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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Tassilo Graf von Teufen-Thurmann brauste mit hoher Geschwindigkeit über die Hauptstraße. Er parkte direkt vor dem Rathaus von Waldkogel. Tassilo sprang heraus und rannte die Eingangstreppe hinauf. »Fritz! Ich muss sofort mit dir reden«, rief er und durchquerte das Vorzimmer des Bürgermeisters. »Grüß Gott!«, begrüßte ihn die Gemeindesekretärin. »Der Bürgermeister ist nicht da.« »Wo ist er, Gina? Ich muss ihn sofort sprechen! Es geht um das Heimatmuseum.« »Er ist drüben beim Pfarrer.« »Danke, Gina!«, sagte Tassilo knapp. Er drehte sich auf dem Absatz um und eilte genauso schnell hinaus, wie er gekommen war. Gina trat ans Fenster. Sie sah, wie die Haushälterin des Pfarrers dem Grafen die Tür öffnete und er an ihr vorbeistürmte. »Da muss etwas geschehen sein«, murmelte Gina vor sich hin.
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Tassilo Graf von Teufen-Thurmann brauste mit hoher Geschwindigkeit über die Hauptstraße. Er parkte direkt vor dem Rathaus von Waldkogel. Tassilo sprang heraus und rannte die Eingangstreppe hinauf.
»Fritz! Ich muss sofort mit dir reden«, rief er und durchquerte das Vorzimmer des Bürgermeisters.
»Grüß Gott!«, begrüßte ihn die Gemeindesekretärin. »Der Bürgermeister ist nicht da.«
»Wo ist er, Gina? Ich muss ihn sofort sprechen! Es geht um das Heimatmuseum.«
»Er ist drüben beim Pfarrer.«
»Danke, Gina!«, sagte Tassilo knapp. Er drehte sich auf dem Absatz um und eilte genauso schnell hinaus, wie er gekommen war.
Gina trat ans Fenster. Sie sah, wie die Haushälterin des Pfarrers dem Grafen die Tür öffnete und er an ihr vorbeistürmte.
»Da muss etwas geschehen sein«, murmelte Gina vor sich hin.
Sie kannte den alten Grafen als ruhigen und besonnenen Menschen. Dass er sich so lebhaft gebärdete, wunderte sie doch sehr. Sie war gespannt, was Bürgermeister Fellbacher erzählen würde.
Drüben im Pfarrhaus stürmte Tassilo in die Studierstube von Pfarrer Zandler.
»Ich grüße euch herzlich!«, rief er fröhlich. Er schüttelte Pfarrer Heiner Zandler und Fritz Fellbacher die Hand, setzte sich auf einen Stuhl und wischte sich die Stirn.
»Mei, was ein schöner Tag«, sagte er. »Und jetzt wird gefeiert! Heiner, du hast doch bestimmt einen guten Obstler? Hole ihn und schenke ein! Es gibt etwas zu feiern. Ich habe dich schon drüben im Rathaus gesucht, Fritz. Aber hier ist es noch besser. Jetzt muss ich es nicht zweimal erzählen. Außerdem kann ich gleich mein Versprechen einlösen.«
Tassilo holte seine Brieftasche heraus und legte einen großen Geldschein auf den Tisch.
»Das ist eine Spende für Kerzen, Heiner. Ich habe dem Herrgott versprochen, dass ich die Kirche hell erleuchte, wenn er mir beisteht. Es war eine verzwickte Angelegenheit. Aber dieses Mal ist es gut gelaufen.«
Pfarrer Zandler und Bürgermeister Fellbacher warfen sich Blicke zu.
Tassilo grinste. Er rieb sich die Hände. »Was ist jetzt mit dem Obstler, Heiner? Du hast doch was da, einen Selbstgebrannten vom alten Alois?«
Der Geistliche von Waldkogel stand auf und holte die Flasche mit Alois Selbstgebranntem und drei Gläser. Er schenkte ein.
