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Karl-Heinz Schmidt lädt Sie ein zum "Hutzn gieh", wenn es zur Weihnachtszeit im Winterwald weiß und bitterkalt ist. "E Tippel Kaffee, paar Pfafferkuchn", und die Stimmung ist gerettet. "Die Zeit üm Weihnachten, und de Weihnachten salber is de schännste Zeit im Gahr", finden Sie nicht auch? Die urigsten mundartlichen Weihnachtsgeschichten und -gedichte des Erzgebirglers sind hier zusammengetragen und vereinen sich mit Klassikern aus der deutschen Literatur. Etwas Spaß und Besinnung werden Ihnen gewiss guttun in der Zeit des Advent, der Weihnacht und darüber hinaus, meint Karl Heinz Schmidt.
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Seitenzahl: 122
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Karl-Heinz Schmidt (Hrsg.)
Weihnachten im Gebirg’
Mit Illustrationen von Christiane Knorr
EVANGELISCHE VERLAGSANSTALT Leipzig
Karl-Heinz Schmidt, Juni 1938 – April 2016, war Pfarrer der sächsischen Landeskirche und lebte in Klingenthal. Er schrieb zahlreiche Bücher mit aus dem Leben gegriffenen Erzählungen, in denen die Menschen liebevoll auf die Schippe genommen werden. Besonders seine erzgebirgischen Mundartgeschichten sind in der ganzen Region berühmt.
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
© 2016 by Evangelische Verlagsanstalt GmbH · Leipzig
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Cover: Ulrike Vetter, Leipzig
Coverillustration: Christiane Knorr, Leipzig
Satz: Steffi Glauche, Leipzig
E-Book-Herstellung: Zeilenwert GmbH 2017
ISBN 978-3-374-04710-9
www.eva-leipzig.de
Ein Wort zuvor kann niemals schaden,
es öffnet, wie in diesem Fall,
den bunten, frohen Weihnachtsladen -
verbreitet Freude überall.
Nicht nur die Hirten, Männer, Frauen
erwarten an der Krippe wir;
ein jeder soll das Kindlein schauen,
drum sind auch viele Kinder hier.
Die Seiten, die Sie vor sich haben,
sind ausgedacht für jung und alt.
Sie möchten Ihre Herzen laben
in aller möglichen Gestalt.
Sie werden jetzt Gebete
lesen als Briefe an den lieben Gott -
und Heiterkeit lässt Sie genesen,
wenn auch mit etwas leisem Spott.
Rezepte, Märchen und Gedichte –
der Gasse Weisheit stellt sich vor,
dazu gesellt sich die Geschichte,
die man als schönste auserkor.
Sankt Lukas hat sie aufgeschrieben
poetisch rein und innig zart.
Ich schrieb sie nach, nicht übertrieben,
in des Gebirglers eigner Art.
Nun halten Sie ein wenig stille
bei Stern und Kranz und Lichterschein,
denn das ist unsers Gottes Wille,
dass er bei uns will kehren ein!
In diesem Sinn ein Fest voll Frieden
komm über Sie und Haus und Kind.
Und Gottes Trost sei uns beschieden,
den jeder in der Krippe find’t.
