Weddings and Billionaires - Nancy Salchow - E-Book
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Nancy Salchow

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Beschreibung

Sammelband mit den drei Liebesromanen "Verliebt, verlobt, verdammt noch mal ...", "Fake-Hochzeit mit dem Boss" und "Der Keller des Milliardärs". Klappentext von "Verliebt, verlobt, verdammt noch mal ...": Eigentlich war es nur ein Scherz, als du ihm damals sagtest, du würdest ihn heiraten. Meine Güte, ihr wart doch noch Kinder! Doch an deinem Geburtstag steht er plötzlich nach all den Jahren wieder vor dir: Mit einem Verlobungsring im Gepäck. Vor dreißig Jahren kamen Laura und Mark am selben Tag und im selben Krankenhaus zur Welt. Ihre Mütter wurden beste Freundinnen, genau wie sie selbst. »Wenn wir mit 30 Jahren noch Single sind, heiraten wir uns einfach gegenseitig.« Eine Abmachung, die die beiden als Teenies trafen, die Laura inzwischen aber längst vergessen hat, vor allem seitdem Mark vor Jahren die gemeinsame Heimatstadt am Meer verlassen hat. Umso größer ist die Überraschung, als Mark am Tag ihres gemeinsamen Geburtstages plötzlich vor ihr steht, um ihr einen Antrag zu machen. Heiraten? Einen Mann, der im Grunde ein Fremder geworden ist? Ausgeschlossen! Doch Mark ist fest entschlossen, Laura von seinem Vorhaben zu überzeugen, mit welchen Mitteln auch immer. Aber was steckt wirklich hinter seinem Wunsch, Laura unbedingt heiraten zu wollen? Was ist der wahre Grund für seine Rückkehr? Und wird Laura dauerhaft immun gegen seinen Charme bleiben?

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Inhaltsverzeichnis

Buch 1: Verliebt, verlobt, verdammt noch mal …

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Epilog

Buch 2: Fake-Hochzeit mit dem Boss

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Epilog

Buch 3: Der Keller des Milliardärs

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Epilog

Impressum

Nancy Salchow

Weddings and Billionaires

Sammelband mit drei Liebesromanen

Buch 1: Verliebt, verlobt, verdammt noch mal …

Eigentlich war es nur ein Scherz, als du ihm damals sagtest, du würdest ihn heiraten. Meine Güte, ihr wart doch noch Kinder! Doch an deinem Geburtstag steht er plötzlich nach all den Jahren wieder vor dir: Mit einem Verlobungsring im Gepäck.

Vor dreißig Jahren kamen Laura und Mark am selben Tag und im selben Krankenhaus zur Welt. Ihre Mütter wurden beste Freundinnen, genau wie sie selbst.

»Wenn wir mit 30 Jahren noch Single sind, heiraten wir uns einfach gegenseitig.«

Eine Abmachung, die die beiden als Teenies trafen, die Laura inzwischen aber längst vergessen hat, vor allem seitdem Mark vor Jahren die gemeinsame Heimatstadt am Meer verlassen hat.

Umso größer ist die Überraschung, als Mark am Tag ihres gemeinsamen Geburtstages plötzlich vor ihr steht, um ihr einen Antrag zu machen.

Heiraten? Einen Mann, der im Grunde ein Fremder geworden ist? Ausgeschlossen!

Doch Mark ist fest entschlossen, Laura von seinem Vorhaben zu überzeugen, mit welchen Mitteln auch immer.

Aber was steckt wirklich hinter seinem Wunsch, Laura unbedingt heiraten zu wollen? Was ist der wahre Grund für seine Rückkehr? Und wird Laura dauerhaft immun gegen seinen Charme bleiben?

Dieser Roman ist in sich abgeschlossen und lässt dich hoffentlich mit einem Lächeln zurück.

Anmerkung:Fleesenow ist eine von der Autorin erfundene Kleinstadt an der Ostsee, die immer mal wieder in ihren Büchern vorkommt. Angesiedelt wäre Fleesenow, gäbe es den Ort wirklich, vermutlich irgendwo in der Nähe der Insel Poel oder Wismar, der Heimat der Autorin.

Prolog

Mark

____________

Inzwischen glaube ich, dass ich dich immer geliebt habe. Dass jedes Mal, wenn ich zu irgendwem gesagt habe, dass du und ich nur Freunde sind, ich das vor allem zu mir selbst gesagt habe. Damit ich die Gefühle in mir zum Schweigen bringe. Damit ich mich daran erinnere, wie wir zu zweit auf dem Klettergerüst sitzen und uns darüber streiten, wessen Kaugummiblase größer ist.

Ja, heute weiß ich, dass da immer mehr war als Freundschaft. Und doch habe ich keinen Plan, wie mir diese Gewissheit nutzen soll, wenn doch alles so viel schwieriger ist – und so wahnsinnig kompliziert.

Freundschaft ist gleich Liebe ist gleich Freundschaft.

Ergibt das einen Sinn?

Natürlich nicht. Aber wann ergibt die Liebe jemals einen Sinn? Liegt ihr Sinn nicht sogar darin, keinen Sinn zu ergeben? Weil sie eben niemals logisch ist?

Kapitel 1

Laura

____________

Es ist ein Sommermorgen, wie er im Buche steht. Ein Morgen, wie er nicht schöner sein könnte. Kurz gesagt: Ein Morgen in Fleesenow.

Schon immer war ich stolz darauf, in diesem kleinen Städtchen an der Ostsee aufgewachsen zu sein, weil sich Idylle und Leben nirgends so schön vereinen wie hier. Und wenn ich wie an diesem Morgen auf meiner rotschwarzkarierten Decke am Strand sitze, den Laptop auf meinen ausgestreckten Beinen und den Strohhut mit der breiten Krempe auf dem Kopf, komme ich mir vor wie im Paradies.

Ja, das hier ist definitiv das Paradies, vor allem, wenn die Sommerferien noch nicht angefangen haben und nicht so viele Leute am Meer sind wie sonst, schon gar nicht um diese Uhrzeit. Die perfekte Zeit, um an meinem aktuellen Manuskript zu arbeiten.

Auch wenn ich bereits seit einer halben Stunde hier bin, habe ich noch nicht gearbeitet, zumindest noch keine neuen Zeilen geschrieben. Stattdessen habe ich den Anfang des aktuellen Kapitels noch einmal quergelesen. »Don’t fall for Mr. Bedroom« wird das Buch heißen und bereits jetzt bestellen es meine Leserinnen fleißig vor, obwohl es noch gar nicht fertig ist. Zu wissen, dass sie bereits auf neuen Lesestoff aus meiner Feder warten, beschert mir jedes Mal ein geradezu euphorisches Gefühl. Und es bestätigt mir immer wieder, dass es richtig war, vor vier Jahren meinen Bürojob an den Nagel zu hängen und mich als Schriftstellerin selbstständig zu machen.

Davon kann man doch nicht leben!

Das waren die ängstlichen Worte meiner Mutter, aber sie kennt sich in der Branche eben nicht so gut aus wie ich. Schließlich veröffentliche ich schon seit fast zehn Jahren Liebesromane im Selbstverlag und habe das Glück, wirklich schnell zu schreiben und geradezu überzusprudeln vor neuen Ideen. So kann ich oft veröffentlichen und gut von den Einnahmen leben. Eine Tatsache, die inzwischen auch meine Mutter verinnerlicht hat.

Doch jetzt, wo ich auf den Bildschirm meines Laptops starre und den letzten Absatz zum mittlerweile fünften Mal lese, zweifele ich wieder mal an meinem eigenen Talent, weil ich einfach keinen Zugang zum nächsten Absatz finde. Mein Kopf scheint an diesem Morgen einfach leer zu sein.

Wieder lese ich die letzten Zeilen:

Die letzte Nacht scheint mir an diesem Morgen irgendwie unwirklich. So, als hätte ich nicht geschlafen, sondern die vergangenen Stunden in einer Art Trance verbracht.

Als ich aus dem Badezimmer komme und das kalte Wasser der Dusche meine Sinne halbwegs geweckt hat, kann ich mich nur an nackte Haut unter meinen Fingern erinnern. An leidenschaftliche Küsse und innige Umarmungen.

Ich kenne Schreibblockaden dieser Art, sie suchen mich immer mal wieder heim und lösen sich meist ziemlich schnell auf, aber heute brauche ich erstaunlich lange, um den toten Punkt zu überwinden.

Vielleicht sollte ich ein paar Runden schwimmen gehen. Das hilft mir meistens, wieder einen klaren Kopf zu bekommen und Inspirationen zu sammeln. Die besten Ideen für meine Bücher hatte ich erstaunlicherweise tatsächlich beim Schwimmen im Meer.

»Wusste ich doch, dass ich dich hier finde!«

Noch bevor ich aufschauen kann, setzt sich meine Schwester Hannah neben mich.

