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Vor dem kleinen Hafen von Port Manec´h tobt ein schwerer Sturm. Eine halbe Stunde vor dem Sturm hatte sich der Unternehmer Paul Malencourt entschieden, ungeachtet der Warnungen des Wetterdienstes, mit seiner Yacht zur Belle Île zu segeln. Er erkannte schnell, dass er die Gewalt über seine Yacht verlor und setzte einen Notruf ab. Die Seenotrettung aus Trévignon wurde alarmiert und machte sich auf den Weg zur Rettung. Beim Einsatz, bei dem Paul Malencourt gerettet werden konnte, verlor einer der Retter sein Leben. Einige Wochen nach der Rettung findet der Gärtner Paul Malencourt tot in seinem Garten auf. Die police judiciaire aus Quimper übernimmt die Ermittlungen. Schnell kommt der Verdacht auf, dass seine Ermordung etwas mit dem Tod des Retters zu tun haben könnte. Aber es bleibt nicht bei dem einen Mord.
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Seitenzahl: 252
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Jean-Pierre Kermanchec
Weiße Rosen aus Névez
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Inhaltsverzeichnis
Titel
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
Impressum neobooks
Alle Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt.
Impressum
© 2019 Jean-Pierre Kermanchec, Ulrike Müller
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Das Meer war so ruhig wie schon lange nicht mehr. Von der Pointe de Kerhermén aus, nahe des kleinen Badeortes Kerfany-les-Pins, blickte Jean Audic auf die Wasseroberfläche des Atlantiks, die heute mehr Ähnlichkeit mit einem Ententeich hatte als mit dem gewaltigen Meer, das die Bretonen liebten und fürchteten. Die Fischer aus Guilvinec, Lorient oder Concarneau, konnten ein Lied von den gefährlichen Stürmen des Meeres singen, ganz abgesehen von den Freiwilligen der Seenotrettung, der SNSM. Nicht umsonst war die Seenotrettung an der bretonischen Küste schon vor Jahren ins Leben gerufen worden. An diesem Morgen hatte das Meer seine Bedrohung für einige Stunden verloren. Hunderte von Hobbyseglern waren unterwegs. Es wimmelte von weißen Segeln zwischen den Îles des Glénan, der Küste vor Concarneau und der Mündung der beiden Flüsse, Aven und Belon.
Von seinem Standpunkt aus hatte Jean Audic einen guten Überblick über das gemeinsame Delta der beiden Flüsse, auf den gegenüberliegenden Hafen von Port Manec´h und auf die Îles des Glénan, auf die kleine Île Verte und auf die Île de Groix.
Der Aven war in den letzten Jahren zu einem Liegeplatz für die Boote der Betuchten geworden. Er konnte sich noch gut an die Zeit erinnern, als hinter der Mole von Port Manec´h nur die Fischerboote lagen. Heute gab es nur noch wenige Fischer, die von Port Manec´h aus aufs Meer fuhren. Die Mehrzahl der Boote, die hier und entlang des Aven vor Anker lagen, diente ausschließlich dem Vergnügen der mehr oder weniger reichen Bewohner, sowie den wohlhabenden Besitzern der Feriendomizile entlang der beiden Flüsse. Den Austernzüchtern am Belon wurde die Invasion der vielen Boote suspekt.
Am schlimmsten waren die Segler, dachte Jean, die rücksichtslosen, unvorsichtigen und unerfahrenen Segler. Sie schätzten das Meer häufig nicht richtig ein und brachten sich und andere in Gefahr.
