes Blechmännchen kam hervor. Es trug eine schwarz-blaue Uniform und ein gebogenes Schwert in der Hand. Eine Schraube auf der Rückseite diente dazu, die Figur aufzuziehen.

Lenni grinste. Ein witziges Teil, aber wer sollte ihm so was schicken? Ein Blick auf den Karton verriet ihm, was los war. »Herr Wunder, das ist für Sie«, sagte er.

Die Augen des Spielzeughändlers wurden noch größer. »Ein schönes Stück!«, rief er aus, nahm das Blechmännchen und drehte es anerkennend in den Händen. »Reines Silberblech. Handbemalt. Flügelschraube mit Stahlgewinde. Na, da hat mir die Fabrik aber etwas Feines eingepackt! Warum aber nur ein einziges?« Er durchwühlte noch einmal den Karton, den Lenni geöffnet hatte – vergebens.

Während Herr Wunder das Blechmännchen zurück in den Karton legte, arbeitete Lenni sich durch den Rest des Stapels. Erst das vorletzte Paket gehörte nicht zu Waldo Wunders Lieferung und war an Lenni adressiert. Es hatte etwa die Größe eines kleineren Mountainbikes, aber das war eindeutig nicht Mamas Preisklasse. Viel wahrscheinlicher waren ein paar dicke Bücher oder ein Regal für seine Schulsachen. Er riss am Klebeband, da bimmelte die Ladenglocke.

Lenni blickte auf. Ein etwa achtjähriges Mädchen mit langen welligen Haaren und einem spitzen Gesicht betrat den Laden, gefolgt von seinem Vater. Während der Mann Herrn Wunder begrüßte, trat das Mädchen zielstrebig zum Elfenwald und nahm eine Elfe, zwei Feenkinder, einen Drachen, ein geflügeltes Pferd und eine passende Spiellandschaft aus dem Regal. Als es dann auch noch nach einem Päckchen Zauberstäbe und Feenstaub griff, geriet der Spielzeugturm auf ihren Armen ins Wanken, und die Figuren stürzten zu Boden.

»Aber, meine Liebe!« Herr Wunder stürzte hinter dem Ladentisch hervor, hob den Drachen auf, stellte die kleinen Feenkinder ins Regal zurück und nahm dem Mädchen die Spiellandschaft ab, bevor es diese komplett zerdrückte. »Mit meinen Spielsachen solltest du besonders sanft umgehen«, sagte er. »Nachher geht noch eines kaputt … Hast du überhaupt so viel Geld dabei?«

Das Mädchen zuckte mit den Schultern. »Mein Vater hat versprochen, mir heute etwas zu kaufen. Papaaaa!«, rief es Richtung Ladentisch. »Kriege ich das hier? Alles?« Es deutete auf das Regal im Elfenwald.

Der Mann am Ladentisch öffnete den Mund und schloss ihn wieder. »Also, Felina …«, meinte er zögernd. »Ich weiß ja nicht … Ist das nicht etwas viel?«

»Nein!«, sagte Felina.

Lenni blieb der Mund offen stehen. So etwas hätte er sich nicht getraut! Waldo Wunder aber warf ihm einen vergnügten Blick zu, die Riesenaugen hinter den Brillengläsern blitzten, und sein Mund formte das Wort verwöhnt. Lenni musste grinsen. Verwöhnt schien ihm noch etwas zu schwach. Dickköpfig fand er passender! Herr Wunder jedoch lächelte die Kunden nun wieder zuvorkommend an und sagte mit einer kleinen Verbeugung: »Die junge Dame darf sich ruhig weiter umschauen. Vielleicht hilft mein Freund Lennart ihr ja bei der Entscheidung! Was sagten Sie eben über ihre Sammlung historischer Puppenköpfe?«

Die Erwachsenen vertieften sich wieder in ihr Gespräch. Lenni brummte in sich hinein. Warum sollte er Felina bitteschön helfen, sich für ein Spielzeug zu entscheiden? Zugegeben, früher hatte er stundenlang mit all den Dingen im Laden gespielt, aber das war lange her. Außerdem war doch klar, was Felina brauchte: nichts! Rasch rückte er die Elfen und Drachen etwas weiter nach hinten ins Regal, damit sie vor Felina sicher waren.

