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Diese Bergroman-Serie stillt die Sehnsucht des modernen Stadtbewohners nach einer Welt voller Liebe und Gefühle, nach Heimat und natürlichem Leben in einer verzaubernden Gebirgswelt. "Toni, der Hüttenwirt" aus den Bergen verliebt sich in Anna, die Bankerin aus Hamburg. Anna zieht hoch hinauf in seine wunderschöne Hütte – und eine der zärtlichsten Romanzen nimmt ihren Anfang. Hemdsärmeligkeit, sprachliche Virtuosität, großartig geschilderter Gebirgszauber – Friederike von Buchner trifft in ihren bereits über 400 Romanen den Puls ihrer faszinierten Leser. Amelie weilte am ›Erkerchen‹. Sie lehnte am Geländer, schaute über das Tal und knabberte an einem Müsliriegel. »Hallo, Amelie!« Sie drehte sich um. »Grüß Gott, Henry!«, antwortete sie. »Schon so früh auf dem Rückweg zur Berghütte?« Henry machte ein etwas verlegenes Gesicht. »Ja, das schlechte Gewissen trieb mich an.« »Nanu? Hast du etwas angestellt? Soviel ich weiß, fehlen Anna keine silbernen Löffel.« Sie lachten beide. Henry ließ seinen Rucksack von den Schultern gleiten. »Ich habe noch warmen Kaffee in der Thermoskanne, Amelie. Kann ich dich einladen?« »Fein, das sage ich nicht Nein.« Amelie ging zur Bank, auf der sie ihren Rucksack abgestellt hatte, und holte ihren Emaillebecher heraus. Henry schenkte ihn voll und nahm sich den Rest. Es war ganz wenig.
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Seitenzahl: 128
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Amelie weilte am ›Erkerchen‹. Sie lehnte am Geländer, schaute über das Tal und knabberte an einem Müsliriegel.
»Hallo, Amelie!«
Sie drehte sich um.
»Grüß Gott, Henry!«, antwortete sie. »Schon so früh auf dem Rückweg zur Berghütte?«
Henry machte ein etwas verlegenes Gesicht.
»Ja, das schlechte Gewissen trieb mich an.«
»Nanu? Hast du etwas angestellt? Soviel ich weiß, fehlen Anna keine silbernen Löffel.«
Sie lachten beide.
Henry ließ seinen Rucksack von den Schultern gleiten.
»Ich habe noch warmen Kaffee in der Thermoskanne, Amelie. Kann ich dich einladen?«
»Fein, das sage ich nicht Nein.«
Amelie ging zur Bank, auf der sie ihren Rucksack abgestellt hatte, und holte ihren Emaillebecher heraus.
Henry schenkte ihn voll und nahm sich den Rest. Es war ganz wenig.
»Nein, nein, so geht das nicht!«, protestierte Amelie. »Bergkameraden teilen. Gib her!«
Sie goss einen Teil ihres Kaffees in Henrys Becher. Er dankte und lächelte.
Sie tranken und hielten dabei Augenkontakt.
»Nun, ich hatte ein schlechtes Gewissen, weil ich in deine Unterhaltung mit Toni hinter der Berghütte hineingeplatzt war. Zu spät erkannte ich, dass es ein sehr vertrauliches Gespräch war. Es war ungeschickt, dich zu fragen, ob du mit mir wandern gehen wolltest. Ich hätte bis nach eurer Unterredung warten sollen. Es ging wohl um etwas sehr Wichtiges.«
»Wie kommst du darauf?«
»Du hast ein sehr ernstes Gesicht gemacht. Inzwischen kenne ich dich ganz gut. Nun ja, vielleicht ist das übertrieben in Anbetracht der wenigen Tagen, die wir uns kennen. Aber ist es nicht so, dass wir ein Gefühl für jeden Menschen bekommen, der uns begegnet? Der eine ist einem näher, als der andere. Und es kommt vor, dass man vergisst, dass man sich erst vor wenigen Tagen begegnet ist, weil man so fühlt, als kenne man sich schon ganz lange.«
»Stimmt! Das lässt sich nicht leugnen. Und dein Eindruck war, ich habe sehr ernst ausgesehen?«
»Ja!«
Henry stellte den Kaffeebecher neben sich auf die Bank und hob abwehrend die Hände.
