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Mitch gabelt am Straßenrand seine Exverlobte auf. In einem Brautkleid, ohne Geld und ohne Papiere. Die schöne Liz ist wieder einmal geflohen. Vor der Trauung, wie damals, oder diesmal erst danach? Ist die Frau, die Mitch immer noch liebt und begehrt, mit einem anderen verheiratet? Doch Liz gibt dieses Geheimnis nicht preis. Nicht einmal nach einer gemeinsamen Nacht, die süße Erinnerungen an ihre schönsten Zeiten als Paar weckt …
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Seitenzahl: 204
IMPRESSUM
Weil ich dich liebte erscheint in der HarperCollins Germany GmbH
© by Lori and Tony Karayianni Originaltitel: „The P.I. Who Loved Her“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.
© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BACCARABand 1104 - 2000 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Christiane Bowien-Böll
Umschlagsmotive: egal / ThinkstockPhotos
Veröffentlicht im ePub Format in 01/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.
E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 9783733775896
Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.
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„Alter, du siehst besser zu, dass du etwas aus deinem Leben machst.“
Mitch McCoy legte einen anderen Gang ein. Nur die Scheinwerfer seines Pick-ups durchbrachen die Dunkelheit, nur seine eigene Stimme durchbrach die Stille.
Der Rest der McCoys befand sich immer noch in Bedford, Maryland, und feierte die Hochzeit seines Bruders Marc mit Melanie Weber. Das geradezu unanständig glückliche Paar war längst in die Flitterwochen aufgebrochen.
Es war nicht so, dass Mitch seinem Bruder sein Glück nicht gönnte, im Gegenteil. Alle waren ja erleichtert, dass Marc und Mel endlich zusammengefunden hatten. Doch von allen fünf McCoy-Geschwistern war Marc eigentlich der Letzte, von dem man erwartet hätte, dass er so bald heiraten würde.
Was Mitch betraf, hatte er sogar als Erster von allen den Weg zum Altar gefunden, nur zum Heiraten war er nicht gekommen.
Das war auch der Grund, weshalb er jetzt so aufgewühlt war – all das Gerede vom Heiraten, von Liebe, von Versprechen, die man sich gab und hielt. Er hätte sich denken können, dass es so kommen würde, schon als er sich in diese unbequeme Kirchenbank zwängte, um zuzusehen, wie Marc und Melanie vollbrachten, was er nicht geschafft hatte. Er war vor dem Altar stehen gelassen worden.
Das war inzwischen sieben Jahre her. Nervös zupfte Mitch an seiner Krawatte. Sieben Jahre waren vergangen, seit Liz Braden die Stadt verlassen hatte – und ihn.
Doch seine innere Unruhe hatte sich nicht von heute auf morgen entwickelt. In Wirklichkeit ging das schon seit Monaten so, oder gar Jahren? Er wurde immer lustloser in seinem Job als Privatdetektiv, so wie er vor einigen Jahren keine Lust mehr auf den extremen Stress in seinem Job beim FBI gehabt hatte. Er hielt zwar immer noch einen Anteil an der Detektei in Washington, D.C., doch den größten Teil seines Kundenstamms hatte er seinen Partnern, Mike Schaffer und Renée Delancy, überlassen. Er war nach Manchester zurückgekehrt, um einen langgehegten, heimlichen Traum zu verwirklichen und Pferde zu züchten. Jenen Traum hatte er damals mit achtzehn aufgegeben, um in die Fußstapfen sämtlicher männlicher McCoys zu treten und erst zum Militär zu gehen und dann zum FBI oder zur Polizei.
Doch auch die Rückkehr nach Manchester hatte nicht bewirkt, dass er sich besser fühlte. Im Gegenteil, es wurde immer schlimmer. Und das Schlimmste von allem war – er wusste genau, warum. Es war an jenem Abend passiert, als Marc ihn gefragt hatte, ob er nicht bereut habe, nie nach Liz gesucht zu haben.
Wenn Marc nur geahnt hätte, dass er sehr wohl versucht hatte, sie zu finden. In gewisser Weise jedenfalls.
