Weihnachtsliebe auf vier Pfoten - Kajsa Arnold - E-Book

Weihnachtsliebe auf vier Pfoten E-Book

Kajsa Arnold

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Beschreibung

Ein Pudel, eine Prise Drama und ein großer Schuss Liebe verwandeln das Weihnachtsfest in ein unvergessliches Abenteuer Esme freut sich auf ruhige Weihnachtstage in ihrer Londoner Wohnung, bevor ihre Nachbarin Robyn ihr einen Strich durch die Rechnung macht. Sie bittet Esme, über die Feiertage auf ihren Hund aufzupassen. Leichter gesagt als getan, denn Miss Austen ist ein ausgewachsener Königspudel mit einer Menge Starallüren! Eine weitere Überraschung klopft in Form von Robyns Bruder Leo an Esmes Tür. Einst ein gefeiertes Model, ist Leo jetzt ein mürrischer Anwalt mit Hundehaar-Allergie. Und statt sie als Sitterin abzulösen, bringt er Esme nur zur Weißglut. Doch unter Leos rauer Oberfläche versteckt sich mehr, als Esme auf den ersten Blick vermutet hätte. Zwischen ihnen entwickelt sich eine Verbindung, die die Feiertage zu etwas Besonderem macht. Aber haben ihre Gefühle auch noch Bestand, wenn der Weihnachtszauber verflogen ist und sie sich der Realität stellen müssen? Eine Geschichte über die Magie der Weihnacht, die Kraft der Liebe und wie ein tierischer Freund Herzen öffnen kann.

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Weihnachtsliebe auf vier Pfoten

KAJSA ARNOLD

Eins

Mein!

Esme sprach dieses Wort voller Sehnsucht aus und konnte es nicht glauben, dass es geschafft war. Sie hatte es geschafft. Endlich! Nach mehr als einem Jahr der Suche hatte sie eine bezahlbare Wohnung gefunden. Sie lag dazu noch in Covent Garden, ihrem Lieblingsstadtteil Londons, und ganz in der Nähe der Buchhandlung, in der sie arbeitete. Was war sie nur für ein Glückspilz! Keine Fahrzeiten mehr, gedrängt in der Tube am frühen Morgen. Keine schlecht gelaunten Menschen, dicht an dicht, sondern frische Luft und ein kurzer Spaziergang. Freudestrahlend hatte sie der WG, in der sie bisher lebte, den Rücken gekehrt. Es würde nicht mehr ihr Joghurt aus dem Kühlschrank über Nacht spurlos verschwinden. Niemand würde ihr Shampoo ungefragt benutzen oder in ihrer Bürste Haare hinterlassen. Eine eigene Wohnung bedeutete für Esme in erster Linie Freiheit. Eine Freiheit, das zu tun, was sie wollte, ohne Kompromisse einzugehen. Sie brauchte keine Rücksicht mehr nehmen und musste sich nicht mehr über andere aufregen, die eben diese Rücksicht nicht kannten. Es war keine gute Idee gewesen, in eine reine Männer-WG zu ziehen, wo man sie für die Putzfrau gehalten hatte.

Gut gelaunt ließ sie sich auf das Sofa fallen, das man auch zu einer Schlafcouch umwandeln konnte, wenn mal jemand über Nacht blieb. Sie ließ den Blick umherschweifen und lächelte. Die Wohnung wurde sogar teilmöbliert vermietet und war mit allem ausgestattet, was das Herz begehrte. Ihr Herz verlangte nicht viel, daher war diese Ausstattung als Luxus zu bezeichnen. Alles war neu eingerichtet worden, als sie die Wohnung renoviert übernommen hatte.