»So, Tassilo, jetzt musst du aber reden. Du siehst höchst selbstzufrieden aus, wenn du auch ein bissel angekratzt bist.«
»Ich gebe es zu, ich bin angekratzt, besser gesagt aufgekratzt. Mei, das war ein Morgen! So einen wird es so schnell nicht wieder geben, sage ich euch.«
Tassilo hob das Schnapsglas. »Trinken wir auf meinen Großvater! Er war ein schlauer Fuchs und hatte ein großes Herz, besonders für Liebende. Prost Heiner, prost Fritz!«
Sie prosteten sich zu und tranken.
»So, nun erzähle endlich, Tassilo!«
»Gut, dann lehnt euch mal bequem zurück und genießt es. Nachdem du bei mir gewesen bist und mir erzählt hast, dass dieser Bazi Ruppert Schwarzer seine gierigen Hände nach dem Hinteregger Hof ausstreckt, den wir fürs Heimatmuseum wollen, hat es mir keine Ruhe gelassen. Du hattest ja gehofft, dass mir etwas einfällt, was den gierigen Hinteregger-Erben das Geschäft mit dem Ruppert Schwarzer vermasseln könnte. Ich habe also mit der Zenzi geredet. Sie hat sich erinnert, dass der Vater vom Alfred Hinteregger damals für meinen Großvater gearbeitet hat, als sie auf das Schloss gekommen war, als ganz junges Madl. Sie kramte in ihrem Gedächtnis und erinnerte sich. Aber es waren nur Bruchstücke, Gerüchte, die man sich in der Schlossküche zuflüsterte. An Genaueres konnte sie sich nicht erinnern. Nur, dass immer gesagt wurde, dass der alte Hinteregger nie seine große Liebe hätte heiraten können, wenn mein Großvater ihm nicht geholfen hätte. Zenzi und ich besuchten die alte Ella Waldner. Sie ist ein lebendes Geschichtsbuch und bewahrt viele Familiengeheimnisse, wie ihr wisst. Sie hat den Wöchnerinnen zu Hause beigestanden, als sie niederkamen und saß oft am Bett, wenn der Herrgott jemand zu sich gerufen hatte. Und tatsächlich wusste Ella auch über diese Geschichte Bescheid. Sie erinnerte sich an weitere Details. Zu dritt reimten wir uns einiges zusammen. Ihr wisst, wie das damals war. Ein reiches Bauernmadl musste auch reich heiraten. Da kam es nicht in Frage, dass sie mit einem Mann vor den Traualtar trat, der nix hatte. Kommen wir also zum alten Hinteregger und seiner großen Liebe. Die aussichtslose Liebe der beiden rührte meinen Großvater. Er wusste, dass Gustl Hinteregger sparte und sparte, nie ins Wirtshaus ging und sich nichts gönnte, weil er einmal eigenes Land haben wollte. So entschloss sich mein Großvater, dem Gustl Hinteregger einen seiner Höfe zu verkaufen, für genau den Betrag, den er bereits gespart hatte. Auch wenn das nicht viel war. Gustl Hinteregger konnte jetzt um die Hand seiner Liebsten anhalten. Sie traten vor den Altar. Die Maria brachte eine schöne Mitgift mit, und es ging ihnen gut. Sie wurden sehr glücklich. Nur Maria erfuhr, dass es einen Vertrag zwischen Gustl und meinem Großvater gab, der besagte, dass die Grafen von Teufen-Thurmann das Vorkaufsrecht für den Hof hatten und zwar genau zu dem Betrag, für den mein Großvater damals an Gustl verkauft hatte. Hinteregger – und alle seine Nachfahren – konnten den Hof nutzen und vererben, aber für den Fall, dass sie ihn an Dritte verscherbeln wollten, gab es diese Abmachung. Darüber muss es einen schriftlichen Vertrag geben, der unter Zeugen unterschrieben worden war. Diese Zusatzvereinbarung wurde nicht ins Grundbuch eingetragen. Damit der verliebte Bursche gut dastand, und der Vater seines Madls es nicht erfuhr.«
Helene Träutlein brachte Kaffee und Kuchen. Bis sie aus dem Zimmer gegangen war, schwieg Tassilo.