Ach, was soll’s, dachte Mitch. Wozu sich so viele Gedanken machen? Sicher hatte sein momentaner Zustand eine ganz einfache Ursache. Es war eben schon viel zu lange her, dass er mit einer Frau zusammen gewesen war. Er versuchte, sich einzureden, dass ihm im Augenblick jede Frau recht wäre. Aber er wusste, dass das nicht stimmte. Denn was für andere Männer gelten mochte, die längere Zeit keinen Sex gehabt hatten, musste noch längst nicht auf ihn zutreffen.
Etwa dreißig Meter vor ihm stand ein Wagen mit eingeschalteter Warnblinkanlage am Straßenrand.
Trotzdem, eine Frau mit einem sexy Lächeln und einem hübschen anschmiegsamen Körper wäre nicht schlecht. Mitch kniff die Lider zusammen und betrachtete die Frau, die neben dem Wagen stand. Ja, irgendeine Frau, jede, außer …
Liz.
Mitch riss dermaßen hektisch das Steuer herum, dass er fast im Straßengraben gelandet wäre. Mit quietschenden Reifen brachte Mitch seinen Wagen zum Stehen. Er fluchte, sein Puls raste. Marc und seine verdammten Fragen! Er hätte überhaupt keinen Gedanken an Liz verschwendet, wenn nicht sein Bruder gewesen wäre. Na ja, das stimmte nicht ganz, aber jedenfalls hatte er bis jetzt noch nie Halluzinationen von ihr gehabt.
Es musste schlimmer um ihn stehen, als er gedacht hatte.
Unwillkürlich pfiff er durch die Zähne, als er die glänzende Limousine näher betrachtete. In einer Kleinstadt voller Pick-ups fiel so ein Luxusschlitten natürlich auf, vor allem nachts um halb eins. Die Frau kniete jetzt neben dem linken Hinterrad.
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte er.
Die Frau hatte den Wagenheber angesetzt und war dabei, das Rad hochzukurbeln. Fasziniert verfolgte Mitch, wie sich ihr kleiner fester Po dabei rhythmisch bewegte.
„Danke, nicht nötig“, erwiderte sie. „Ich habe schon öfter Reifen gewechselt.“
Mitch sah auf seine Armbanduhr, dann wieder auf ihren verführerischen Po. Sexy Lächeln oder nicht, so ein Erste-Klasse-Po wie dieser sollte genügen.
Aber sie trug ja ein Brautkleid!
Okay, das war’s. Sein Bedarf an Hochzeiten und allem, was damit zusammenhing, war für immer gedeckt.
„Wie Sie wollen“, sagte er zu der Frau und legte den ersten Gang ein.
Er war vielleicht zwanzig Meter gefahren, als er schon wieder auf die Bremse trat und in den Rückspiegel sah. Verdammt! Er konnte sie nicht einfach hier allein lassen. Sein Vater hatte ihm und seinen Brüdern beigebracht, dass man niemanden – und erst recht keine Frau – mitten in der Nacht irgendwo auf der Landstraße sich selbst überließ.
Mit einem Seufzer wendete Mitch und fuhr zu dem Wagen zurück. Dem Nummernschild zufolge kam er aus Massachusetts. Keinerlei Anzeichen, dass es sich um einen Mietwagen handelte. Aber in den meisten Staaten waren diese ja längst nicht mehr besonders gekennzeichnet. Er stieg aus.
„Nichts für ungut“, sagte er, bevor sie protestieren konnte. Er holte den Ersatzreifen aus dem Kofferraum ihres Wagens und drängte sie zur Seite. „Keiner von uns beiden wird seine Ruhe haben, solange Sie nicht wieder sicher in Ihrem Wagen sitzen und weiterfahren.“ Er bockte den Wagen noch ein Stück höher auf. Seine starken Muskeln zeichneten sich unter dem Hemd ab.
„Mitch?“, hörte er die Frau hinter sich sagen. „Mitch McCoy?“
Er sprang so rasch auf, dass er fast über den Ersatzreifen gestolpert wäre.
Verdammt! Es war tatsächlich Liz!
Das konnte doch nicht wahr sein!
Liz ließ den Blick langsam über den hochgewachsenen, breitschultrigen Mann gleiten, der da vor ihr stand, von den frisch geputzten Stiefeln über die eng anliegenden Jeans bis hinauf zu dem sauberen weißen Hemdkragen und der nachlässig gebundenen Krawatte. Wer war wohl mehr geschockt über diese mitternächtliche Begegnung, sie oder Mitch? Es mochten viele Jahre vergangen sein, seit sie sich das letzte Mal gesehen hatten, aber sie würde diesen beunruhigend attraktiven Mann jederzeit wiedererkennen. Niemand füllte Jeans so perfekt wie Mitch.
