Was ist es, das uns trennt - Patricia Vandenberg - E-Book

Was ist es, das uns trennt E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Mit düsterer Miene stand Alexander Berghold an dem Grab, in dem seine Mutter vor ein paar Tagen beigesetzt worden war. Ihn hatte schon immer ein Frösteln überfallen, wenn er auf diesen Grabstein geblickt hatte, auf dem seine Mutter schon zu Lebzeiten ihren Namen hatte hinzufügen lassen. Ihre Eltern ruhten hier schon lange. Elisabeth Berghold-Binder und ihr Geburtsdatum standen bereits seit drei Jahren dort eingemeißelt, und nun brauchte nur noch ihr Todestag hinzugefügt zu werden. Er hatte seine Mutter öfter gefragt, warum nicht auch sein Vater hier beerdigt worden sei, aber sie hatte ihm immer ausweichende Antworten gegeben, bis er dann älter geworden war. Da hatte sie ihm erklärt, er sei bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen, und man hätte von ihm nichts gefunden. Dramatisch hatte sie ihm geschildert, was sie durchgemacht hätte, da er ja erst zwei Jahre alt gewesen wäre, und sie hätte ihm ersparen wollen, wie grauenvoll sein Vater gestorben wäre, und daß nichts von ihm geblieben sei. Nun war sie tot und begraben, und vor zwei Tagen hatte er bei der Testamentseröffnung erfahren, daß sein Vater lebte und daß er belogen worden war. Es war ein herber Schlag für ihn. Der Anwalt seiner Mutter hatte sein Schweigen gebrochen. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, sagte er. In beiderseitigem Einvernehmen, hatte Dr. Keller, der Anwalt, erklärt. Aber er hatte keine Antwort gewußt, warum seine Mandantin ihrem Sohn das verschwiegen hatte. Vielleicht hatte er es auch nicht sagen wollen. Alexander mochte diesen Mann nicht. Er hatte viel Geld an Elisabeth Berghold verdient. Er hatte einen gewinnbringenden Prozeß für sie geführt, bei dem es um ein großes Erbe ging, und wenn Geld und Besitz im Spiel waren, kannte Elisabeth kein Pardon. Aber davon hatte Alexander auch nichts gewußt, und es erst nach ihrem Tode erfahren, und er war überzeugt, daß Dr. Keller daran mehr verdient hatte, als in den Büchern stand.

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Dr. Norden Bestseller – 353 –

Was ist es, das uns trennt

Patricia Vandenberg

Mit düsterer Miene stand Alexander Berghold an dem Grab, in dem seine Mutter vor ein paar Tagen beigesetzt worden war. Ihn hatte schon immer ein Frösteln überfallen, wenn er auf diesen Grabstein geblickt hatte, auf dem seine Mutter schon zu Lebzeiten ihren Namen hatte hinzufügen lassen. Ihre Eltern ruhten hier schon lange.

Elisabeth Berghold-Binder und ihr Geburtsdatum standen bereits seit drei Jahren dort eingemeißelt, und nun brauchte nur noch ihr Todestag hinzugefügt zu werden.

Er hatte seine Mutter öfter gefragt, warum nicht auch sein Vater hier beerdigt worden sei, aber sie hatte ihm immer ausweichende Antworten gegeben, bis er dann älter geworden war. Da hatte sie ihm erklärt, er sei bei einem Flugzeugunglück ums Leben gekommen, und man hätte von ihm nichts gefunden. Dramatisch hatte sie ihm geschildert, was sie durchgemacht hätte, da er ja erst zwei Jahre alt gewesen wäre, und sie hätte ihm ersparen wollen, wie grauenvoll sein Vater gestorben wäre, und daß nichts von ihm geblieben sei.

Nun war sie tot und begraben, und vor zwei Tagen hatte er bei der Testamentseröffnung erfahren, daß sein Vater lebte und daß er belogen worden war. Es war ein herber Schlag für ihn.