In der letzten Woche war einer von diesen betuchten Segelbootbesitzern von Kerdruc aus zu einer Tour gestartet, die ihn auf die Belle-Île bringen sollte. Man hatte ihn noch vor dem sich ankündigenden Unwetter gewarnt, aber er hatte die Warnung mit dem Kommentar ignoriert: „Ein Segler hat keine Angst vor dem Meer!“
Er war trotz der Warnung zu seinem Segeltörn aufgebrochen. Die Flut hatte gerade ihren Höhepunkt erreicht, als er mit vollen Segeln von Kerdruc aus den Aven hinuntersegelte. Dass das Meer etwas rauer geworden war, hatte er bereits beim Verlassen des Aven gemerkt, als er Port Manec´h hinter sich gelassen hatte, der Wind hatte kräftig aufgefrischt. Zu diesem Zeitpunkt wäre es eine Kleinigkeit gewesen, umzukehren und wieder in den sicheren Hafen einzulaufen. Er hielt Kurs auf Belle-Île. Keine halbe Stunde später war aus dem anfänglich auffrischenden Wind ein ausgewachsener Sturm geworden, sein Boot begann zu schlingern. Von den sich immer höher aufbäumenden Wassermassen wurde die Yacht regelrecht überrollt, und er verlor den Einfluss zu manövrieren.
Sein Notruf erreichte die SNSM an der Pointe de Trévignon. René Audic, der bei der dortigen Seenotrettung als freiwilliger Helfer aktiv und heute im Dienst war, musste raus aufs Meer. Audic alarmierte seine Kollegen. Bereits nach acht Minuten war die gesamte Schiffsbesatzung des Rettungsbootes AR BEG startklar. Die Besatzung bestieg das Boot, und sie glitten in wenigen Minuten über den Slip aus dem Bootshaus ins Wasser. Der Rettungskreuzer der SNS 127 mit seinen 700 PS verließ den Hafen an der Pointe de Trévignon. Selbst der hatte Mühe, sich durch die gewaltigen Wellen zu kämpfen, die unentwegt auf das Schiff zurollten. Die Seenotrettung von Port Manec´h wäre deutlich näher an dem Segler gewesen, allerdings verfügten die lediglich über ein Zodiac, ein Schlauchboot. Das war bei dem aktuellen Sturm nicht einzusetzen.
Die in Seenot geratene Yacht war mit einem AIS (Automatic Identification System) ausgestattet. Das erleichterte die Ortung, so dass ihre Position genau festgestellt werden konnte.
Die Männer in ihren orangefarbenen Schutzanzügen reagierten gelassen auf das gewaltige Getöse der meterhohen Wellen, die über den Bug ihres Rettungskreuzers hereinbrachen. Das Schiff und seine Besatzung schienen diesen Ungetümen gewachsen zu sein. Die rote Leuchte der Backbordseite und die grüne Steuerbordlampe tauchten abwechselnd aus dem Wasser auf. Die Wassermassen stoben in hohem Bogen zur Seite, und die Gischt legte sich aufs Fenster der Brücke. Der Scheibenwischer arbeitete unermüdlich gegen den ständigen Wasserfilm auf den Fenstern. Marc Jestin steuerte das Schiff durch die Wogen. Für die unerschrockenen Männer der Seenotrettung gehörte ein solcher Einsatz zur Normalität. Ein Notruf bei ruhigem, angenehmem und wenig spektakulärem Wetter war eher die Ausnahme, auch wenn das hin und wieder vorkam. René stand in seiner Schwimmweste und dem Neoprenanzug neben dem Kapitän und hielt mit dem Fernglas Ausschau nach dem Havaristen. Jede Minute zählte bei einem solchen Einsatz. Das Rettungsboot bäumte sich auf und senkte sich. Es war bei dem Wetter keine leichte Aufgabe, den Horizont nach dem Segler abzusuchen.
„Dort ist er!“, schrie René, um gegen das Getöse der Brecher anzukommen. Er und sein Kollege, Louis Colin, bereiteten sich auf die Bergung des Schiffbrüchigen vor. Mit Seilen und Karabinerhaken ausgestattet verließen sie die Brücke, befestigten sich an den vorgesehenen Halterungen am Boot, um sicherzugehen, dass die Wellen sie nicht ins Meer rissen, falls sie ins Wasser springen müssten. Die Wassermassen, die über das Schiff hereinbrachen, zerrten an ihnen und forderten ihre ganze Konzentration und Kraft. Langsam näherte sich das Schiff dem in Seenot geratenen Boot. René warf dem Verunglückten den Rettungsring zu. Der Mann griff nach dem Ring und konnte ihn fangen und halten. Jetzt könnten sie ihn näher ans Schiff ziehen.