Liz fuhr sich mit der Zungenspitze über ihre plötzlich trockenen Lippen.
Doch dann musste sie lachen. Offenbar war er noch bestürzter als sie. Er sah aus, als hätte ihm jemand mit einem Holzhammer auf den Kopf geschlagen. Das musste man sich mal vorstellen – sie war schuld daran, dass es Mitch McCoy die Sprache verschlagen hatte.
„Du hast eine andere Haarfarbe“, stieß er schließlich hervor.
Sie schob sich eine Strähne hinters Ohr, geschmeichelt, dass es ihm aufgefallen war. Wie dumm von ihr. Sie sollte sich wirklich nicht wegen so einer Kleinigkeit geschmeichelt fühlen. Auch nicht, wenn die Bemerkung von Mitch McCoy kam. „Ja, ich … ich hatte keineswegs immer mehr Spaß als Blondine.“ Als Brünette allerdings genauso wenig.
Sie spürte seinen Blick auf sich, und dass er ihn an manchen Stellen länger verweilen ließ als an anderen. Heiße Schauer überliefen sie. Das jedenfalls hatte sich nicht geändert. Richard Beschloss hatte fünf Tage gebraucht, um sie zu einem Date zu überreden. Ein Blick von Mitch, und sie war bereit …
Nein, es wäre unklug, diesen Gedanken weiter zu verfolgen.
Jetzt spürte sie seinen Blick auf ihren Brüsten, und plötzlich fiel es ihr schwer zu atmen.
„Liz, ist das Blut auf deinem Kleid? In was für Schwierigkeiten hast du dich diesmal gebracht?“
Oh, verflixt! Liz sah auf den hässlichen, dunklen Fleck. Natürlich, Mitch erkannte sofort, was das für ein Fleck war. Dem Tankwart in New Jersey hatte sie einfach gesagt, sie habe sich mit Schokoladensoße bekleckert.
„Bist du verletzt, Liz?“
„Nein, nein, mir fehlt nichts.“ Im Gegensatz zu ihrem Exverlobten. Fast hätte sie aufgelacht. „Keine Sorge, es ist nicht mein Blut. Ich bin genauso fit wie an dem Tag, an dem wir uns das letzte Mal sahen.“
Ihre Blicke trafen sich. Mitch wirkte skeptisch. Sie biss sich auf die Unterlippe.
„Irgendwie hab ich es mir gedacht, dass du immer noch in Manchester sein würdest“, sagte Liz betont beiläufig und machte sich wieder am Rad zu schaffen. „Mitch McCoy, der Junge vom Land.“
„Was soll das denn heißen?“
Sie hob nur die Schultern. Oh ja, sie hatte schon damit gerechnet, irgendwann Mitch zu begegnen, als sie hierher fuhr. Und sie musste sogar zugeben, dass die Aussicht sie erregt hatte. Allerdings hatte sie nicht erwartet, dass es mitten in der Nacht auf der Landstraße passieren würde. Und dass ihr dabei bewusst werden würde, wie sehr sie ihn vermisst hatte.
Aber so war das Leben eben. Wenn etwas schief ging, dann richtig.
Liz räusperte sich. „Wie geht’s deinem Vater?“ Sie spürte genau, dass Mitch auf ihren Po starrte.
Wieder drängte er sie beiseite und kniete sich selbst neben das Rad. „Gut. Es geht ihm gut.“
„Und deinen Brüdern?“
„Auch gut.“ Er setzte sich auf die Fersen. „Hör zu, Liz, ich bin wirklich nicht in der Stimmung für diese Art von Konversation. Es war ein langer Tag, und alles, was ich will, ist, deinen Wagen wieder fahrtüchtig zu machen, und dann ab nach Hause und ins Bett.“ Routiniert begann er die Radmuttern zu lösen.
Liz beobachtete, wie er die Schultern straffte. Wieder überlief sie ein heißer Schauer, und sie genoss es. Dann aber versuchte sie sich daran zu erinnern, wie viele Gründe sie hatte, Abstand zu halten zu Mitch McCoy. Du liebe Güte, vor weniger als zwölf Stunden war sie im Begriff gewesen, zu heiraten, und zwar einen anderen. Aber selbst dieser Gedanke half nichts. Sie begehrte Mitch noch genauso stark wie früher, mochten auch noch so viele Jahre vergangen sein, seit sie sich zuletzt gesehen hatten.