»Hey.« Ich klappe meinen Laptop zu. »Bist du denn nicht in der Bank?«

»Urlaub.« Sie schaut mich an. »Auch als Azubi hat man mal frei, weißt du?«

»Ja, schon klar. Ich wundere mich nur, dass du extra herkommst, um nach mir zu suchen. Oder brauchst du nur ein wenig Gesellschaft?«

»Boah, Laura.« Hannah rollt mit den Augen. »Du hast es echt vergessen, oder?«

»Vergessen?« Ich schaue sie fragend an. »Was denn vergessen?«

»Wenn du an einem deiner Bücher arbeitest, bist du echt auf einem anderen Planeten«, seufzt sie.

Mein verwirrter Blick ruht noch immer auf ihr, bis es mir schließlich einfällt.

»Ah, der Brunch mit Mama.« Ich greife nach meiner Laptoptasche. »Verdammt, das habe ich echt total vergessen.«

»Das dachte ich mir schon. Wir haben nämlich auf dich gewartet. Und dein Handy hast du offenbar auch nicht dabei.«

»Nee, das liegt zu Hause.« Ich packe meinen Laptop ein. »Wenn ich es dabei habe, lasse ich mich zu leicht von der Arbeit ablenken.«

»Also.« Hannah steht ebenfalls auf. »Können wir dann? Mama wartet schon. Und Kyra auch.«

»Kyra?« Ich schlüpfe in meine Sandalen. »Ich wusste gar nicht, dass die auch mit uns isst.«

»Ach, du weißt doch, wie oft die beiden zusammenhängen. Mich überrascht es nicht, dass sie dabei ist.«

»Nein, mich eigentlich auch nicht.«

»Seitdem sie sich von ihrem Mann getrennt hat, treffen sich die beiden sogar noch öfter. Ich glaube, Kyra sucht ein bisschen Trost bei Mama, weil sie das Ganze schon mal selbst durchgemacht hat.«

»Kann sein. Auch wenn die Scheidung von Papa ja schon ewig her ist.« Ich denke nach. »Fünf Jahre? Oder schon sechs?«

»Eher sechs. Als wir nämlich das erste Mal bei ihm in Hamburg waren, war ich 14.«

»Echt?« Ich versuche, mich zu erinnern. »Schon wieder so lange her.«

Wir gehen nebeneinander durch den Sand und steuern dabei den kleinen Holzpfad an, der hinauf zu den Schilfhügeln führt. Von dort aus sind es nur noch wenige Gehminuten zu unserem Elternhaus. Das Haus, in dem wir aufgewachsen sind und in dem Hannah immer noch wohnt, weil sie sich mit ihrem geringen Azubi-Gehalt keine eigene Wohnung leisten kann. Oder will?

Wie auch immer, sie ist ja auch erst 20 Jahre alt, da hat der Auszug noch Zeit. Ich selbst bin auch erst mit 21 in meine erste eigene Wohnung gezogen, in der ich auch heute noch lebe: Eine niedliche Dachgeschosswohnung über dem Supermarkt von Fleesenow mit eigener Außentreppe.

»Und?«, fragt Hannah, als wir die Strandpromenade erreichen. »Wie laufen die Buchverkäufe?«

»Beim letzten Buch eher nicht so gut«, seufze ich. »Aber dafür wird mein nächstes schon sehr gut vorbestellt. Das lässt auf einen Bestseller hoffen.«

»Ich drücke die Daumen. Du rockst das schon, Schwesterherz.«

»Wenn du das sagst.« Ich lache. »Der Erfolg variiert von Buch zu Buch, aber eine gewisse Stammleserschaft habe ich inzwischen bei jeder Veröffentlichung. Das beruhigt mich natürlich irgendwie.«

Als wir am Schaufenster des örtlichen Bäckers vorbeikommen, fällt mein Blick auf unsere Spiegelbilder. In diesem flüchtigen Moment des Vorbeigehens stelle ich wieder einmal fest, wie ähnlich wir uns sehen. Das lange blonde Haar, die zierliche Statur und der etwas zu lange Hals, der mich bei mir immer gestört hat, den ich aber bei Hannah hübsch und ansehnlich finde. Sofort schleicht sich Mamas Stimme in meinen Kopf:

Na, du hast aber eine seltsame Selbstwahrnehmung. Wie kommst du darauf, dass dein Hals zu lang ist? So was Lächerliches habe ich ja noch nie gehört.

»Warum macht Mama den Brunch noch mal?«, frage ich gedankenverloren.

»Keine Ahnung. Nur so.« Hannah zuckt mit den Schultern. »Du weißt doch, dass sie uns am liebsten immer um sich herum hat und bis heute nicht verstanden hat, dass du ausgezogen bist.«

»Ich werde bald 30, da wohnt man doch nicht mehr bei seiner Mutter.«

»Sag das nicht mir«, Hannah lacht, »sag das ihr.«

»Habe ich doch schon gefühlt tausendmal gemacht.«

Wir kommen an der Eisdiele vorbei, vor der ein paar Möwen Waffelreste verputzen und eine Mutter mit zwei kleinen Kindern vor dem offenen Verkaufsfenster steht.

»Wie läuft’s eigentlich bei dir und diesem …«

»Jan«, ergänzt Hannah sichtlich genervt, weil ich seinen Namen schon wieder vergessen habe.

»Genau.« Ich grinse. »Jan. Wie geht’s ihm?«

»Keine Ahnung. Gut, nehme ich an.«

»Was soll das heißen?« Ich werfe ihr einen skeptischen Blick zu. »Trefft ihr euch etwa nicht mehr?«

»Boah, Laura, du klingst echt schon wie Mama. Ist das ein Verhör, oder was?«

»Man wird doch wohl noch mal fragen dürfen.«

»Fragen kann man, aber es gibt halt nichts Spannendes zu berichten. Jan und ich waren ein paar Mal im Kino. Das war es auch schon. Keine große Sache. Zur Zeit zieht er halt wieder öfters mit seinen Kumpels los.«

»Verstehe.«

Arme Hannah! Auch diese Eigenschaft haben wir beide definitiv gemeinsam: Das eigene Pech mit den Kerlen herunterzuspielen, weil wir uns selbst nicht eingestehen wollen, dass wir einfach nicht den richtigen Mann finden. Nur mit dem Unterschied, dass sie mit ihren knackig jungen 20 Jahren noch alle Zeit der Welt hat, während ich das Gefühl habe, meine biologische Uhr so laut wie die Fleesenower Kirchenglocke ticken zu hören.

Das ist natürlich völliger Blödsinn, immerhin bin auch ich erst 29. Aber ich hatte schon immer das – nennen wir es mal – Talent, recht weit in die Zukunft zu schauen und mir einzureden, dass ein Problem, das jetzt allerhöchstens ein bisschen nervig ist, schon in ein paar Jahren sehr viel schwerer wiegen und mein gesamtes Leben überschatten wird.

Direkt neben der alten Schule führt der Bürgersteig in eine Sackgasse mit mehreren Einfamilienhäusern. Das erste auf der rechten Seite ist das Haus meiner Mutter. Ein altes Fachwerkhaus, das das letzte Mal vor fünf Jahren erneuert wurde und eines der schönsten Häuser hier in Fleesenow ist. Und das sage ich völlig unvoreingenommen. Mama hat es als junge Frau von ihrem Vater geerbt, den leider weder Hannah noch ich kennenlernen durften. Bis zu meinem siebten Lebensjahr wohnte auch meine Oma mit uns in dem Haus.

Ach, ich werde schon wieder ganz sentimental.

»Was ist?« Hannah betrachtet mich grinsend von der Seite. »Hast du Schiss?«

»Schiss?« Ich schaue sie an. »Wieso denn Schiss?«

»Keine Ahnung. Du guckst so komisch.«

»Quatsch!« Ich lache, während ich das Eisentor zwischen den beiden niedrigen Betonpfählen öffne. »Vielleicht hast du ja Schiss.«

»Ich?« Hannah folgt mir grinsend. »Ich wohne hier. Wieso sollte ich da Schiss haben?«

Ich zwinkere ihr verschwörerisch zu, dann nehmen wir den schmalen Kieselweg zwischen den Rosenbüschen, um zur Haustür zu gelangen. Doch noch bevor wir die Stufen der Steintreppe nehmen können, öffnet Mama die Tür und kommt uns aufgeregt entgegen.

»Mensch, Laura«, sie seufzt, »wo warst du denn? Wir haben tausendmal versucht, dich zu erreichen.«

»Sie war am Strand«, antwortet Hannah für mich, während sie ins Haus geht. »So wie ich gesagt habe. Ihr Handy war zu Hause.«

»Was ist denn los mit euch?« Ich gehe die Stufen hinauf. »Ihr seid ja so nervös, als würde eine Hochzeit oder so stattfinden.«

Nun taucht auch Kyra neben meiner Mutter auf. Für wenige Sekunden stehen sie nebeneinander und geben dabei das für sie so typische Bild ab: Kyra und Julia, beide Anfang 50, beide alleinstehend, beide mit dem fast selben kupferroten Long Bob – und noch dazu beste Freundinnen seit fast 30 Jahren. Das weiß ich nämlich deshalb so genau, weil sie sich auf der Entbindungsstation kennengelernt und angefreundet haben. Sie lagen im selben Zimmer und brachten am selben Tag ihre Kinder zur Welt: Mark und mich. Und genau wie die beiden wurden auch Mark und ich beste Freunde.