»Es galt also, dieses Dokument zu finden. Zu dritt, Zenzi, meine liebe Ottilie und ich, machten wir uns auf die Suche. Wir stellten das Schloss auf den Kopf. Es war sehr mühsam, sage ich euch. Ihr wisst gar nicht, was sich im Laufe von Jahrzehnten auf dem Speicher, in den Kellern oder in Truhen ansammelt … Aber es hat sich gelohnt. Wir haben die Urkunde gefunden! Genauer gesagt, meine Frau hat sie gefunden. Ottilie kam auf die Idee, in der Ahnengalerie, hinter dem Portrait, zu suchen, das ein damals berühmter Maler von meinem Großvater gemacht hatte. Dort, hinter dem Gemälde, steckte der Vertrag über die Vereinbarung. Darin steht unmissverständlich, dass auf eine Eintragung ins Grundbuch von beiden Seiten verzichtet wurde, um Gustl und Maria Hinteregger die Ehe zu ermöglichen. Der Vertrag ist notariell beglaubigt. Fast einhundert Jahre sind seitdem vergangen. Gustl und Maria bekamen einen Buben, den Alfred. Dieser heiratete und bekam eine große Familie, mit Kindern und Kindeskindern.«
»Das ist ja ausgezeichnet!«, rief Fritz Fellbacher.
»Noch ist die Sache nicht ganz durchgestanden, Fritz. Der Jurist, den ich heute in München aufgesucht habe, sagte mir, dass ich mir durchaus Hoffnungen machen könne. Letztendlich bekäme ich sicherlich Recht, auch wenn die Erben sich durch alle Instanzen klagen. Darüber könnten aber Jahre vergehen. Er nimmt zwar nicht an, dass sie das tun, weil die Kosten für die Prozesse sehr hoch seien. Ich habe übrigens Jörg Hinteregger, den einzigen der Sippe, der nicht an Schwarzer verkaufen wollte, in München aufgesucht. Das ist ein wirklich sympathischer und aufgeweckter Bursche. Als ich ihm davon erzählte, natürlich unter dem Deckmantel der Verschwiegenheit, gab er mir eine Kopie vom Testament seines Großvaters. Jörg ist über diese Entdeckung sehr froh und hofft, dass ich Erfolg habe. Mit allen Unterlagen und den Kopien des Testaments ging ich zum Juristen. Ich habe ihm Vollmacht erteilt und die Summe hinterlegt, die ich zahlen muss, um das Hinteregger Gehöft zurückzuerhalten.«
Tassilo trank einen Schluck Kaffee.
»Mein Großvater hatte Marias Verwandten nie über den Weg getraut. Und einige der Erben haben anscheinend den geizigen und habgierigen Charakterzug von Marias Vater geerbt. Bei Jörg ist es nicht so. Er kommt mehr nach der bodenständigen Hinteregger-Seite. Er liebt das Gehöft. Er war beglückt, dass in dem Dokument verfügt wurde, dass der Hof niemals abgerissen werden darf. Stellt euch vor, in der Urkunde steht sogar drin, dass nach einem Brand alles genauso wieder aufgebaut werden muss.«
»Brandstiftung musste schon oft als Lösung herhalten«, sagte Pfarrer Zandler nachdenklich.
»Du sagst es, Heiner. Also weiter! Der Jurist wird alle Erben anschreiben und mein Erstkaufsrecht auf den Hof geltend machen.«
Fritz Fellbacher lacht laut und klatschte in die Hände. »Mei, das ist ein Ding. Da möchte ich Mäuschen sein«, jubelte er, »wenn diese Briefe ankommen. Das wird denen ganz gehörig die Suppe versalzen.«
»Dann kann wirklich nicht an Ruppert Schwarzer verkauft werden? Ich kann es noch nicht fassen, Tassilo.«
»Ja, das ist fast nicht zu glauben, dass sich die Probleme um den Hinteregger-Hof tatsächlich in Luft auflösen, Fritz. Aber es ist so. Das Gehöft wird in den Besitz der Grafen von Teufen-Thurmann zurückkehren.«
»Und was willst damit machen, Tassilo?«, fragte Fellbacher und grinste dabei.