„Ich hänge irgendwo fest“, schrie der Mann aus voller Kehle.
„Wo hängen Sie fest?“, rief Louis.
„Meine Beine hängen fest, ich kann nicht sagen woran…“, antwortete der Mann, den Rest seiner Worte verschluckte die nächste Welle.
Renée musste ins Wasser springen, um den Mann von seiner Fessel zu befreien. Mit dem Seil war er am Schiff gesichert, so dass er zu jeder Zeit wieder aufs Schiff gezogen werden konnte. Die Schwimmweste war zwar hinderlich, aber er wollte sich nicht ohne sie in die Fluten stürzen. Das Wasser war kalt, er spürte die Kälte durch seinen Neoprenanzug. Auch für einen ausgebildeten Rettungsschwimmer war diese Aktion eine Herausforderung. Er gelangte mit gewaltiger Kraftanstrengung zum Verunglückten. Jetzt musste er den Mann befreien. Schnell hatte er das Problem erkannt. Eine Segelleine hatte sich mehrfach um sein Bein gewickelt und war durch das Strampeln inzwischen so verheddert, dass er sie nicht so einfach lösen konnte. Der Havarist fuchtelte wild um sich.
„Bleiben Sie ruhig, sonst kann ich Sie nicht loskriegen“, schrie René ihm zu. René holte sein Messer aus der Halterung und versuchte damit das Seil zu durchtrennen.
„Bleiben Sie ruhig, ich kann Sie nicht losschneiden“, rief er erneut und versuchte weiter, den Mann zu befreien. Endlich hatte er ihn von der Leine getrennt. Louis zog ihn auf Renés Zeichen an das Schiff heran und hievte ihn mit Hilfe eines weiteren Kollegen an Bord. In diesem Moment wurde das Segelboot von einer enormen Welle getroffen und in die Tiefe gezogen. Im nächsten Augenblick tauchte es mit großer Geschwindigkeit wieder an der Oberfläche auf. Der gebrochene Mast schnellte aus dem Wasser und traf René am Kopf. Er verlor die Besinnung. Louis hatte alles vom Schiff aus beobachtet und zog verzweifelt an dem Rettungsseil, mit dem sein Freund und Kollege befestigt war. Auch der Kollege, der den Schiffbrüchigen inzwischen ins Innere des Schiffes gebracht hatte, eilte herbei und half, René aus dem Wasser zu holen.
René Audic war immer noch bewusstlos, als er wieder an Bord war. Der Notarzt war per Funk verständigt worden und erwartete sie an der Trévignon. René atmete noch. Blut trat aus seiner Wunde am Kopf. Louis sprach mit ihm. Keine Antwort! Seine Bewusstlosigkeit ließ eine ernsthafte Verletzung vermuten. Bis in den Hafen brauchten sie mehr als eine halbe Stunde. Sofort nach ihrer Ankunft wurde René mit dem Notarztwagen in die Klinik nach Concarneau gebracht. Die sofort eingeleiteten Notfallmaßnahmen und Untersuchungen konnten das Leben von René Audic nicht mehr retten. Das Meer hatte ein neues Opfer gefunden. René hinterließ eine Frau und einen einjährigen Sohn. Der Havarist überlebte und konnte das Krankenhaus bereits nach drei Tagen verlassen. Noch in der Klinik telefonierte er mit seiner Bootsversicherung. Er deklarierte seinen Schaden und beantragte die Erstattung für seinen Verlust. Bereits am Tag seiner Entlassung orderte er ein neues Boot. An den Tod seines Retters verschwendete er keinen Gedanken. Er hatte nicht einmal nach seinem Retter gefragt, kein Dankeschön für die Rettung ausgesprochen.