Der Anwalt seiner Mutter hatte sein Schweigen gebrochen. Seine Eltern hatten sich scheiden lassen, sagte er. In beiderseitigem Einvernehmen, hatte Dr. Keller, der Anwalt, erklärt. Aber er hatte keine Antwort gewußt, warum seine Mandantin ihrem Sohn das verschwiegen hatte. Vielleicht hatte er es auch nicht sagen wollen. Alexander mochte diesen Mann nicht. Er hatte viel Geld an Elisabeth Berghold verdient. Er hatte einen gewinnbringenden Prozeß für sie geführt, bei dem es um ein großes Erbe ging, und wenn Geld und Besitz im Spiel waren, kannte Elisabeth kein Pardon. Aber davon hatte Alexander auch nichts gewußt, und es erst nach ihrem Tode erfahren, und er war überzeugt, daß Dr. Keller daran mehr verdient hatte, als in den Büchern stand.

Das allerdings war für ihn kein Grund, sich mit dem Anwalt anzulegen. Er war in allerbesten Verhältnissen aufgewachsen. Er hatte nichts zu entbehren brauchen wie andere Kinder, die ihre Väter früh verloren hatten, aber er hatte dafür eine Mutter gehabt, deren Eigenarten ihn oft erschreckten, für die er nicht die Zuneigung empfinden konnte, wie es hätte sein sollen, vor der er sogar manchmal Angst gehabt hatte.

Er war überdurchschnittlich begabt und hatte die Schulzeit, wie auch das Studium ohne die kleinste Schwierigkeit absolviert, wo­für er auch von seiner Mutter gelobt und mit Geschenken bedacht wurde. Zum Abitur, das er als Bester bestand, hatte er einen Sportwagen bekommen. Er war gerade achtzehn Jahre geworden. Jetzt war er fünfundzwanzig und hatte bereits seinen Doktor gemacht, nach einem rasant zu nennenden Medizinstudium. Kurz vor ihrem Tode hatte seine Mutter noch gesagt, daß sie ungeheuer stolz auf ihn sei. Mit Lob hatte sie eigentlich nie gespart, aber er fragte sich jetzt, wie sie sich wohl verhalten hätte, wenn es nichts zu loben gegeben hätte, denn sie neigte dazu, alle anderen Menschen nur negativ zu sehen. Sie hatte keine Freunde, und sie hinderte ihn auch daran, Freundschaften zu knüpfen. Immer urteilte sie gleich abfällig, wenn er mal etwas Nettes über andere erzählte, und so war er auch nie dazu gekommen, einmal eine feste Freundin zu haben, die er ihr hätte vorstellen können. Sie verleidete ihm sogar jeden Flirt.

Als er den Friedhof verließ, fragte er sich, wieso er überhaupt eine halbwegs normale Einstellung zu seinem Umfeld gefunden hatte, da sie ihn doch in einer totalen Abhängigkeit von sich erzogen hatte.

Aber jetzt kamen ihm auch noch andere Gedanken. Sein Vater lebte, und er hatte doch gewußt, daß er einen Sohn hatte. Warum hatte er sich nicht wenigstens um ihn gekümmert? Wo dieser Mann, Maximilian Berghold, jetzt lebte, wußte er auch nicht. Und der einzige Mensch, der möglicherweise überhaupt etwas mehr wissen konnte, war Dr. Daniel Norden, der seine Mutter bis zu ihrem Tode ärztlich betreut hatte, ein Arzt, der für Alexander das große Vorbild war.

Er fuhr nach Hause. Er konnte eine wunderschöne, kostbar eingerichtete Villa sein eigen nennen. Die Haushälterin Ana, eine Jugoslawin, die seit drei Jahren hier Mädchen für alles war, und mit Umsicht und Fleiß auch ein gewaltiges Arbeitspensum schaffte, meinte jetzt, daß sie es besser gar nicht haben könnte, da Alexander ganz andere Töne anschlug, als seine Mutter.

An der Bezahlung hatte Ana nie etwas auszusetzen gehabt, und deshalb hatte sie auch manches hingenommen, was ihr nicht gerade gefiel.

