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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. »Grüß dich, Christel.« Die junge Bäuerin sah von der Arbeit auf. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen, als sie den Besucher erkannte. »Grüß Gott, Hochwürden, schön, daß Sie uns mal besuchen.« Christel Enzinger saß vor dem Bauernhaus und putzte Gemüse. Auf dem Tisch vor ihr standen mehrere Schüsseln mit Erbsen, Bohnen und Möhren. Sie deutete auf einen Stuhl. »Setzten S' sich doch. Möchten S' eine Tasse Kaffee? Ich glaub', ein Stückl Kuchen ist auch noch da.« Sebastian Trenker nickte dankend und nahm Platz. »Das ist sehr freundlich von dir, Christel«, bedankte er sich und schnallte den Rucksack ab. Die Bäuerin drehte sich um und rief ins offene Küchenfenster: »Geh', Resl, sei so gut und bring' dem Herrn Pfarrer einen Kaffee heraus. Und schneid' ein großes Stückerl von dem Kuchen ab.« »Mach ich«, rief eine Frauenstimme von innen. Kurze Zeit später trat die alte Magd aus der Tür. »Grüß dich, Resl, wie gehts denn so?« erkundigte sich der Geistliche.
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»Grüß dich, Christel.«
Die junge Bäuerin sah von der Arbeit auf. Ein Lächeln glitt über ihre Lippen, als sie den Besucher erkannte.
»Grüß Gott, Hochwürden, schön, daß Sie uns mal besuchen.«
Christel Enzinger saß vor dem Bauernhaus und putzte Gemüse. Auf dem Tisch vor ihr standen mehrere Schüsseln mit Erbsen, Bohnen und Möhren. Sie deutete auf einen Stuhl.
»Setzten S’ sich doch. Möchten S’ eine Tasse Kaffee? Ich glaub’, ein Stückl Kuchen ist auch noch da.«
Sebastian Trenker nickte dankend und nahm Platz.
»Das ist sehr freundlich von dir, Christel«, bedankte er sich und schnallte den Rucksack ab.
Die Bäuerin drehte sich um und rief ins offene Küchenfenster: »Geh’, Resl, sei so gut und bring’ dem Herrn Pfarrer einen Kaffee heraus. Und schneid’ ein großes Stückerl von dem Kuchen ab.«
»Mach ich«, rief eine Frauenstimme von innen.
Kurze Zeit später trat die alte Magd aus der Tür.
»Grüß dich, Resl, wie gehts denn so?« erkundigte sich der Geistliche.
»Ach, Hochwürden, was soll ich sagen?« erwiderte Therese Gramser. »Auf meine alten Tag’ kann ich nur froh sein, daß ich noch jeden Morgen aus dem Bett komm’. Na ja, ab und an kommt das Gliederreißen zurück, ansonsten will ich net klagen.«
Sie hatte Kaffee und Kuchen vor Sebastian abgestellt und verschwand wieder im Haus. Der gute Hirte von St. Johann biß in das Kuchenstück.
»Hm, sehr lecker«, lobte er.
Christel hatte die letzte Möhre geschabt und in Würfel geschnitten. Sie schüttete die Gemüsestücke in ein Sieb, um sie später noch einmal gründlich durchzuwaschen.
»Ja, backen kann sie, die Resl«, sagte die Bäuerin. »Da macht ihr so leicht keiner was vor.«
Sie senkte die Stimme.
»Aber ansonsten ist sie net mehr viel zu gebrauchen. Es tut mir leid, daß ich das sagen muß, aber eine rechte Hilfe ist sie net.«
Sebastian Trenker nickte verstehend, er kannte das arbeitsreiche Leben auf den Höfen, und trank einen Schluck Kaffee.
Jemand, der ihn nicht kannte, hätte in ihm niemals einen Got-tesmann vermutet. Der Bergpfarrer, wie er wegen seiner Leidenschaft für die Berge, des Wanderns und Kletterns genannt wurde, trug wetterfeste Kleidung. Mit dem markanten Gesicht, das vom vielen Aufenthalt im Freien stets leicht gebräunt war, und seiner schlanken sportlichen Gestalt entsprach so gar nicht dem Bild, das die Leute gemeinhin von einem Landpfarrer hatten.