Jean Audic ließ sich die letzte Woche noch einmal durch den Kopf gehen. Der Tod seines Sohnes war eine Tragödie. Sein Enkel würde jetzt ohne Vater aufwachsen, und er konnte nicht sagen, wie lange er seiner Schwiegertochter und seinem Enkel noch helfen konnte. Er war über 70 Jahre alt, da konnte es auch ganz schnell zu Ende gehen. Natürlich hoffte er, dass der liebe Gott ein Einsehen mit ihm hätte und ihm vielleicht noch zehn oder mehr Jahre geben würde, dann könnte er seinen Enkel und seine Schwiegertochter eine Weile lang unterstützen. Sie konnten jeden zusätzlichen Euro gebrauchen. Dieser wohlhabende und arrogante Schnösel hatte überlebt, während sein Sohn bei dessen Rettung sein Leben verloren hatte. Jean wandte sich um und machte sich auf den Heimweg. Sein Haus in Kerfany war zu klein, um als gemeinsamer Wohnraum für seinen Enkel und seine Schwiegertochter zu dienen, dachte er auf dem Rückweg. Es war ein Fischerhaus, wie man sie früher gebaut hatte. Für sein restliches Leben reichte es aus.
Paul Malencourt plante, nur noch vier Tage in Névez zu bleiben. Sein Haus in der rue Park Nonn wäre danach wieder zwei Monate lang verlassen. Er wollte noch mindestens fünfzehn Jahre arbeiten, bevor er die Geschäfte vollständig auf seinen Sohn übertrug. Stahlhandel war ein einträgliches Geschäft rund um Paris. Die Bauindustrie hatte Aufträge über Aufträge und konnte beinahe nicht mehr allen Anfragen nachkommen. Sein Baustahl war gefragt und wurde benötigt. Die Firma, ursprünglich von seinem Vater gegründet, gehörte zu den ersten Adressen. Entsprechend waren seine Umsätze und sein Verdienst. Seinen Sohn hatte er frühzeitig in die Geschäfte eingeführt, so dass er sich durchaus mehrfach im Jahr einen längeren Aufenthalt in der Bretagne erlauben und seinem Sohn die Führung der Firma überlassen konnte. Seine Frau war vor zehn Jahren verstorben, er gestaltete seine Aufenthalte alleine. Das Haus pflegte eine Frau aus Névez, die regelmäßig zum Putzen kam. Sie kümmerte sich bei Bedarf auch um das leibliche Wohl bei kleineren Partys, war im Haus anwesend, wenn der Partyservice die gewünschten Speisen brachte und sorgte für die Bedienung der Gäste. Partys gab es bei Malencourt selten, höchsten ein oder zweimal im Jahr.
Geld spielte in seinem Leben keine Rolle, er hatte es und zeigte das auch mit seinem Ferrari. Er gehörte zu den geizigsten Menschen, wenn es um die Bezahlung von Rechnungen ging. Heute hatte der Briefträger ihm die Rechnung der Seenotrettung zugestellt. Die Herren erlaubten sich doch tatsächlich, für ihre Aktion, die bestimmt keine zwei Stunden gedauert hatte, einen Betrag von 400 Euro zu berechnen. Ein Erschwernissaufschlag von 180 Euro wegen des Sturms war auch aufgelistet. Paul Malencourt tobte innerlich und war nur zähneknirschend zur Überweisung der geforderten Summe bereit. Wäre dieser Sturm nicht aufgekommen, hätte er diese Halsabschneider bestimmt nie gebraucht. 400 Euro für eine einzige Rettungsaktion erschienen ihm überteuert. Für diesen Preis verkaufte er vier Baustahlmatten von sechs Metern. Dass es sich bei der Rettungsaktion um sein Leben gehandelt hatte, hatte er entweder vergessen, oder sein Leben war ihm keine 400 Euro wert. Dass ein Mensch für seine Rettung sein Leben verloren hatte, hatte er ebenfalls völlig aus seinem Gedächtnis gestrichen. Dafür waren die Leute schließlich da, wenigstens sah er es so.