Ihr wart’ denken, e Pastor muss ja viel Zeit hoobn, wenn er Bücher schreibn kaa! Dar moog lieber Hausbesuche machen und seine Predigten ordentlich vürbereiten. Wisst ihr überhaupt, wu ich mei Buch geschriebn hoob? In Krankenhaus – in HNO-Klinikum in Chamtz. Ihr Leit, dos war eine schiene Zeit! Wie e zweeter Urlaub. Oogesaah vun dr Asserei wars wie im Kurhotel. Mich hatten se waagn mein Gewicht wing kurz gehalten. Des ganze Unternamme aber hatt ich meiner HNO-Ärztin Gudrun Stephan ze verdanken, die übrigens de Tante vun Pfarrer Nogrady in Markersbach is. Mei Gehär wullt nimmer su richtig mitmachen, aber doo hatt ich schu als Kind Schwierigkeiten. – Jedenfalls hielt mich mei Gemeinde in Klingethol für starbnskrank. Hinter vürgehaltener Hand tuschelten de Aschbarger: »Hatt ihrsch lang gehärt, unner Pastor hoot enn Tumor hintern rachten Ohr?« Drbei war alles raa und frei hinter meine Läffeln. Aaner saat, ich hätt enn Härsturz, und dar wär mit enn Herzinfarkt ze vergleichn. In Wirklichkeit hatt ich Drehschwindel und enn Tappen offn rachten Ohr. Mir aber hoots su gut off Station 7 gefalln, doss ich noch üm vier Toog Verlängering batteln tat. Ich taischet Schwindel vür, und dos hoot geklappt! Die vier Toog brauchet ich aber noch üm mei »Raachermannl« fartig ze schreibn. Ihr Leit, mir gings gut, dos kaa ich eich gar net beschreibn. Doo kunnt e Tablett ze enn Ferrero-Küsschen waardn und e Härtest zum Gesellschaftsspiel. Alle warn se gut ze mir! Brauchet ich enn Früchtewürfel, hoob ich ne kriegt. Wullt ich mool telefoniern, durft ich dos. Nu muss ich drzusoogn, doss ich off dr Frauenstation loog, weil bei de Manner alles überbelegt war. Weil se mich aber net wieder hamschicken wullten, legten se mich aabn bei de Weiber nei. In e Aanzelzimmer, verstieht sich! Bezoohln brauchet ich dos aah net! In die Toog bie ich noch mool dar Gung gewaasen, dar ich früher mool war. Dar wos durft und wos net. Dar gefolgt hoot und aah net. Aber wisst ihr, wenn im August Pfafferkuchn und Weihnachtsmanner in de Loodenketten liegn, ward wuhl unseraans in September e Weihnachtsbüchel schreibn darfen, und wenn dos gleich im Krankenhaus passiert. Und glabbt mir: »Wenn is Raachermannel naabelt is unser schännste Zeit«!
Noochn Tutensunntig giehts lus. Mit enn klänn Tischkranzel oder ner Schüssel vull Kugeln is doo nischt gemacht. Suwos aafachs gibts vielleicht in Draasden und in Leipzig, bei de Flachländer, aber net bei uns! Aus alln Ecken und Enden riechts bei uns im Gebirg nooch Holz, Zappen, Moos und Leim – nooch Wachs und Weihrauchkerzle. – Leider muss ich aah wos übern Hannel soogn. Dar versaut durch sei Geschäftstüchtigkeit de ganze Stimmung. Im August, dr Sommer denkt noch lang net ans Verabschieden, doo stapeln se in de Loodenketten schu de Pfafferkuchn. – Zerück zum Advent, E grusse Roll spielt doo dr Adventsstern aus Herrnhut. Bargmaa und Engeln sei net wagzedenken. De Lichterpupp ward ins Fanster gestellt, in daare mer aah is Bornkinnel, is Christkind, saah kaa. – Zur DDR-Zeit warn Raachermannle und Nussknacker dermassen rar, doss die bluss noch in de Lusbuden standen. Alles war knapp und när durch Beziehung ze kriegn. Paar Pfiffige hamm dann haamlich geschnitzt, gedreht und – gepfuscht, mannichs kunntste verkaafen, annersch net. Dos soog drbarmlich aus, su doss es in Hund drvür grauet. De Nussknacker hatten e Gusch, als wullten se dich frassen. Und de Engeln gucketn dich aa, als sulltste mit denne beim Güngsten Gericht mit aatraaten. Goobs offn Schwarzenbarger Weihnachtsmarkt wirklich mool was ze kaafen, hoots hinten und vorne net gelangt. Su widersprüchlich alles! Drubn offn Markt sang dr Rademann-Rolf mit dr Kurrende: »O Weihnachtszeit, o selige Zeit, du bringst uns wieder Frieden«, doo hamm sich fuffzig Meter wetter unten zwee Weiber waagn paar Westfälische Silberfeeden bald de Zudeln rausgeruppt. – Aah mir in dr Kirch hamm unnern Fitz, de Mettenprobn ginne lus, und Bläser und Sänger übn für de Weihnachtsmusik. Jeder Gemeindekreis pucht off sei Weihnachtsfeier. De Weiber wolln Stolln und Kaffee, de Manner sei off Flaaschwurscht und Bier aus. Weihnachten zieht rauf! Es riecht nooch Stolln und Gans. Feine Leit – assen Pute und Karpfen. Dr Kalorien halber. Jeder hoot enn annern Klaps. Und während ihr itze eiern Baam aaputzt, drzehl ich eich noch paar Schnorken.