»Meine Wohnung«, murmelte sie und grinste breit. »Meine eigene Wohnung!«, rief sie ausgelassen und breitete die Arme aus, drehte sich im Kreis. Was war das Leben doch wunderbar! Dass im Flur noch sechs Umzugskartons standen, die darauf warteten, ausgepackt zu werden, verdrängte sie geschickt. Fünf davon waren mit Büchern gefüllt. Die waren schnell einsortiert, denn sie waren bereits alphabetisch nach Autoren geordnet und mussten nur in die Bücherregale geräumt werden. Die Regale hatten die Möbelpacker bereits aufgebaut und an die Wand montiert. Sie hatte sich den Luxus geleistet, den Umzug mittels einer Firma durchführen zu lassen. Immerhin hatte sie über ein Jahr darauf sparen können, bis es endlich so weit war und sie die neue Wohnung gefunden hatte. Ihr Gehalt als Buchhändlerin war nicht besonders groß, aber es reichte aus, um den Lebensunterhalt zu bestreiten, und nun auch für diese kleine eigene Wohnung. Ihre Luxuswohnung.

Die Farben waren von einer Innendesignerin ausgewählt worden. Erdige Töne wirkten beruhigend. Im Badezimmer herrschten dunkle Grüntöne vor, die mit Beige kombiniert waren. Sie war nun stolze Besitzerin einer freistehenden Badewanne. Diese und das Steinwaschbecken waren in einem Elfenbeinton gehalten. Die Fliesen der Eckdusche aus dunkelgrünem Naturstein. Das Badezimmer allein hatte die Größe ihres alten Zimmers. Vor Freude bekam sie das Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht. Im Wohnzimmer herrschten Brauntöne vor, und das Schlafzimmer wurde von einem beruhigenden Blau dominiert.

Voller Elan machte Esme sich an die Arbeit, die Umzugskartons auszupacken, bis in den späten Abend hinein. Es war Samstag, und morgen konnte sie ausschlafen, weil sie keinen Dienst hatte, da machte es ihr nichts aus, wenn es spät wurde.

Ein Klopfen an der Tür riss sie aus der Konzentration, sodass sich sogleich Thomas Hardy neben Emily Brontë verirrt hatte. Keine Ahnung, was er dort zu suchen hatte, da Esme die Titel streng alphabetisch nach Genre getrennt sortiert hatte. Sie stellte das Buch an die richtige Stelle zurück, ging zur Tür und öffnete voller Neugier. Sofort erinnerte sie sich daran, dass sie vielleicht die Kette hätte vorlegen müssen. Man wusste nie, wer vor der Tür stand.

Eine Frau mit blonden Haaren blickte sie freundlich an und schwang eine Flasche in der Hand. »Hi! Ich bin Robyn Ainsworth, deine Nachbarin. Ich will dich willkommen heißen. Hier ist eine Flasche Champagner, du hast sicherlich die passenden Gläser.«

Schritte waren im Treppenhaus zu hören.

»Ah, das ist Arthur. Er wohnt direkt über dir. Wir drei bewohnen dieses Haus, und Arthur und ich wollen dich gebührend begrüßen. Hast du Zeit?« Die Frau schien ein wenig jünger als Esme zu sein, vielleicht Mitte zwanzig, blickte sie mit ihren klugen hellblauen Augen an.

»Hi, ich bin Arthur Ellisson, wohne im zweiten Stock«, stellte sich ein junger Mann mit roten Haaren und Nickelbrille vor. Er hatte etwas von Ed Sheeran, und Esme lächelte.

»Klar, kommt doch rein.« Sie öffnete die Tür weiter, und ihre Nachbarn betraten die Wohnung. »Bitte entschuldigt, ich bin mit dem Auspacken noch nicht ganz fertig. Die Möbelpacker haben zwar die Regale aufgebaut, aber die Kartons will ich lieber selbst ausräumen. Ich bin übrigens Esme Babcock, siebenundzwanzig und Buchhändlerin.«

»Robyn Ainsworth, vierundzwanzig, und ich studiere noch.«

Esme lief schnell in die Küche und holte drei Champagnerflöten aus dem Schrank. Zum Glück hatte sie die Kartons für die Küche schon komplett entpackt und das Geschirr durchgewaschen.

Ihre Nachbarn hatten sich bereits auf dem breiten Sofa niedergelassen und sahen sich neugierig um. »Wow, hast du viele Bücher.« Arthur erhob sich und trat an das Bücherregal, nahm die Titel genauer in Augenschein.