Paul Malencourt stieg in seinen Ferrari und fuhr nach Bénodet. Im dortigen Casino war er ein gern gesehener Gast. Auch wenn er schon größere Beträge gewonnen hatte, er hatte auch schon viel Geld dagelassen. Das Casino öffnete bereits um 10 Uhr und schloss um 2 Uhr. An diesem Nachmittag würde er ein oder zwei Stunden lang seinem Zeitvertreib nachgehen können. Das Glücksspiel gehörte zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Ursprünglich hatte er sich überlegt, ein Haus oder ein größeres Appartement in Bénodet zu erwerben. Aber er hatte die Gefahr gesehen, zu oft ins Casino zu gehen. Daher hatte er sich für ein Haus in Névez entschieden, ein gutes Stück von Bénodet entfernt. Echte Spielsucht hatte er noch nicht entwickelt. Er gab sich ein Limit bevor er das Casino betrat, und dieses Limit überschritt er niemals. Verlor er den ausgesetzten Betrag, war sein Besuch für diesen Tag beendet. Gewann er, dann blieb er auch schon einmal etwas länger. Für den heutigen Besuch hatte er einen Betrag von 5.000 Euro vorgesehen. An der Kasse ließ er sich die entsprechende Menge Chips geben, wobei er eine Stückelung in kleinere Werte verlangte. Dann setzte er sich auf einen freien Stuhl und platzierte eine größere Zahl Chips auf die Null und auf die Sieben. Das waren seine Glückszahlen. Schon die erste Kugel landete auf der Null, und der Croupier schob eine Menge Chips zu ihm hinüber. Er spielte jetzt entspannter weiter, hatte sich sein Finanzpolster doch bereits mit dem ersten Einsatz beträchtlich erhöht.
Nach drei Stunden verließ er das Casino. Aus den 5.000 Euro waren 62.000 geworden. Damit hatte er schon ein Viertel des Kaufpreises für seine neue Yacht gewonnen. Noch drei Casinobesuche mit einem solchen Ergebnis, und der Kauf seiner neuen Yacht wäre kostenneutral. Hoch zufrieden und mit gewissem Stolz verließ er das Casino und ging zu seinem Ferrari. Den Umschlag mit seinem Gewinn warf er beinahe achtlos auf den Beifahrersitz, gurtete sich an und startete den Motor, der mit seinem unverkennbaren Sound einer Symphonie gleichkam. Das Leben war großartig, wenn man es sich leisten konnte. Darunter verstand er die Erfüllung seiner materiellen Wünsche. Er lehnte seinen Kopf fest an die Nackenstütze und drückte das Gaspedal kräftig durch. Der Wagen machte einen Satz. Paul ging vom Gas und verringerte die Geschwindigkeit etwas. Er wollte nicht von der Gendarmerie gestoppt werden. Mit deutlich reduziertem Tempo folgte er der Straße in Richtung Concarneau.
Seit nunmehr zwölf Jahren besaß er seine résidence secondaire in Névez. Dennoch hatte er nur sehr wenige Freunde oder Bekannte in der Stadt oder Umgebung. Es störte ihn nicht, dass er immer noch ein Fremder war. Manchmal schnappte er beim Verlassen der Bäckerei auf, wie die Leute tuschelten c´était le parisien. Ein Bretone würde er nie werden, das war ihm klar. Die Bretonen waren und bleiben ein eigentümliches Völkchen. Er brauchte hier keine Freunde. Seine Freunde lebten in Paris.
Er bog in seine Straße ein und öffnete mit der Fernbedienung sein Garten- und anschließend das Garagentor, fuhr in die Garage und schloss das Tor. Er stieg aus, ging ins Haus und schaltete in allen Zimmern das Licht ein. Sein Haus gehörte zu den wenigen Häusern, die stets hell erleuchtet waren. Die Stromkosten interessierten ihn nicht.