»Wie schön die funkeln«, murmelte das Mädchen und strich über die glänzende Haut der Feenkinder und die goldenen Schuppen des Drachen. »Das sieht man bestimmt auch im Dunkeln. Och, die Lampe da ist ja süß!« Sie trat zu einem Nachtlicht hinüber, das aussah wie ein pulsierendes rotes Herz, in dem ein Pfeil steckte. »Ob ich die von meinem Bett aus sehen kann?«

»Wenn du wie ich mit geschlossenen Augen schläfst, wahrscheinlich nicht«, sagte Lenni und grinste sie an.

Felina verzog keine Miene. »Ja, tue ich«, sagte sie. »Aber vor dem Einschlafen könnte ich das Licht sehen. Und wenn ich nachts aufwache.« Sie trat nun zu einem Roboter mit leuchtenden Knöpfen und einem grünlich schimmernden Display.

Lenni sah von dem Roboter zu dem Mädchen und zurück. »Nein, das ist nichts für dich«, meinte er spontan. »Ich glaube, du magst es märchenhaft.«

Felinas Gesicht leuchtete auf. »Ich liebe Märchen!«, rief sie. »Woher weißt du das?«

Waldo Wunder und ihr Vater blickten zu den Kindern hinüber. Herr Wunder beobachtete die beiden einen Moment und nickte dann. »Sehr gut, sehr gut«, murmelte er.

Lenni sah Felina einen Moment prüfend an und zuckte dann die Schultern. »Das mit den Märchen war doch klar. Das merkt man. Aber das, was du nicht magst, ist Dunkelheit, oder?«

Das Mädchen drehte sich ruckartig weg. Ihr spitzes Gesicht verzog sich, aber sie sagte nichts. Lenni ließ den Blick durch Waldo Wunders Laden schweifen. Am Basteltisch glitzerte und funkelte es aus einem Topf mit Leuchtknete. Aber nachts konnte man nicht kneten. Die Elfenfiguren schimmerten im Dunkeln nicht hell genug. Plötzlich fiel ihm etwas ins Auge: Im Schlossgarten, das war das Regal neben der Leuchtknete mit Puzzeln von Prinzessinnen und Blumen, standen riesige Papiertüten, weiß mit goldenen Sternen darauf. Vorsichtig öffnete er eine und zog einen tellergroßen Stern hervor. »Guck mal«, sagte er und hielt ihn einen Moment vor das vom Pfeil getroffene Herz. Dann knipste er das Nachtlicht aus.

Felina schnappte nach Luft. Der Stern schimmerte und funkelte wie tausend Diamanten, und gleichzeitig leuchtete er sanft wie der Vollmond. Felinas spitzes Gesicht wurde plötzlich ganz weich.

Lenni ließ den Stern zurück in die Tüte fallen. »Nachleuchtende Zaubersterne«, erklärte er geschäftig. »23 Stück in allen Größen und Formen.«

Felina sagte nichts. Mit einem versunkenen Blick griff sie nach der Tüte und hielt sie ihrem Vater hin. Der zahlte, verabschiedete sich von Herrn Wunder und öffnete die bimmelnde Ladentür. Lenni konnte die Schnitzerei auf der Außenseite sehen: Einzig wahres Spielzeug seit 1712. Er wunderte sich nicht zum ersten Mal darüber, was das eigentlich bedeuten sollte.