»Ja«, sagte Esme und lächelte. »Lesen ist mein Beruf und Hobby zugleich. Ich würde vermutlich ohne Bücher sterben.«

»Was liest du denn so?«, warf Arthur ein.

»Natürlich die Klassiker, aber ich bin auch ein großer Stephen-King-Fan. Er wird nur noch von Chris Carter getoppt.«

»Na, ich weiß nicht –«

»Leute! Wird das jetzt hier eine Grundsatzdiskussion?«, rief Robyn ungeduldig und öffnete den Draht der Flasche. Ohne Vorwarnung schoss der Korken heraus, gefolgt von dem Champagner.

Schnell hielt Esme die Gläser hin, damit nicht zu viel auf dem Boden landete.

»Sag mir, dass du nicht die Flasche geschüttelt hast.« Arthur verdrehte die Augen und blickte Robyn vielsagend an.

»Natürlich nicht. Keine Ahnung, was mit der Flasche los ist«, verteidigte sich Robyn und reichte ihm eines der Gläser.

»Dann lasst uns auf eine gute Nachbarschaft anstoßen.« Esme hielt ihr Glas in die Höhe, und die beiden folgten ihrem Beispiel, stießen mit ihr an. »Was macht ihr so?«, wollte sie wissen.

»Ich bin Controller bei einer Bank. Arbeite oft im Homeoffice, aber manchmal muss ich auch auf Dienstreise, weil ich vor Ort gebraucht werde«, erklärte Arthur. »Leider habe ich nicht viel Zeit. Ich bin nur kurz hier, um Hallo zu sagen. Es wartet heute noch Arbeit auf mich.« Er verzog das Gesicht.

»Unser Arthur hier ist ein echter Workaholic«, berichtete Robyn und schlug ihm auf die Schulter.

»Ich kann nichts dafür, dass ich so ein begehrter Typ bin.« Arthur lachte auf, und die Frauen stimmten mit ein. Er war ein sympathischer Typ, mit kariertem Hemd, Jeans … Pantoffeln.

Esme fand die beiden ganz reizend. Konnte sie so viel Glück haben? Nicht nur eine wunderschöne Wohnung zu finden, sondern gleich auch noch zwei reizende Nachbarn? So viel Glück hatte sie sonst nie. »Es tut mir leid, ich habe noch gar nichts im Haus, das ich euch anbieten kann.«

Arthur winkte ab. »Das muss nicht heute sein. Wir können uns auch ein anderes Mal verabreden, ich muss jetzt leider los.« Er hatte sein Handy aus der Hosentasche gezogen und einen Blick darauf geworfen. »Wir sehen uns. Ich finde schon allein raus.« Mit eiligen Schritten lief er zur Tür, die laut hinter ihm ins Schloss fiel.

»Der Arme, er kriegt noch mal einen Infarkt, wenn er es nicht langsamer angehen lässt.« Robyn trank entspannt aus ihrem Glas und sah sich um.

»Wie lange wohnst du schon hier?«, fragte Esme und hoffte, dass ihr Interesse nicht zu neugierig klang. Sie setzte sich im Schneidersitz neben Robyn auf die Couch, um sie direkt anzusehen. Robyn machte nicht den Eindruck, als wären Fragen über ihre Person tabu.

»Die Wohnung gehört meinem älteren Bruder. Er lebt jetzt in Kanada, und ich kann hier wohnen, das rechne ich ihm hoch an. Es sind im Sommer drei Jahre. Arthur wohnte schon hier, als ich einzog«, gab sie bereitwillig Auskunft.

»Ich bin so glücklich, dass ich diese Wohnung bekommen habe. Es ist so schwierig, in London etwas Bezahlbares zu finden. Wenn es nach mir geht, werde ich hier nie wieder ausziehen.« Esme trank einen kleinen Schluck. Sonst trank sie keinen Alkohol, aber immerhin gab es einen guten Grund dafür. Diese Wohnung war ein Diamant, den sie durch Zufall im Sand entdeckt hatte.

»Du wirst dich hier sehr wohlfühlen. Arthur ist ein angenehmer Zeitgenosse, er arbeitet viel und ist sehr ruhig. Ich bin auch oft in der Uni.« Robyn strich sich die blonden Locken über die Schultern. Sie sah ungemein gut aus, mit ihren blauen ausdrucksvollen Augen. Ihr Mund war ein wenig groß, dafür hatte sie schön geschwungene Lippen.