Paul Malencourt ging zu seinem Safe, den er gleich nach dem Erwerb des Hauses hatte einbauen lassen, und schloss die gewonnenen 62.000 Euro ein. Es war noch früh am Abend. Er ging ins Wohnzimmer und schaltete den Fernseher ein. Hunger verspürte er keinen. Er hatte im Casino eine Kleinigkeit zu sich genommen. Auf France 3 liefen die regionalen Nachrichten, die ihn nicht sonderlich interessierten. Vor einigen Tagen hatten sie von seiner Rettung und dem Tod einer der Retter berichtet. In den Interviews der Kollegen des Verunglückten wurden die Hilfsbereitschaft und Zuverlässigkeit des Toten erwähnt. Seine Familie hatte ein Interview abgelehnt. Der Sprecher hatte erwähnt, dass der Verstorbene eine Frau und ein kleines Kind zurückgelassen hat. Paul Malencourt interessierte die Berichterstattung nicht, er hatte nicht verfolgt, dass der Sprecher ihn erwähnt hatte, den Mann, der trotz der Warnungen mit seinem Schiff zu einem Segeltörn aufgebrochen war.
Er holte sich ein Whiskyglas aus der Vitrine und goss sich einen kräftigen Schluck ein. Dann schnappte er erneut die Fernbedienung seines Fernsehers und zappte sich durch die verschiedenen Sender. Auf TV 5 kam ein Krimi, den würde er sich jetzt ansehen.
Der Film endete kurz vor Mitternacht. Der Garten lag in völliger Dunkelheit. Das Licht, das durch seine Fenster in den Garten fiel, erhellte nur die ersten Meter rund ums Haus. Das Grundstück von 2.300 Quadratmetern war sehr groß. Die Pflege dieses großen Grundstücks hatte er einem lokalen Gärtner überlassen, der dafür sehr gut entlohnt wurde. Die verschiedenen Bäume, Rhododendren und Hortensien verbargen sein Haus vor neugierigen Blicken von der Straße, sie verhinderten aber auch, dass er selbst einen Überblick über das gesamte Grundstück hatte.
Es war nicht verwunderlich, dass er den Mann nicht sah, der auf das Grundstück getreten war. Unaufgeregt marschierte der Mann über das Grundstück und verfolgte seinen Vorsatz. Die körperliche Anstrengung spürte er, denn er schleppte einen Felsbrocken von über 20 Kilo.
Anaïk Bruel räkelte sich gemütlich in ihrem Bett. Die Sonne war gerade aufgegangen, und der Himmel leuchtete in herrlichem Orangerot. Als Gemälde wäre es kitschig gewesen. Die Farbauswahl von Mutter Natur jedoch war atemberaubend, eben schlichtweg himmlisch. Sie blieb noch etwas im Bett liegen und genoss das Farbenspiel.
Sie wollte die üblichen 10 Kilometer auch heute laufen, danach würde sie sich auf den Weg ins Büro machen. Als das Telefon klingelte, ahnte sie, dass aus diesem Vorhaben nichts würde. So früh am Morgen rief Brieg bestimmt nicht an. Auch ihre Mutter meldete sich um diese Zeit nur im äußersten Notfall, meistens telefonierten sie erst am späteren Abend. Es konnte demnach nur das Kommissariat sein. Anaïk ging zu ihrem Handy, das sie auf der Kommode neben der Tür abgelegt hatte, und sah auf das Display. Sie erkannte Dustins Nummer. Der Leiter der Spurensicherung rief nur an, wenn es dringend war.
„Bonjour Dustin! Wenn du mich so früh anrufst, gibt es bestimmt Arbeit. Habe ich Recht?“
„Bonjour Anaïk, du liegst genau richtig. Wir haben einen Leichenfund in Névez, in der rue Park Nonn. Ich denke, es wäre gut, wenn du oder Monique oder auch ihr beide nach Névez kommt.“
„Selbstverständlich komme ich, wissen wir schon, um wen es sich handelt?“, fragte sie ihren Kollegen.