Unglaublich, wie lange das alles her ist.

»Hey Kyra«, ich schlage im Vorbeigehen ihre Hand ab, »alles okay bei dir?«

»Na klar, alles gut.« Sie grinst.

Zusammen gehen wir alle zurück ins Haus. Drinnen angekommen fällt mein Blick sofort auf den hübsch gedeckten Tisch aus Kirschbaumholz, den Mama ins Foyer geschoben hat. Darauf platziert hat sie mehrere Servierplatten mit verschiedensten Häppchen und Obstspießen.

»Mama.« Ich bleibe mit offenem Mund stehen. »Wie viel Mühe hast du dir denn gemacht? Es sollte doch nur ein ganz normaler Brunch werden.«

»Ich wollte eben, dass es etwas Besonderes wird.« Sie presst die Hände aneinander und lächelt geheimnisvoll. Ein Lächeln, das mich stutzig macht.

»Was ist hier los?« Ich lege meine Laptoptasche in die obere Schublade der Flurgarderobe, wie ich es immer tue, wenn ich hier zwischen zwei Mahlzeiten arbeite. Und wenn die eigene kochbegeisterte Mutter im selben Ort lebt wie man selbst, kommt das häufiger vor.

»Na ja«, antwortet Mama in verschwörerischem Unterton, während sich Kyra und Hannah wie selbstverständlich an den Tisch setzen, als wäre dieser Ablauf bereits vorher abgesprochen worden.

»Was soll das heißen Na ja?«, frage ich verwirrt.

Ich schaue zu Hannah und Kyra, die ebenfalls ganz seltsam grinsen.

»Du kannst runterkommen!«, ruft Mama plötzlich in Richtung Treppe.

Ein Überraschungsgast? Wer bitte soll das sein?

Kapitel 2

Mark

____________

Als ich die Stufen nach unten nehme, komme ich mir vor wie in einer Überraschungsshow, in der sich verlorengeglaubte Verwandte nach Jahrzehnten wiedertreffen. Es war Mamas Idee, dass ich mit zum Brunch komme und wir Laura damit überraschen. Eine Idee, die ich anfangs auch ganz gut fand, aber jetzt, wo ich sozusagen wie ein Stargast präsentiert werden soll, komme ich mir ziemlich dämlich vor.

Endlich erreiche ich das Erdgeschoss – und da steht sie. Mit denselben großen Augen, die sie schon früher hatte. Strahlend blau wie das Ostseewasser, honigblondes Haar, hübsches Lächeln.

Aber das Lächeln erahne ich nur, denn sie ist viel zu überrascht, um zu lächeln.

»Mark?«, fragt sie mit offenem Mund. »Was machst du denn hier?«

»Tja, schätze, ich habe eine Einladung zum Brunch bekommen.« Lachend komme ich auf sie zu und nehme sie in den Arm.

»Oh Gott, das ist ja Ewigkeiten her«, sagt sie verwirrt. »Wann bist du nach Stuttgart gegangen? Vor fünf Jahren?«

»Ziemlich genau fünf Jahre«, erklärt meine Mutter vom Tisch aus. »Fünf Jahre, in denen er kein einziges Mal hier war, der treulose Auswanderer.«

»War klar, dass du wieder damit anfängst.« Ich schicke ein Augenrollen in ihre Richtung.

»Keine schlechte Stimmung, bitte.« Julia klatscht zweimal in die Hände. »Ich habe euch zum Brunch eingeladen, um etwas zu feiern. Und dabei ist jede negative Schwingung strengstens verboten, habt ihr gehört?«

»Ich kann das echt kaum glauben.« Laura sieht mich mit großen Augen an. »Du bist wirklich hier.«

»Die besten Freunde endlich wieder vereint«, ruft Hannah uns vom Tisch aus zu.

Ich schaue in Lauras Augen und frage mich, ob sie in diesem Moment dasselbe denkt wie ich: Dass von unserem Beste-Freunde-Gespann, das wir einmal waren, nicht allzu viel übriggeblieben ist.

»Ja.« Laura schaut mit leicht gequältem Grinsen zu ihrer Schwester, doch ich kann sehen, dass ich mit meiner Vermutung richtig lag, sie denkt dasselbe wie ich: Beste Freunde, Mark und Laura? Das war einmal! Dafür ist zu viel Zeit vergangen, zu viel passiert. Und letztendlich kann man vermutlich mir die Schuld dafür in die Schuhe schieben.

»Und?«, fragt Julia. »Ist die Überraschung geglückt?«

»Ähm, ja.« Laura wendet sich von mir ab und zieht einen der Stühle vom Tisch, um sich zu setzen. »Echt schön, Mark mal wieder zu sehen.«

Hatte ich also doch recht: Die Idee, meine Rückkehr als Riesenüberraschung für Laura zu inszenieren, war einfach nur lächerlich und maßlos übertrieben. Ja, wir waren mal beste Freunde, aber das ist Ewigkeiten her. Jeder von uns lebt inzwischen sein eigenes Leben.

»Also, worauf wartest du?« Julia zieht den Stuhl neben Laura für mich zurück. »Setz dich!«

Nach kurzem Zögern komme ich ihrer Bitte nach und nehme neben Laura Platz, direkt gegenüber von meiner Mutter, die mich noch immer anschaut, als wäre ich ein neugeborenes Baby.

»Ich kann es noch immer nicht glauben, dass du wirklich zurück bist«, seufzt Mama mit verklärtem Lächeln, während sie nach ihrem Wasserglas greift.

»Moment mal«, Laura gießt sich etwas Orangensaft ins Glas. »Heißt das etwa, du bist dauerhaft zurück?«

»Schätze schon«, antworte ich.

Laura sieht mich erstaunt an. Ich versuche, ihren Blick zu deuten, doch nach all den Jahren habe ich den Eindruck, sie nicht mehr wirklich zu kennen.

Was, wenn sie wüsste, warum ich wirklich hier bin? Würde sie jetzt einfach aufstehen und den Raum verlassen? Oder würde sie mich verstehen? Sich vielleicht sogar freuen?

Ich habe keine Ahnung. Alles, was ich weiß, ist, dass es keine andere Wahl für mich gab und dass ich froh bin, endlich wieder hier zu sein. Hier, wo noch immer meine Heimat ist. Hier, wo auch Laura nach wie vor ein Teil meiner Heimat ist – auch wenn wir uns nicht nur räumlich sehr voneinander entfernt haben.

»Gefällt dir denn der Job bei diesem Autohersteller nicht mehr?«, fragt Laura.

»Es gab ein paar Unstimmigkeiten mit der Geschäftsleitung«, sage ich, weil es das Erste ist, das mir einfällt. »Ich weiß zwar noch nicht genau, wie es beruflich für mich weitergeht, aber ich habe auf jeden Fall vor, meine Zelte wieder in Fleesenow aufzuschlagen. Der Rest ergibt sich dann von allein.«

»Der Meinung bin ich auch.« Mama nimmt sich ein Lachshäppchen von der Platte. »Jetzt bist du erst mal hier. Alles andere kommt später.«

»Ich bin auch sicher, dass du schnell etwas anderes finden wirst«, sagt nun auch Julia. »Ein junger Mann mit deiner Erfahrung. Das dürfte nun wirklich kein Problem sein.«

Nur Laura sagt nichts. Sie scheint noch immer damit beschäftigt zu sein, meine Anwesenheit überhaupt erst zu realisieren.

Wenn sie wüsste, was ich weiß.

Nein, dafür ist noch nicht der richtige Zeitpunkt gekommen. Wenn ich eins weiß, dann das.

»Wohnst du denn jetzt erst mal bei deiner Mutter?«, fragt Hannah, die sich gerade ein Stück Melone in den Mund schiebt.

Ich nicke. »Vorerst ja. Danach sehen wir weiter.«

»Also von mir aus kannst du für immer bleiben«, sagt Mama strahlend. »Wir können das untere Stockwerk auch komplett zu deinem machen, um dir eine gewisse Privatsphäre zu ermöglichen. Ihr wisst schon«, sie zwinkert Julia zu, »Männern ist es ja immer besonders wichtig, behaupten zu können, nicht mehr mit ihrer Mutter zusammenzuwohnen. So könnte man wenigstens sagen, dass wir nicht wirklich zusammen leben.«

»Und genau deshalb werde ich mir auch etwas eigenes suchen.« Ich zwinkere ihr zu. »Denn es wäre nun mal trotzdem dasselbe Haus. Das geht einfach nicht, Mama.«

»Wer sagt das?« Mama hebt die Augenbrauen. »Die Gesellschaft?«

»Ich verstehe ihn«, mischt sich nun Hannah ein, »noch bei den Eltern zu wohnen oder eben bei der Mutter, ist irgendwie komisch.«

»Ach ja?« Julia sieht ihre Tochter prüfend an. »Heißt das, du ziehst morgen aus?«

»So meinte ich das nicht, Mama.« Sie lächelt verlegen. »Ich bin doch froh, hier zu wohnen. Aber mit 30 will ich dann schon was Eigenes haben.«

Doch je lebhafter sich die anderen am Tisch unterhalten, desto stiller wird Laura. Und je stiller sie wird, desto größer wird mein Interesse an ihren Gedanken.