»Was studierst du?«

»Kommunikationsmanagement. Eigentlich wollte ich Biologie studieren, habe aber nach einiger Zeit gemerkt, dass das doch nicht mein Ding ist.« Sie hob grinsend die Schultern. »Mein Bruder ist der Meinung, dass ich wohl mit dreißig noch studieren werde.« Sie lachte auf. »Ich habe vorher ein wenig gemodelt und bin spät eingestiegen.«

»Hauptsache du weißt, was du willst. Es gibt eine Menge Menschen, die sich einfach nur treiben lassen und kein Ziel im Leben haben.«

»Das habe ich. Ich möchte mit Sam alt werden. Er ist ein toller Mensch. Einfühlsam, pflichtbewusst und sexy«, schwärmte sie drauf los.

»Sam?«, hakte Esme nach.

»Samuel, mein Freund. Er ist Arzt und arbeitet im St. Thomas‘ Hospital. Wir sehen uns leider nicht oft, weil er ständig Überstunden machen muss, aber genau das macht unsere Beziehung so interessant. Hast du einen Freund?« Robyn wandte sich auf dem Sofa Esme zu und trank einen großen Schluck.

»Nein, nicht mehr. Ich bin schon seit einiger Zeit solo. Ich finde, es wird immer schwieriger, jemanden kennenzulernen, der kein notorischer Betrüger, ein Egomane oder Soziopath ist.« Verlegen lachte Esme auf und trank noch einen Schluck. Langsam machte sich der Alkohol bemerkbar, und sie stellte das Glas auf dem niedrigen Tisch ab. Das reichte für heute.

»Oh, oh, das hört sich nach einer gescheiterten Beziehung an.«

Langsam nickte Esme. »So ist es. Es ist aber schon über ein Jahr her. Ich denke, ich bin darüber hinweg und offen für eine neue Beziehung. Vielleicht geschieht ja ein Weihnachtswunder.« Esme lachte auf.

»Ja, auf jeden Fall. Ich habe ein paar nette Freunde, die werde ich dir bei Gelegenheit vorstellen. Es wäre doch gelacht, wenn wir nicht einen netten Kerl für dich finden würden. So, ich muss los und mich um Miss Austen kümmern.« Schnell sprang Robyn auf und lief zur Tür.

»War nett, dich kennenzulernen, Esme. Vielleicht hast du ja Lust, mit uns zu essen. Arthur und ich kochen einmal im Monat zusammen. Sam ist auch dabei, wenn er keinen Dienst hat. Was meinst du?«

»Essen? Da bin ich gerne dabei.« Esme erhob sich von der Couch und schwankte leicht. Ups, der Champagner ging wohl sofort ins Blut.

»Super, dann sehen wir uns morgen bei mir um sieben Uhr.«

»Dir einen schönen Abend.« Robyn war aus der Tür, bevor Esme überhaupt reagieren konnte. Dabei hätte sie gerne gewusst, wer Miss Austen war. Vielleicht eine Tante, um die sich Robyn kümmerte? Und sollte sie morgen Abend etwas mitbringen? Puh! Robyn war wirklich ein Wirbelwind, den man sich psychisch erst einmal leisten musste. Sie war extrem lebendig und so ganz anders als Esme. Aber genau das würde ihr guttun. Sie selbst war nicht gerade so lebhaft, dafür aber offen für neue Freundschaften.