»Du musst mir nicht erzählen, worüber du mit Toni gesprochen hast. Das ist deine Privatangelegenheit und geht mich nichts an. Ich habe nur festgestellt, dass du sehr ernst und nachdenklich warst. Es war sicherlich ungeschickt, euch zu unterbrechen. Bitte entschuldige!«
»Alles vergeben und vergessen! Mach dir bitte keine Gedanken.«
»Das freut mich. Ich hoffe, du hast erreicht, was du mit Toni klären wolltest.«
Amelie schaute Henry an und grinste.
»Du bist doch neugierig. Gib es zu!«
»Ein wenig, aber nur, weil ich dich noch nie so ernst gesehen hatte.«
»Das glaube ich dir gern«, sagte Amelie. »Es gab nichts zu klären. Toni und ich sind nur in einer Angelegenheit verschiedener Meinung. Er behauptet zwar, er könne mich verstehen. Ob jemand einen anderen Menschen wirklich verstehen kann, ist ein anderes Thema. Darüber möchte ich jetzt nicht nachdenken. Toni ist ein freundlicher und hilfsbereiter Bursche. Er ist für jeden da und genießt in Waldkogel großes Ansehen, Anna ebenso. Nur kann er sehr hartnäckig sein, wenn er denkt, jemand handle falsch. Dann mischt er sich ein.«
»Einmischung ist die Kehrseite der Hilfsbereitschaft«, sagte Henry.
»Gut gesagt! Das gefällt mir. Allerdings möchte ich Toni in Schutz nehmen. Er mischt sich nicht ein, weil er ein bestimmendes Wesen hat und jemand bevormunden möchte. Er hat es mir so erklärt: Ein Außenstehender hat einen anderen Blickwinkel, als der Betroffene. Darin gebe ich ihm recht. Er sagt auch, dass es Menschen oft nicht leicht falle, einen einmal gefassten Entschluss zu verwerfen.«
Amelie seufzte.
»Ich bin wohl auch so ein Fall. Ich will einfach nicht über meinen Schatten springen. Da hat er mir ins Gewissen geredet.«
Henry hörte aufmerksam zu und sah sie erwartungsvoll an.
»Er meint es sicherlich gut, Amelie.«
»Absolut! Ja, das tut er. Toni hat so ein unschuldiges Herz. Er kann keine üblen Hintergedanken haben. Das ist nicht seine Art.«
»Ich kann wenig dazu sagen, da ich nicht weiß, um was es geht«, sagte Henry. »Aber ich höre dir gern zu. Wenn man in einer Frage keine Lösung findet, genügt es oft, wenn man laut darüber nachdenkt.«
Amelie trank einen Schluck Kaffee, dann nickt sie eifrig.
»Henry, es geht um Folgendes: Ich habe in einer Angelegenheit eine Entscheidung getroffen, aber Toni bat mich, meine Entscheidung zu überdenken. Er hat mir eine Eselsbrücke gebaut. Allerdings muss ich entscheiden, ob ich darüber gehe.«
»Fürchtest du, dass die Brücke nicht hält? Denkst du, du könntest abstürzen? Du kannst dich anseilen. Ich biete dir gern an, das Seil an einem Ufer zu sichern.«
Amelie gefielen seine Worte und sie schenkte ihm ein Lächeln.