Braucht sie einfach nur einen Moment, um überhaupt zu kapieren, dass ich zurück bin?

Kapitel 3

Laura

____________

Ich kann noch immer nicht glauben, dass er nach all den Jahren plötzlich einfach so neben mir sitzt. So, als wäre er keinen einzigen Tag weggewesen. Und doch ist irgendwie alles anders. Fast fühlt es sich an, als wäre er ein Fremder. Ein Mann, der mit seinen durchdringenden kaffeebraunen Augen und dem leicht zerzausten Haar im selben Farbton zwar optisch noch als mein bester Freund Mark zu erkennen ist, aber der sich doch nicht mehr wie MEIN Mark anfühlt.

Mein Mark. Wie das klingt. Aber damals war er das eben. Er und ich, wir waren wie Pech und Schwefel. Rein platonisch und doch so nahe, wie man sich nur stehen kann.

Und dann? Von einem auf den anderen Tag zog er der Liebe wegen nach Stuttgart. Die Liebe ging recht schnell verloren, aber der Job gefiel ihm, also blieb er. Als wäre es das Leichteste der Welt, Fleesenow – und mich – einfach hinter sich zu lassen. Und wie es das Schicksal wollte, brach auch unser Kontakt nach und nach ab. Anfangs wurde er nur sporadischer, weil seine neue Freundin offenbar eifersüchtig war und mit der Zeit hatte dann offenbar keiner von uns beiden noch echtes Interesse daran, eine Freundschaft aus der Ferne am Leben zu halten.

So ist es vermutlich, das Leben. Menschen kommen und gehen, selbst diejenigen, von denen man glaubte, für immer auf sie zählen zu können.

»Wie geht’s eigentlich Anna?«, frage ich in einem leicht sarkastischen Tonfall, den ich schon damals immer angenommen habe, wenn ich von ihr gesprochen habe. Ein Tonfall, der sich wie von selbst in meine Stimme schleicht, ohne dass ich es eigentlich möchte.

»Wieso fragst du nach ihr?«, entgegnet Mark leicht gereizt. »Du weißt doch genau, dass wir schon ewig nicht mehr zusammen sind.«

»Hätte ja sein können, dass ihr euch noch mal wiedergesehen habt«, sage ich schulterzuckend. »Ich weiß ja gar nicht mehr, was so los ist in deinem Leben.«

»Na, das wird sich ja jetzt sicher wieder ändern.« Kyra schenkt mir ein zuversichtliches Lächeln. »Endlich seid ihr zwei wieder vereint.«

»Ja«, antworte ich schmallippig. »Endlich.«

Doch während ich an meinem Orangensaft nippe, frage ich mich, was genau das hier eigentlich soll. Diese lächerliche Überraschungs-Inszenierung, als hätte mein Leben erst mit Marks Rückkehr wieder einen Sinn. Ist meiner Mutter und den anderen denn nicht klar, dass er inzwischen ein Fremder für mich ist? Dass unsere Freundschaft, so tief sie auch mal war, heute keinerlei Bedeutung mehr hat?

»Ach, es ist so schön, euch beide wieder vereint zu sehen.« Mama legt die Hand seufzend auf die Brust. »Die besten Freunde. Pech und Schwefel. Genau wie damals.«

Mark und ich senken schweigend die Blicke auf unsere Teller, während ich mich frage, was ihm wohl gerade durch den Kopf geht. War dieser Überraschungsbrunch etwa seine Idee? Er weiß doch selbst nur zu gut, dass das, was uns einst verbunden hat, heute nicht mehr existiert. Oder bin ich die Einzige, der klar ist, dass wir zwei nicht mehr dieselben wie damals sind?

»Und?«, fragt Kyra plötzlich an Mark gewandt. »Willst du nicht anfangen, mit Laura die Pläne für morgen zu schmieden?«

»Pläne?« Ich schaue auf. »Was denn für Pläne?«

»Schon vergessen, dass ihr beide am selben Tag Geburtstag habt?«, fragt Kyra. »Und man wird schließlich nur einmal dreißig. Wäre doch toll, wenn ihr diesen besonderen Tag zusammen feiern könntet.«

»Mama!« Mark rollt mit den Augen. »Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht feiern werde. Weder mit Laura noch allein. Ich habe einfach keinen Nerv dafür.«

»So ein Blödsinn!« Kyra seufzt. »So einen Tag muss man doch feiern.«

»Wer sagt das?« Mark nimmt sich eine Bierflasche vom Tisch und öffnet sie mit dem Flaschenöffner.

»Also wirklich«, platzt es plötzlich aus mir heraus, »glaubt ihr alle wirklich ernsthaft daran, dass Mark und ich zusammen feiern würden?« Ich schaue meine Mutter und Kyra abwechselnd an. »Ja, wir waren mal beste Freunde, aber seit damals ist viel Zeit vergangen. Jeder von uns führt jetzt sein eigenes Leben. So was passiert eben. Aber das muss man doch nicht künstlich am Leben halten.«

»Künstlich am Leben halten?«, fragt Mama mit offenem Mund. »Warum bist du denn plötzlich so herzlos?«

»Du bist immer noch sauer, weil er damals wegen Anna nach Stuttgart gegangen ist, oder?« Kyra sieht mich mitfühlend an. »Das kann ich verstehen.«

»Ich bin weder sauer noch sonst was.« Ich seufze. »Wenn, dann bin ich höchstens genervt, weil ihr so tut, als wären wir noch zwei Teenies, die zusammen im Baumhaus übernachten. Wir sind erwachsen, verdammt noch mal.«

»Das Baumhaus«, wirft Hannah fröhlich ein, als hätte sie meine miese Laune nicht bemerkt, »das war damals euer Treffpunkt, oder?« Sie sieht Mark an, doch der weicht ihrem Blick mit stummem Grinsen aus. Meine Wut scheint ihn offenbar eher zu amüsieren als zu irritieren.

»Was gibt’s denn da zu grinsen?«, fragt Kyra entsetzt.

»Nichts«, antwortet Mark. »Aber ihr müsst zugeben, dass dieses ganze Trara um meine Rückkehr nach Fleesenow wirklich ein wenig übertrieben ist. Dafür hätte es nun echt keinen eigenen Brunch gebraucht.«

»Einen Brunch mache ich auch so öfter mal«, antwortet Mama leicht eingeschnappt. »Ohne besonderen Anlass.«

»Sorry, Julia«, antwortet Mark, »ich meinte damit nicht dich persönlich. Ich finde das wirklich wahnsinnig nett, aber wenn ich wirklich der Grund für all die Mühe sein sollte, ist es mir auch irgendwie unangenehm.«

Kapitel 4

Mark

____________

Eine seltsame Stille breitet sich aus. Alle essen eher schweigsam weiter, doch die Einzige, die ich wirklich bewusst wahrnehme, ist Laura neben mir.

Dass sie es mir damals übelgenommen hat, dass ich wegen einer Internetliebe nach Stuttgart gegangen bin, habe ich nie von ihr zu hören bekommen, es aber oft vermutet. Ist sie deswegen so schlecht auf mich zu sprechen? Hat sie deshalb nie versucht, unsere Freundschaft über die Ferne hinweg aufrechtzuerhalten?

Die Wahrheit ist vermutlich, dass wir uns beide nicht genügend angestrengt haben, in Kontakt zu bleiben. Sie vielleicht aus Wut wegen Anna, ich aus Gründen, die ich vor mir selbst viel zu lange verborgen habe.-

»Laura könnte sowieso keine Party zusammen mit Mark machen«, wirft Hannah plötzlich ein.

»Ach ja?«, fragt Julia ihre jüngere Tochter erwartungsvoll. »Und warum das nicht?«

»Na ja, weil Laura doch dieses Lesertreffen veranstaltet«, erklärt Hannah.

»Lesertreffen?«, fragt meine Mutter. »An deinem Geburtstag, Laura?«

Laura nickt. »Ich habe eine recht große Lesergruppe auf Facebook. Ich fand es eine nette Idee, ein Treffen an meinem Geburtstag zu veranstalten. Ich hatte eh keine große Party geplant. Nun wird es eben ein Lesertreffen in Piets Restaurant.«

»In Piets Restaurant?«, frage ich.