Zwei

Die erste Nacht verbrachte Esme unruhiger als gedacht. Ob es die ungewohnte Stille war oder die neue Umgebung, sie wusste nicht, woran es lag, dass sie merkwürdig träumte und davon mitten in der Nacht erwacht war. Sie trank ein Glas Wasser und blickte im Wohnzimmer aus dem Fenster, das zur Straße hinausging. Es schneite, und die Welt sah aus, als hätte jemand sie mit Puderzucker bestäubt. Die Schneedecke war nicht dicht, nur ein ganz feiner Nebel lag auf dem Boden. Die Welt wirkte gleich ein wenig heller und verdrängte die Dunkelheit, auch die, die in Esmes Herzen herrschte. Es kam nicht oft vor, dass dunkle Träume ihren Schlaf störten. Heute war so eine Nacht. Ein Mann, dessen Gesicht sie nicht erkennen konnte, hatte sie gejagt, die Treppe zu ihrer neuen Wohnung hinauf. Ein großer Mann, jemand mit einer tiefen, dunklen Stimme. Das war es, woran sie sich erinnern konnte. Sie hatte einige Zeit gebraucht, bis ihr Puls sich beruhigt hatte, ihre Atmung sich normalisierte.

Der Ausblick aus dem Fenster war ungewöhnlich. Es würde noch einige Zeit brauchen, bis diese Wohnung ihr Heim wurde, doch das schmälerte ihre Freude über diesen Fund nicht. Das Schicksal hatte endlich ein Einsehen mit ihr, ab sofort würde es für Esme Babcock nur noch bergauf gehen, davon war sie überzeugt. Sie war so wach, dass sie jetzt sofort nicht wieder einschlafen würde. Esme holte die Kiste mit der Weihnachtsdeko hervor und begann, ihre Wohnung weihnachtlich herzurichten. Mit bunten Lichterketten wurden die drei Buchregale verschönert. Eine Krippe kam auf die Fensterbank, und sie stellte den künstlichen Weihnachtsbaum auf, der kaum größer als sie selbst war. Er sah fast echt aus. Geschmückt mit roten und goldenen Kugeln und einer Menge an schönen Weihnachtsfiguren konnte man ihn von echten Bäumen nicht mehr unterscheiden. So langsam kam bei Esme Weihnachtsstimmung auf. Sie bekam jedes Jahr zu Weihnachten eine Porzellanfigur von ihrer Mutter geschenkt, die Esme so liebte, und diese verteilte sie in der Wohnung. Zuletzt hing sie noch einen Mistelzweig über der Tür auf, den sie am Morgen frisch besorgt hatte. Sie hatte ihn in einem Blumenladen entdeckt, er war wunderschön dekoriert, und sie klebte ihn mit einem durchsichtigen Klebeband fest, das bis zu fünf Kilo hielt. Das würde wohl bis zum nächsten Jahr halten.

Der nächste Tag stand ganz im Zeichen des Shoppings. Nicht, dass sie neue Kleidung benötigte, nein, ihr Augenmerk lag auf der Anschaffung von Interieur für ihren neuen Liebling – ihre Wohnung. Bewaffnet mit Dekokissen, Platzsets, Kerzen, Untersetzern, Serviettenhaltern, Bildern und Lampen steuerte sie auf den Hauseingang zu. Die drei Tüten lagen schwer in ihrer Hand, weil sie auch noch ein wenig Weihnachtsdeko entdeckt hatte, an der sie nicht vorbeigekommen war. Bevor Esme den Schlüssel zücken konnte, wurde die Haustür von innen aufgerissen, und ein riesiger Hund lief hastig auf sie zu.

»Oh mein Gott!«, rief Esme erschrocken, und eine der Tüten krachte auf den Gehweg.

»Miss Austen! Bei Fuß!« Robyn kam kurz hinter dem Hund aus dem Haus gerannt.

»Ah! Das ist also Miss Austen. Ich dachte schon, es handle sich um eine ältere Tante«, erklärte Esme lachend.

»Hallo, Esme. Wie hast du die erste Nacht verbracht? Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Du weißt ja, was man in der ersten Nacht in einer neuen Wohnung träumt, das geht in Erfüllung.« Robyn war stehen geblieben und nahm den großen Hund an die Leine.

Esme war sich nicht sicher, ob Robyn das mit der Weisheit richtig erfasst hatte, denn soweit sie wusste, hieß es, was man in einem neuen Bett träumte, ging in Erfüllung, aber sie wollte nicht kleinlich sein. Ebenso mochte sie nicht von ihrem wirren Traum erzählen, daher nickte sie. »Ja, ich habe sehr gut geschlafen. Ist das dein Hund?« Sie deutete auf das große weiße Tier.