Bevor Felina hinausging, sah sie sich noch einmal zu Lenni um. Einen Moment sah sie ganz finster drein, als wäre es seine Schuld, dass sie statt mehrerer Elfenfiguren, Drachen, fliegender Pferde, Spiellandschaft, Zauberstäben und Feenstaub nur eine Tüte Sterne mit nach Hause nahm.

Aber Lenni war sich aus irgendeinem Grund sicher, dass sie für Felina genau richtig waren.

KAPITEL 2

»Wunderbar gemacht, Lennart Lindenbaum. Ich gratuliere!« Herr Wunder trat hinter dem Ladentisch hervor und schüttelte Lenni die Hand.

Lenni lächelte verlegen. »Ich hab doch eigentlich gar nichts gemacht. Ich wollte bloß nicht, dass sie den ganzen Elfenwald auf den Kopf stellt.«

Waldo Wunders Augen blitzten. »Und dafür danke ich dir, mein Freund. Nun muss ich mich aber endlich um meine Lieferung kümmern.«

Er trat zu dem riesigen Kartonstapel hinüber, der die Hälfte des Ladens blockierte. Dabei fiel es Lenni wieder ein, das Riesenpaket, das seinen Namen trug und immer noch bei Herrn Wunders Spielzeuglieferung stand. Was hatte seine Mutter da bloß für ihn bestellt?

Er ging hinüber und riss das Klebeband ab. Waldo Wunder machte sich derweil an seinen eigenen Paketen zu schaffen. Lenni wollte gerade die Klappe an seinem Karton öffnen, da gab es neben ihm einen lauten Knall und ein Rumpeln wie bei einem Erdbeben.

»Vorsicht!« Herr Wunder schubste Lenni Richtung Ladentisch. Im nächsten Moment war der Stapel mit den ungeöffneten Paketen umgestürzt. Herrn Wunders gesamte Spielzeuglieferung purzelte durch den Laden. Um ein Haar hätten die Päckchen Lenni und Herrn Wunder unter sich begraben.

»Ich wollte sie eigentlich nur in die Werkstatt schieben«, meinte Herr Wunder kopfschüttelnd.

»Ein paar sind schon drin«, sagte Lenni. Grinsend deutete er auf die Pakete, die bis in das Hinterzimmer geschlittert waren. Doch auch im Laden war praktisch jedes freie Stück Fußboden von großen und kleinen Päckchen bedeckt. Lenni sammelte einige ein. »Kommen Sie, die anderen schaffen wir auch noch.«

Es dauerte eine ganze Weile, bis Lenni und Herr Wunder ächzend und stöhnend alle Pakete in die Werkstatt getragen und dort wieder zu einem deckenhohen Stapel aufgebaut hatten. Sie teilten sich die Arbeit gerecht: Lenni schleppte, und Herr Wunder ächzte und stöhnte und wischte sich den Schweiß mit einem karierten Taschentuch von der Stirn.

»Danke, mein Freund«, sagte der Ladenbesitzer, als das letzte Paket verstaut war. »Siehst du, nun hast du mir schon wieder geholfen. Ich kann den Laden wohl kaum noch ohne dich betreiben.« Nachdenklich sah er Lenni an, dann verzog er das Gesicht und rieb sich die Stirn. Es sah aus, als ob er etwas Kompliziertes durchdenken würde. Herr Wunder hatte heute wirklich einen seiner besonders merkwürdigen Tage!

Endlich sah der Ladenbesitzer auf. »Möchtest du vielleicht eine Tasse Tee? Ich wollte mir gerade welchen kochen, als du zu Besuch kamst.«

Lenni schüttelte den Kopf. »Danke, aber ich mag keinen Tee, und außerdem …« Sein Magen verriet, was er sagen wollte, indem er laut grummelte.

»Ah, natürlich, du kommst ja direktemang aus der Schule!«, rief Herr Wunder aus. »Und hattest noch keine Zeit fürs Mittagessen. Stimmt’s?«

»Meine Mama hat Lasagne gekocht, die soll ich mir warm machen.« Er wandte sich zur Tür.