Sie sieht mich an. »Ja genau.« Sie lächelt. »Ich freue mich schon darauf.«

Doch insgeheim frage ich mich, ob sie keine echten Freunde hat, mit denen sie ihren Geburtstag feiern kann. Oder kommen die auch zu ihrem sogenannten Lesertreffen?

Fragen, die ich mich nicht traue, laut auszusprechen, aber der Gedanke, dass es ihr wie mir geht, kommt mir schon flüchtig, denn seitdem sich unsere Freundschaft mehr oder weniger in Luft aufgelöst hat, habe ich nie wieder eine gleichwertige, ebenso intensive Freundschaft schließen können wie mit Laura.

Weil ich jeden potenziellen Freund mit ihr verglichen habe? Mit dem, was uns einst miteinander verbunden hat? Oder weil ich Angst davor hatte, mich wieder zu sehr in eine vertrauliche Bindung zu stürzen, die dann doch wieder zerbricht?

Vielleicht ist das der Grund, warum ich inzwischen nur noch Kumpels und Bekannte habe, aber keine engen Freunde mehr. Auch wenn ich das bewusst nie so geplant hatte.

»Ihr könnt sagen, was ihr wollt«, platzt es plötzlich aus meiner Mutter heraus, »aber ich freue mich trotzdem, dass wir heute alle vereint sind.«

»Ja«, murmelt Laura vor sich hin, »ist ja auch schön.«

Dann setzt wieder diese bedrückende Stille ein, der ich am liebsten sofort entfliehen würde. Aber gleichzeitig muss ich auch an das große Ganze denken und daran, warum ich wirklich zurückgekommen bin.

Ja, der Anfang hier mag erst mal schwer erscheinen, aber ich werde es durchziehen. Komme, was wolle.

Kapitel 5

Rückblende

14 Jahre zuvor

Mark

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Ich durchquere das kleine Eisentor, als wäre es mein eigenes Grundstück, das ich betrete. Doch ich weiß, dass es Lauras Eltern nicht stört, wenn ich das tue. Sie wissen ohnehin, was mein eigentliches Ziel ist: Das Baumhaus am Ende des Grundstücks, direkt auf der alten Eiche.

Während ich den altbekannten Weg abseits der Rosenbüsche über den Rasen nehme, wird das leise Wimmern, das aus dem Baumhaus kommt, zu einem lauten Schluchzen. Ein Schluchzen, das ich nicht zum ersten Mal miterlebe.

Es ist einfach Lauras Art, sich ständig in die falschen Kerle zu verlieben. Wenn auf dem Schulhof dreißig nette Typen stehen, die auch noch cool und schwer in Ordnung sind und nur ein einziger Kerl, dem man schon von Weitem ansieht, dass er Dreck am Stecken hat, kann man sicher sein, dass sich Laura in diesen einen Typen verknallt.

Als ich die breite Holzleiter erreiche, zögere ich kurz und frage mich, ob sie vielleicht lieber allein wäre. Aber hätte sie mir dann die SMS geschrieben?

Sicher nicht.

Also steige ich die knarrenden Sprossen hinauf und finde sie schließlich auf der gepolsterten Holzbank unter dem Fenster sitzend, die Arme fest um ihre angewinkelten Knien geschlungen, während sie langsam vor und zurück wippt, als könnte sie allein diese Bewegung wieder beruhigen.

»Ach, Süße.« Ich betrete das Baumhaus und ziehe den alten Sitzsack aus der Ecke. »Du lernst es echt nicht, oder?«

»Bist du hier, um mir Vorwürfe zu machen?«, schluchzt sie. »Dann geh lieber wieder, ich glaube nämlich, dass ich heute für nichts garantieren kann.«

»Ich bin hier, um dich auf andere Gedanken zu bringen.« Ich ziehe den Sitzsack direkt neben die Bank und setze mich. »Und um dich daran zu erinnern, worum du mich beim letzten Mal selbst gebeten hast: Dass ich nie wieder zulasse, dass du dich in den falschen Typen verliebst.«

»Tja.« Sie lacht unter Tränen. »Und? Hast du es verhindert? Nein!«

»Tut mir leid, Süße.« Ich seufze. »Aber wenn du dich Hals über Kopf verknallst, kann man nicht viel dagegen tun, das wissen wir beide. Ich kann einfach nur hoffen, dass du dieses Mal daraus lernst, denn dieser Kerl toppt echt alle Fehlentscheidungen von dir.«

»Ja«, wimmert sie, »das kannst du wohl laut sagen. Einen Autodieb und Fremdgänger hatte ich bisher noch nicht. Also zumindest nicht beides gleichzeitig.«

»Es kam mir gleich komisch vor, dass der neu auf der Schule war und etwa zur selben Zeit die Diebstähle anfingen.«

»Es kam dir komisch vor?« Sie sieht mich mit verheulten Augen an. »Und warum hast du mir dann nichts gesagt?«

»Dann wäre ich doch wieder der Böse gewesen, der nur dein Glück ruinieren will.« Ich seufze. »Wir wissen doch beide, dass du immer erst dann auf mich hörst, wenn es zu spät ist. Vorher hat deine rosarote Brille einfach zu dicke Gläser.«

Sie lässt ihren Blick aus dem kleinen Fenster neben der Bank wandern und schweigt. Es ist ihr deutlich anzusehen, dass ihr dieser Liebeskummer noch mehr zu schaffen macht als die vorherigen.

Liegt es daran, dass ihr langsam klar wird, dass sie immer auf die falschen Typen hereinfällt? Oder hat sie in diesem Gauner tatsächlich mehr gesehen als in all ihren anderen »Dieses Mal ist es der Richtige«-Kandidaten?

»Ich sag dir was, Mark.« Ihr Blick ist noch immer zum Fenster gerichtet. »Wenn ich könnte, würde ich mich sofort in dich verlieben.« Jetzt schaut sie mir direkt in die Augen. »Das wäre echt die beste Entscheidung. Auf dich kann man sich wenigstens immer verlassen.«

Dieser Satz sorgt für einen seltsamen Stich in meinem Herzen. Ein Stich, den ich mir selbst nicht so recht erklären kann.

»Tja«, antworte ich nach kurzem Zögern, »und habe ich selbst auch ein Wörtchen dabei mitzureden?«

»Nein, hast du nicht.« Sie lächelt unter Tränen. »Du wirst dich natürlich auch sofort in mich verlieben, ist doch klar. Anders würde es ja nicht funktionieren.«

Ich lache – und doch spüre ich diesen seltsamen Stich im Herzen noch immer.

Schweigen breitet sich zwischen uns aus, während ihr Blick wieder nach draußen wandert und ich mich mit dem Rücken gegen die Bank lehne und ins Leere starre.

»Weißt du was?«, beginne ich schließlich nach einer Weile. »Wenn wir beide später mal, sagen wir mit 30 oder so, noch immer Single sind, dann ist es völlig egal, ob wir wirklich ineinander verliebt sind oder nicht. Dann heiraten wir uns einfach gegenseitig, was sagst du?«

»Prima Idee.« Sie wendet ihren Blick vom Fenster ab.

»Dann wäre das also geklärt.«

Ich lache, doch Laura ist plötzlich wie wachgerüttelt. Sie steht von der Bank auf, setzt sich neben mir auf die Knie und reicht mir die Hand.

»Lass uns drauf einschlagen«, sagt sie. »Wie bei einem echten Deal.«

Ich schlage ein. »Alles klar.«

»Wenn wir mit 30 immer noch Single sind«, sagt sie noch einmal mit Nachdruck, »dann heiraten wir uns einfach gegenseitig.«

»Bin dabei.« Ich grinse frech.

»Deal«, entgegnet sie.

»Deal«, antworte ich.

Kapitel 6

Gegenwart

Laura

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»Und du willst wirklich schon nach Hause?«, fragt Mama in besorgtem Unterton, als ich meine Laptoptasche aus der Schublade hole.

»Ich muss noch arbeiten, Mama. Außerdem sind Kyra und Mark doch auch schon los.«

»Ja, aber du kannst doch auch hier schreiben«, sagt sie.

»Nein, Mama, ich will jetzt wirklich nach Hause. Da kann ich mich einfach am besten konzentrieren.«

Mit der Laptoptasche in der Hand gehe ich zur Haustür.

»Bist du etwa immer noch böse?«, fragt sie, als sie mich erreicht hat. »Dir ist doch schon klar, dass wir es nur gut gemeint haben, oder?«

»Ja, Mama, das weiß ich.« Ich ringe mir ein kleines Lächeln ab. »Und es tut mir leid, dass ich euch so angefahren habe. Aber das mit Mark und mir, das ist nicht mehr wie früher.«

»Aber das kann es vielleicht wieder werden«, sagt sie in zuversichtlichem Tonfall.

»Ja, vielleicht«, antworte ich mit sanfter Stimme, weil ich noch immer ein schlechtes Gewissen wegen meiner miesen Laune habe. »Ich gehe jetzt erstmal.« Ich nehme sie in den Arm. »Danke für das leckere Essen. Aber du musst dir echt nicht immer so viel Mühe machen.«

»Das macht mir keine Mühe.«

Ich werfe ihr einen letzten Blick zu, dann öffne ich schließlich die Tür. Draußen angekommen sehe ich Hannah, die auf der Bank neben dem Schuppen sitzt und eine Zigarette raucht.