„Ja, diesmal haben wir es nicht mit einem Unbekannten zu tun. Es handelt sich um einen Monsieur Paul Malencourt, Geschäftsmann aus Paris. Er ist in der letzten Woche aus Seenot gerettet worden. Bei der Rettung ist einer der Retter ums Leben gekommen. Ich kann mich gut an die Geschichte erinnern. Sein Gärtner hat uns gerade angerufen.“
„Ich komme sofort nach Névez, wir sehen uns vor Ort. Ich trinke noch schnell eine Tasse Kaffee“, antwortete Anaïk und beendete die Verbindung. Sie duschte, zog sich an und trank eine Bol Milchkaffee. Keine zwanzig Minuten später saß sie in ihrem Dienstwagen und fuhr nach Névez. Die Adresse hatte sie ins Navi eingegeben. Von Sainte-Marine aus fuhr sie über Bénodet, Fouesnant, La Fôret-Fouesnant, Concarneau und Trégunc. Das Gerät führte sie bis zum Friedhof von Névez. Jetzt musste sie der Straße bis zum Grundstück von Monsieur Malencourt folgen. Das Eingangstor zum Grundstück stand bereits weit geöffnet. Die Fahrzeuge der Gendarmerie und ihrer Kollegen parkten entlang der Zufahrt. Anaïk stellte ihren Wagen ab und stieg aus. Sie folgte dem Kiesweg und gelangte nach 50 Metern an die Frontseite des Hauses. Ein schöner Bau, eine Longère, ganz aus Granit gebaut. Ursprünglich waren diese Häuser von Bauern bewohnt, jetzt waren sie ein bevorzugtes Kaufobjekt der zahlreichen Bretagneliebhaber auf der Suche nach einem Zweitwohnsitz. Das Haus schien renoviert worden zu sein. Jedenfalls hatte der Besitzer neue Fenster eingebaut, die Klappläden frisch gestrichen und auch die alte Eingangstür in einen ansehnlichen Zustand versetzt. Vor dem Haus war niemand zu sehen. Anaïk umrundete das Gebäude und betrat den dahinterliegenden Garten. Hier fand sie Dustin und die übrigen Kollegen. Sie standen um einen am Boden liegenden Leichnam und warteten, bis Yannick Detru, ihr Pathologe, seine erste Untersuchung beendet hatte.
Anaïk trat zu Dustin. „Wurde der Mann hier ermordet?“, fragte sie ohne ein weiteres Begrüßungsritual.
„So wie es aussieht, ja“, meinte Dustin.
Yannick erhob sich und trat vor Anaïk.
„Um es sofort zu sagen, der Mann ist mit einem stumpfen Gegenstand erschlagen worden. Er muss gleich tot gewesen sein. Der Tod ist gestern Abend, ich schätze so zwischen 23 und 24 Uhr, eingetreten.“
„Kannst du sagen, mit welchem Gegenstand er erschlagen worden ist?“, hakte Anaïk nach.
„Du brauchst dich nur umzusehen, meine Liebe, das Mordwerkzeug hängt noch in der Luft.“
„Bitte?!“ Anaïk war irritiert.
„Siehst du den Brocken nicht?“, fragte Yannick und zeigte auf einen großen Stein, der mit einem Gurt auf Kopfhöhe an einem dicken Ast befestigt war. Der Ast hatte einen Durchmesser von dreißig Zentimetern und war quer über den Kiesweg gewachsen. Er konnte die Last von diesem Felsbrocken lässig tragen. An dem Gurt hatte der Mörder ein Seil befestigt, mit dem er den Gesteinsbrocken wohl aus der Senkrechten gezogen und ihn losgelassen hatte, als Paul Malencourt an der richtigen Stelle stand. Der Stein musste den Mann mit großer Wucht getroffen haben. Eine Blutspur am Felsbrocken zeigte die Aufschlagstelle. Anaïk war sprachlos. Wer kam auf eine solche Idee? Zweifelsohne war die Methode originell. