Warum riecht das Glück nach Schwein ? - Sabine Bente - E-Book

Warum riecht das Glück nach Schwein ? E-Book

Sabine Bente

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Beschreibung

Menschen, Tiere, Möbel und alles durcheinander Vor ein paar Wochen war Milla Bahrens noch eine junge, unsichere Frau auf Jobsuche mit einem Faible für günstige, spannende Möbel. Da stolpern der struppige Hund Scooter und sein Herrchen Robert unverhofft in ihr Leben. Als hätte sie mit dem lange herbeigesehnten Vorstellungsgespräch, einem Praktikum und den Problemen mit dem Bücher-Café, das ihrer Freundin Emi gehört, nicht schon genug am Hals. Von dieser heiklen Sache mit den Geldscheinen ganz abgesehen. Außerdem ist da noch ihr geschicktes Händchen für Ordnung und „Ausmisten“ – ein Talent, auf das nicht nur ihre Nachbarin gerne zurückgreift. Milla hat also alle Hände voll zu tun. Daher kann sie eine komplizierte Beziehung nicht auch noch brauchen. Aber das Schicksal nimmt – so wenig wie ihre Freunde – keine Rücksicht auf solche Befindlichkeiten.

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Das Buch:

Menschen, Tiere, Möbel und alles durcheinander

Vor ein paar Wochen war Milla Bahrens noch eine junge, unsichere Frau auf Jobsuche mit einem Faible für günstige, spannende Möbel. Da stolpern der struppige Hund Scooter und sein Herrchen Robert unverhofft in ihr Leben.

Als hätte sie mit dem lange herbeigesehnten Vorstellungsgespräch, einem Praktikum und den Problemen mit dem Bücher-Café, das ihrer Freundin Emi gehört, nicht schon genug am Hals. Von dieser heiklen Sache mit den Geldscheinen ganz abgesehen.

Außerdem ist da noch ihr geschicktes Händchen für Ordnung und „Ausmisten“ – ein Talent, auf das nicht nur ihre Nachbarin gerne zurückgreift.

Milla hat also alle Hände voll zu tun. Daher kann sie eine komplizierte Beziehung nicht auch noch brauchen. Aber das Schicksal nimmt – so wie ihre Freunde – keine Rücksicht auf solche Befindlichkeiten.

Die Autorin:

Sabine Bente, geboren 1966 in Uelzen, lebt in einer Wohngemeinschaft vor den Toren Lüneburgs.

Tiere und Landwirtschaft und die Welt insgesamt ein bisschen netter machen waren schon immer eine große Leidenschaft von ihr.

Eine berufliche Auszeit hat sie für die Abschlussphase ihres Romanprojektes genutzt. Mit Hilfe ihrer netten Lektorin und Books on Demand hat sie jetzt den Schritt zu ihrer ersten Veröffentlichung gewagt.

Denn du bist mutiger, als du denkst!

Inhaltsverzeichnis

ETWA 8 WOCHEN NACH DIESER GESCHICHTE

UND DAS IST DIE GESCHICHTE

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49

Kapitel 50

Kapitel 51

Kapitel 52

Kapitel 53

Kapitel 54

Kapitel 55

Kapitel 56

Kapitel 57

Kapitel 58

Kapitel 59

Kapitel 60

Kapitel 61

Kapitel 62

Kapitel 63

Kapitel 64

Kapitel 65

Kapitel 66

Kapitel 67

Kapitel 68

Kapitel 69

Kapitel 70

SCHLUSSWORT

ETWA 8 WOCHEN NACH DIESER GESCHICHTE

Vielleicht war es doch keine so schlechte Idee gewesen, dass Emi die Sache gestern angeleiert hatte.

»Vergiss es, Simon! Musst du mir immer so auf die Pelle rücken?«

Statt einer Antwort erntet Milla nur einen vorwurfsvollen Blick. Ihr Bettgenosse denkt noch nicht daran, aufzustehen.

Gähnend rekelt sie sich noch einmal unter der Bettdecke. Ach – egal. Am Freitag würde sich eh einiges ändern. Simons Lieblingssessel hatten sie schon rübergebracht. Vielleicht würde so das Eingewöhnen in die neue Umgebung leichter fallen. Wenn sie dann beide drüben wären, würde er etwas, was ihm jetzt fehlt, wiederfinden. Außerdem ist der Platz, an dem der Sessel jetzt steht, mit dem Blick in den netten Innenhof, einfach genial.

Und später nach dem Anwaltstermin würde es ihr sicher auch besser gehen. Oder etwa nicht?

»Ich bin noch nicht soweit!«, hatte Milla gestern Nachmittag noch behauptet, als Emi ihr mit dem Latte eine Visitenkarte servierte.

Das Büchercafé der Freundin war für sie wie ein zweites Zuhause.

»Reinhard Müller, Rechtsanwalt«, las sie mit großen Augen.

»Prego, bitte.« Bei Emis Wortwahl zeigten sich immer wieder ihre italienischen Wurzeln. »Der hat mir damals auch mit dem Erbschaftsgewusel geholfen. Er trinkt sogar manchmal seinen Cappo hier.«

»Ja, ich kann mich noch an deinen ganzen Ärger erinnern, aber was hat das jetzt mit mir …«

»Hallo, mit dir? Te la sei presa? Du bist beleidigt?«, fiel Emilia der Freundin etwas zu laut ins Wort. »Wer hat denn hier eine Briefkastenphobie? Und dein blöder Geldschein neulich bei den Polizisten …« Erschrocken schaute sich Emi nach ihren anderen Gästen um.

»Scusi, Verzeihung!«, meinte sie leicht errötet. »Ich bin gleich wieder da.« Sie hob mahnend den rechten Zeigefinger in Millas Richtung, bevor sie am Nachbartisch einen Café Latte servierte.

Milla fühlte sich in diesem Moment eh nicht in der Lage, einfach zu verschwinden. Überhaupt, was sollte dieser Überfall?

»Denk doch mal an deine Panik, als diese Kassiererin dich fast enttarnt hätte. Also, ich hab einfach keine Lust mehr auf deine Horrorfantasien!«, fuhr Emi kurz darauf deutlich leiser fort. »Sie werden dich schon nicht einbuchten! Non preoccuparti, keine Angst! Und ansonsten läuft doch grad alles super bei dir!«

Milla waren keine Argumente eingefallen. Nach einem kurzen Telefongespräch hatte sie dann einen Termin bekommen. »Mist, jetzt soll ich gleich morgen früh vorbeikommen«, murmelte sie, als das Gespräch beendet war.

»Per fortuna, zum Glück, dann bist du hoffentlich bald wieder die Alte! Naja, vielleicht nicht ganz.« Mit dem breiten Lächeln schien Emi sich selbst auf die Schulter zu klopfen.

Jetzt hat Milla nur noch eine Stunde Zeit, bis zu ihrem Termin bei Herrn Müller. Um 11 Uhr muss sie schon bei einer neuen Kundin sein. Sie hat eigentlich gar keinen Grund nervös zu sein. Nur etwas müde ist sie noch. Ihr Kopfkino hatte sie nicht einschlafen lassen.