»Der Punkt ist, ich weiß nicht, ob ich die Richtung ändern soll. Weißt du, Henry, ... wie soll ich es beschreiben? Ich hatte Meinungsverschiedenheiten mit meinen Eltern und Großeltern. Deshalb habe mich auf die Berghütte zurückgezogen. Nein, das ist eine Untertreibung. Ich habe mich versteckt. Und verstecke mich immer noch. Zuerst war ich im Pfarrhaus, jetzt bin ich auf der Berghütte.«
»Das klingt dramatisch, Amelie.«
»Es war dramatisch, Henry. Ich bin kein konfliktfreudiger Mensch. Ich gebe zu schnell nach. Ich verzichte lieber auf etwas oder tue etwas, was ich nicht will, statt einen klaren Standpunkt zu beziehen.«
»Du bist sehr harmoniebedürftig.«
»Das war ich, Henry, ich war es. Ich war es, bis ich an einem Punkt ankam, wo ich mich nicht mehr im Spiegel erkannte. Genauso war es. Es gibt eine alte Weisheit: Man soll immer so handeln, dass man sich im Spiegel anschauen kann. Ich hielt das für eine blöde Redewendung. Doch dann erkannte ich die Wahrheit, die darin steckt. Es war bei meiner Schneiderin. Ich stand in einem wunderschönen Kleid vor dem großen Spiegel. Es war bei der Anprobe. Ich sah mich an und plötzlich wurde mir bewusst, das bin ich nicht. Ja, das Spiegelbild war schön anzusehen, aber die Person in dem prächtigen Kleid spielte Theater. Es war das falsche Stück und das falsche Kostüm. Das war ich nicht.«
Henry war ganz still geworden. Er hörte zu. Er erkannte, wie schwer es Amelie fiel, darüber zu sprechen. Sie quälte sich mit jedem Satz.
»Es war wirklich dramatisch, Henry. Ich hatte einen Zusammenbruch. Die Schneiderin alarmierte den Arzt. Etwas später lag ich im Gästezimmer des Pfarrhauses im Bett. Unser Pfarrer und seine Haushälterin nahmen sich meiner an und beschützten mich. Ich versteckte mich einige Tage im Pfarrhaus. Dann konnte ich nicht länger dort bleiben, also wechselte ich, durch die Vermittlung des Geistlichen, auf die Berghütte. Der ursprüngliche Plan war, dass ich mich in einer Schutzhütte verkrieche und Toni und Anna mich regelmäßig mit Proviant versorgen. Doch dann bin ich auf der Berghütte geblieben.«
Henry schaute Amelie fragend an.
»Und wie lange geht das schon so?«
»Bald sind es zwei Wochen. Meine beste Freundin heiratet. Wenn sie in die Flitterwochen fährt, kann ich ihre kleine Wohnung in München benutzen, bis sie zurückkommt. Ich werde die Zeit nutzen, um mir eine eigene Wohnung zu suchen. Ich hoffe, ich kann meinen alten Arbeitsplatz bekommen. Im Augenblick habe ich Urlaub. Aber davor hatte ich gekündigt. Ich werde mit meinem Chef sprechen, wenn ich in München bin.«
»Und wann willst du nach München?«
»Nach dem Wochenende. Toni wird mich abends hinfahren, wenn es dunkel ist. Dann ist die Gefahr geringer, dass mich jemand sieht. Meine Familie weiß nicht, wo ich bin. Das heißt, meine Eltern wissen es nicht. Zu meiner Großmutter und ihrer Freundin habe ich losen Kontakt über den Geistlichen.«
»Das hört sich wie eine unglaubliche Räuberpistole an, Amelie. Es könnte sich um eine Geschichte um Don Camillo handeln.«
Amelie lächelte.
»Doch niemand würde sich einen solchen Roman ausdenken.«
»Ohne Happy End«, ergänzte Henry.
»Oh, es gibt ein Happy End. Meine Freundin Flora heiratet Paul. Die beiden lieben sich schon lange. Danach bin ich frei. Vielleicht gibt es eines Tages eine höfliche Ebene, auf der ich mit meinen Eltern kommunizieren kann. Aber ich bin mir sicher, so schnell verzeihen sie mir mein Verschwinden nicht.«
»Das hört sich alles sehr dramatisch an, Amelie. Aber was hat dein Versteckspiel mit der Hochzeit von Flora und Paul zu tun?«
Amelie seufzte tief.