Aber Sebastian war mit Leib und Seele Geistlicher. Er liebte die Menschen und es war ihm immer ein Bedürfnis, da zu sein, wenn ihm ein Menschenschicksal begegnete, das nach Hilfe rief. Für seine Schäfchen war er Tag und Nacht zu sprechen, und sie dankten es ihm mit Respekt, Liebe und Vertrauen.
Der Besuch auf dem Enzingerhof war kein Zufall. Pfarrer Trenker hatte ihn bereits am Abend zuvor eingeplant, als er seine Tour festlegte, die er am frühen Morgen gegangen war. Bis auf die Streusachhütte hinauf war er gewandert, hatte ein paar schöne Stunden mit dem jungen Sennerpaar verbracht, das die Hütte vor nicht langer Zeit übernommen hatte, und war dann zielstrebig zum Enzingerhof weitergegangen.
»Daß die Resl net mehr springen kann, wie ein junges Reh, liegt halt am Alter«, sagte er. »Ich weiß, daß sie dir mehr Last, als Hilfe ist. Um so mehr weiß ich zu schätzen, daß du sie immer noch behältst und net in ein Heim abschiebst.«
Die Bäuerin schüttelte den Kopf.
»Das würd mir auch niemals einfallen«, beteuerte sie. »Dann hätt ich ja, außer dem Leopold, bald niemanden mehr.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
»Seitdem der Wolfgang net mehr ist, weiß ich sowieso net, wie’s noch weitergeh’n soll.«
Sebastian konnte sie gut verstehen. Er hatte das Drama um den Enzingerbauern, der beim Holzfällen im Bergwald tödlich verunglückte, ja selbst miterlebt.
»Bekommst denn keine Hilfe von deiner Familie?« erkundigte er sich.
Christel verzog die Lippen.
»Meine Familie? Die hat mir nie verzieh’n, daß ich den Wolfgang geheiratet hab«, erwiderte sie.
Sie holte tief Luft.
»Wenn uns doch nur vergönnt’ gewesen wär’, Kinder zu haben! Wolfgang hatte sich so sehr einen Buben gewünscht, obwohl mir ein Madl auch recht gewesen wär’. Aber es hat net sein soll’n…«
Die junge Witwe sprach noch lange über ihre Lage. Da war die Hypothek, die ihr Mann hatte aufnehmen müssen, um das Dach des Bauernhauses neu zu decken, und eine neue Scheune zu bauen, nachdem die alte immer hinfälliger geworden war.
Diese Last drückte nun auf ihren Schultern. Hinzu kam, daß die Ernte im letzten Jahr schlechter ausgefallen war, als erhofft. Was aber auch daher rührte, daß Leopold Huber, der alte Knecht, der allmählich auf die Siebzig zuschritt, auch nicht mehr so viel arbeiten konnte, wie er gerne wollte. Christl selbst tat ihr Bestes, aber es war einfach nicht zu schaffen. Felder mußten liegenblieben, und dann sanken die Holzpreise durch Billigimporte aus Osteuropa. Es war ein einziges Dilemma, aus dem es keinen Ausweg zu geben schien.
»Und Aussicht, einen jüngeren Knecht einzustellen, hast auch net?«
Die Bäuerin schüttelte den Kopf.
»Es gibt ja keine mehr«, antwortete sie. »Die Saison hat angefangen. Wer jetzt noch ohne Arbeit ist, will auch gar keine.«
Sie seufzte ermüdet auf.
»Ach, manchmal möcht’ ich alles hinwerfen und mich irgendwo verkriechen«, sagte Christel leise. »Am liebsten würd’ ich den Hof verkaufen und irgendwo ein neues Leben anfangen…«
Auf dem Weg, hinunter nach St. Johann, grübelte Sebastian noch lange darüber nach, wie man der jungen Witwe helfen konnte.
Ein neuer Knecht, jung und kräftig. So einer konnte die Rettung für Christel Enzinger sein. und wenn sie sich sympathisch waren…
Warum net? Die Bäuerin war erst Mitte Zwanzig und attraktiv. Das ganze Leben lag noch vor ihr.
Sebastian spann den Gedanken nicht weiter aus. So weit war es noch lange nicht. Erst einmal mußte tatkräftige Hilfe her, sonst überlegte sie es sich womöglich ernsthaft, den Hof zu verkaufen und fortzugehen.
Vielleicht, überlegte der Geistliche, hilft’s, wenn ich mit ihrer Familie red’. Sie muß doch ein Einsehen haben, daß man unter diesen Umständen alte Streitigkeiten beilegen, und sich gegenseitig helfen mußte.