»Ich dachte, du hättest aufgehört.« Ich gehe die Stufen herunter.

»Stimmt ja auch«, seufzt sie, »aber manchmal, wenn ich besonders gestresst bin, genehmige ich mir doch noch eine.«

»Findet Mama sicher super.«

»Ich bin kein Kind mehr, oder?« Sie pustet den Rauch aus und schaut ins Leere. »Genauso wenig wie du.«

Spielt sie mit ihrem Kommentar auf die Tatsache an, dass Kyra und Mama das große Wiedersehen zwischen Mark und mir feiern wollten, ohne mich vorher zu fragen?

»Hast du davon gewusst?« Ich setze mich neben sie.

»Von Mark?« Hannah zuckt mit den Schultern. »Tut mir echt leid, dass ich dich nicht vorgewarnt habe, aber ich hatte es versprochen. Ich musste mehrmals schwören, dass ich dichthalte.«

»Na, das ist dir auf jeden Fall gelungen.« Seufzend lehne ich mich zurück. »Ich hatte echt keine Ahnung.«

Wir schweigen eine Weile. Deshalb trifft mich Hannahs Frage auch unerwartet.

»Sag mal, hattet ihr mal was miteinander?«, fragt sie ohne Vorwarnung.

»Mark und ich?« Ich schaue sie verwirrt an. »Wie kommst du denn auf so einen Blödsinn?«

»Na ja, so wie du vorhin ausgerastet bist, muss man ja annehmen, dass da mal was gelaufen ist zwischen euch.«

Ich spüre, wie mir das Blut in den Kopf schießt. Auch wenn Mark und ich nie mehr waren als Freunde, macht Hannahs Kommentar etwas mit mir.

»Ich war einfach nur tierisch genervt«, erkläre ich. »Die beiden haben ja so getan, als wäre es ein Jahrhundertereignis, das Mark wieder hier ist. Und er selbst hat bei dem ganzen Theater auch noch mitgemacht.«

»Na ja, aber er hat auch gesagt, dass er das ebenfalls ein bisschen übertrieben findet.«

»Ja, kann sein.« Ich zucke mit den Schultern. »Jedenfalls fand ich das alles total dämlich. Und es hat mich irgendwie auch wahnsinnig unter Druck gesetzt. Als müsste ich ihm jetzt heulend um den Hals fallen, als hätte mein Leben erst mit ihm wieder einen Sinn.«

»Na ja«, Hannah nimmt einen tiefen Zug von ihrer Zigarette, »ihr wart damals nun mal ziemlich eng miteinander. Mama und Kyra haben es nur gut gemeint. Vielleicht hängen sie sich jetzt auch so an dieses Ereignis, weil sich Kyra gerade von Jon getrennt hat.«

»Er ist inzwischen ausgezogen, oder?« Ich seufze.

»Ja, schon vor ein paar Wochen.« Hannah blickt ins Leere. »Hätte nie gedacht, dass sich die beiden mal trennen. Die waren doch echt immer nur zu zweit unterwegs.«

»Vielleicht war das das Problem«, antworte ich nachdenklich.

»Keine Ahnung.« Hannah zuckt mit den Schultern. »Ich habe nur mitbekommen, dass er jetzt in Wismar wohnt.«

»Aber eine Neue hat er doch nicht, oder?«

»Nicht dass ich wüsste«, antwortet Hannah.

Schweigen breitet sich zwischen uns aus, während wir nebeneinander auf der Bank sitzen und ins Leere schauen. Der Moment hat etwas Unwirkliches. Ob es an Marks Rückkehr liegt? Daran, dass die Vergangenheit und die Gegenwart irgendwie miteinander verschmolzen sind?

»Vielleicht können Mark und du ja wieder Freunde werden«, sagt Hannah nach einer Weile.

»Ja, vielleicht.« Ich denke nach. »Vielleicht sind wir das irgendwie auch immer geblieben, ohne uns dessen bewusst zu sein. Keine Ahnung. Ich weiß nur, dass dieses riesige Tamtam einfach nur maßlos übertrieben war.«

»Das haben wir inzwischen alle begriffen.« Hannah rollt lachend mit den Augen. »Lass uns lieber über morgen reden.«

»Du meinst, über den Geburtstag, den Mark und ich nach der Meinung unserer Mütter ebenfalls zusammen feiern sollten?«

»Sie haben es nur gut gemeint«, sagt Hannah. »Aber mal ehrlich: Brauchst du noch Hilfe wegen morgen?«

»Lieb von dir.« Ich winke ab. »Aber genau deshalb lasse ich die Party in Piets Restaurant steigen. Er kümmert sich um alles, ich muss einfach nur dort auftauchen – also die Gäste und ich. Den Rest erledigen er und sein Personal.«

»Na ja, kostet aber sicher auch einiges, oder?« Hannahs Augen werden größer.

»Ach, so viel nun auch wieder nicht«, antworte ich. »Und wie hat Kyra gerade so schön gesagt? Man wird schließlich nur einmal dreißig.«

»War das nicht Mama, die das gesagt hat?«

»Wie auch immer.« Ich atme tief ein. »Ich freue mich drauf. Das wird bestimmt eine tolle Party.« Ich schaue sie an. »Willst du nicht doch kommen?«

»Ach nee, Schwesterchen, lass mal.« Sie macht eine wegwerfende Handbewegung. »Dein letztes Lesertreffen hat mir echt gereicht. Mama wollte doch die Tage noch mal ein richtig tolles Abendessen für dich machen. Das wird dann halt die zweite Party – eben nur für die Familie.«

»Ach, Schwesterchen.« Ich kneife ihr sanft in die Wange. »Warum kommst du denn nicht? Das letzte Lesertreffen war doch gar nicht so schlecht.«

»Gar nicht so schlecht?« Sie lacht bitter. »Hast du schon den Typen mit dem Schnauzer vergessen?«

»Ja, Lewis war echt ein sehr spezieller Gast.« Ich muss ebenfalls lachen. »Aber er hatte halt ein Auge auf dich geworfen.«

»Vielleicht weil er dich nicht kriegen konnte?«

»Er war der einzige männliche Gast«, antworte ich. »Und ich dachte echt, er wäre ein Leser. Wer konnte denn ahnen, dass er das Treffen als Singlebörse betrachten würde?«

»Jetzt kannst du drüber lachen.« Hannah seufzt. »Aber ich fand ihn ziemlich aufdringlich.«

»Ach, der war doch ganz harmlos.« Ich mache eine flüchtige Handbewegung. »Außerdem habe ich dieses Mal ganz genau darauf geachtet, wer alles kommt. Du wirst sehen, das wird ganz toll.«

»Mal schauen.« Hannah zuckt mit den Schultern. »Vielleicht komme ich spontan vorbei. Ich weiß noch nicht.«

»Es ist mein Geburtstag, Schätzchen.« Ich zwinkere ihr zu. »Da wirst du mich doch nicht hängen lassen, oder?«

»Wenn du normale Geburtstagsgäste haben möchtest, dann musst du auch eine normale Geburtstagsparty feiern. So einfach ist das.«

»Tja, vielleicht feiere ich mit meinen Leserinnen, weil ich keine echten Freunde habe.« Ich verziehe das Gesicht. »Manchmal ist die Wahrheit dann doch so simpel.«

»Ach, so kannst du das nun auch wieder nicht sagen.« Hannah sieht mich mitfühlend an. »Du hast doch ein paar Mädels, mit denen du ab und zu ins Kino gehst oder zum Shoppen.«

»Ein paar Mädels?« Ich seufze. »Du meinst Polly und Erica? Mit denen war ich früher ab und zu feiern. Aber das ist lange vorbei. Meine Party-Phase war eh nur von kurzer Dauer.« Ich lasse die Schultern sinken. »Ich habe halt ziemlich schnell gemerkt, dass ich nicht so das Party-Tier bin. Und Polly und Erica gehören leider zu der Art von Mädels, die nur dann Interesse an einem haben, wenn man genauso oft und gern feiert wie sie. Sorry, aber auf solche Freundinnen kann ich verzichten.«

»Stimmt.« Hannah drückt ihre Kippe in der kleinen Blechdose neben sich aus. »Dann lieber keine Freunde.« Sie sieht mich von der Seite an. »Oder einen alten Freund reaktivieren.«

Ich erwidere ihren Blick. »Fängst du jetzt auch schon an wie Mama und Kyra?«

»Sorry.« Sie grinst. »War nur ein Scherz.«

Kapitel 7

Später am Abend

Mark

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Es fühlt sich seltsam an, wieder in meinem alten Kinderzimmer zu sein. Meine Klamotten liegen noch unausgepackt im Koffer, meine Jacke hängt über der Lehne meines alten Schreibtischstuhls, als würde ich jeden Moment wieder aufbrechen. Als wäre ich nur zu Besuch.

