Warum tust du das, Tina? - Toni Waidacher - E-Book

Warum tust du das, Tina? E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Bernhard Hilburger und sein Freund Matthias Schaffer schauten von der Aussichtsplattform des Passes, über den man fahren musste, wollte man von Norden aus das Wachnertal besuchen, in das weitläufige Tal hinunter, und die Begeisterung über das, was sich ihren Blicken bot, spiegelte sich in ihren Gesichtern wider. Man sah von hier oben die drei Gemeinden, die durch schmale Landstraßen miteinander verbunden waren. Rundherum wurde das Tal von bewaldeten Hügeln begrenzt, dahinter erhob sich das Hochgebirge mit einer ganzen Reihe von Zweitausendern. Die Berggipfel gleißten im Sonnenschein, in den Schattenfeldern lag noch der Schnee vom vergangenen Winter. Die Farbe Grün überwog im Wachnertal. Wälder, Wiesen, Kartoffel- und Rübenäcker sowie die Maisfelder wiesen die unterschiedlichsten Grüntöne auf. Da waren aber auch die großen, ockerfarbenen Flächen der Felder mit den verschiedenen Getreidesorten, die in nächster Zeit wohl schon abgeerntet werden würden. Außerhalb der Ortschaften waren inmitten der Äcker die Aussiedlerhöfe zu sehen. Das graugrüne Band der Kachlach, die sich von weit oben als Wildbach einen Weg ins Tal bahnte und schließlich in den Achsteinsee mündete, der sich von den übrigen Farben wie ein riesiger, flüssig gewordener Smaragd abhob, schlängelte sich in zahlreichen Windungen durch das Tal. Alles in allem ein idyllisches Bild voll ursprünglicher Unberührtheit und Natürlichkeit sowie beschaulicher, entspannter Ruhe. Matthias holte tief Atem. »Sehr schön«, murmelte er. »Ich möchte fast sagen, herrlich.« »Ja«, pflichtete ihm sein Freund Bernhard bei, »in der Tat. Ich finde nur einen Ausdruck, der treffend genug ist, um diese Gegend zu beschreiben: Paradiesisch! – Es war eine gute Idee, die zwei Wochen Urlaub im Wachnertal zu buchen. Das ist vollkommen nach meinem Geschmack.« Der Siebenundzwanzigjährige, großgewachsene, schlanke Bursche mit dem männlich-markanten Gesicht und den blonden Haaren, schaute noch einmal umfassend in die Runde.

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Der Bergpfarrer – 491 –

Warum tust du das, Tina?

Ein Engel spielt mit Männerherzen …

Toni Waidacher

Bernhard Hilburger und sein Freund Matthias Schaffer schauten von der Aussichtsplattform des Passes, über den man fahren musste, wollte man von Norden aus das Wachnertal besuchen, in das weitläufige Tal hinunter, und die Begeisterung über das, was sich ihren Blicken bot, spiegelte sich in ihren Gesichtern wider.

Man sah von hier oben die drei Gemeinden, die durch schmale Landstraßen miteinander verbunden waren. Rundherum wurde das Tal von bewaldeten Hügeln begrenzt, dahinter erhob sich das Hochgebirge mit einer ganzen Reihe von Zweitausendern. Die Berggipfel gleißten im Sonnenschein, in den Schattenfeldern lag noch der Schnee vom vergangenen Winter.

Die Farbe Grün überwog im Wachnertal. Wälder, Wiesen, Kartoffel- und Rübenäcker sowie die Maisfelder wiesen die unterschiedlichsten Grüntöne auf. Da waren aber auch die großen, ockerfarbenen Flächen der Felder mit den verschiedenen Getreidesorten, die in nächster Zeit wohl schon abgeerntet werden würden.

Außerhalb der Ortschaften waren inmitten der Äcker die Aussiedlerhöfe zu sehen.