Er blickte über die Schulter zu ihr hinüber. „Und was bringt dich zurück nach Manchester, Liz? Soweit ich weiß, warst du zuletzt in Chicago.“
Sie lächelte. „Du hast dich also informiert. Ich bin beeindruckt, aber doch ein wenig enttäuscht. Chicago habe ich schon vor ein paar Jahren verlassen.“
„Lass mich raten. Du bist nach Massachusetts gegangen.“
„Hm, falsch“, erwiderte sie. „Dazwischen lagen noch ein paar andere Städte.“ Warum fühlte sie sich nur so unbehaglich? „Aber das ist ja nicht wichtig. Nicht jetzt.“
„Und das Kleid, das du trägst, Liz? Liegt dein Bräutigam im Kofferraum, oder ist es dir zur Gewohnheit geworden, kurz vor der Hochzeit fortzulaufen?“
Dieser Seitenhieb saß. „Ich weiß nicht, Mitch. Hast du jemanden gesehen, als du den Ersatzreifen herausgeholt hast?“
„Okay, eins zu null für dich.“ Mitch arbeitete unbeirrt weiter. „Du hast meine Frage nicht beantwortet.“
Liz sah ihn verständnislos an.
„Weshalb kommst du zurück nach Manchester?“
Nun, das war eine gute Frage, die sie sich bereits selbst stellte, seit sie vor ein paar Stunden gemerkt hatte, dass sie auf einmal diese Richtung eingeschlagen hatte.
„Ich weiß nicht. Vielleicht haben mich plötzlich nostalgische Gefühle überkommen?“ Sie wandte sich ab – sein Blick war zu eindringlich – und holte tief Luft. „Ich verschwinde wieder, sobald sich in Boston alles geklärt hat.“
Plötzlich stand er neben ihr. „Was sich in Boston klären muss, das hat nicht zufällig etwas mit dem Blut auf deinem Kleid zu tun, oder?“
„Nein. Na ja, jedenfalls nicht direkt.“ Sie setzte ihr schönstes Lächeln auf. „Dieser Blutfleck macht dir wirklich zu schaffen, was?“
Er rieb sich das Kinn. „Nun, du hattest schon immer ein Talent, mich aus der Ruhe zu bringen.“
„Dito.“ Sie betrachtete seine Lippen – diesen schönen, männlichen Mund, den sie so gern geküsst hatte, stundenlang. „Manche Dinge ändern sich wohl nie, sosehr man es sich auch wünscht.“
„Hm.“
Ihre Blicke trafen sich. Das Schweigen zwischen ihnen schien sich endlos auszudehnen. Es gab so viele unbeantwortete Fragen, so viele uneingestandene Wahrheiten …
Schließlich drehte Mitch sich um und wandte sich wieder dem Wagen zu.
Nachdenklich rückte Liz den Träger ihres Kleides gerade. Um ehrlich zu sein, sie wusste nicht, warum sie nach Manchester gefahren war. Eben noch hatte sie sich mit Richard auf dessen Anwesen befunden und ihm eins auf die Nase gegeben, im nächsten Moment war sie schon unterwegs gewesen nach Virginia, ohne Kleider, ohne Geld, aber mit allem Grund zu der Annahme, dass beides für sie auf unabsehbare Zeit unerreichbar sein würde. Zumindest so lange, bis Richard sich wieder abgeregt hätte. Ja, wenn sie gewusst hätte, was passieren würde, dann hätte sie bestimmt nicht ihre Eigentumswohnung verkauft, um bei Richard einzuziehen. Zum Glück hatte sie immer ihren Führerschein, die Wagenpapiere und eine Kundenkarte für Tankstellen im Handschuhfach, sonst hätte sie es niemals bis hierher geschafft. Ein bisschen Kleingeld, nicht mehr als ein paar Dollar, hatte sie ebenfalls im Wagen gefunden, aber das war auch schon alles.