Allerdings wußte er auch, daß das kein leichtes Unterfangen war. Christels Eltern waren nicht einmal zur Beerdigung ihres Schwiegersohnes erschienen…
*
Markus Bruckner stand am Fenster seines Büros und schaute hinaus. Unzählige Touristen spazierten unten am Rathaus vorbei. Touristen, die Geld nach St. Johann brachten, das auch in das Säckl der Gemeinde floß. Wenn es jedoch nach dem Bürgermeister des kleines Alpendorfes gegangen wäre, dann hätten es ruhig ein paar Tausender mehr im Jahr sein dürfen.
Allerdings – der Bruckner-Markus machte sich da gar keine Illusionen –, die meisten Leute fuhren in die bekannteren Urlaubsorte Bayerns, wo sie auch besondere Attraktionen fanden. Ein großes Schwimmbad zum Beispiel oder eine Diskothek.
Aber hier?
Hier war die einzige Attraktion der samstägliche Tanzabend im Löwen. Gewiß – ein beliebter Treff, auch für auswärtige Gäste. Aber Leute, die Geld hatten und auch bereit waren, es auszugeben, die fuhren lieber nach Garmisch oder Mittenwald.
Markus dachte an den Besuch des Bauunternehmers vor ein paar Wochen. Josef Ramsauer, ein gewiefter Geschäftsmann, hatte von ihm die Genehmigung für eine Straße haben wollen, die vom Hochberghof durch den Ainringer Wald führen sollte. Als Verbindung zur Bundesstraße und von dort aus weiter an die Autobahn.
Hintergrund der Geschichte war, daß der Ramsauer ein Gespräch zwischen Pfarrer Trenker und dem Erben des Berghofes mit angehört hatte. Dabei war zur Sprache gekommen, daß der junge Mann den Hof so schnell wie möglich wieder verkaufen wolle.
Das hatte das Interesse des Bauunternehmers geweckt, dem es wirtschaftlich nicht gerade rosig ging. Trotzdem hatte er Felix Thorwald eine bedeutende Summe als Kaufpreis genannt, mit der Absicht, aus dem Berghof ein Tagungshotel zu machen, in dem Firmen aus ganz Europa ihre Schulungen abhalten sollten.
Ein schöner Plan, der doch scheiterte. Woran Pfarrer Trenker nicht ganz unschuldig war. Der Bau dieses Hotels hätte dem Ramsauer wirtschaftlich wieder auf die Beine helfen können – Geldgeber hatte er schon für diese Projekte –, und St. Johann hätte eine neue, nicht unbedeutende Steuereinnahmequelle gehabt. Allerdings hätte es auch bedeutet, daß bestimmte Auflagen der Umweltschutzbehörde seitens der Gemeinde hätten umgangen werden müssen.
Und da verstand Hochwürden überhaupt keinen Spaß! Die Bürotür wurde geöffnet, und Markus’ Sekretärin führte den Besucher hinein.
»Na endlich«, begrüßte der Bürgermeister den Bauunternehmer, nachdem sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
Josef Ramsauer ließ sich schweratmend auf den Stuhl vor dem Schreibtisch sinken.
»Was gibts denn so Dringendes?« fragte er und kramte in der Jackentasche nach seinem Zigarettenetui.
Markus Bruckner setzte sich in seinen Sessel. Er stellte die Ellenbogen auf den Tisch und faltete die Hände.
»Vielleicht ist die Sache mit einem Tagungshotel doch noch net aus der Welt«, begann er das Gespräch.
Sein Gegenüber hatte sich eine Zigarre angezündet und losgepafft. Als er den Bürgermeister so reden hörte, war er so überrascht, daß er sich an dem Rauch verschluckte. Er japste nach Luft und hustete, daß man glauben konnte, einen Grippekranken vor sich zu haben.
»Was red’st’ da?« sagte er, nachdem er sich von der Überraschung einigermaßen erholt hatte. »Steht der Hochberghof jetzt doch zum Verkauf?«
Der Bruckner-Markus schüttelte den Kopf. Nein, der Erbe, Felix Thorwald, war zwar nach Amerika zurückgekehrt, aber nur, um dort seine Zelte abzubrechen und alles für seine Rückkehr nach Deutschland in die Wege zu leiten. Unterdessen sorgte seine junge Braut dafür, daß es mit dem Hof wieder berg-auf ging. Unter der Leitung eines Verwalters sollte aus dem Hochberghof schon bald ein ökologisch arbeitendes Unternehmen werden.