»Das weißt du genau, Fritz. Tu net so unschuldig! Ich stelle es als Gebäude für das Heimatmuseum zur Verfügung. Ich habe da noch einige Ideen. Doch man soll den Abend nicht vor dem Morgen loben. Jetzt müssen wir erst mal sehen, dass alles glatt über die Bühne geht. Dann reden wir weiter.«
Pfarrer Zandler lächelte. »Es wird schon gut werden. Die Engel vom ›Engelssteig‹ haben uns mal wieder beigestanden«, sagte er.
»Heiner, wirklich beruhigt bin ich erst, wenn alles zu Ende ist. Der Schwarzer ist ein Bazi, mit dem nicht gut Kirschen essen ist«, sagte Fellbacher. »Er ist ein Lump und ein aalglatter, gerissener Typ. Ich traue ihm nicht. Wer weiß, welche Tricks er auf Lager hat? Der ist mit allen Wassern gewaschen, nur nicht mit Weihwasser.«
»He, Fritz, so kenne ich dich nicht. Klingt, als hättest du Angst vor Ruppert Schwarzer?«, sagte Tassilo.
»Das habe ich nicht. Ich weiß nur, dass er sehr trickreich ist. Ich traue ihm nicht über den Weg. Wie sagt man so schön: ›Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste‹. Das werden spannende Wochen werden. Dein Jurist ist sich wirklich ganz sicher?«
»Ja, das ist er, Fritz. Außerdem kann, laut Testament, nur einstimmig verkauft werden, und Jörg ist auf unserer Seite. Er bleibt dabei, notfalls macht er von seinem Vetorecht Gebrauch.«
Pfarrer Zandler schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »So Freunde, jetzt trinken wir noch einen Obstler. Wir stoßen auf gutes Gelingen an. Übrigens, du solltest die gute Nachricht für dich behalten, Fritz. Gerade im Gemeinderat! Franz Huber muss es nicht wissen. Kein Wort zu niemand! Verstanden?«
»Bist du narrisch, Heiner? Kein Wörtchen werde ich verlauten lassen. Alles, was hier beredet wurde, bleibt in diesen vier Wänden. Ich will nicht, dass der Schwarzer sich neue Gemeinheiten ausdenken kann. Er wird sauer sein und toben, dass ihm der Hinteregger Hof durch die Lappen geht.«
»Zweifellos, das wird er«, lachte Tassilo. »Also, falls sich irgendwann doch etwas herumspricht, dann wird die Gemeinde Waldkogel nicht betroffen sein. Ich habe den Grundbesitz zurückgefordert, wie es mein Großvater vorgesehen hatte. Und ich kann mich frei entscheiden, was ich damit mache. Sollte Ruppert Schwarzer mit einen Kaufangebot zu mir kommen, dann schmeiße ich ihn hochkantig hinaus, darauf kannst du dich verlassen, Fritz.«
Pfarrer Zandler schenkte die Stamperl voll. Sie prosteten sich zu und tranken auf ein glückliches Ende.
Danach saßen die drei Freunde noch eine Weile zusammen. Sie tranken Kaffee und aßen von dem Obstkuchen, den Helene Träutlein gebacken hatte.
Anschließend ging Pfarrer Zandler hinüber in die Kirche und zündete große Kerzen an.
Fritz Fellbacher setzte sich im Rathaus hinter seinen Schreibtisch. Er bearbeitete keine Akten mehr an diesem Tag. Er freute sich über die unerwartete Entwicklung und ließ seine Seele baumeln. Bekanntlich ist ja Vorfreude die schönste Freude.
Tassilo Graf von Teufen-Thurman fuhr heim auf das Waldschlösschen. Er pflückte im Blumengarten, den die alte Zenzi so gut pflegte, einen großen Blumenstrauß. Den stellte er auf einen kleinen Tisch unter das Bild seines Großvaters in der Ahnengalerie.
»Schön, dass du damals geholfen hast, der Liebe den Weg zu ebnen«, sagte er leise.
Er stand eine ganze Weile vor dem Ölgemälde, mit guten Gefühlen im Herzen. Es wurde ihm dabei wieder einmal klar, wie ähnlich er seinem Großvater war. Es kam oft vor, dass der Charakter eines Menschen eine Generation übersprang. Das war wohl auch hier so. Tassilo war seinem Großvater ähnlicher als seinem Vater.