»Weil ich Paul hätte heiraten sollen.«
»Wie bitte? Wo sind wir denn hier? Das gibt es doch nicht.«
»Doch es war so! Wir sind beide schuld, Paul und ich. Wir haben uns da in etwas hineindrängen lassen. Das Aufgebot war bestellt und alles für eine gigantische Hochzeit vorbereitet. Dann verschwand die Braut. Verstehst du?«
»Ich bemühe mich, Amelie. Aber ich kann es nicht ganz verstehen, entschuldige bitte. Dazu müsste ich mehr wissen.«
»Gut, dann werde ich es dir erklären. Ich war bei der Schneiderin zur Anprobe meines Brautkleids, als ich plötzlich erkannte, das will ich nicht. Nein, das ist nicht richtig. Ich wusste immer, dass ich Paul nicht heiraten möchte, und ihm ging es genauso. Wir waren seit dem Sandkasten engbefreundet, Paul, Flora und ich. Meine Eltern und Großeltern verstehen sich prächtig mit Pauls Eltern und Großeltern. Beide Familien haben einen großen Besitz. Die Grundstücke grenzen aneinander.«
»Aha, verstehe! Da wollte man euch verkuppeln? Das ist eine bodenlose Gemeinheit.«
»Nein, nicht ganz.«
»Du nimmst sie in Schutz?«, staunte Henry.
»Nein, Paul und ich mögen uns – als Freunde. Wir sind da hineingeschlittert. Ich weiß, es klingt blöd, aber es war so. Es hat uns einfach überrollt. Wir spielten auf Zeit. Wir verlobten uns und dachten, dann gäben sie Ruhe. Doch das war ein Trugschluss. Wir planten, irgendwann die Verlobung zu lösen. Verstehst du? Aber wir kamen nicht dazu. Alle freuten sich und planten unsere Hochzeit. Ich sagte nur, dass mir das alles zu schnell ging. Aber niemand nahm mich ernst und Paul auch nicht. Dabei war Paul viel schlimmer dran als ich, denn er liebt Flora. Nun, jetzt kann er sie heiraten. Ich habe Flora mein Brautkleid geschenkt. Sie hat es etwas ändern lassen. Sie und Paul wünschen, dass ich zur Hochzeit komme. Aber ich will nicht.«
»Das kann ich verstehen«, brach es aus Henry hervor.
»Du bist wunderbar, Henry. Danke für dein Verständnis!«
»Das Verständnis beruht auf eigenen Erfahrungen.«
»So? Erzählst du sie mir?«
»Ja, aber jetzt nicht. Jetzt kümmere ich mich um dich.«
»Das hast du schön gesagt«, strahlte Amelie ihn an.
Sie seufzte erneut.
»Henry, Toni wollte mich überreden, doch zu Hochzeit zu gehen.«
»Du hast Angst, dass etwas passieren könnte, dass es zu einem Eklat käme?«
»Ja, so ähnlich! Ich will den beiden nicht ihren schönsten Tag verderben. Es wird eine große Hochzeit werden. Okay, nicht so groß wie die geplante von Paul und mir, aber auch sehr groß. Außerdem wird nach der kirchlichen Trauung auf dem Hof von Pauls Eltern gefeiert. Es ist üblich, dass jeder kommen kann, der seine Glückwünsche aussprechen will. Ich galt zwei Wochen als verschollen. Meine Verwandten haben bei der Polizei eine Vermisstenanzeige aufgeben. Alle in Waldkogel wissen es. Es hat ziemlich viel Wirbel gegeben. Ich stelle mir vor, dass ich umlagert werde und jeder, aber auch jeder wissen will, warum ich getürmt bin.«
Henry rieb sich das Kinn.
»Ja, so wird es sicherlich sein. Und dir werden nicht nur verständnisvolle Herzen zufliegen.«
»Genau! Du hast es erfasst.«
Amelie seufzte wieder.
»Es bricht mir fast das Herz, dass ich nicht dabei sein kann. Flora und ich hatten es uns versprochen. Immerhin habe ich ihr mein Brautkleid geschenkt. Ich hoffe, sie fühlt, dass ich in Gedanken bei ihr bin. Das gilt auch für Paul. Die beiden werden sicherlich sehr glücklich. Für beide war es die erste Liebe, da gingen wir noch alle zusammen in die Schule. So jetzt weißt du, warum ich so ernst ausgesehen habe.«
»Danke für dein Vertrauen! Entschuldige, aber ich bin verwirrt. Das ist einfach unglaublich. Darf ich dich nach Einzelheiten fragen, wie es kam, dass sich alles so zuspitzte?«
»Du darfst, Henry. Darüber zu reden tut mir gut. Danke, dass du mir zuhörst. Ich gestehe, ich habe meine Entscheidung getroffen. Es war ein harter Weg. Mich bedrückt, dass ich vielen Leuten Kummer gemacht habe.«
Henry rutschte auf der Bank dichter an Amelie heran. Er lächelte sie gütig an.