Aber sie war Mitte Vierzig, früh verwitwet, kinderlos und schon zwanzig Jahre in München. Sie sprach sehr gut deutsch, aber nur, wenn sie wollte.

Alexander kam blendend mit ihr aus. Sie vergötterte ihn, las ihm jeden Wunsch von den Augen ab, und bereitete seine Leibgerichte mit aller Liebe zu.

Ana sah ihn forschend an, weil seine Miene sich noch immer nicht aufgehellt hatte, aber sie hätte niemals gewagt, eine Frage zu stellen.

»Wann möchten der Herr Doktor speisen?« fragte sie, so wie es Elisabeth Berghold sie gelehrt hatte.

»Laß endlich diese Förmlichkeiten, Ana«, sagte Alexander. »Ich erledige noch ein paar Anrufe, dann können wir essen.«

»Bekommen Sie Besuch?« fragte sie erstaunt.

»Nein, wieso?«

»Weil Sie wir gesagt haben?«

»Du kannst mir Gesellschaft leisten bei Tisch. Warum sollst du allein in der Küche essen und ich allein im Eßzimmer? Ich kann auch in der Küche essen, das macht nicht so viel Umstände.«

Sie sah ihn entsetzt an. »Das würde aber der gnädigen Frau gar nicht gefallen«, murmelte sie.

»Sie ist tot und begraben«, erwiderte Alexander rauh. »Und ich werde so leben, wie ich es mir bisher nur wünschen konnte.«

Ana lächelte zufrieden, als sie in die Küche ging. Sie gönnte es ihm von Herzen, so leben zu können, wie er es sich vorstellte.

Alexander rief Dr. Norden an und bat ihn um einen Termin. »Es handelt sich um eine private Angelegenheit, bei der ich Ihren Rat erbitte. Ich bin nicht krank. Es könnte aber etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.«

»Dann kommen Sie doch gegen sechzehn Uhr in die Praxis, ich habe keine offizielle Sprechstunde am Mittwoch. Nur ein paar Dauerpatienten kommen da.«

Alexander bedankte sich, und dann rief er eine Telefonnummer an, die er sich gestern schon notiert hatte.

Es meldete sich das Detektiv­büro Heinziger. Und auch da machte Alexander einen Termin für den Nachmittag aus. Er konnte siebzehn Uhr dreißig dort sein. Allzuviel Zeit wollte er Dr. Norden ja auch nicht wegnehmen.

*

Fee Norden freute sich immer, wenn sie mit ihrem Mann nach dem Essen noch ein Stündchen beisammensitzen konnte. Als er ihr an diesem Tag erzählte, daß Alexander Berghold ihn sprechen wolle, war sie erstaunt.

»Er ist doch nicht krank?« fragte sie.

»Nein, er will mich privat sprechen.«

»Da bin ich aber gespannt. Aber man könnte tatsächlich annehmen, daß er völlig aus dem Gleichgewicht gebracht wurde.«

»Wieso denn das? So innig war das Verhältnis zu seiner Mutter doch nicht.«

»Sie hatte ihn unter der Fuchtel, Daniel. Er hat es doch gar nicht fertiggebracht, sich gegen sie aufzulehnen.«

»Okay, mein Schatz, er ist kein Streithansel. Er hat sich damit abgefunden, daß sie den Ton angeben mußte, aber anscheinend sah er auch keinen Grund, auszubrechen. Wozu auch? Er hatte alles, und er ist noch jung, und wenn ihm die Richtige bereits in den Weg gelaufen wäre, hätte er sich vielleicht anders verhalten. Aber ich meine, daß es für beide so besser war, denn im Grunde hatte sie ihren Sohn abgöttisch geliebt. Sie war eine unglückliche Frau, sie hatte ein zwiespältiges Wesen und war nie mit sich und der Welt zufrieden.«

»Wahrscheinlich ging es ihr einfach zu gut. Solche Menschen kennen keine Dankbarkeit mehr. Sie werden so egoistisch, daß alle nach ihrer Pfeife tanzen müssen. Für Alexander ist es jedenfalls gut, daß Ana geblieben ist, obgleich sie wohl auch eine Menge einstecken mußte. Wird er nun eine Praxis im Auge haben?«

»Ich weiß nicht, aber vielleicht will er mit mir darüber sprechen.«

Er war selbst gespannt auf dieses Gespräch, und er sollte auch eine ähnliche Überraschung erleben wie Alexander vor zwei Tagen.