*
Marco parkte sein Auto in der Einfahrt des Eckhauses. Er stieg aus und klingelte. Gaby, die Ehefrau seines besten Freundes, öffnete ihm die Tür.
»Wie geht es meinem zukünftigen Patenkind?«, fragte er und umarmte Gaby zur Begrüßung.
Gaby strich sich über ihren gewölbten Schwangerschaftsbauch. »Das strampelt kräftig«, lachte sie. »Es kann ganz schön treten.«
»Oh, dann wird es ein starkes Mädchen. Vielleicht spielt es einmal Fußball.«
Gaby lachte. »Nicht ›das Mädchen‹ – das Baby! Ich habe dir schon oft gesagt, dass Tommy und ich nicht wissen wollen, was es wird. Bub oder Mädchen – beides ist uns gleich willkommen! Hauptsache gesund!«
Sie gingen ins Wohnzimmer.
»Oh, noch niemand da?«
Tommy und Marco trafen sich regelmäßig mit zwei Freunden zum Skat. Dieses Mal sollte das Treffen bei Marco stattfinden.
»Sven und Mark haben am Nachmittag abgesagt. In Svens Firma gibt es einen Engpass, deshalb macht er Überstunden. Marks Kinder haben eine schwere Erkältung und Fieber. Er will seine Frau nicht mit den Kleinen allein lassen.«
»Und wo ist Tommy?«
»Oh, der ist noch in der Werkstatt. Geh ruhig zu ihm! Ich decke inzwischen den Abendbrottisch. Ich dachte mir, wir essen gemeinsam und machen uns einen gemütlichen Abend. Rufe doch Nadine an! Vielleicht hat sie Lust, zu kommen. Dann machen wir uns zu viert einen schönen Abend.«
»Den Anruf kann ich mir sparen. An den Abenden, an denen ich mich mit den Freunden zum Kartenspiel treffe, geht Nadja mit ihren Freundinnen aus. Dann schaltet sie ihr Handy ab. Frauenabend, verstehst du?«
Aus der Küche drang das Klingeln des Minutenweckers.
»Ich muss den Braten aus dem Ofen nehmen, Marco. Kannst du Tommy sagen, wir können in fünf Minuten essen?«
»Mache ich!«
Marco ging den Flur entlang und öffnete die letzte Tür. Sie führte in ein Büro. Dahinter lag Tommys Goldschmiedewerkstatt.
»Grüß dich, Marco! Sicher hast du schon von Gaby gehört, dass unser Männerabend ausfällt. Ich hoffe, du bleibst trotzdem.«
»Na, hör mal! Gabys Braten lasse ich mir doch auf keinen Fall entgehen. Ich soll dir sagen, in fünf Minuten können wir essen.«
»Gaby ist eine fantastische Köchin. Du siehst es an meiner Figur.«
»Das wird sich ändern, wenn euer Kind da ist. Dann musst du nachts raus, und es ist Schluss mit dem kalorienreichen Essen. Das Baby wird Gaby kaum Zeit für ihre Kocherei lassen.«
»Was malst du da wieder für ein pessimistisches Bild, Marco?«
»Du, ich meine es ernst. Ein Kind stellt den gesamten Tagesablauf auf den Kopf. Ich habe das bei vielen Kollegen erlebt.«
Tommy kannte Marcos schwierige Einstellung zu Familie und Kindern nur zu gut. Das Thema Heirat hatte für Marco keine positiven Aspekte. Er war zwar seit Jahren fest mit Nadine zusammen, die Nadja gerufen wurde, aber Heiraten wollten sie nicht. Ihre persönliche Unabhängigkeit war ihnen zu wichtig. Aber auch wenn sie getrennte Wohnungen hatten, vermittelten sie einen harmonischen Eindruck und schienen glücklich zu sein.
»Dann gehen wir gleich rüber. Ich bin gerade fertig geworden«, meinte Tommy. Er holte ein Samtkästchen, in dem schon zwei Eheringe steckten, und steckte den Schmuckring in die Mitte.
»Hübsche Stücke. Hast du die Eheringe auch gemacht?«