»Lass das, Simon!« Der Kater hat es sich auf ihrem seidigen Top bequem gemacht. Milla verscheucht ihn vom Bett. Vorm Spiegelschrank beginnt sie sich anzuziehen. Der elegante Anzug passt inzwischen perfekt, nur die Wahl der Schuhe bereitet ihr noch Schwierigkeiten. Beim dritten Paar hat sie genug.

»Lächerlich!«, kommentiert sie ihre Unentschlossenheit. Aus Protest bleibt sie bei den roten Pumps. Nicht zu rot, aber doch auffällig, vor allem wegen der winzigen Silberglocke am rechten Schuh. Kling, kling … Ganz leise hört man das Bimmeln bei jeder Bewegung. Dolice heißt der Designer dieser Luxusschuhe. Viele Frauen geben für ein solches Paar nur zu gerne mehrere Hundert Euro aus. Okay, ihre hatte sie secondhand erworben, aber immer noch teuer genug. Nach der langen Geldknappheit kann sie sich jetzt wieder ein bisschen was leisten.

Die Unterlagen für die neue Kundin sind schnell zusammengesucht. Dann noch ein Blick auf die Frisur. So richtig hat sie sich noch nicht an die kurzen Haare und diese Farbe gewöhnt. Aber noch während sie eine Strähne ihres Ponys aus der Stirn streicht, fällt schon die Tür hinter ihr ins Schloss.

Ein gelber Mini vor dem Haus bringt sie zum Schmunzeln. Demnächst würde sie sich auch endlich wieder ein Auto anschaffen. Sie kann ja schließlich keine Kunden ablehnen, nur weil kein Bus dorthin fährt oder ein Taxi zu teuer ist.

Bis zur Kanzlei des Anwalts sind es nur drei Querstraßen, für die sie zu Fuß keine zehn Minuten braucht. Ein paar knarrende Stufen durch das großzügige Treppenhaus, und nach einem kurzen Läuten steht sie unvermittelt einem Mann im grauen Anzug gegenüber. Er ist deutlich älter als Milla, aber sein sympathisches Lächeln kann sie nur erwidern.

Scheinbar irritiert kratzt er sich an der Stirn. »Tut mir leid, meine Damen sind gerade nicht da«, entschuldigt er sich, als sie ihm durch ein leeres Vorzimmer folgt.

»Ihre Damen? Ach so, kein Problem!«, entgegnet sie mit einem nachdenklichen Blick auf die zerknitterte Rückseite seines Anzugs. Ein höfliches Lachen bringt sie allerdings nicht mehr zustande. Als der Anwalt die Tür zu seinem Besprechungszimmer öffnet, schreckt sie deutlich zurück.

»Entschuldigung. Seit meine zweite Assistentin ihr Kind bekommen hat, bleibt leider einiges liegen.« Hilflos fährt er sich durch die Haare und befreit dann den Besucherstuhl von zwei geöffneten Ordnern. Am Boden liegen schon einige Bücher, noch mehr Ordner und Zeitungen, und so kommt jetzt noch etwas dazu.

Da hat wohl jemand ein Problem, denkt Milla. Schweigend knabbert sie an ihrer Unterlippe. Eigentlich wäre das ein Job für sie, hier für Ordnung zu sorgen. Aber jetzt geht es ja um etwas ganz anderes.

Er nimmt ihr gegenüber Platz. »So, Frau Bahrens, ich habe schon von Ihrer Freundin Emilia einiges zu der Sache gehört. Und ich habe mich auch schon ein bisschen schlaugemacht«, steigt Reinhard Müller sachlich in das Gespräch ein. »Sie waren übrigens unser heißestes Thema beim letzten Juristenstammtisch!«

Es kommt ihr so vor, als würde er plötzlich das Thema wechseln. Dann fängt er auch noch lauthals zu lachen an. Dass Millas Gesichtsausdruck immer ernster wird, scheint ihn zusätzlich zu amüsieren.

Was für ein Idiot! Sie ist kurz davor, auf dem Absatz kehrtzumachen.

Erschrocken hält er sich den Mund zu. »Entschuldigen Sie bitte!« Er hat wohl endlich bemerkt, dass er sich gerade auf ihre Kosten lustig macht. Seine gute Laune legt er allerdings nicht ab, sondern schwenkt schnell über zu einem netten Schmunzeln. »Was erwarten Sie eigentlich? Gefängnis? Eine hohe Geldstrafe? Glauben Sie wirklich, irgendein Richter würde sich da groß mit befassen wollen?«

Bei jedem seiner bestimmt geäußerten Sätze wird Milla auf dem Besucherstuhl kleiner.

»Nein, Frau Bahrens«, fährt er fort, »damit würde sich keiner lächerlich machen wollen.« Deutlich einfühlsamer scheint er sie von ihren Schreckgespenstern erlösen zu wollen.

»Wirklich?« Langsam kommen seine Worte in Millas Kopf an. »Wissen Sie, welch großen Stein Sie mir damit von der Seele nehmen? Neulich sind wir in eine Polizeikontrolle geraten. Wir waren etwas zu schnell, und Emi hatte kein Geld dabei. Der eine Polizist hat dann die Beschriftung auf dem Geldschein gesehen. Ich bin knallrot geworden, und wer weiß, wenn auf einem weiteren Geldschein auch noch was draufgestanden hätte …«

»Das wäre zumindest verdächtig gewesen. Man hätte sie sicher genauer befragt. Auf jeden Fall ist es vom Tatbestand her Sachbeschädigung, obwohl der reelle Wert der jeweiligen Sache ja nun sehr gering ist. Allerdings könnte es bald Trittbrettfahrer geben, aber das muss wohl nicht unsere Sorge sein.«

»Es war einfach nur eine blöde Idee! Ein paar Tage vorher hatte ich im Supermarkt auch so eine Begegnung. Die Kassiererin hatte gleich zwei von meinen Scheinen in der Hand und hat mir verschwörerisch zugezwinkert. Ich wusste gar nicht, wo ich hinschauen sollte.«

»Sicher es wird vielleicht langsam eng, wenn sie die Scheine nicht kontrollierter ausgeben. Die Idee finde ich aber überhaupt nicht blöd«, protestiert Müller mit einem Augenzwinkern, zieht einen Geldschein unter seiner Schreibtischunterlage hervor und hält ihn Milla vor die Nase. »Sehen Sie, ich bin auch ein Fan von Ihnen!«

Jetzt haben sie einen Grund, gemeinsam zu lachen.

Allerdings, kontrollierter ausgeben, war das jetzt schon die Anstiftung zu einer Straftat?

»Eigentlich war es sogar eine geniale Idee. Haben Sie überhaupt mitbekommen, was durch Sie alles passiert ist?«, fragt er grinsend. »Der Urheber ist zwar noch nicht bekannt, aber …« Er hielt Milla einen Ausschnitt aus der hiesigen Tageszeitung unter die Nase.