Robyn tätschelte dessen Kopf. »Ja, darf ich dir Miss Austen vorstellen? Sie ist ein Königspudel und war der Hund meiner Großmutter. Als diese vor einem halben Jahr starb, brachte ich es nicht übers Herz, sie ins Tierheim zu geben. Also habe ich sie zu mir genommen, sie ist erst fünf Jahre alt und hat in einem Tierheim nichts zu suchen. Miss Austen kann gut allein bleiben, zumindest für einige Zeit. Sie ist ganz verrückt nach Schnee. Sobald es vom Himmel rieselt, will sie raus und kennt kein Halten mehr. Sie ist wirklich ein liebes Tier, auch wenn sie nur eine ganz besondere Art von Hundefutter verträgt, nur Lamm mag, kein Schweine- oder Entenfleisch isst und es liebt, wenn man sie duscht. Ständig springt sie in die Badewanne, weil sie hofft, dass ich sie wasche. Dabei soll das gar nicht gut für Hunde sein. Aber Miss Austen hat halt ihren eigenen Kopf.« Robyn hob lachend die Schultern. »Wie ich sehe, hast du kräftig eingekauft. Ich gehe jetzt schnell Gassi mit Miss Austen, dann beginne ich mit den Vorbereitungen für das Abendessen. Nicht vergessen. Wir zählen heute auf dich.«

»Auf jeden Fall. Soll ich etwas mitbringen?« Die Taschen wurden Esme langsam schwer in der Hand.

»Nein, gute Laune und du selbst reichen vollkommen.«

Esme warf dem Hund noch einen unsicheren Blick zu und machte sich dann auf den Weg. Miss Austen verfolgte sie mit ihren wachen Augen. Dass Robyn eine Hündin besaß, hätte Esme jetzt nicht gerade erwartet, und sie hoffte, dass sie so lieb war, wie sie aussah.

Als Esme am Abend an die Tür in der zweiten Etage klopfte, hörte sie das laute Bellen von Miss Austen. Die Tür wurde geöffnet, und sie erblickte das Gesicht von Arthur, dessen Hände mit Mehl bestäubt waren.

»Komm rein, Miss Austen bellt nur, beißt aber nicht. Wir sind in der Küche.« Er ging vor, und Esme folgte ihm.

Die Wohnung im Obergeschoss war riesig, das erkannte sie auf den ersten Blick. Im Wohnzimmer gab die Fensterfront die Sicht auf die umliegenden Dächer frei. Eine Schiebeglastür führte hinaus auf die Dachterrasse. Jetzt im Winter sah alles trostlos aus, doch Esme war sich sicher, dass es im Sommer ein zauberhafter Ort war.

Miss Austen machte vor ihr Platz, und ihre dunkelbraunen Augen ließen nicht von ihr ab. Esme war unsicher, ob sie einfach an ihr vorbeigehen konnte. Sie mochte Hunde. Was ihr allerdings weniger gefiel, waren Tiere, die an ihr hochsprangen. Jedoch machte Miss Austen nicht den Eindruck, als wäre sie so ungezogen.

»Komm ruhig rein. Miss Austen steckt mal wieder ihr Revier ab. Lass dich von ihrem durchdringenden Blick nicht beeindrucken, sonst hast du verloren. Sie ist eine echte Diva«, rief Robyn ihr über den Küchenblock, der in der Mitte des Raums stand, zu.

»Wow! Diese Wohnung ist ein absoluter Hingucker. Und ich dachte, meine Wohnung wäre ein Juwel«, staunte Esme nicht schlecht, als sie die Küche betrat und Miss Austen absichtlich nicht beachtete.

Ihr Verhalten zeigte Wirkung, und die Hündin lief zurück ins Wohnzimmer, ließ sich auf einem grauen Kissen, das für sie bereitlag, nieder.

»Es gibt selbstgemachte Cannelloni. Ich hoffe, du magst Spinat, Schafskäse und Knoblauch.« Arthur bearbeitete den Teig mit einem Nudelholz, um ihn so dünn wie möglich zu rollen.

»Ich esse fast alles. Kann ich euch helfen?«, bot Esme an.