Ja, irgendwie stimmt das ja auch, denn ich habe nicht vor, dauerhaft mit meiner Mutter zusammenzuleben. Und doch weiß ich, dass ich wieder dort bin, wo ich hingehöre: In Fleesenow. Hier, wo mein Herz schlägt. Hier, wo das Leben bisher am schönsten war – und hoffentlich auch wieder sein wird.

Ich stehe am Fenster und schaue über die Dächer der Wohnsiedlung zum Strand. Von hier aus ist nur ein schmaler Streifen Wasser zu sehen, doch dieser Anblick reicht aus, um all die Erinnerungen an meine unbeschwerte Kindheit und Jugend zurückzuholen. Ja, sogar meine Zwanziger habe ich teilweise hier verbracht und mit einem guten Kumpel eine eigene kleine Wohnung über der Eisdiele bewohnt.

Damals sind wir beide etwa zeitgleich weggezogen, weil wir annahmen, woanders das große Glück zu finden. Nichtahnend, dass wir damit das größte Glück hinter uns gelassen haben: Fleesenow. Und alle Menschen hier.

Unweigerlich muss ich an Laura denken.

Wie wütend sie heute beim Brunch geworden ist. Eine Wut, die ich noch immer einzuordnen versuche. Bin ich es, der diese Gefühle in ihr ausgelöst hat? Und wenn ja, wieso?

Oder war es so, wie sie gesagt hat? Dass sie den Aufwand, den Julia und Mama betrieben haben, einfach nur übertrieben fand? Zumindest damit hatte sie recht, denn das sehe ich ähnlich.

Und trotzdem passt ihre Reaktion irgendwie nicht zur Situation. Fast so, als wäre sie noch immer wütend, weil ich damals einfach weggegangen bin.

Das Klopfen an der Tür holt mich aus den Gedanken.

»Ja?« Ich drehe mich um.

»Hey Schatz.« Mama legt einen Stapel Handtücher auf mein Bett. »Ich lege dir hier mal ein paar Sachen hin. Handtücher, Decken. Ich war mir nicht sicher, was du alles brauchst.«

»Ach Mama.« Ich gehe auf sie zu und lege die Hände auf ihre Schultern. »Mach dir doch nicht so viel Mühe. Ich bin schon groß, weißt du.«

Sie seufzt, grinst aber dabei. »Für mich wirst du immer mein kleiner Mark bleiben. Das weißt du doch.«

Ich nehme sie in den Arm und atme dabei tief durch. So sehr habe ich es vermisst, zu Hause zu sein. Und doch fühlt sich alles anders an. Vertraut – und gleichzeitig fremd.

»Schon komisch, dass Papa nicht mehr hier ist«, sage ich, als ich mich wieder aus der Umarmung löse.

»Ach Schatz.« Sie weicht meinem Blick aus und geht zum Fenster. »Du weißt, dass dein Vater und ich uns in den letzten Jahren immer schlechter verstanden haben. Es gab so viel Streit, so viel böses Blut. Wir haben einander einfach nicht mehr gut getan.«

»Aber gibt es das nicht in jeder Beziehung?« Ich folge ihr zum Fenster und bleibe hinter ihr stehen. »Streit? Diskussionen? Das alles gehört doch irgendwie dazu, vor allem, wenn man so lange verheiratet ist wie ihr.«

»Bist du dir sicher, dass du das neutral betrachtest?« Sie dreht sich wieder zu mir um.

»Wie meinst du das?«, frage ich.

»Na ja, kann es nicht vielleicht sein, dass du diese Einschätzung als Sohn triffst, der sich wünscht, dass seine Eltern zusammen sind?«

»Ich bin doch kein Kind mehr, Mama.« Ich rolle mit den Augen. »Ich sehe das einfach nur … na ja … realistisch.«

»Und du?« Sie sieht mich auffordernd an. »Würdest du denn mit einer Frau zusammen bleiben, mit der du dich seit Jahren nur noch streitest? Mit der du auf keinen gemeinsamen Nenner mehr kommst und die dich schon aufregt, wenn sie nur das Zimmer betritt?«

»Also jetzt übertreibst du wirklich maßlos. So krass war es doch nun wirklich nicht zwischen Papa und dir.«

»Weil wir gelernt haben, uns vor dir zusammenzureißen, mein Schatz.« Sie legt die Hand an meine Wange. »Aber inzwischen bist du selbst ein erwachsener Mann, und das nicht erst seit gestern. Da solltest du doch umso mehr Verständnis für unsere Entscheidung haben.«

»Ja schon, aber …«

»Apropos erwachsen«, unterbricht sie mich, »hast du dir nun schon Gedanken wegen morgen gemacht?«

»Wegen morgen?«

»Na, dein Geburtstag«, erinnert sie mich. »Wir könnten doch wenigstens was Schönes essen gehen, oder? Du kannst diesen Tag doch nicht einfach so unter den Tisch fallen lassen.«

»Wirklich lieb von dir, Mama. Aber ich habe morgen schon etwas anderes vor.«

»Etwas anderes?« Sie wird hellhörig. »Und was, wenn ich fragen darf?«

»Das erfährst du noch früh genug.« Ich drücke ihr einen Kuss auf die Wange. »Und jetzt entschuldige mich, bitte, aber ich will noch mal weg.«

»Weg? Wohin denn?«

Dass ich einfach nur einen kleinen Strandspaziergang machen will, behalte ich dabei für mich, denn im Grunde ist meine Antwort nur ein Versuch, ihrem fragenden Blick zu entfliehen. Einem Blick, dem ich heute nicht ohne weiteres standhalten könnte. Dafür ist das, was ich mir für morgen vorgenommen habe, viel zu wichtig. Und das Letzte, was ich jetzt gebrauchen kann, sind die bohrenden Fragen meiner Mutter. Fragen, die mich am Ende doch noch an meinem eigenen Vorhaben zweifeln lassen.

Kapitel 8

Am nächsten Tag

Früher Abend

Laura

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»Oh Laura. Das sieht alles so toll aus.«

»Ich habe mich so über die Einladung gefreut.«

»Ich bin sooo aufgeregt!«

Die Stimmen der Gäste schwirren wie wild durcheinander, während ich mir ein bisschen vorkomme wie ein Star inmitten seiner Fans. Ich stehe an der offenen Restauranttür und empfange eine Leserin nach der anderen und umarme sie wie alte Freundinnen.

Ja, manche von ihnen kenne ich tatsächlich schon von früheren Treffen oder aus den sozialen Medien. Deshalb ist die Freude, den heutigen Abend mit ihnen zu verbringen, nicht vorgetäuscht, sondern echt.

Viele von ihnen haben Rucksäcke und Taschen dabei, die offensichtlich prall gefüllt sind – wie immer bei solchen Aktionen, denn natürlich nutzen wir die Gelegenheit, um Bücher zu signieren. Manche von ihnen haben tatsächlich jedes bisher von mir erschienene Buch, und das sind nicht wenige. Eine Tatsache, die mich jedes Mal aufs Neue mit Stolz erfüllt.

»Setzt euch doch!« Ich deute mit der Hand in Richtung der u-förmigen Tafel. »Nehmt Platz, wo auch immer ihr möchtet.«

Ich sehe, wie die Blicke der Mädels und Frauen zum Büffet wandern, das Piet und sein Team mit viel Mühe und Liebe zum Detail. Blicke, die ich sehr gut verstehen kann, weil mir bereits selbst der Magen knurrt. Und all die leckeren Düfte! Warmes und kaltes Büffet, wunderschöne Obstdekorationen – und die Desserts! Hilfe, ich muss mich echt zusammenreißen, um nicht schon vor den Begrüßungen mit dem Essen anzufangen.

»Laaaaauraaaa!«

Chloes Stimme ist wie ein Weckruf. Als ich sie schon von weitem auf das Restaurant zukommen sehe, halte ich meine Arme offen und strahle sie an.

»Chloe«, rufe ich ihr fröhlich entgegen. »Da bist du ja, Schatz!«

Als wir uns in die Arme fallen, wird mir einmal mehr bewusst, was für wertvolle Freundschaften durch die Liebe zum geschriebenen Wort entstehen können. Angefangen hat damals alles mit meinem ersten Buch, über das Chloe auf mich aufmerksam wurde. Von da an hatten wir immer mal wieder Kontakt, weil sie mir Feedback zu einer Geschichte schrieb. Und irgendwie entstand dadurch auch eine Freundschaft, wenn auch hauptsächlich online. Dass sie extra für dieses Lesertreffen aus Dortmund angereist ist, bedeutet mir viel.

»Sag mal, hast du abgenommen!« Ich löse mich aus der Umarmung und betrachte sie, während ich ihre Hände noch immer halte.