*

»Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mir Ihre kostbare Zeit widmen«, sagte Alexander, nachdem sich die beiden Männer kollegial begrüßt hatten. »Ich weiß tatsächlich keinen Menschen, zu dem ich solches Vertrauen habe wie zu Ihnen, Dr. Norden.«

»Ich sage Alexander, also sagen Sie Daniel. Wir sind Kollegen und kennen uns schon lange. Und Sie werden manchen Kollegen das Fürchten beibringen, wenn Sie eine Praxis eröffnen.«

Alexander winkte ab. »Das will ich nicht. Ich gehe in die Forschung und habe auch schon ein Angebot. Deshalb habe ich mich ja auch auf die Nuklearmedizin spezialisiert. Und außerdem wäre ich sehr glücklich, wenn alle Ärzte so wären wie Sie und es keinen Konkurrenzneid geben würde. Ich sage gradheraus, weshalb ich Ihren Rat erhoffe. Sie kannten meine Mutter vielleicht besser als ich.«

Dr. Nordens Augenbrauen ruckten leicht empor. »Das glaube ich allerdings nicht, und ich möchte sagen, daß wohl niemand sie richtig kannte.«

»Damit mögen Sie auch recht haben. Also, die Geschichte lautet in kurzen Zügen so: Ich wuchs in dem Glauben heran, daß mein Vater bei einem Flugzeugunglück ums Leben kam, als ich zwei Jahre alt war. Mutter wich allen direkten Fragen aus und sagte immer nur, daß sie alte Erinnerungen nicht aufwühlen wolle. Nun erfuhr ich von Dr. Keller bei der Testamentseröffnung, daß mein Vater gar nicht tot ist, sondern die Ehe geschieden wurde, als ich noch nicht mal zwei Jahre alt war. Im beiderseitigen Einvernehmen ohne langes Hickhack.«

»Das überrascht mich allerdings auch. Sie sagte mir einmal, daß sie Ihren Vater sehr geliebt hätte, und deshalb nie an eine andere Bindung dachte.«

»Das ist doch ein gewaltiger Widerspruch«, sagte Alexander tonlos.

»Das muß es nicht sein, wenn er die Trennung wollte, Alexander. Es ist öfter so, daß ein Teil schwer enttäuscht zurückbleibt, weil es doch nicht die richtige Liebe war.«

»Aber sie hatte doch alles, sah gut aus, war immer reich, war auch gebildet und vielseitig interessiert. Wenn er ein Hallodri war, konnte er es doch gar nicht besser haben und nebenbei fremdgehen, wenn ihm daran lag, ohne daß sie Wind davon bekommen mußte.«

Daniel freute sich, daß er dies so locker sagte und gar nicht verklemmt. Er hatte sich also auch unter der tyrannischen Liebe seiner Mutter zu einem selbstbewußten Mann entwickelt.

»Leider kenne ich die Umstände nicht und kann Ihnen auch gar nicht helfen, Alexander. So leid es mir tut, so sehr hat Ihre Mutter auch mir nicht vertraut. Sie war eine exzentrische Frau mit einer negativen Einstellung zu den Mitmenschen.«

»Wem sagen Sie das, aber immerhin hielt sie auf Sie große Stücke. Deshalb dachte ich, daß sie Ihnen vielleicht auch manches anvertraut hätte.«

»Ich sagte Ihnen schon, was ich weiß, und sonst hatte sie immer nur von Ihnen gesprochen, wie stolz sie auf Sie war und wie unendlich glücklich sie wäre, wenn Ihr Vater dies erlebt hätte.«