»Der net«, schüttelte der Bürgermeister den Kopf. »Aber vielleicht ein and’rer…«
»Wirklich?«
Josef Ramsauer hatte sich unvermittelt aufgerichtet. Durch die heftige Bewegung war die Asche seiner Zigarre abgefallen und auf dem Schreibtisch gelandet. Der Bauunternehmer übersah die hochgezogene Augenbraue des Bürgermeisters, die dieses kleine Malheur kommentierte.
»Von welchem Hof ist denn die Rede?« wollte er wissen.
Markus hob die Hand.
»Gemach, gemach«, erwiderter er. »Erst einmal möcht’ ich wissen, ob du an so einer Sache überhaupt noch interessiert bist, und ob es immer noch Geldgeber gibt, die bereit sind, zu investieren.«
Bei dem Projekt »Hochberghof« war er nur in seiner Eigenschaft als Bürgermeister von Interesse für den Bauunternehmer gewesen, um die benötigte Genehmigung im Gemeinderat durchzudrücken. Jetzt aber lag der Fall anders. Eine Straße brauchte nicht gebaut zu werden, denn der Hof an den er dachte, lag nahe genug an der Kreisstraße. Wenn es jetzt aber wirklich umgesetzt werden sollte, und St. Johann ein Tagungshotel bekam, dann wollte er, Markus Bruckner, mehr daran beteiligt werden, als nur durch die Steuereinnahmen. Ein bißchen was mußte auch für die eigene Tasche drin sein.
Dabei wollte er ja keine Schmiergelder kassieren. Nein, nein, ganz legal sollte es ablaufen. Dem Bügermeister von St. Johann schwebte ein Posten im Aufsichtstrat einer noch zu gründenden Hotelgesellschaft vor.
»Darüber läßt sich reden«, kommentierte Josef Ramsauer die Ausführung des Bürgermeisters, untermauert von einem ungeduldigen Kopfnicken. »Aber jetzt erzähl erst einmal, welchen Hof du meinst. Vielleicht ist er ja net geeignet…«
Markus Bruckner setzte sich bequem in seinen Sessel zurück, er verschränkte die Arme vor der Brust und lächelte.
»Der ist geeignet, Sepp«, mit großem Grundstück drum herum. Da paßt sogar ein Schwimmbad für die Gäste drauf. Außerdem gehör’n Felder und ein Bergwald dazu. Wenn wir die verkaufen, haben wir gleich noch ein bissel mehr Grundkapital.«
Der Bauunternehmer starrte ihn an. Er ließ sich nicht anmerken, daß er längst Feuer gefangen hatte.
»Und?« fragte er, scheinbar gelangweilt. »Wie heißt jetzt der Hof?«
»Ich red’ vom Enzingerhof. Der Bauer ist vor ein paar Jahren tödlich verunglückt, und seine Witwe schleppt sich mit dem Hof mehr oder weniger dahin. Ich hab’ schon ein paarmal mit ihr geredet, und sie hat mir ihr Leid geklagt. In diesem Jahr kommt’s ihr besonders hart an. Die letzte Ernte war net besonders, und auf dem Hof lastet eine Hypothek, die die Bäuerin net zurückzahlen kann.«
Josef Ramsauer nickte.
»Versteh’«, meinte er. »Könnt ich mir den Hof mal anseh’n?«
Der Bürgermeister zuckte die Schultern.
»Freilich«, antwortete er.
»Aber wir wollen nix überstürzen. Erstmal wollt’ ich nur wissen, ob du mit von der Partie bist? Die Details klären wir später noch und einen Besuch auf dem Hof können wir… Wart mal.«
Er blätterte in seinem Terminkalender und nickte.
»Ja, übermorgen ginge es. Wenn’s dir paßt?«
*
Der junge Mann ging gemächlichen Schrittes die Landstraße entlang. Er trug einen großen Rucksack, die Jacke hatte er wegen der Hitze darüber gehängt, seine Hände steckten in den Hosentaschen.
Thomas Brenner hatte nicht wie andere Tramper den Daumen herausgestreckt, um mitgenommen zu werden. Wenn ein Autofahrer von sich aus anhielt und ihn mitnehmen wollte, dann stieg er freilich ein. Aber ebenso gerne ging er auch zu Fuß.