Im Vogtland und Arzgebirg gibts e Wort, dos bluss de Gebirgsleit soogn und verstinne, dos is dos Wort »Hutzen«. Dos haasst suviel wie jemand besuchen. »Hutzen« is a Kurzbesuch, also kaa ausgedähnter Aufenthalt, sicher is dos alles relativ ze saah. Verstiehs mool su: Wenn für enn drei Stunden e lange Zeit is, dann sei dos für annern bluss paar Minuten. – Dr Süß-Kurt in Markerschbach, dar kam öfter ze mir hutzen. Zur Zeit und Unzeit. Mannichmool kunnste zur Sau wardn mit denn seiner Ruh, die er an ne Toog leget. Weil vun unnerer Stub aus e schiener Blick nüber zum Schihang gewaasen is, brachts mein Kurt immer dann gedreht, wenn Abfahrtslauf oder Springe war. Zum Nulltarif sooss mei Kurtel am Fanster wie im Theater arschter Rang Mitte! Su e Sportnoochmittig hatt sei Zeit. Drüm sorget dr Kurt vür, dos haasst, dar bracht vun Wünsche-Flaascher oder vun Schwedler e Pfund Hackepeter mit und vun Beithner-Bäck drei Sammeln, Wenn de Kinner am Hang schwitzeten, weil se wos leisten mussten, triebs in Kurt sein Schwaass raus, weil’r mit seiner Frassage ze tu hatt. – An enn Freitig noochmittig kam’r wieder und wullt sein Theaterplatz einamme. Dr Hackepeter tat durch sei Papier lächten und de Sammeln, geroode ausn Ufen raus, dufteten wunderbar. Ich allerdings hatt kaa Zeit, üm mitn Herrn Süß nüber zum Hang ze gucken, ich musst mei Sunntigspredigt baue. Dos saat ich ne, aber dar kam aafach rei und maanet: »Die fünf Minuten kaa ich schu warten!« Ich dacht, mich trifft dr Schloog. Do sisste wieder mool, doss de Leit kaa Aahning hamm vun Pastor und seiner Aarbet! Ihr Leit, nu seid mool ehrlich, aber denken net viele su wie dr Süß-Kurt?! Hutzen gieh! Die enn fraae sich, wenn jemand kimmt, annere sei fruh, wenn dar »Besuch« wieder zum Tampel nausmacht.
Am Sunnohmd vürn arschten Advent, de Rosa und ihr Karl, e altes gebirgischs Ehepaar, hatten geroode gebooden und wullten sichs gemütlich machen. E Tippel Kaffee, paar Pfafferkuchn; dann is Raachermannel unter Dampf setzen. und in Stern aastecken. Su hatten se sich dos ausgedacht. Denkste! De Dammering war längst reigebrochen, denn Aafang Dezember wards noochmittig üm Viere lang Nacht. Es fing sachte aa ze schneie, su doss de Stimmung schänner net sei kunnt. Die aber sullt denne beeden verdorbn wardn. Es kloppet nan Fansterlooden. Und war stieht draussen? De Rußbutten-Auguste mit ihrn Edewardel. Nu doo, gesegnte Adventszeit! Wenn die zwee kame, wullt dos wos haassen! Fümf Minuten hutzen wullten se kumme. Aah die fümf Minuten warn relativ ze verstieh. – E Bekannte vun uns, mool als Beispiel genumme, saat immer, wenn se beim Kaffeetrinken gefreegt wurd, ob se noch wos will: »Ja, ein Schluckchen nehm ich gern noch!« Mit annere Wort hiess dos: »Schluckchen« – dos war bei daare e ganzer Topp vull! – Wenden mir uns itze wieder dr Auguste und ihrn Edewardel zu, bei denne sei fünf Minuten mindestens fümf Stunden! Uverschaamtes Zeig! Nu soog mir bluss net, a Pastor darf suwos net soogn! Horch zu, ich bie wänigstens ehrlich und soog, wos ich denk. Du denkst genau dossalbe, aber soogst nischt; vielleicht hintenrüm, hintern Buckel annerer. Dos is noch schlimmer als gerooderaus! – Jedenfalls verging aah Stund nooch dr annern, die zwee Hutzenleit aber hatten jeglichs Zeitgefühl verlorn. Die hamm mit Kaffee getrunken, Abndbrot gassen. Wullten die wumöglich aah noch bei dr Rosa und ihrn Karl nächtign? Halb Zaahne, dr Rosa hoots de Aagnlieder auf- und zugezugn, doo hoot de Auguste noch geschwafelt und geschwafelt, dann drgriff ihr Edeward is Wort, wos allerdings wos haassen wullt, denn dar hatt bei seiner Auguste net viel ze soogn: »Schluss itze! Ham giehts! Rosa, mir sei doch net ze lang gebliebn?« – »Im ganzen Laabn net«, saat die, »üm daare Zeit stinne mir suwiesu immer auf!«