Eigentlich hatte sie von Anfang an ein ungutes Gefühl bei Richard gehabt. Der Vizepräsident ihrer Bank, die all ihre Konten verwaltete, war mit dem sprichwörtlichen silbernen Löffel im Mund geboren worden, denn seiner Familie gehörte die Bank. Und Liz hatte sich mit ihm verlobt …
Sie sah zu, wie Mitch die Schrauben am Ersatzreifen festdrehte. Als er aufstand, blickte sie auf die Straße.
„Was ist los? Erwartest du jemanden?“
Sie lachte auf, brach dann jedoch ab und schwieg. War es naiv, anzunehmen, dass Richard ihr auf keinen Fall folgen würde?
Mitch stand wie betäubt da und hielt das Werkzeug in den Händen. Er fühlte sich, als hätte ihm jemand den Boden unter den Füßen weggezogen, und sein ganzes Leben kam ihm plötzlich wie ein Chaos vor. Merkwürdig, aber Liz Braden löste immer so intensive Gefühle in ihm aus. Nur war sie ihm früher wie die Sonne erschienen, die die dunklen Schatten aus seinem Leben vertrieb. Heute brachte sie seine Welt zum Einstürzen.
Unruhig blickte Mitch auf die Straße. Wonach hatte Liz Ausschau gehalten?
„Keine Sorge.“ Sie trat neben ihn. „Ich habe den Wagen, der mich verfolgte, längst abgehängt.“
Mitch zuckte zusammen. „Du wirst verfolgt?“
„Ich habe nur Spaß gemacht. Wirklich, es gibt keinen Grund zur Sorge.“ Sie sah Mitch schelmisch an. „Was hast du eigentlich um diese Zeit auf der Landstraße verloren?“
„Ich … es ist …“, begann er, brach jedoch gleich wieder ab, da ihm die Ironie des Schicksals bewusst wurde. „Ich komme von einer Hochzeit in Maryland.“ Nervös zupfte er an seiner Krawatte. „Marc hat geheiratet.“
Liz nickte. „Und du?“, fragte sie.
Die warme Nachtluft vermischte sich mit ihrem Parfüm. „Was soll mit mir sein?“, fragte er zurück.
Sie deutete auf seine Krawatte und das weiße Hemd. „Bist du verheiratet?“
Er ließ sich Zeit mit der Antwort und betrachtete eingehend ihr Kleid. Der Blutfleck beschränkte sich nur auf die eine Stelle. Keine Spritzer, kein einziger Tropfen waren sonst irgendwo zu sehen. „Und ob. Seit fünf Jahren. Drei Kinder, fünf Katzen, eine Ziege bilden jetzt mein Heim. Und ein weißer Lattenzaun.“
Liz presste die Lippen zusammen. Er lächelte breit.
„Hab nur Spaß gemacht.“ Was sie konnte, konnte er schon lange, oder? „Nein, ich bin nicht verheiratet. Ein Versuch hat mir gereicht.“
„Klasse, McCoy.“ Sie lachte. „Genau das Gleiche habe ich mir heute Morgen auch gedacht. Dass ein Versuch eigentlich genug ist, meine ich.“ Ihre braunen Augen funkelten, es war einfach unmöglich, woandershin zu schauen.
In diesem Augenblick hätte er fast vergessen, dass sie ihm das Herz gebrochen hatte. Ihr Blick sagte ihm so viel … genau wie damals, ja, vielleicht sogar noch mehr, und ihr wunderschöner Mund schien wie geschaffen zum Küssen.
Konzentrier dich auf den Blutfleck, McCoy, ermahnte sich Mitch.
„Tja, ich schätze, ich fahr dann mal wieder los“, sagte Liz. „Ich habe noch etwas vor heute Nacht.“
Mitch unterdrückte den Impuls, sie bei den Handgelenken zu packen und zu fragen, was sie denn noch vorhabe, wo sie gewesen sei, warum sie ihre Haarfarbe geändert habe, alles nur, damit sie noch ein bisschen blieb. Er war überrascht von der Heftigkeit seiner Gefühle.
„Wohnst du im Haus deiner Grandma?“, fragte er Liz. Das alte viktorianische Haus am Ortsrand war unbewohnt, seit die alte Dame gestorben war und Liz die Stadt mit unbekanntem Ziel verlassen hatte. Nur der alte Peabody schaute ab und zu noch nach dem Rechten.