Das graugrüne Band der Kachlach, die sich von weit oben als Wildbach einen Weg ins Tal bahnte und schließlich in den Achsteinsee mündete, der sich von den übrigen Farben wie ein riesiger, flüssig gewordener Smaragd abhob, schlängelte sich in zahlreichen Windungen durch das Tal.

Alles in allem ein idyllisches Bild voll ursprünglicher Unberührtheit und Natürlichkeit sowie beschaulicher, entspannter Ruhe.

Matthias holte tief Atem. »Sehr schön«, murmelte er. »Ich möchte fast sagen, herrlich.«

»Ja«, pflichtete ihm sein Freund Bernhard bei, »in der Tat. Ich finde nur einen Ausdruck, der treffend genug ist, um diese Gegend zu beschreiben: Paradiesisch! – Es war eine gute Idee, die zwei Wochen Urlaub im Wachnertal zu buchen. Das ist vollkommen nach meinem Geschmack.« Der Siebenundzwanzigjährige, großgewachsene, schlanke Bursche mit dem männlich-markanten Gesicht und den blonden Haaren, schaute noch einmal umfassend in die Runde. »Ich bin gespannt, ob die sogenannte ›Kleine Wand‹ auch hält, was der Reiseführer und die Hinweise im Internet versprechen. Wenn ich ehrlich bin, dann bin ich schon ganz heiß auf die Klettertour.«

»Ich auch«, erwiderte Matthias. Er war ein Jahr älter als Bernhard und ebenso groß und schlank und gut aussehend. Seine Haare waren jedoch brünett, und die braunen Augen blickten ernster als die des Freundes. »Zunächst aber wollen wir zum Hotel fahren, dort einchecken und uns ein wenig umsehen. Danach begutachten wir die ›Kleine Wand‹. Es soll unterschiedlich schwierige Aufstiege geben. Wir werden uns den, den wir uns zutrauen, herauspicken.«

»Ich traue mir jeden Aufstieg zu!«, rief Bernhard, und seine blauen Augen blitzten draufgängerisch. »Was haben wir schon für Steilwände bezwungen! Erinnerst du dich an die Klettertour in Arco, gleich nach dem Rock Master-Festival vor drei Jahren? Diese Wand war eine einzige Herausforderung.«

»Sicher erinnere ich mich«, versetzte Matthias. »Nun, wir werden es sehen, wie sich uns die ›Kleine Wand‹ präsentiert. Und wenn wir der Meinung sind, sie bezwingen zu können, dann nehmen wir sie in Angriff. Wenn sie uns zu gefährlich erscheint, suchen wir uns einfach eine andere Wand, die wir bewältigen können. Unter Umständen tut es auch ein Kletterpfad. Wir wollen ja keine Rekorde brechen. Wir klettern, weil wir Spaß und ein bisschen Nervenkitzel haben wollen. Da waren wir doch immer einer Meinung.«

»Ja, ja, Papa, du hast wie immer recht«, kam es scherzhaft, aber mit spöttisch angehauchtem Unterton von Bernhard. »Man merkt, dass du ein Jahr älter und daher viel besonnener bist als ich.«

Matthias schoss dem Freund einen schrägen Blick zu. »Auch Spötter müssen sterben, Bernd«, knurrte er, doch er war Bernhard nicht böse. Beide verfügten sie über ausreichend Humor, um kleine Seitenhiebe nicht persönlich zu nehmen.

»Irgendein Unterschied muss ja sein«, ging Matthias auf den flapsigen Ton ein. Dann wurde er wieder ernst: »Was meinst du? Von oben haben wir uns das Wachnertal jetzt lange genug angeschaut. Fahren wir hinunter, um es aus der Nähe zu betrachten?«

»Okay«, stimmte Bernhard zu. »Von hier oben sieht alles so unberührt, so jungfräulich aus. Natur pur. Außer dem See gibt es anscheinend nichts, was man als Touristenattraktion bezeichnen könnte. Ich glaube, hier ist die Welt noch in Ordnung.«

»Wir werden es bald genau wissen«, sagte Matthias und wandte sich ab.