»Sieht man das?« Sie freut sich sichtlich über meine Feststellung. »Sind doch nur neun Kilo.«

»Nur? Na, das muss man erst mal schaffen. Wahnsinn!«

Chloe war schon immer etwas fülliger, aber mit den fehlenden Kilos ist nun mehr von ihrer Taille zu sehen, was ihre Kurven umso schöner zur Geltung bringt.

»Und deine Haare sind doch auch irgendwie anders.« Ich betrachte ihre schulterlangen bernsteinfarbenen Locken.

»Nee, die sind einfach nur ein kleines bisschen kürzer.« Sie lacht verlegen.

»Ach, Hauptsache du bist da.« Ich umarme sie schon wieder. »Komm, such dir einen netten Platz.«

Sie geht wie die anderen ins Restaurant, während ich feststelle, dass noch mehr als die Hälfte der Gäste fehlen.

Wie viele habe ich eigentlich eingeladen? Es müssten um die 50 sein, oder? Nee, es waren sogar 60, glaube ich.

Gedankenverloren schaue ich hinaus auf den Parkplatz, eine gepflasterte Fläche am Strand, von der aus man direkt auf den Steg kommt, der zu Piets Restaurant führt. Genauer gesagt, zu Piets berühmtem Steg-Restaurant.

Während ich auf die nächsten Gäste warte, muss ich unweigerlich an Mark denken und daran, dass dieser Tag auch sein Geburtstag ist. Ein Gedanke, der mir jedes Jahr kommt, doch heute besonders intensiv.

Wo er wohl gerade steckt? Isst er mit seiner Mutter eine Kleinigkeit? Ist auch sein Vater hier? Oder hat er allen zu verstehen gegeben, dass er heute seine Ruhe haben möchte? Immerhin deutete er doch gestern so etwas in Kyras Gegenwart an.

Da ist es wieder, das schlechte Gewissen, weil ich ihn gestern so angefahren habe, und mit ihm auch unsere Mütter und Hannah. Dabei haben sie es doch nur gut gemeint.

Schämen sollte ich mich! Und doch fehlt mir noch immer ein bisschen das Verständnis für den Wirbel, den sie um Marks Rückkehr veranstaltet haben.

Komisch war es schon, ihn nach all den Jahren wiederzusehen. Noch immer versuche ich zu verstehen, was für ein Gefühl diese Begegnung gestern in mir ausgelöst hat.

Oder sollte ich eher sagen: Gefühle?

In mir scheint es regelrecht zu brodeln. Emotionen, die ich selbst nicht richtig einordnen kann.

Bin ich noch immer wütend, weil er damals einfach weggezogen ist? Und noch wütender darüber, dass er nicht zurückgekommen ist, als die Sache mit dieser Anna gescheitert ist?

Es war seine Entscheidung, das habe ich mir immer wieder gesagt. Und doch war immer eine gewisse Rest-Wut geblieben. Eine Wut, die nach all den Jahren wieder greifbarer geworden ist. Und jetzt erwarten plötzlich alle, dass ich ihm einfach so um den Hals falle und wieder einen auf Best Friends mache? So, als wäre er nie fort gewesen?

Nein, so funktioniert das einfach nicht.

Kapitel 9

Eine Stunde später

Mark

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So voll wie heute habe ich Piets Parkplatz noch nie erlebt. Zugegeben, ich war einige Jahre nicht hier, aber Fleesenow hat sich nicht sonderlich verändert, also ist diese Menge an parkenden Autos tatsächlich eine Seltenheit.

Mit der Hand auf der Brusttasche meiner Lederjacke und einem mulmigen Gefühl im Bauch steige ich aus und steuere den Steg an. Durch die angewinkelten Fenster ist zu hören, wie gut und lebhaft die Stimmung im Restaurant ist.

Für einen Moment zweifele ich an meinem Plan, doch das Vorhaben, ihn genau heute in die Tat umzusetzen, steht schon viel zu lange, um es jetzt über den Haufen zu werfen oder auf einen anderen Tag zu verschieben.

Nein, es muss heute geschehen. Das stand von Anfang an fest.

Instinktiv werde ich schneller, meine Schritte größer. So, als würde ich vor meinen eigenen Gewissensbissen davonlaufen – und doch bin ich fest entschlossen, das jetzt durchzuziehen.

Hier. Heute.

Mein Puls rast, meine Hände werden feucht, als ich mich der Eingangstür nähere.

Cool bleiben, Alter! Gaaaanz cool bleiben! Du machst das schon. Nur nicht nachdenken, nur nicht zweifeln. Du weißt genau, was du zu tun hast.

Wieder wandert meine Hand zu meiner Brusttasche. Alles noch an seinem Platz. Alles wie geplant.

Klar, ist es noch da. Wo soll es auch sonst sein, du Idiot? Meine Güte, beruhig dich! In der Theorie kam dir doch alles ganz leicht, ganz logisch vor. Warum machst du dir plötzlich solche Gedanken?

An der Tür angekommen, trete ich schließlich einfach ein, ohne einen weiteren Zweifel zuzulassen. Alles, was ich in diesem Moment sehe, sind Tische, die in U-Form angeordnet sind und viele redselige Frauen. Ich höre Gelächter, Satzfetzen, klirrende Gläser – doch Laura kann ich nirgends entdecken.

Kapitel 10

Laura

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Anfangs habe ich tatsächlich hin und wieder gezweifelt, ob die Tatsache, dass ich meinen runden Geburtstag mit Leserinnen feiern würde, ein Gefühl von Einsamkeit in mir auslösen würde. Dass es mir einmal mehr vor Augen führen würde, dass ich eigentlich keine richtigen Freunde habe.

Doch der Abend und die Gespräche haben sich so gut entwickelt, dass mir langsam klar wird, dass dies tatsächlich wie ein Treffen mit vielen guten Freundinnen ist. Und dass es einfach keinen Unterschied macht, dass meine Bücher der einzige Grund dafür sind, dass wir zueinandergefunden haben.

»Wer ist das denn?«, höre ich Chloe plötzlich fragen, die mir gegenüber sitzt.

Ich verstehe ihre Frage nicht sofort, schaue aber in dieselbe Richtung wie sie – und erstarre für einen Moment.

Mark!

In der Mitte des Raumes steht er wie angewurzelt da und sucht mich offenbar. Er wirkt ein bisschen nervös, aber auch irgendwie voller Entschlossenheit. Eine Tatsache, die irgendwie nicht zusammenpasst.

Verwirrt schiebe ich meinen Stuhl zurück und gehe auf ihn zu. Jetzt endlich sieht er mich und lächelt erleichtert.

»Da bist du ja«, sagt er etwas lauter, während ich mich ihm nähere.

»Was tust du denn hier?«, flüstere ich, als ich ihn erreicht habe. »Du hast doch den Vorschlag unserer Mütter nicht etwa ernstgenommen?«

»Welchen Vorschlag?«, fragt er.

»Na, das mit dem Zusammenfeiern«, antworte ich.

»Und wenn es so wäre?«, fragt er grinsend. »Würdest du mich dann bitten zu gehen?«

»Mark«, antworte ich leicht irritiert, weil ich noch immer nicht ganz verstehe, warum er wirklich gekommen ist.

»Keine Sorge«, er nimmt meine Hände, »deswegen bin ich nicht hier.«

Ich senke den Blick auf seine Finger, die meine umschließen und frage mich, warum ich sie ihm nicht einfach wieder entziehe.

Ja, wir waren mal beste Freunde. Und ja, wir standen uns sehr nahe. Aber uns an den Händen zu halten, ist mittlerweile mehr als fragwürdig – und schon damals wäre das keine besonders typische Geste für unsere Freundschaft gewesen.

»Warum bist du dann gekommen?« Langsam entziehe ich ihm meine Hände wieder und schiebe sie aus einem Instinkt heraus in die Taschen meines Rocks.

»Deswegen.« Er zieht eine kleine Schatulle aus der Brusttasche seiner Lederjacke und öffnet sie.

Innerlich erstarre ich in diesem surrealen Augenblick, denn das, was ich erblicke, ist so unglaublich, dass ich es selbst nicht sofort verstehe. Vor mir auf schwarzem Samt liegt ein funkelnder Goldring mit einem kleinen Diamanten in der Mitte. Ein Ring, der nur eines bedeuten kann.

»Laura«, flüstert er mit geheimnisvollem Lächeln, »ich weiß, dass dich das sicher überraschen wird, aber ich bin hergekommen, um dich an den Deal zu erinnern, den wir vor vielen Jahren gemacht haben.«

»Deal?«, frage ich mit zitternder Stimme.

Ich spüre die Blicke meiner Gäste im Augenwinkel, nehme die geradezu beißende Stille im Restaurant wahr, die absolut nichts mehr mit den lebhaften Gesprächen zu tun hat, die hier noch vor wenigen Sekunden getobt haben.

»Du weißt es nicht mehr?« Mark hebt die Augenbrauen. »Es ist etwa 14 Jahre her. Du hattest gerade wieder mal einen absoluten Fehlgriff in Sachen Kerle hinter dir.

---ENDE DER LESEPROBE---