»Natürlich, wie soll ich das nicht mitbekommen haben? Aber da steht ja nur, dass alle begeistert sind, und dass keiner weiß, dass ich das war. Das ist auch gut so.« Milla schielt auf die Uhr hinter Müller im Regal. »Oh, ich muss schon wieder gehen, meine Kundin …« Sie hebt die Schultern fast bis zu den Ohren. »Ich hab leider einen Termin, aber Sie haben mir sehr geholfen, Herr Müller. Ich lasse Ihnen meine Karte hier wegen der Rechnung.«

»Wir werden uns schon einig.« Beim Blick auf die Visitenkarte hüpfen Müllers Augenbrauen in die Höhe. »Ordnungsliebe 4.0, Planung und Organisation für alle Lebensbereiche«, liest er vor. »O je!«

»Auf der Rückseite finden Sie meine Kontaktdaten«, sagt Milla und steht auf.

»Ich war schon immer ein bisschen chaotisch.« Mit ausgebreiteten Armen weist er auf sein beispielhaftes Umfeld, während er sie zum Ausgang begleitet.

»Und ich lebe davon. Vielleicht treffen wir uns mal bei Emi im Café oder Sie rufen mich an. Rufen Sie mich auf jeden Fall an!«

»Ich bezahle aber nicht mehr mit Karte!« Den beschrifteten Geldschein aus der Tasche ziehend, entlässt er sie lachend mit einem herzlichen Händeschütteln.

Milla versteht nicht gleich, was er damit meint, aber im Treppenhaus dreht sie sich noch einmal um und sagt: »Tschüss und danke! Und das freut mich!«

Und sicherer fühlt sie sich heute schon, auf jeden Fall sicherer als vor ein paar Wochen, als alles begann.

UND DAS IST DIE GESCHICHTE

1

Dieses am Ende total wichtige Vorstellungsgespräch, mit dem alles begann, lag noch nicht einmal acht Wochen zurück … schon komisch.

Recht elegant war ihr das dunkle Kleid mit der weißen Schleife erschienen. Genau richtig, um einen guten Eindruck zu machen. Hingabe, Gelassenheit und Freude stand auf dem silbernen Kettenanhänger. Vor einiger Zeit hatte sie die Worte aus einer Laune heraus in eine kleine, flache Silberplatte prägen lassen, nicht einmal teuer. Sie hatte die Kette noch nie getragen, aber vielleicht würde sie ihr heute Glück bringen.

Der seidige Stoff des Kleides glitt über ihren Körper. »Einfach genial!«, beglückwünschte sie ihr Spiegelbild. Schade, dass sie gestern nicht daran gedacht hatte, sich die Fußnägel zu lackieren. Jetzt war es zu spät; also keine Sandalen. Vielleicht wäre noch Zeit gewesen, aber sie merkte, dass sie langsam nervös wurde. Milla ließ ihren Blick über das kleine Schuhregal schweifen. Kurz entschlossen schlüpfte sie in die schwarzen Pumps. Ein bisschen warm für einen Sommertag, aber ein Vorstellungsgespräch dauerte ja nicht ewig. So richtig der Typ für hübsche Kleider war sie nie gewesen. Am wohlsten fühlte sie sich in ihrer lila Latzhose, obwohl ihre, wie sie fand, zu großen Brüste hinter dem Latz nicht so vorteilhaft zu Geltung kamen. »Immer diese Möpse«, machte sie sich manchmal selbst darüber lustig, wenn wieder etwas verrutscht war. Dass diese Brüste durchaus hübsch verpackt waren, auch jetzt unter dem eleganten Kleid, interessierte im Moment eh niemanden. In ihrer Nähe gab es gerade kein beachtenswertes männliches Wesen.

Eigentlich wollte sie noch ein drittes Mal zur Toilette. Sie war einfach nervös, aber jetzt war keine Zeit mehr dafür.

»Wow! Du hast dir heute aber Mühe gegeben!«

Normalerweise interessierte es Milla nicht, was ihre Nachbarin, die schrille Claire, von ihr hielt, aber heute baute es sie auf.

»Ja, ich muss gleich besonders gut aussehen!« Sie erzählte kurz von dem bevorstehenden Termin.

»Du siehst wirklich klasse aus, ich drück die Daumen!«

»Ich hoffe sehr, dass es hilft!« Mit einem angespannten Lächeln ließ sie Claire im Flur zurück und trat auf die Straße. Draußen schien sogar die Sonne auf ihrer Seite zu sein. Wegen ihrer Anspannung leicht fröstelnd, machte sie sich auf den Weg zur Werbeagentur Seriodesign. Milla versuchte, sich auf das bevorstehende Gespräch einzustimmen. Ihr Handy verkündete den Eingang einer SMS. »Jetzt nicht!«, fluchte sie leise. Fahrig nahm sie das Gerät aus der Tasche und stellte es aus.

Seit über einem Jahr war Milla jetzt schon ohne einen richtigen Job. Sie hatte längst aufgehört, die Bewerbungsschreiben zu zählen, die sie beinahe jede Woche zur Post brachte. Seit sie nach Rosenau gezogen war, hatte sie überhaupt nur Angebote für nicht gerade vielversprechende Zeitarbeitsjobs bekommen. Und jetzt dieser Termin; sie versprach sich schon einiges davon. Und ihr Konto brauchte dringend eine Finanzspritze.

Auf dem Kopfsteinpflaster knickte sie mit dem linken Fuß um – die blöden Absätze. Bei dem schönen Wetter waren die Straßen voll. So war es ihr auch nicht möglich, auszuweichen, als sie plötzlich von einem struppigen Hund angesprungen wurde. Für einen Außenstehenden sah es eher wie anstupsen aus, aber sie war heute etwas empfindlich.

»Scooter, muss das jetzt sein!«, kam aus dem Hintergrund die Stimme eines jungen Mannes in Handwerker-Latzhose. Er war sofort von einem der Außentische eines Cafés aufgesprungen.

»Blöder Kö …« Weiter kam Milla nicht. Erschrocken hielt sich den Mund zu und merkte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Ihr Blick wanderte von der schwanzwedelnden, graubraunen Promenadenmischung zu dessen Herrn.

»Sorry, das macht er sonst eigentlich nicht.« Der junge Mann schien ehrlich erschrocken.

»Tut mir auch leid«, sagte Milla versöhnlich. »Du bist sicher ein ganz netter Hund, aber ich hab gerade gar keine Zeit.« Sie blickte an ihrem Kleid hinunter. »Alles gut!« Das bisschen Staub war schnell weggewischt, aber unglücklicherweise glitt ihr dabei die Mappe mit den Bewerbungsunterlagen aus der Hand. »Er hat wohl Simon gerochen, meinen Kater«, geriet sie hilflos ins Stottern.

»Ist wirklich alles gut? Ich würde selbstverständlich die Reinigungskosten übernehmen«, sagte das Hundeherrchen verlegen. Sie waren schon gemeinsam in die Knie gegangen und klaubten die verteilten Blätter planlos vom Pflaster auf, wobei das freudige Schnüffeln des Hundes nicht gerade unterstützend wirkte.