»Es scheint so, daß sie nicht nur andere belogen hat, sondern auch sich selbst. Gewiß ist ja, daß sie Niederlagen nicht ertragen konnte, wie dieser lange Prozeß um die Erbschaft meines Großonkels Artur beweist.«

»Davon weiß ich auch nichts, mir sagte sie nur, daß sie ihn beerbt hätte.«

»Es ging um das Testament, das verschwunden war, und tatsächlich wurde dann die beglaubigte Abschrift im Nachlaß des bereits verstorbenen Notars gefunden, und ein Cousin von Mutter hatte das Original an sich gebracht, was ihm wohl nicht bewiesen werden konnte, aber in dem Testament war er nicht bedacht, und Mutter hatte von dem Onkel gewußt, daß sie und ihre Schwester Alleinerbinnen sein würden, aber Mutters Schwester war inzwischen verstorben. Es war mir peinlich, als mir Dr. Keller diese Geschichte erzählte, aber es schien ihm auch ein gewisses Vergnügen zu bereiten, daß er mir sagen konnte, daß mein Vater damals nicht verunglückt war, sondern daß die Ehe geschieden wurde. Ich mag Keller nicht, und das merkt er. Ich glaube, er hatte gehofft, Mutter heiraten zu können, aber diesbezüglich schien sie tatsächlich überhaupt keine Ambitionen gehabt zu haben. Jedenfalls werde ich jetzt nach meinem Vater forschen lassen, um von ihm zu erfahren, warum es zur Scheidung kam und er mich nicht einmal zu sehen wünschte.«

Ein längeres Schweigen trat ein, und dann fragte Alexander stockend: »Sie verstehen das nicht, Daniel?«

»O doch, ich würde es wohl auch wollen, aber vielleicht sind die Schatten der Vergangenheit so düster, daß sie Ihre Zukunft belastet.«

»O nein, so bin ich nicht. Ich bin durch eine harte Schule gegangen durch die Eigenarten meiner Mutter, ihre Ignoranz in bezug auf die Nöte anderer, ihre Geldgier, die für mich so beklemmend war. Zu mir war sie großzügig, aber ich fragte mich jetzt auch, wie sie gewesen wäre, wenn ich ein schlechter Schüler oder einfach nur ein häßliches Kind gewesen wäre. Es ist schon traurig, wenn man das denken muß, und als ich heute auf dem Friedhof war, hatte ich das Gefühl, als würde mich dieser Ungeist verfolgen. Ich muß mich davon befreien, was immer ich auch erfahren werde, Daniel, bitte, verstehen Sie das.«

»Ich verstehe Sie, Alexander«, erwiderte Dr. Norden.

»Wäre sie doch nur ehrlich gewesen, dann würde ich anders denken, aber ich hasse Zweifel, und Unklarheiten. Mich quält die Frage, was mein Vater für ein Mensch war, warum er Mutter geheiratet und sie dann verlassen hat. Wenn ich nicht mit ihm sprechen kann, bleibt die Ungewißheit und die Frage, ob sie ihn mit ihrer Herrschsucht verjagt hat. Aber ich weiß ja nicht, ob sie früher auch schon so war.«

Daniel sah ihn nachdenklich an. Er konnte sich in seine Lage hineinversetzen, und er konnte ihn verstehen. Aber er konnte ihm nicht helfen, denn er wußte über Elisabeth Berghold auch nicht mehr, als das, was er gesagt hatte.

»Ich wünsche Ihnen Erfolg bei den Nachforschungen, Alexander«, sagte er freundschaftlich, »und wenn Sie mich brauchen, wenn ich kann, helfe ich gern.«

»Das ist mir schon ein Trost«, sagte Alexander. »Ich habe heute noch eine Verabredung mit einem Detektiv Heinziger. Ich hoffe, daß er etwas herausfindet.«

»Der ist in Ordnung, ich hatte auch schon mit ihm zu tun«, erwiderte Daniel. »Sagen Sie ihm einen schönen Gruß von mir, aber das ist leider auch wirklich alles, was ich jetzt für Sie tun kann.«