»Das verstehe ich. Du musst kein schlechtes Gewissen haben. Sei stolz auf dich! Durch deinen Mut haben Paul und Flora endgültig zueinander gefunden. Ohne deinen Mut, deine Entschlusskraft, deine Entscheidung und dein Durchhaltevermögen wäre das nicht geschehen. So und jetzt erzählst du mir mehr aus deinem Leben.«
Amelie lächelte Henry an.
»Da fange ich am besten ganz früh in der Kindheit an«, sagte sie.
Amelie redete und redete. Sie schilderte ihre Kindheit und Schulzeit und die Nähe zu Paul, dem Nachbarsbub.
»Wir sind fast wie Geschwister aufgewachsen. Dann kam Flora nach Waldkogel, weil ihre Eltern in Marktwasen ein Haus bezogen. Marktwasen war früher eine kleine selbständige Gemeinde. Später kam sie im Zuge der Gemeindereform zu Waldkogel hinzu. Wir drei besuchten die weiterführende Schule in Kirchwalden. Im Teenageralter verliebten sich Paul und Flora. Bei dieser ersten Liebe ist es geblieben.«
»Warst du nie eifersüchtig auf sie?«
»Oh nein, mich verband nur echte Freundschaft mit Paul. Ich war nie eifersüchtig. Natürlich kicherte ich und neckte sie, wenn sie sich in meinem Beisein küssten.«
Amelie erzählte weiter. Dabei seufzte sie immer wieder. Sie bekam hochrote Wangen vor Aufregung.
Henry war klar, dass sie in Gedanken alles noch einmal erlebte und dabei litt.
Als sie geendet hatte, schwieg Henry eine Weile. Amelie ließ ihm Zeit.
»Und jetzt willst du die Hochzeit meiden?«
»Ja, ich kann mich nicht dazu überwinden hinzugehen. Wie du selbst erkannt hast, würde es Aufsehen erregen, wenn ich komme. Und dann ist da noch die Sache mit meinen Eltern. Es ist alles sehr schwierig. Klar wäre ich gern dabei. Aber ich habe Angst, ich könnte Paul und Flora das Fest verderben, den schönsten Tag in ihrem Leben. Sie sollen im Mittelpunkt stehen.«
»Das verstehe ich gut. Und welche Eselsbrücke hat Toni dir angeboten?«, fragte Henry.
»Oh, er zeigte mir zwei Möglichkeiten auf. Er bot an, dass Anna und er mich begleiten, gemeinsam mit Wendy, Sebastian und Franziska. Die ganze Familie Baumberger würde mich beschützen. Toni meinte, er würde jedem den Mund verbieten und Paroli bieten, der eine spitze Bemerkung mache.«
»Das nehme ich Toni gern ab. Außerdem hat er Autorität. Da fällt mir ein, dass du noch einen anderen Beschützer hast.«
»Wen?«
»Nun, ich denke, dass Pfarrer Zandler sicherlich ein Machtwort spräche, wenn dir jemand zu nahe träte. Auf dem Land ist es noch anders, als in der Stadt. Hier hat die Stimme des Geistlichen noch Gewicht. Hast du mit ihm schon darüber gesprochen? Er ist dir doch wohlgesonnen. Nach allem, was du mir erzählt hast, ist er ein sehr vernünftiger Mann.«
»Oh ja, das ist er. Er ist sehr froh, dass er nicht gezwungen ist, mich und Paul zu trauen. Es sei eine Sünde, das heilige Sakrament der Ehe einzugehen, wenn man sich nicht liebt.«
Henry rieb sich das Kinn.
»Amelie, ich schätze dich, ich mag dich sehr. Deshalb fällt es mir schwer, etwas Kritik anzubringen. Nun, das Wort ›Kritik‹ ist dafür vielleicht ein zu starkes Wort. Lass es mich anders sagen. Ich möchte dir etwas zu bedenken geben.«
»Du darfst auch gern Kritik üben, Henry. Ich weiß, dass du es ehrlich meinst.«
Henry bedankte sich. Danach führte er aus, dass die Situation schlimmer und schlimmer werde, ja länger sich Amelie verstecke.