»Oje, ich muss jetzt auch weiter«, sagte sie hektisch, verfing sich dabei allerdings in seinem Blick. Für einen Augenblick hielten beide den Atem an. Dann stand sie blitzschnell auf, und der Zauber war vorbei. »Tschüss dann!«

Ihm fiel nichts ein, um sie aufzuhalten. »Tschüss, aber vielleicht sieht man sich ja mal wieder … Kaffee oder ein Eis vielleicht«, rief er ihr leicht hilflos hinterher, bevor er zurück an den Tisch ging. Scooter nahm vor ihm Platz und wedelte dabei erwartungsvoll mit dem Schwanz.

Seine Haare sind genauso strubbelig wie sein Hund, und ganz so jung ist er dann wohl doch nicht, schoss es Milla beim Weiterlaufen durch den Kopf. Aber dieser Geruch, irgendwie tierisch, mehr noch als Hund. – Hallo! Gedanken bitte zum Vorstellungsgespräch! Was soll das jetzt?

Beim Gehen brachte sie noch einmal einigermaßen Ordnung in ihre sorgfältig vorbereitete Bewerbungsmappe, obwohl ein paar der Blätter etwas gelitten hatten.

Am liebsten hätte sie sich noch einmal umgedreht. Aber dazu war keine Zeit, bloß nicht! Da ging’s lang. Sie musste an den Job denken! Aber vielleicht sah man sich wirklich einmal wieder.

2

»Hübsche Rundungen, Robert.« Der Freund des jungen Mannes konnte sich ein provokantes Grinsen nicht verkneifen. Er war am Tisch sitzen geblieben und hatte die Szene amüsiert beobachtet.

Hoffentlich hat sie das nicht mehr gehört, ging es Robert durch den Kopf. Er sah Milla hinterher, während er die Röte in seinem Gesicht spürte.

»Du bist ein Idiot, Carlo«, wandte er sich genervt an seinen Begleiter.

»Wieso? Man muss dir doch endlich mal auf die Sprünge helfen.«

»Quatsch! Was weißt du schon. Du stehst doch eh nur auf solche Hungerhaken!« Er fühlte sich nicht wohl und wurde etwas lauter. Da war immer noch eine offene Wunde. »Lass es einfach, Carlo! Dieses Frauenthema nervt!« Wütend legte sich seine Stirn in Falten.

»Also echt, Robert! Wie lange ist Moni jetzt weg? Du solltest langsam wieder anfangen zu leben! Und überhaupt – hab ich das jetzt falsch verstanden, dass du sie wiedersehen willst?«, hakte Carlo unbeirrt weiter nach.

Robert sah sich verlegen um und antwortete nicht mehr. Hier in der Öffentlichkeit war die Diskussion für ihn beendet. Er kraulte das rechte Ohr des Hundes. Die weiteren Worte des Freundes hörte er nur noch wie durch Watte.

Moni? An Monika, die ihn wegen eines Jobs in London schon vor über einem Jahr verlassen hatte, wollte er nicht erinnert werden. Freunde hatten sie bleiben wollen, aber auch daraus war nichts geworden. Karrierefrau und Handwerker – das passte einfach nicht. Als sie damals ganz neu in die Kanzlei von Carlos Vater gekommen war, hatte er sich Knall auf Fall verliebt. Ihre Karriere schien ihr allerdings wichtiger gewesen zu sein als ihre Liebe. Diese dauernden Geschäftsessen mit irgendwelchen Mandanten hatten ihn sowieso genervt. Doch ob er schon bereit war für etwas Neues? Bisher hatte er vermieden, sich darüber Gedanken zu machen.

»Hallo?« Carlo runzelte die Stirn.

»Jaja, ich denk darüber nach.«

»Und? Wollen wir los? Es ist gleich Fütterungszeit! «, wechselte der Freund versöhnlich das Thema.

Mit dem Rad war es nicht allzu weit. Die beiden wohnten am Stadtrand, dort, wo die Grundstücke etwas größer waren und es schon fast etwas ländlich anmutete. Im Innenhof warf sich der Hund hechelnd ins Gras. Zwei Schweine, zwei Männer und ein Hund als Hinterhofwohngemeinschaft, das war auch in einer Kleinstadt wie Rosenau ein ungewöhnliches Idyll.

Die beiden waren schon seit der Schulzeit befreundet. Robert war nach dem Abi in der Nähe von zu Hause geblieben und hatte kurz nach Lehre und Meisterprüfung die Tischlerwerkstatt seines alten Meisters übernommen. Das Haus mit der alten Werkstatt und dem Innenhof zwischen zwei alten dreistöckigen Miethäusern mit kleinen Balkonen und Gärten bot nicht allzu viel Platz. Ein großer Maschinenpark wie in vielen professionellen Tischlereien war so auch nicht realisierbar gewesen. Robert hatte sich auf hochwertige, handgefertigte Echtholzfenster spezialisiert und übernahm ansonsten hauptsächlich Restaurationsaufträge. Damit hatte die Tischlerei Robert Severin am Markt eine nette Nische für den kleinen Betrieb eingenommen. Es passte irgendwie, besonders, weil er am liebsten alleine arbeitete, und wenn er doch mal Hilfe brauchte, gab es ja immer noch Carlo.

Das Leben seines Schulfreundes war am Anfang ganz anders verlaufen. Mit neunzehn war Carlo im Sommerurlaub in einer Pariser Boulangerie hängen geblieben. Madeleine hieß die hinreißend schöne Tochter von Bäckermeister Albert. Nach gut einem Jahr war es mit der jungen Liebe jedoch vorbei. Aus Carlo war in der kurzen Zeit bereits ein recht guter Bäcker geworden, wenn auch ohne Befähigungsnachweis. Backen war seine Leidenschaft.

Zurück in Deutschland hatte er dann nach einer verkürzten Lehrzeit den Gesellenbrief in der Tasche. Mit Paris im Lebenslauf konnte man immer punkten im Bäckerhandwerk – und bei den Frauen. Übers Rezepteaustüfteln mit Kollegen gelangte er irgendwann in den Bereich Lebensmittelchemie. Jetzt war er schon einige Jahre bei Winfood, einem großen Lebensmittelkonzern, in der Produktentwicklung beschäftigt.

»Mit dem wahren Leben hat das nicht mehr viel zu tun«, beschwerte er sich oft bei seinen Freunden, »aber was macht man nicht alles für Geld!« Außerdem wusste er die angenehmen Arbeitszeiten zu schätzen. »Ausschlafen und langes Wochenende sind auch nicht übel!«, rief er sich manchmal selbst in Erinnerung. Und mit Robert zusammenzuwohnen, das war genau der richtige Ausgleich zum geregelten Alltagstrott.

Sie hatten die große Wohnküche und das Badezimmer im Untergeschoss vor der Werkstatt gemeinsam renoviert.

Oben hatte sich dann jeder ein Schlafzimmer und ein Gästezimmer allein eingerichtet. In den restlichen teilweise sehr kleinen Kammern bewahrte Robert Holzvorräte und Werkzeug auf, und draußen unter einem Schauer gab es noch ein größeres Holzlager.