»Klar, du hast die Wahl zwischen Zwiebeln schälen oder Knoblauch zerdrücken.« Robyn zwinkerte ihr zu.

»Dann entscheide ich mich eindeutig für den Knoblauch.« Schnell griff Esme nach der Knolle, entfernte die dünne weiße Schale, und löste einige Zehen heraus.

In der nächsten Stunde arbeiteten sie gemeinsam Hand in Hand, und am Ende lag ein wunderbarer Duft nach italienischen Kräutern in der Luft. Basilikum, Thymian und Oregano mischten sich mit Knoblauch, Zwiebeln und Tomaten.

Zum gleichen Zeitpunkt, als der Auflauf fertig war, wurde die Tür aufgeschlossen, und ein Mann betrat das Wohnzimmer.

»So, wie es hier riecht, komme ich genau richtig.« Er steuerte auf Robyn zu und küsste sie auf den Mund.

»Hi, mein Liebster. Du hast wie immer das richtige Timing.«

Miss Austen sprang auf, und der Mann trat zurück. »Robyn!« Seine Stimme klang alarmiert. Er würde doch keine Angst vor Miss Austen haben? Sie hatte sich die ganze Zeit vorbildlich verhalten.

»Miss Austen, komm mit.« Robyn brachte den Königspudel aus dem Raum. »Sam, das ist übrigens Esme, meine neue Nachbarin, sie ist ins Erdgeschoss gezogen«, stellte Robyn Esme vor, als sie zurückkehrte.

»Esme, das ist mein Freund Sam. Er hat eine Hundeallergie, daher muss Miss Austen ins Gästezimmer, wenn er da ist. Obwohl Pudel fast gar nicht haaren, ist Sam so hypersensibel, dass er sogar auf Miss Austen reagiert.«

»Hallo«, sagte Esme schüchtern. Keine Ahnung, warum er ihr Respekt einflößte. Vielleicht weil er so groß war oder ein strahlendes Zahnpasta-Lächeln auspackte.

»Hi, Esme, Samuel Norris. Schön, dich kennenzulernen.« Er reichte ihr die Hand. So aus der Nähe betrachtet, war er um einiges älter als Robyn. Sie schätzte ihn auf Mitte dreißig. »Ich hoffe, du lebst dich hier schnell ein.«

»Danke, das denke ich schon. Bei solch netten Nachbarn kann man sich ja nur wohlfühlen.« Esme strahlte.

»Ich habe uns eine Flasche Rotwein mitgebracht. Habe ich von einem netten Patienten geschenkt bekommen. Er ist Weinhändler und sagte, es sei ein ganz besonderer Tropfen.« Sam war schon auf dem Weg in die Küche, um die Flasche zu entkorken.

Er füllte vier Gläser und kam mit einem Tablett zurück zum Tisch. »Lasst uns auf einen schönen Abend anstoßen.«

Arthur half ihm, die Gläser zu verteilen, da winkte Robyn ab.

»Danke, aber für mich keinen Alkohol.«

»Warum nicht?«, fragte Arthur erstaunt und gab das Glas an Esme weiter.

»Ich hatte gestern zu viel Champagner«, sagte Robyn schnell und lächelte. »Ich stehe nicht so sehr auf Alkohol, das wisst ihr doch.«

Sam schaute seine Freundin an, als würde er sie zum ersten Mal sehen, kommentierte das aber nicht. Robyn ging in die Küche und kam kurz darauf mit einem Glas Orangensaft zurück. »Vitamine sind viel besser. Also, auf einen schönen Abend.«

Sie stießen an, und Sam stöhnte laut auf. »Ich komme um vor Hunger, es riecht wirklich hervorragend.«

»Ja, besonders nach Knoblauch«, erklärte Esme und schnüffelte lachend an ihren Fingern.