Bernhards Blick huschte noch einmal über die Umgebung, dann folgte er seinem Freund zu seinem Auto, einem roten Audi 80 Cabrio, der schon einige Jahre auf dem Buckel hatte. Bernhard hegte und pflegte dieses Vehikel und tönte immer: »Den Audi und mich muss schon der TÜV scheiden. Freiwillig gebe ich ihn auf keinen Fall her. Er hat mich noch kein einziges Mal im Stich gelassen.«

Bernhard klemmte sich hinter das Steuer, Matthias nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Sie gurteten sich an. Bernhard griff nach dem Zündschlüssel und drehte ihn herum, worauf der Motor zu orgeln begann, aber nicht ansprang.

Die beiden Freunde wechselten betroffene Blicke. »Was hat er denn auf einmal?«, stieß Bernhard geradezu fassungslos hervor.

Er ließ den Zündschlüssel los und das Orgeln endete.

»Vielleicht ist er abgesoffen«, stellte Matthias eine Vermutung an.

»Wie könnte er absaufen?«, versetzte Bernhard. »Wir sind mehrere hundert Kilometer gefahren, und als wir hier angehalten haben, habe ich den Motor sofort abgestellt.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, abgesoffen kann er nicht sein. Es kann allenfalls an der Batterie liegen, denn wenn ich den Zündschlüssel umdrehe, zieht sie nur ganz schwach durch.«

»Ich denke, sie lädt sich während des Fahrens auf«, gab Matthias zu bedenken, »und gefahren sind wir ja wohl weit genug.«

»Ich weiß es doch auch nicht«, stöhnte Bernhard und drehte noch einmal den Zündschlüssel. Der Motor begann wieder zu orgeln, doch das Geräusch wurde schnell schwächer und schwächer, und Bernhard gab auf, ehe es völlig erstarb. »Es ist die Batterie!«, knirschte er. »Verdammter Mist. – Vielleicht hat jemand von den Leuten, die herumstehen und den Blick ins Tal genießen, ein Starthilfekabel«, verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck.

Matthias wusste, wie das funktionierte. »Wir können ja mal fragen«, erklärte er und stieg aus.

Auch Bernhard verließ das Auto. Es waren fünf Fahrzeuge, die auf dem Parkplatz des Aussichtsplateaus abgestellt waren. Die Insassen standen am Geländer und genossen den Blick auf das Tal.

Wenig später war auch diese Hoffnung zunichtegemacht. Niemand führte ein Starthilfekabel mit sich.

Bernhard versuchte ein weiteres Mal, den Motor zu starten.

Fehlanzeige! Der Anlasser machte nur ›klack‹.

Er stieg aus, warf wütend die Autotür zu und knurrte: »Wir brauchen einen Abschleppdienst. Hoffentlich gibt es im Wachnertal eine Kfz-Reparaturwerkstatt. Verdammt noch mal! Das hat uns gerade noch gefehlt.«

»Wir können es nicht ändern«, sagte Matthias, zog sein Handy aus dem Futteral, das er am Gürtel seiner Jeans trug, und machte sich daran, das Internet nach einem Abschleppdienst in einer der drei Gemeinden zu durchforsten.

Bernhard stand ungeduldig abwartend daneben und wippte auf den Fußballen. Sein Gesicht war verkniffen, die Lippen waren zusammengepresst. Er ärgerte sich, und das brachte jeder Zug in seinem Gesicht zum Ausdruck.

»Da haben wir was«, meldete sich Matthias. »Der Abschleppdienst befindet sich in Waldeck. Ich rufe ihn gleich an.«

Matthias tippte auf das Symbol mit dem grünen Telefonhörer und hob sein Smartphone ans Ohr. Einige Male tutete das Freizeichen, dann erklang eine Frauenstimme: »Abschleppdienst Aumann. Was kann ich für Sie tun?«

Matthias äußerte sein Anliegen, gab der Frau auch ihren Standort bekannt und erhielt die Zusicherung, dass der Abschleppwagen innerhalb der nächsten halben Stunde erscheinen würde. Er bedankte sich, unterbrach die Verbindung und sagte: »Man schickt einen Abschleppwagen. Es wird etwa eine halbe Stunde dauern.«

Bernhard murmelte eine Verwünschung, dann stieß er hervor: »Vielleicht sollte ich doch langsam daran denken, mir ein neues Auto anzuschaffen.«

»Das ist sicher eine Überlegung wert«, versetzte Matthias.