Es war urig, aber die beiden fühlten sich nicht beengt. Es war ein bisschen, wie niemals erwachsen werden. Das konnte man zumindest denken, wenn man die Freunde so sah.

»Du Morris, ich Jimbo«, verteilte Carlo nach der Fütterung die Krauleinheiten für die beiden Schweine, die im Hof eine nette Hütte hatten. Frei rumlaufen konnten sie beinahe auf der gesamten Rasenfläche, denn zum Schutz gab es eine sichere Einzäunung. Vor gut fünf Jahren hatte Robert den kleinen Jimbo zum dreißigsten Geburtstag von ein paar Freunden bekommen. »Du kannst ihn dickfüttern, dann gibt’s lecker Spanferkel.« So hatten sich die Kumpels die Zukunft von Jimbo vorgestellt. Doch Robert war er nur allzu schnell ans Herz gewachsen, und so holte er wenig später Morris dazu, einen Bruder von Jimbo. Die beiden waren männliche, kastrierte und nicht ganz reinrassige Bentheimer Schweine. Sie waren beide weiß, mit schwarzen Flecken, sahen aber völlig unterschiedlich aus. Normalerweise hatten alle Schweine dieser Rasse Schlappohren, die teilweise sogar die Augen verdeckten. Umso auffälliger war der inzwischen wirklich große Morris, dessen linkes Ohr keck nach oben stand. Damit machte er immer einen besonders aufmerksamen Eindruck.

Gleich nach dem Füttern war es immer ruhig im Gehege. Verdauungskoma! Die beiden Schweine lagen ausgestreckt im Gras. Von richtigem Gras konnte allerdings nicht mehr die Rede sein. Schweine wühlten eben nach Herzenslust alles um. Jetzt grunzten sie ihre beiden menschlichen Freunde genussvoll an. Scooter legte sich außerhalb des Gatters auf den Boden, wo noch ein wenig Rasen wuchs. Er ließ sich genauso gerne kraulen wie die beiden anderen Vierbeiner.

»Vielleicht wär ich auch gern ein Schwein«, murmelte Robert entspannt vor sich hin.

Ja, er liebte die Tiere wirklich, womöglich sogar mehr als je eine Frau, kam es Carlo manchmal in den Sinn. »Schweine sind wenigstens ehrlich«, äußerte auch er sich nachdenklich. Mittlerweile zweifelte Carlo etwas an der Liebe seiner Freundin Claudia, die auch bei Winfood angestellt war. Assistentin der Geschäftsleitung war ein gut bezahlter Job, und so plante sie bereits ihr zukünftiges Zusammenleben in allen Details. Dass er immer noch bei Robert wohnte, passte ihr gar nicht.

»Oh wie süß!« So und ähnlich klangen ihre anfänglichen Kommentare zur Anwesenheit der Schweine.

Das hatte sich leider schnell gewandelt. »Und vergiss nicht, vorher zu duschen!«, bekam er jetzt meistens zu hören, wenn sie sich in Claudias kleiner Wohnung trafen oder in einem ihrer trendigen Lokale verabredet hatten. In der Männer-WG war sie schon lange nicht mehr aufgetaucht. Scooters Hundehaare waren auch ein Grund dafür.

Aber seinen Vollbart, den sie am Anfang so männlich fand, ließ er sich von ihr – neben einigen anderen männliche Eigenheiten – nicht ausreden. Blöde Witze und übertriebenes Machogehabe, er provozierte sie nur zu gern. Gelegentlich war es ein richtiger Kampf. Unermüdlich versuchte sie, ihm ihren Lifestyle-Stempel aufzudrücken. Eine nette Eigentumswohnung in Büronähe war im Moment ihr wichtigster Plan für die gemeinsame Zukunft. Einmal hatte sie ihn schon zu einem Besichtigungstermin gelockt. Sie war geradezu hingerissen gewesen von dem sterilen Loft. »Och, schau doch nur, wie süß, der kleine Balkon. Stell dir vor – wir am Sonntag hier beim Frühstück!«

Für Carlo ging diese Art von Yuppie-Wohnung gar nicht. Zum Glück konnte er sich bei der Preisdebatte mit dem Makler aus der Situation retten. Claudia hatte seitdem immer wieder versucht, ihn mit dieser Sache zu konfrontieren. Er wechselte in solchen Situationen meistens schnell und konsequent das Thema. Überhaupt war er nicht sicher, ob sie tatsächlich zusammenpassten. Bevor man eine gemeinsame Wohnung kaufte, sollte man vielleicht eine Zeit lang zusammengewohnt haben.

Carlo nahm sich vor, das Thema am Abend direkt auf den Punkt zu bringen. Wenn er es von sich aus anschnitt, dachte er zuversichtlich, hatte er einen strategischen Vorteil.

»Aua!« Morris hatte begonnen, an Carlos Daumen zu knabbern, als die Streicheleinheiten ausblieben. Es blutete ein wenig, und der aufgeschreckte Scooter war sofort zu Stelle.

»Ja. Ehrlich, aber brutal!« Robert hatte gut lachen.

Bei Schweinen sollte man nicht träumen. So ein Biss konnte richtig übel ausgehen, auch wenn Jimbo und Morris sonst lieb waren.

»Ich war wohl nicht bei der Sache«, stellte Carlo fest.

»Claudia? Hab ich recht?« Robert wusste, dass sein Freund nicht zufrieden war mit seiner momentanen Situation. Eine Frau um jeden Preis – das war für ihn total suspekt. »Red halt mit ihr«, schlug er vor. Die Situation nervte schon lange, auch ihn.

»Hab ich mir auch grad überlegt.«

3

Ein Latte Noci im Café war genau das Richtige nach diesem Vorstellungsgespräch. Trotz Sparplan musste sie sich jetzt etwas gönnen. Emi war zwar großzügig, aber Milla konnte das nicht immer annehmen.

»Geht aufs Haus, Süße!« Emilia sah ihrer Freundin an, dass der Termin wohl nicht allzu positiv gelaufen war. »Io credo che, ich glaube, du hast eine kleine Aufmunterung dringend nötig. Und was denkst du so?«

»Danke, Kleines. Ach ich weiß nicht recht.« Milla war mit ihren eins achtundsiebzig fast zwanzig Zentimeter größer als die quirlige Halbitalienerin. »Du bist auf jeden Fall eine echte Freundin. Der alte Manske fand meinen Aufzug etwas zu bieder, wie er sich ausdrückte.« Guido Manske war der Chef der Werbeagentur Seriodesign, aber so alt war er nun auch nicht. »Findest du, dass ich bieder wirke? Und das große Büro …, dieses ganze Gewusel bin ich nicht mehr gewohnt. Alles richtig stylisch und im Eingangsbereich so eine riesige, wahnsinnig edel aussehende Orchidee, kein Staubkörnchen auf den glänzend schwarzen Fliesen. Keiner hatte richtig Zeit, was zu erklären. Und überhaupt … er sucht jemanden als Empfangsdame! In der Stellenanzeige stand aber was von anspruchsvoller Multitasking-Aufgabe.«

»No, no, Süße. Da würdest du dich glatt unter Wert verkaufen!«, versuchte Emilia ihre Freundin zu trösten. Sie wusste schließlich, wie viel Zeit und Energie Milla in ihre Ausbildung zur Grafikdesignerin investiert hatte. Ihre Zeugnisse konnten sich sehen lassen.