„Schon möglich.“
Mitch hob eine Braue. „Aber fährst du dann nicht in die falsche Richtung?“
Liz erschauerte, obwohl es eine schwüle Sommernacht war. „Ich dachte, ich gucke mich erst noch ein bisschen in der Stadt um. Es hat sich doch sicher einiges verändert in der langen Zeit.“
Er nickte, als ob diese Antwort völlig logisch wäre. Aber was erhoffte sie sich zu sehen, nachts um halb eins? Wieder blickte Mitch die Straße hinab. „Tja, wir werden uns wahrscheinlich nicht mehr begegnen, bevor du wieder wegfährst. Alles Gute.“
Liz raffte ihr Kleid und stieg ein. Er schlug die Tür für sie zu, allerdings nicht, bevor er einen Blick auf ihre hochhackigen roten Pumps geworfen hatte.
„Leb wohl, Mitch“, sagte sie durchs offene Seitenfenster.
„Ja, leb wohl.“
Automatisch trat er ein wenig zurück, damit sie losfahren konnte. Er bebte vor Verlangen. Liz war wieder da!
Liz bog in die Einfahrt zum Haus ihrer Großmutter ein, hielt an und lehnte sich im weichen Lederpolster zurück. Merkwürdig, sie fühlte sich richtig aufgeregt und wagemutig. Eigentlich hatte dieses Gefühl schon in dem Moment angefangen, als ihr klar geworden war, dass sie Richard nicht heiraten wollte, und es hatte sich geradezu schwindelerregend verstärkt, als sie Mitch begegnet war. Würde sie an die Vorsehung glauben, dann müsste sie jetzt davon ausgehen, dass eine höhere Macht dafür gesorgt hatte, dass ihr Reifen genau in dem Moment geplatzt war, als ein paar Kilometer hinter ihr Mitch auf der gleichen Landstraße unterwegs gewesen war.
Ach was, sie war einfach übermüdet und gehörte ins Bett. Sie stieg aus und ging zum Haus. Wie viele Sommer hatte sie als Kind hier verbracht? Zehn? Zwölf? Auf jeden Fall war dieses Haus das einzig Beständige in ihrem Leben. Dieses Haus und ihre Großmutter waren ihr einziger Halt gewesen. Ansonsten war ihr Leben – erst durch das ständige Von-Stadt-zu-Stadt-Ziehen ihrer Mutter, später durch ihr eigenes Vagabundentum ziemlich chaotisch gewesen. Als Heranwachsende hatte Liz immer gewusst, sie würde mit allem zurechtkommen, solange sie nur diese kurzen, wundervollen Sommerferien bei Gran hatte. Und jetzt war dieser Ort ihre Zuflucht geworden.
Unwillkürlich verlangsamte sie ihre Schritte. Anders als früher würde jetzt nicht ihre Großmutter dort drinnen auf sie warten, um sie an sich zu drücken. Minerva Braden war vor sieben Jahren gestorben. Liz hatte alles geerbt, sich mit Mitch verlobt, und dann …
„Das ist alles lange her, Lizzie, ganz lange her“, sagte sie laut. „Das war vor Mitch; vor diesem Mistkerl Richard Beschloss; vor deiner überstürzten Flucht…“
Trotz der Dunkelheit wusste Liz genau, wo sie hinfassen musste, um den Schlüssel unter dem Fenstersims zu finden. Sie schloss die Tür auf. Die Erinnerungen überwältigten sie.
Und Erinnerungen an Mitch McCoy. Sehr erotische Erinnerungen.
Ja, sie hatte oft an ihn gedacht in all den Jahren. Die Erinnerungen hatten ihr geholfen, vor allem in Phasen, in denen sie besonders einsam gewesen war. Mit der Zeit waren sie ein wenig verblasst, nun aber, durch eine einzige, kurze mitternächtliche Begegnung erwachten sie zu neuem Leben. Plötzlich war alles wieder so real.
Noch bevor Liz die Tür hinter sich geschlossen hatte, kickte sie ihre roten Pumps fort und zog das unbequeme Kleid aus. In der Speisekammer stand noch die alte Petroleumlampe, und sie war sogar noch gefüllt. Liz seufzte erleichtert auf und ging zum Küchenschrank. Richtig, dort waren auch noch Streichhölzer.
Innerhalb weniger Augenblicke war der Raum in ein warmes Licht getaucht, sodass Liz erkennen konnte, wie übel der Fleck auf der Vorderseite des Kleides wirklich aussah, obwohl sie ihn bei der ersten Gelegenheit auf der Damentoilette einer Tankstelle mit kaltem Wasser behandelt hatte. Kein Wunder, dass Mitch so viele Fragen gestellt hatte.