Dos stimmt. Zieh ich draussen in dr Walt rüm, dann tu ich dos annernhalber. Ich jedenfalls bie für mei Laabn gern drham. War mich kennt, ward mir dos bestätign. Zum Ärger meiner Fraa! Vür alln dann isses schie in de eigene vier Wänd, wenn de Toog kürzer wardn und dr Winter su sachte über de Barg reikimmt. Advent im Arzgebirg! Ihr ahnt gar net, wos dos bedeiten tut, wenn is Raachermannel seine Schwooden zieht und kaa Wort drbei soogt! Hinnewieder kaa dir dos Haamliche aber aah verdorbn wardn, uhne doss es die annern wolln. Su aah an denn Adventssunnohmd. Ob ich wullt oder net, ich musst mit ins Wirtshaus, weil e Bekannte vun uns Geburtstoog hatt und drham net feiern kunnt, weil de Wuhning ze klaa war, verstieht sich. Üm ne Spuk ze vermeiden, bie ich halt mit nei dr »Weissen Gans« gange. Acht Weiber und ich mittendrinne. Ihr kännt eich gar net vürstelln, wos ich doo alles mit aahärn musst. När dos Gemaahr! Die kame vun Bittlich nei de Broothaaring oder vun Harzerkaas nein Dirndlstoff. Furchtbar! Weil ich denne ihrn Kaas schu hunnertfümfevierzig Mool gehärt hoob, setzet ich mich an Nachbartisch, wu e vürnehmer Herr allaane sooss und dauernd off de Tischdeck gucket. Als dr Ober kam, fuhr dar feine Herr denn aa, und bläket: »Hören Sie mal, Herr Ober, von diesem Tischtuch kann essen, wer will, ich jedenfalls nicht!« Dr Peppel-Max, dar domools Ober in dr »Weissen Gans« war, saat rotzfrech ze dem Fremden: »Ham Se när kaa Sorg, Sie müssen net vun daare Tischdeck assen. Sie kriegn schu noch enn Taller!« Doo war de Putt vull, Dar Gast is aufgestanden, gange, dos war aans, Und dos Bier, dos er getrunken hatt, hoot’r aah net bezohlt. Meine Weiber hamm dos alles gar net mitkriegt, die warn dermassen in dos Thema »Wintermützen« vertieft, doss üm denne rüm de Walt untergieh kunnt. Für die war an denn Toog dr Bader-Katalog wichtiger als alles annere. – Und wieder gucket ich mich üm und soog an enn Tischel zwee Dame sitzen, die su üm de Vierzig gewaasen sei müssen. Im Lauf dr Zeit krieget ich mit doss dos zwee Emanzen warn. Aber wos für welche! Guter Vater, die hamm Zeig rausgehaa, doss de als Maa fruh gewaasen sei musst, doss se dich geroode su nei dr »Weissen Gans« gelossen hamm! Die zwee verwürgten Gesichter hätten wirklich alles, wos mannlich gewaasen ist off weiblich ümgekrampelt! Am liebsten machetn die ausn lieben Gott statt Vater e Mutter und ausn Herrn Jesus e Fraa. – Dr Peppel bracht ihr Assen, freilich hamm die wos »Weiblichs« gassen. Denne wär nie nein Sinn kumme, enn saftign Hirschbrooten ze assen oder paar Hähnchenschenkeln, naa die bestelletn sich Pute. Itze is mir aah deitlich wordn, worüm die nei dr »Weissen Gans« gange sei und net nein »Ruten Hirsch«, dar unmittelbar drnaabn stand. Bluss nischt Mannlichs! Weil is Rotkraut wing schärfer hätt sei känne, wullte die aane bissel noochwürzen. Ich trauet mein Ohrn nett wos soogt dos verwirrte Weibsen zur annern? »Das Essen hätte etwas kräftiger im Geschmack sein können, gib mir doch bitte einmal die Salzstreuerin rüber!« Wenns dirs bei setten Mist net wie speie ward, dann muss bei dir aah wos net stimme! Fruh war ich, als ich üm Zaahne wieder drham war und offn Kanepee denn Toog ausklinge lossen kunnt!