»Außerdem stimmt es nicht, dass du heute bieder aussiehst! Der Typ da in der Ecke findet das, glaube ich, auch nicht. Er schaut schon die ganze Zeit zu dir herüber.«

»Kein Interesse! Eleganter Schnösel!« Ihr Blick sagte den Rest. So leicht würde es nicht werden, mich heute wieder aufzubauen, dachte Milla mit einem Seufzer. »Na ja, ich bekomme schriftlich Bescheid, aber viel Hoffnung mache ich mir wirklich nicht«, sagte sie leise.

Emi wechselte gekonnt das Thema: »Hier, den Karton hat mir vorhin eine Kundin vorbeigebracht.« Sie reichte Milla eine Kiste mit Büchern. Das Café hieß Emilias Büchercafé, und bis zum Tod ihrer geliebten Freundin und Ersatzmutter Aurelia war es eine Antiquariatsbuchhandlung gewesen. Vor gut zwei Jahren war auch Emilia ohne Job gewesen. Die alten Bücher in den damals irgendwie finsteren Räumen waren ihr aber nicht genug. Für eine neue Gestaltung hatte sie ihrer Fantasie freien Lauf gelassen. Ein Café sollte es werden, und Emilia absolvierte ehrgeizig eine Ausbildung zur Barista. Sie wollte es zwar nicht so machen wie die großen Kaffeehaus-Ketten, aber die nicht ganz billigen Seminarwochenenden hatten ihr auf jeden Fall etwas Know-how und Selbstbewusstsein für dieses Geschäft eingebracht. »Allein auf meine italienischen Wurzeln kann ich mich nicht verlassen, no, nicht wahr?«, hatte sie gesagt. Ein möglichst professioneller Start war ihr wichtig gewesen.

Emilia war in Deutschland geboren. Ihr Vater war Deutscher und damit für die Familie ihrer italienischen Mutter absolut inakzeptabel gewesen. So hatte Emilia dann auch zum ersten Mal – gezwungener Maßen – nach dem tragischen Unfalltod ihrer geliebten Eltern italienischen Boden betreten. Sie war damals fünfzehn Jahre alt und kannte nur wenige italienische Wörter. Die deutschen Behörden waren froh gewesen, überhaupt Verwandtschaft von ihr ausfindig machen zu können. Ihr Vater war leider ein Einzelkind gewesen und seine Eltern zu dem Zeitpunkt schon lange verstorben. So war dann auch die Familie ihrer Mutter, besonders für das Jugendamt, die einzig akzeptable Lösung gewesen.

Bei Onkel und Tante, Oma und den zahlreichen Cousinen und Cousins wurde Emilia in Italien zwar respektvoll, aber sehr distanziert behandelt. Sie schaffte es, für sich klarzukommen, und als sie endlich achtzehn war, kehrte sie ohne viel Geld nach Deutschland zurück. Zum Glück hatte sie auch die deutsche Staatsangehörigkeit behalten dürfen. In Italien war sie im Ristorante der Familie für das Abspülen zuständig gewesen. Jeder musste da irgendwie mithelfen.

Das Ristorante war vielleicht letztlich der Ursprung für Emis Liebe zu ihrem Café.

Gleich in der zweiten Woche in Deutschland hatte sie großes Glück und traf Aurelia, die eine Freundin ihrer Mutter gewesen war. Aurelia besorgte ihr dann den Ausbildungsplatz in einem kleinen Friseursalon. Sie fühlte sich da recht wohl, vor allem fühlte sie sich bei Aurelia wohl. Endlich hatte sie wieder ein Zuhause. Auch mit der deutschen Sprache fühlte es sich gut an, obwohl bis heute noch einzelne Ausdrücke der temperamentvollen Sprache ihrer Mutter in ihrem Kopf herumgeisterten. Die Worte zu benutzen, war ein zauberhafter Spleen von ihr geworden.

Allerdings war ihr eigentliches Zuhause zu dem Zeitpunkt eine winzige Ein-Zimmer-Wohnung in einem riesigen Wohnblock; absolut anonym. Aber es waren nur ein paar Wochen gewesen, bis Aurelia bei ihrem ersten Besuch eine Einladung zum gemeinsamen Wohnen aussprach. Die gemietete Wohnung, die Emi heute noch bewohnte, lag nur drei Parallelstraßen vom Antiquariat entfernt, für zwei Personen etwas eng, aber sie hatten es geschafft, sich zu arrangieren. In Italien hatte man ihr wesentlich weniger Platz zugestanden.

Nach ihrer Ausbildung zur Friseurin wurde der kleine Laden von einer großen Friseurkette übernommen. Im neuen Salon war zwar alles stylisch, Emi musste nicht mehr irgendwelchen Omis die Dauerwellen legen, aber hier herrschte Konkurrenzdruck. Im ständigen Wettbewerb um einflussreiche Stammkundinnen und dicke Trinkgelder löste sich das gute Gefühl vom Anfang immer mehr auf. Sie blieb trotzdem fast drei Jahre, auch aus Bequemlichkeit. Als dann bei einer Umstrukturierung Entlassungen anstanden, war sie nicht sehr traurig, auch betroffen zu sein.

Bei ihrem Arbeitgeber ließ sie ihre modischen Frisuren zurück, die auch farblich vielen Trends gefolgt waren. »Oh je, deine schönen Haare!«, hatte sie nicht selten von Aurelia zu hören bekommen. Modische Frisuren waren nichts für die Antiquarin. Sie hatte Emilias dunkelbraune Locken geliebt, mit denen sie aus Italien gekommen war und die sie schon von Emis Mutter kannte. Jetzt war sie wieder eine süße kleine Italienerin. Ihre widerspenstigen, nicht ganz schwarzen Locken fielen bis über die Schultern.

Neuanfang und Jobsuche gestalteten sich leider weitaus schwieriger als vermutet. Auch die anderen Salons schienen gerade ihren Personalstamm zusammenzustreichen. Emi wollte Aurelia natürlich nicht zur Last fallen, nahm einen Aushilfsjob in einem Kiosk an und unterstützte Aurelia bei der Arbeit im Antiquariat.

Nicht lange nach Emilias Entlassung starb Aurelia allerdings an einem Hirntumor. Es ging alles viel zu schnell.

Als einzige Stütze in der schweren Zeit war nur Freundin Milla an Emis Seite. Die beiden hatten sich im Salon kennengelernt, als Milla gerade neu in der Stadt war und sich aus Frust eine neue Frisur gönnte.

Sie hatte Emi so einiges erzählt von dem Chauvi Rainer, während sie ihren dezenten, brünetten Bob gegen einen auffälligen, blonden Kurzhaarschnitt eintauschte. Milla hatte einen spannenden Job als Grafikdesignerin gehabt, und als ihr Chef den Laden aufgab, war sie plötzlich ohne Job gewesen. Eine leichte Beute für ihren Freund Rainer, der dann ganz plötzlich viel mehr arbeiten musste, weil er ja zu Hause so einen wunderbaren Babysitter für seinen Sohn Robin hatte. So war Milla auf ihrer Flucht aus der Kleinstadt südlich von Stuttgart zufällig auf Emis Friseurstuhl gelandet.

Die Haare waren längst wieder lang, doch die beiden waren seitdem beste Freundinnen.

Emilia, die am liebsten Emi genannt wurde, nutzte ihre Chance und setzte alles auf ihre Geschäftsidee, die für den geerbten Laden bestens geeignet war. Aurelia hatte ihr auch etwas Geld hinterlassen; einen dicken Briefumschlag, von dem keiner etwas wusste und den sie so vor der Erbschaftssteuer bewahrte.

Der Laden und die Wohnung waren gemietet gewesen und die Einrichtungen alt, sodass die Überschreibung mit Aurelias handschriftlichem Testament und dem Wohlwollen aller Beteiligten keine größeren Schwierigkeiten mit sich gebracht hatte.

Nach einem halben Jahr nahm das Projekt Büchercafé langsam Form an. Auch die schnell aufkommende Begeisterung im Viertel gab Emi recht. Ihre Gäste liebten sie, die vielen Bücher und die frisch zubereiteten Spezialitäten. Sie hatte auch schon viele Stammkunden und Bücher konnten im Laden gelesen und auch für zu Hause ausgeliehen werden. Am Anfang hatte sie noch über ein kompliziertes Ausleihsystem mit Gebühren nachgedacht. Aber das hatte sie, wohl zum Glück, zeitlich nicht umsetzen können. Gelesene Leihexemplare fanden nahezu immer den Weg zurück ins Café. Im Nu waren sogar viele der alten Bücher gegen neuere, oft ladenfrische Exemplare ausgetauscht worden, die die Kunden ihr mitbrachten. Die Alten verschenkte sie dann einfach.

Dieser tollen Resonanz hatte sie auch die heutige Bücherkiste zu verdanken.

Millas Blick fiel noch einmal auf den Mann im Anzug, verriet aber weiter Desinteresse. In der gleichen Stimmung nahm sie den Karton mit den Büchern entgegen. »Alles ziemlich aktuelle Titel. Da hat es aber einer gut mit dir gemeint!«, stellte sie fest. Sie begann, die Kiste durchzustöbern. Vier Schlechtwetter-Sofa-Romane und auch mehrere Krimis namhafter Autoren aus dem skandinavischen Raum konnte sie gleich ausmachen. Es waren einige Exemplare dabei, die ihr nichts sagten, doch ein Titel sprach sie gleich besonders an.

Mit einem breiten Grinsen schnappte sie sich das Buch aus der Kiste! »Scooter Robinson!«, kam der Name des Autors ein wenig zu laut aus ihrem Munde. Ein paar andere Gäste drehten sich verwundert um, und auch Emilia blickte leicht irritiert in ihre Richtung. Das bemerkte Milla jedoch nicht, denn mit einem Schmunzeln erinnerte sie sich an den Zusammenstoß von vorhin. Gedankenverloren blättert sie die Seiten durch. Ihre Hände spürten noch einmal das weiche Fell des Hundes.

»Das muss ja wirklich ein tolles Buch sein.« Emilia war überrascht von der seltsamen Reaktion der Freundin, als sie mit einem Latte-Glas an den Tisch kam.

»Living Words«, las Milla ganz leise den Titel des Buches. »Vielleicht hast du recht. Ich kann ja mal reinschnuppern. Zeit hab ich immerhin genug!« Da war ein leichter Anflug von Zynismus, der in letzter Zeit immer häufiger bei ihr zutage trat.

Emilia nickte. »Lass ihn dir schmecken, bevor er kalt wird, pensaci, denk dran!« Sie wies auf den Becher, bevor sie sich wieder den anderen Gästen zuwandte.

Der nussige Noci-Sirup, der zur Lieblings-Geschmacksrichtung ihrer Stammkunden geworden war, gehörte zu Emis besonderen Kreationen. Nicht zu süß, ganz leicht bitter und etwas orientalisch war die Noci-Latte inzwischen geradezu ein Kultgetränk in der Gegend. Erst hatte sie sich noch gegen Coffee to go gesträubt, aber es wäre wohl verrückt gewesen, auf das Geschäft mit den vielen gestressten Büroangestellten der Umgebung zu verzichten. Die Kettenläden der Konkurrenz schienen ihre Existenz zwar im Moment noch weitgehend zu ignorieren. Das würde aber nicht immer so bleiben.

Emilia war wieder an Millas Tisch getreten. Die schmökerte immer noch in dem kleinen Buch und grinste dabei.

»Jetzt hast du doch den Kaffee kalt werden lassen, du alte Frevlerin.«

Milla nahm schnell einen Schluck, als ihr die lauwarme Tasse auch schon aus der Hand gerissen würde. »Prego Signorina! Für so gut gelaunte Kunden machen wir heute mal eine Ausnahme.« Zwei Minuten später stand ein neues, dampfendes Getränk auf dem Tisch.

Nun setzte sich Emilia kurz zu ihr. Im Café war es etwas ruhiger geworden, und vor dem nächsten Gast musste sie einfach erfahren, was Millas Stimmung so verändert hatte.

»Ich glaube, das Buch gefällt mir«, erklärte ihr die Freundin. »Nette Geschichten und ein paar echt coole Sprüche.« Sie hielt es Emi unter die Nase. »Scooter ist zufällig auch der Name von einem Hund, der mich vorhin angesprungen hat.«

»Und ich dachte immer, du bist eine Katzenfrau«, stellte Emi leicht irritiert fest.

»Vielleicht sollte ich mir wirklich einen Hund anschaffen«, träumte Milla vor sich hin. »Zeit hab ich ja!«

»Smettila, hör auf damit! Bald wohl nicht mehr. Dann hast du den neuen Job.«

»Ach was, man sollte sich nicht zu viel Hoffnung machen. Dann wird man wenigstens nicht enttäuscht.«

»Wieder einer deiner weisen Sprüche?« Millas Stimmungsschwankungen nervten sie. Zum Glück konnte sie sich um einen neuen Gast kümmern, der soeben den Laden betreten hatte. Ein ganz neuer Gast, stellte sie erfreut fest.

»Richtig kuschelig hier!« Der ältere Mann im eleganten Anzug geriet ins Schwärmen. Für die nette Atmosphäre im Café hatte Emilia schon viele Komplimente bekommen, aber sie wurde immer noch verlegen. Sicher, der Gastraum war nicht groß. Mit nur siebzig mal siebzig Zentimetern hatte sie dann auch bei der Wahl der Tische etwas Platz gespart, aber es gab keine Zwergenstühle wie in vielen anderen Cafés. Auf diesen Stühlen hier, alles in nicht zu dunkel gebeiztem Echtholz, konnte man auch durchaus länger bequem sitzen. An den Wänden hingen ein paar Bilder, die Milla extra für sie in der Stadt aufgenommen hatte. Durch die helle Wandfarbe kamen die ungewöhnlichen Perspektiven besonders gut zur Geltung. Emi hatte zwei von Aurelias alten Regalen aufarbeiten lassen. In Kürze sollte noch ein drittes neben der Tür zur Toilette aufgestellt werden. An den Regalen gab es noch die Ablagen aus dem alten Antiquariat, wo besondere Bücher vorgestellt wurden und hier hing auch immer eine Rezession dazu. Es waren Bücher, die Emi als besonders lesenswert eingestuft und auch selber gelesen hatte. Die Kunden freuten sich darüber. Schlechte Bewertungen mochte Emi nicht schreiben. Solche Bücher verschwanden dann in der Masse der anderen oder gar in einer Bücherkiste, wenn kein Platz mehr war. Für noch mehr Regale war allerdings auch kein Platz.

Ansonsten gab es auf den Tischen täglich ein einzelnes frisches Blümchen und natürlich den Duft von Kaffee und frischen Backwaren. Wenn Emi Glück hatte, würde sie demnächst auch ein paar Außenplätze anbieten können. Der Antrag war schon gestellt.

Dann könnte sie auch öfter mit ihrem Nachbarn scherzen, wenn sie draußen bediente. Luis, der nette, wohl aus Albanien stammende Gemüsehändler, war zwar in festen Händen und für Emi viel zu alt, aber er war immer bester Laune. Und die konnte sie genauso gut gebrauchen wie das frische Obst und die netten Blumen, die er ihr vom Großmarkt mitbrachte.

Milla bekam nur am Rande mit, dass die Freundin erneut verschwand. Viel zu sehr war sie versunken in den Gedanken an diesen strubbeligen Hund. Ihre Hand wischte nicht existierenden Staub vom Kleid, und im Kopf tauchte über dem Hund der nette junge Mann auf. Sie sollte gelegentlich die Straße entlanggehen. Irgendwas von vielleicht sieht man sich mal wieder hatte sie noch im Hinterkopf, ja, und Eis und Kaffee.

An seinem Tisch hatte noch dieser andere Mann gesessen; nicht ihr Typ, aber womöglich war ja der Hundebesitzer ein netter Single-Mann für sie?

Schluss mit der Träumerei! Sie hatte sich vorgenommen bei Rose vorbeizuschauen, wenn sie zurückkam. Der älteren Dame aus ihrem Haus ging sie manchmal etwas zur Hand. Danach würde sie sicher müde sein, und es stand ein bisschen Fernsehen und Sofa auf dem Programm.

Vor der geplanten Reinigungs- und Aufräumaktion musste sie noch das ungewohnt elegante Kleid loswerden. Und dann war da ja noch der Kater.

»Wir sehen uns morgen, Emi.«

»Ciao Bella!«

4

Carlo war noch schnell unter die Dusche gesprungen, um gute Karten bei Claudia zu haben.

»Stimmt’s, Scooter? Wenn man bei den Frauen was erreichen will … Ach was!« Der Hund beobachtete seinen großen Freund genau, als der sich noch einmal mit der Hand durch die nassen Haare fuhr. Leider durfte er nicht mit.

Als Claudia heute Mittag den Vorschlag gemacht hatte, sich auf ein Sushi beim Japaner am Bahnhof zu treffen, hatte Carlo nichts dagegen einzuwenden gehabt. Nach dem langen Arbeitstag war das keine schlechte Idee, auch wenn er für Sushi nicht viel übrig hatte. Einen Vorteil hatte die Lokalität jedenfalls: Man konnte sich ungestört unterhalten, und das stand für diesen Abend auf Carlos Plan.

Die Begrüßung fiel etwas frostig aus. Küsschen rechts, Küsschen links und dann wieder auf Abstand bis zum Tisch, an dem sie Platz nahmen.

»Die Wohnung«, fiel er dann auch sofort mit der Tür ins Haus. »Was hältst du davon, wenn wir erst mal eine mieten?« Er merkte schon, während er es aussprach, dass sein Tempo undiplomatisch herüber kam.

»Das wollten wir doch schon am Anfang.« Claudias Einwand klang leicht genervt, die krause Stirn verstärkte den Eindruck. Langsam fuhr sie sich mit einer Hand durch die langen Haare. Die Waffen einer Frau.

Carlo kannte Claudias Waffen nur zu genau. »Am Anfang war es zu früh, zu schnell. Jetzt wäre es gut durchdacht.« Sein Blick war offen und neutral.

»Wir leben doch beide schon lange genug in Mietwohnungen. Jetzt haben wir genug Geld und können uns endlich was Eigenes leisten. Und du weißt doch, Papa würde …«

»Hör bloß mit deinem Vater auf!«, fiel Carlo ihr ins Wort. »Ich hasse es, anderen etwas schuldig zu sein! Das weißt du genau!«

Der Verwaltungsbeamte Friedrich Mertens hatte einiges auf die Seite gelegt, auch für Töchterchen Claudia. Davon wollte Carlo schon aus Prinzip nichts wissen. Vielleicht war es auch die Erinnerung an sein eigenes Elternhaus, wo Zuwendung immer nur in materieller Hinsicht ein Thema gewesen war.

»Natürlich schaffen wir das auch allein! Dann dauert es eben ein bisschen länger. Und der Urlaub, naja …« Mit einer flüchtigen Handbewegung schien Claudia bestimmte Gedanken aus ihrem Kopf verscheuchen zu wollen. Auffordernd lächelte sie ihn an.

Carlo konnte ihr leider sehr charmantes Lächeln nur erwidern. Er war aber trotzdem nicht bereit, einfach klein beizugeben. Bei Robert hatte er sich nie wie in einer gemieteten Wohnung gefühlt, obwohl er Miete bezahlte, aber das ließ er jetzt außen vor. »Wir haben noch nicht mal zusammengewohnt. Da wäre das ein viel zu großes Risiko«, stellte er seine Bedenken in den Raum.

»No risk, no fun!« So schnell ließ sie nicht locker.

»Okay. Ich mache dir jetzt einen Vorschlag. Wir schauen uns in der nächsten Woche ein paar nette Mietwohnungen an. Dann sehen wir weiter.« Als er das aussprach, war sein Lächeln verschwunden, und Claudia wusste, dass sie ihn ernst zu nehmen hatte. »Mehr geht im Moment nicht. Verstehst du?«

Sie schien zu grübeln, während sie mit einer Haarsträhne spielte. Carlo wollte auch keine schnelle Antwort, er wollte ihr Zeit zur Einsicht geben. Schließlich hielt er sie durchaus für eine intelligente Frau »Lass uns jetzt gemütlich essen. Denk zu Hause in Ruhe darüber nach, dann sprechen wir zum Ende der Woche.«

Der Wein stand schon auf dem Tisch. Sie bestellten nur eine Kleinigkeit zum Essen. Es war offensichtlich, wie unwohl sich beide fühlten. Dass die Weinflasche halb voll zurückblieb, war ihnen bisher noch nicht passiert. Auch der Abschiedskuss war nur flüchtig.