Wer hätte auch gedacht, dass so viel Blut aus einer Nase spritzen konnte?
Wie würde dieser Fleck erst bei Tageslicht aussehen?
Schade. Das Kleid hatte ihr gefallen. Sogar besser als der Mann, den sie fast geheiratet hätte. Aber diese Erkenntnis war ihr erst unmittelbar vor der Trauung gekommen. Plötzlich war ihr klar geworden, dass sie keinen Mann heiraten wollte, den sie nicht liebte.
Sie legte das bauschige Kleid auf den Küchentisch und machte sich auf die Suche nach etwas, das sie anziehen könnte.
Merkwürdig, wenn sie an Mitch gedacht hatte, dann immer an den schlaksigen fünfundzwanzigjährigen Mitch. Wer wäre auch darauf gekommen, dass er sich zu einem so aufregenden Mann entwickeln würde? dachte Liz, während sie die Treppe ins obere Stockwerk hochging. Seine grünen Augen hatten irgendwie einen anderen Blick, tiefer, intensiver, und in den Augenwinkeln hatte sie winzige Fältchen entdeckt. Sein Haar war länger als damals und reichte ihm fast bis über den Kragen. Das erinnerte sie daran, wie sie in Howards Bohnenfeld Cowboy und Indianer gespielt hatten.
Den größten Spaß hatten sie gehabt, wenn sie sich über die Einzelheiten ihres Friedensvertrags stritten, was am Ende immer zu vergnüglichen Ringkämpfen auf der sonnendurchwärmten Erde geführt hatte.
Liz ertappte sich bei einem Lächeln … schon wieder. Ihr war, als hätte sie seit einer Ewigkeit nicht mehr so von Herzen gelächelt. Sie und Mitch waren damals erst acht und elf gewesen. Aber an ihrer guten Beziehung hatte sich eigentlich nie richtig etwas geändert. Sogar ihre Großmutter hatte davon gesprochen … Jahre später, nachdem sie Liz den Hintern versohlt hatte, als sie nach einem besonders ausgiebigen Ringkampf mit Mitch in Peabodys Maisfeld mit offener Bluse heimgekommen war.
Am Ende der Treppe blieb Liz stehen und lehnte sich an die Wand. Kein Wunder, dass sie in Erinnerungen schwelgte. Denn was die Gegenwart betraf – die war sowohl auf beruflicher als auch auf privater Ebene höchst unerfreulich. Wenn Richard ihre Konten sperrte, so wie er es angedroht hatte, dann stand ihr ein Abstieg ins Bodenlose bevor. Erst hoch dotierte Unternehmensberaterin, dann arbeitslos – und das über Nacht.
„Unerfreulich“ war noch milde ausgedrückt. Und dennoch, irgendwie machte sie sich deswegen überhaupt keine Sorgen. Allerdings musste sie schon zusehen, dass sie so bald wie möglich wenigstens an ein bisschen Bargeld herankam.
Müde ging sie in ihr früheres Zimmer. Es hatte eine Tapete mit Rosenmuster, und ein altes Himmelbett stand darin. Liz stellte die Lampe auf dem Nachttisch ab und begann ziellos in der Kommode herumzusuchen. Sie fand ihr altes Kopfkissen, nahm es heraus und öffnete die nächste Schublade. Was lag da unter der Plastikfolie? Sie griff hinein und holte ihre alte Kellnerinnenuniform heraus. Es schien so unendlich lange her zu sein, seit sie als Bedienung bei Bo und Ruth gearbeitet hatte. Liz lächelte wehmütig.
Dann ließ sie sich einfach auf die Matratze fallen. Das war es, was sie jetzt brauchte. Sie war viel zu erschöpft, um über Richard und seine Drohungen nachzudenken. Zu erschöpft, um sich wegen ihrer Sehnsucht nach der Vergangenheit den Kopf zu zerbrechen – und über ihre Reaktion auf Mitch McCoy. Zu erschöpft, um Bettwäsche aus dem Schrank zu holen. Morgen war auch noch ein Tag. Morgen konnte sie das alles nachholen und versuchen, ihr total aus den Fugen geratenes Leben wieder in Ordnung zu bringen.