*

Der Abschleppwagen erschien fast pünktlich. Bernhard winkte, und das Fahrzeug mit dem Kranaufbau hielt einen Schritt vor ihm an. Ein junger Mann, der mit einer schwarzen Arbeitshose und einem dunkelblauen T-Shirt bekleidet war, sprang mit viel Elan aus dem Gefährt. »Ist das die Kiste, die Probleme bereitet?«, fragte er in ausgesprochen nassforscher Art.

»Was heißt hier Kiste?«, entgegnete Bernhard sofort gereizt. »Mit dem Audi hatte ich noch nie ein Problem.«

Der Fahrer des Abschleppfahrzeugs grinste. »Einmal ist immer das erste Mal«, erwiderte er. »Was ist das Problem?«, fragte er sogleich.

»Er springt nicht mehr an«, antwortete Bernhard. »Wir sind von Baden-Baden bis hierher ohne irgendein Problem gefahren. Als ich vorhin den Motor starten wollte, wollte er nicht mehr.«

»Hat der Anlasser durchgezogen?«, fragte der Bursche.

Bernhard wusste, was gemeint war. »Nur ganz kurz. Es hat sich angehört, als wäre die Batterie leer.«

»Dann hat sie entweder den Geist aufgegeben, oder die Lichtmaschine hat die Grätsche gemacht«, kam es salopp über die Lippen des Burschen vom Abschleppdienst. Er zuckte mit den Schultern. »Ich nehm’ das Fahrzeug auf den Haken und bring’s nach St. Johann in die Kfz-Reparaturwerkstatt Wildenauer. Dort wird man den Fehler schon finden.«

Gesagt, getan. Der Bursche schwang sich in den Abschleppwagen, stieß rückwärts an den Audi heran, stieg aus und fand die Abschleppvorrichtung an dem defekten Fahrzeug. »Nehmen S’ doch bitte den Gang heraus und lösen S’ die Handbremse«, forderte er Bernhard auf. Als das geschehen war, nahm er den Wagen an den Haken und setzte den Kran in Gang. Der Audi wurde vorne angehoben.

»Können wir mit Ihnen mitfahren?«, fragte Bernhard den jungen, ziemlich beherzten Burschen, der sein Handwerk zu verstehen schien.

»Natürlich. Müssen S’ sich halt ein bissel schmal machen«, versetzte der Gefragte grinsend.

Die beiden Freunde stiegen ein, und gleich darauf ging die Fahrt los. Der Pass war lang und sehr kurvenreich. Die Serpentinen waren oftmals eng und konnten nur im Schritttempo genommen werden. Nur langsam rückte der Talgrund näher. Manchmal war der Blick in die Tiefe geradezu besorgniserregend. Lediglich Leitplanken sicherten die Straße zum Abgrund hin ab. Aber der Bursche am Steuer lenkte das Fahrzeug mit einer geradezu traumwandlerischen Sicherheit hinunter ins Tal.

Bernhard und Matthias atmeten insgeheim auf, als das Gespann auf ebenes Terrain fuhr.

Es ging eine Weile auf der Landstraße dahin, bei einer Kreuzung bog das Abschleppfahrzeug ab und näherte sich nach einigen hundert Metern den ersten Häusern von St. Johann. Das alles überragende Gebäude war der Kirchturm.

Zu beiden Seiten der Hauptstraße reihten sich die im alpenländischen Stil erbauten Häuser. An den Balkonen und auf den Fensterbänken blühten Geranien, Petunien und eine Reihe weiterer farbiger Blumen um die Wette. Viele der Häuser wiesen an den Frontseiten meisterliche Lüftlmalereien auf.

Es war ein malerischer Ort, der auf die beiden Freunde seinen Eindruck nicht verfehlte. Richtige Freude vermochte jedoch im Hinblick darauf, dass das Auto defekt war, nicht aufkommen. Sie hatten im Hotel ›Zum Löwen‹ Zimmer gebucht. Wie sollten sie ihre Habseligkeiten dorthin schaffen? Jeder hatte eine große Reisetasche sowie zwei Rucksäcke mit Bergsteigerausrüstung dabei.

Sie schauten nicht gerade glücklich drein, und beide dachten dasselbe: Der Urlaubsstart im Wachnertal stand unter keinem besonders günstigen Stern.

Sie verließen die Hauptstraße. In der zweiten Baureihe öffnete sich ein großer Hof, auf dem eine Montagehalle mit drei riesigen Toren und einem Wohnhaus sowie eine Doppelgarage standen. ›Kfz-Reparaturen Wildenauer‹ war über den Toren zu lesen.

Der Fahrer des Abschleppfahrzeugs fuhr einen Bogen und hielt vor der Montagehalle den Wagen an. »Wir sind da«, erklärte er überflüssigerweise. »Alles aussteigen, bitte.«

Er grinste in seiner lausbubenhaften Art.

Eines der Tore der Halle war geöffnet, auf einer Hebebühne stand ein schwarzer Toyota, an dem ein Monteur arbeitete. Jetzt hielt er in seiner Arbeit inne, kam unter dem Toyota hervor, und sowohl Bernhard als auch Matthias glaubten, ihren Augen nicht zu trauen, als sie feststellten, dass es sich um eine junge Frau handelte. Sie war mit einem blauen Overall bekleidet, auf dem Kopf saß eine blaue Baseballmütze. Sie kam, einen schweren Schraubschlüssel in der rechten Hand haltend, aus der Halle.

Sowohl der Fahrer des Abschleppwagens als auch die beiden Freunde waren ausgestiegen. Bernhard verpasste Matthias einen leichten Stoß gegen den Arm und raunte ihm beeindruckt zu: »Donnerwetter.«

Matthias ignorierte den Einwurf, der vermuten ließ, wie sehr die junge Frau Bernhard beeindruckte. Er musste sich aber eingestehen, dass auch er von so viel Schönheit überrascht war. Sie war mittelgroß und schlank, ihr Gesicht war schmal und gleichmäßig geschnitten und wurde von zwei blauen Augen beherrscht. Die Nase war klein und gerade, der Mund sinnlich. Das Gesicht wies eine leichte Sonnenbräune auf, was ihre Haut samtig anmuten ließ. Unter der Mütze hingen einige blonde Haarsträhnen hervor.

»Servus, Thomas«, rief sie mit wohlklingender Stimme und lächelte, dass ihre Zähne blitzten. »Was bringst du mir denn?«

»Der Wagen springt nimmer an«, erwiderte Thomas, der Fahrer des Abschleppfahrzeugs. »Entweder die Batterie oder die Lichtmaschine. Du wirst das schon herausfinden.« Plötzlich stutzte er. »Du kannst den Auftrag doch annehmen?«

»Ja, ja«, sagte die junge Mechanikerin, und nun schaute sie erst Bernhard und im nächsten Moment Matthias an. Ihre blauen Augen blitzten. »Möchten S’ bei uns Urlaub machen?«, fragte sie, »oder waren S’ nur auf der Durchreise?«

Das Lächeln, das sie sowohl Bernhard als auch Matthias schenkte, verzauberte ihr Gesicht und war auf eine besondere Art herausfordernd. Ihr schien, was sie sah, zu gefallen.

Thomas machte sich daran, den Audi vom Haken zu lösen.

»Wir wollen zwei Wochen Urlaub machen«, beeilte sich Bernhard zu sagen, und sein Blick verschmolz regelrecht mit dem der jungen Mechanikerin. Er warf sich ein wenig in die Brust. »Abenteuerurlaub!«, fügte er aufgekratzt hinzu. »Wir haben uns vor allem die ›Kleine Wand‹ vorgenommen.« Seine Stimme veränderte sich: »Herrliche Berge, sonnige Höhen – Bergvagabunden sind wir … Kennen Sie das Lied? Ich glaube, das hat irgend so ein bayrischer Jodelkönig mal getextet.«

»Natürlich kenn’ ich das Lied«, erklärte die junge Frau. »Mit Seil und Hacken, den Tod im Nacken …«, zitierte auch sie eine Zeile des Liedes. »Aber ich will den Teufel net an die Wand malen.«

»Die ›Kleine Wand‹ soll in der Tat eine echte Herausforderung sein«, sagte Bernhard. »Wir versuchen allerdings, auf Seil und Haken zu verzichten. Wir sind Freeclimber.«

Der Audi war vom Haken, und Thomas kam heran. »Setz’ du das Abschleppen mit auf die Rechnung, Tina«, sagte er. »Die Tarife kennst du ja. Wir rechnen dann hinterher miteinander ab.«

»Das geht schon in Ordnung, Thomas. Wie gehabt, gell?«

»Wie gehabt, Tina«, bestätigte der Bursche vom Abschleppdienst. »Ich mach’ mich dann gleich wieder vom Acker. Servus – und immer schön geschmeidig bleiben.«

»Du und deine coolen Sprüche«, rief ihm Tina hinterher, als er sich abwandte und zum Abschleppwagen ging. »Pfüat di!«

Gleich darauf rollte das Fahrzeug vom Hof. Tina Wildenauer wandte sich den beiden Freunden zu, lächelte verheißungsvoll und sagte: »So, so, Abenteuerurlaub möchten S’ machen. Die ›Kleine Wand‹ wollen S’ bezwingen. Haben S’ denn genügend Erfahrung als Freeclimber? Ihr Kfz-Zeichen sagt mir, dass Sie aus Baden-Baden kommen. Gibts dort Berge, an denen Sie üben konnten?«

»Erfahrung mehr als genug«, versetzte Bernhard. Er konnte seinen Blick nicht von dem schönen Gesicht Tinas loseisen. »Wir haben mehrere Berge aufs Korn genommen«, erzählte er und hatte das Gefühl, von Tina mit Blicken angeflirtet zu werden. »Aber die ›Kleine Wand‹ hat Priorität. Sie leben hier in diesem schönen Landstrich, und ich kann mir vorstellen, dass Sie auch Erfahrung auf dem Berg haben. Sie sehen auch recht sportlich aus.« Er lachte fast belustigt auf. »Außerdem verrichten Sie einen Job, der bis vor einigen Jahren Männerdomäne war.« Wieder lachte er. »Die emanzipierte Frau, wie?«

»Die Werkstatt gehört meinem Vater«, versetzte Tina. »Was hat näher gelegen, als dass ich Kfz-Mechatronikerin werd’? Irgendwann will ich die Meisterprüfung ablegen. Aber das hat noch Zeit.« Sie richtete den Blick auf Matthias. Es war ein wohlgefälliger, geradezu koketter Ausdruck, der in diesem Blick lag: »Sie haben noch kein einziges Wort gesprochen. Sie sind doch hoffentlich net stumm«, fragte sie herausfordernd.

Matthias lächelte in der ihm eigenen ruhigen Manier. »Ich höre lieber zu«, erwiderte er.

»Mein Freund ist kein Mann großer Worte«, ergriff sofort wieder Bernhard das Wort. Plötzlich schlug er sich mit der flachen Hand leicht gegen die Stirn. »Ich hab’ völlig vergessen, uns vorzustellen. Mein Name ist Bernhard – Bernhard Hilburger, das ist mein Freund Matthias Schaffer. Wir kommen, wie Sie schon festgestellt haben, aus Baden-Baden.«