* * *

Sie saßen nach dem Essen noch in einer gemütlichen Runde zusammen. Robyn hatte auch schon einen Weihnachtsbaum aufgestellt. So, wie es aussah, war es sogar ein echter. Bunte Kugeln und Lichterketten schmückten ihn, zusammen mit selbstgefertigten Sternen aus Stroh. Unter dem Baum waren Pakete verteilt, und Esme fragte sich, ob es nur Dekoration war oder ob Robyn wirklich schon alle Geschenke zusammenhatte. Esme war jemand, der Geschenke auf den letzten Drücker kaufte, doch in diesem Jahr gab es niemanden, den sie beschenken würde. Sie würde die Weihnachtstage nicht zu ihrer Mutter nach York reisen, sondern die Tage gemütlich zu Hause verbringen. In ihrer WG wäre diese Vorstellung ein Graus gewesen, doch hier in ihren eigenen vier Wänden war es ein schöner Traum.

»Möchte noch jemand etwas trinken?«, fragte Sam in die Runde, aber alle winkten ab. »Okay, dann mache ich keine weitere Flasche mehr auf.«

Während Esme hinter vorgehaltener Hand gähnte, erhob sich Arthur. »Ich muss jetzt leider ins Bett, weil ich morgen ganz früh zu einer Dienstreise aufbreche. Es war schön mit euch. Ich hoffe, ich bin zu Silvester zurück«, erklärte er und hob grüßend die Hand.

»Ich werde jetzt auch ins Bett gehen. Ich habe nur noch drei Arbeitstage vor mir, dann endlich Urlaub. Ich kann es kaum erwarten«, erklärte Esme und verabschiedete sich von ihren Gastgebern.

Robyn brachte sie noch zur Tür. »Danke, dass du da warst, und ich freue mich, dass du eingezogen bist.« Sie drückte Esme wie eine alte Freundin, und Esme lief das Treppenhaus mit einem warmen Gefühl hinunter.

Drei

Eine Woche später schloss Esme die Wohnungstür hinter sich, lehnte sich dagegen und schloss die Augen. »Urlaub … endlich«, murmelte sie und konnte es nicht glauben. Ganze zwei Wochen würde sie jeden Tag ausschlafen können. Himmlisch. Sie hatte schon nicht mehr daran geglaubt. In jedem Jahr bekam einer der Angestellten eine Woche vor den Weihnachtsfeiertagen frei. Diesen Winter war Esme an der Reihe, jedoch hatten sich einige Mitarbeiter krankgemeldet, und George, ihr Vorgesetzter und Ex-Freund, wollte ihr zunächst den Urlaub streichen. Sie hatte sich mit Händen und Füßen gewehrt, und zum Glück war Sarah, ihre Arbeitskollegin, mit der sie sich am besten verstand, eingesprungen, und letztendlich bekam sie ihre wohlverdienten freien Tage. Sie würde eine Menge lesen, Netflix schauen und vielleicht auch zu Weihnachten die Kirche besuchen. Sie war unglaublich sauer auf George, der das Theater nur veranstaltet hatte, weil sie ihm keine zweite Chance geben wollte. Aber sie passten einfach nicht zusammen. Er war kleinlich und rechthaberisch, kein besonders guter Chef. Er war kein Mann, zu dem sie aufsehen konnte, sie befanden sich noch nicht einmal auf einer Stufe. Sie würde an dem Tag drei Kreuze machen, wenn George die Filiale wechselte, so wie er es immer ankündigte.

Das laute Klopfen auf der anderen Seite der Tür ließ sie erschrocken aufschreien. Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie trug noch immer ihren Mantel und die Mütze auf dem Kopf. Schnell legte sie alles ab, öffnete danach hastig die Wohnungstür.

»Oh mein Gott, Esme, du bist endlich da. Ich habe schon drei Mal bei dir geklopft und dachte, du wärst vielleicht in den Urlaub gefahren.« Robyn wirkte gehetzt.

»Nein, dieses Jahr fahre ich zu Weihnachten nicht zu meiner Familie nach York. Ich werde zu Hause bleiben und die Feiertage hier verbringen.«

»Oh, das ist wunderbar. Ich meine, ich habe eine große Bitte. Ich hätte Arthur darum gebeten, doch er ist geschäftlich nach Glasgow geflogen und wird erst zu Silvester zurückkehren, daher –«

»Komm doch erst einmal rein.« Esme bat Robyn herein und schloss die Tür hinter ihr.