»Warte doch, Lennart!« Waldo Wunder eilte zum Ladentisch, stolperte über die Eisenbahnschienen, taumelte und fing sich wieder. Ein Schatten flog über sein Gesicht, als er erneut in eine Schublade spähte. »Möchtest du vielleicht mit mir essen, Lennart? Ich habe gestern Nusskuchen gebacken. Nüsse sind ja sehr gesund und nahrhaft, und außerdem schmeckt der Kuchen fabelhaft. Vielleicht muss ich dich auch um einen kleinen Gefallen bitten.«

Lenni wurde sofort neugierig. Er dachte an den Teller, der oben in der Mikrowelle stand. Seine Mutter kochte nicht schlecht, aber wenn man Kuchen oder Aufgewärmtes zur Wahl hatte … »Na klar, ich bleibe«, sagte er. »Welchen Gefallen meinten Sie denn?«

»Das erkläre ich dir später. Kuchen ist immer wichtiger. Gib mir nur ein paar Minuten Zeit, alles vorzubereiten.«

»Dann bringe ich noch schnell mein Paket nach oben«, sagte Lenni.

Doch das war gar nicht so leicht. Schleppen ging nicht, weil das Paket zu schwer war. Außerdem rutschte es ihm immer wieder aus den Fingern. Schließlich legte er es wie ein Snowboard auf die Stufen und schob es in den zweiten Stock. Als er es endlich in seinem Zimmer hatte, war er ziemlich sauer auf den unpraktischen Kasten.

»Ich mach dich nicht auf, da kannst du lange warten!«, sagte er zu dem Paket und schob es in die Ecke zwischen Wand und Kleiderschrank. Okay, dass er jetzt mit Paketen redete, war vielleicht ein bisschen seltsam. Waldo Wunder färbte ganz eindeutig auf ihn ab!

Rasch rannte Lenni die Treppen zurück nach unten.

»Ah, Lennart, da bist du ja wieder! Kakao und Kuchen sind schon serviert.« Mit einer kleinen Verbeugung deutete Herr Wunder auf den Ladentisch, auf dem eine weiße Serviette als Tischtuch, zwei Teller mit Kuchen und zwei dampfende Tassen standen. Ein süßer Duft nach Nuss und Schokolade lag in der Luft.

Herr Wunder drückte Lenni auf einen geschnitzten Hocker in Form eines Elefanten und nahm selbst auf seinem abgeschabten Werkstattschemel Platz. Eine Weile aßen und tranken sie schweigend.

»Lecker«, sagte Lenni, als er seinen Kuchen verputzt hatte. »Meine Mutter backt längst nicht so gut wie Sie.«

Waldo Wunders Augen blitzten. »Ich wollte mich noch bei dir bedanken, Lennart. Du hast mir mit dem Mädchen Felina wirklich sehr geholfen.«

»Aber ich hab doch gar nichts gemacht!«, wiederholte Lenni.

Der Ladenbesitzer schüttelte den Kopf. »Du hast sehr wohl etwas gemacht: Du hast herausgefunden, was sich die junge Dame wirklich wünscht. Du hast ihr einzig wahres Spielzeug gefunden. Sie wird so bald nicht wiederkommen. Vielleicht niemals.«

Lenni verschluckte sich fast an seinem Kakao. »Soll das heißen, Felina braucht für den Rest ihres Lebens kein Spielzeug mehr zu kaufen? Keinen goldenen Drachen und keine Elfenkinder?«

Waldo Wunder nickte.

Lenni starrte den Ladenbesitzer an. »Aber, Herr Wunder«, meinte er, »wenn Felina hier nie wieder etwas kaufen muss, da wären Sie doch ziemlich blöd dran! Da habe ich ja quasi Ihrem Geschäft geschadet! Und ist es nicht auch ganz schön traurig, wenn man nie wieder ein anderes Spielzeug haben möchte?«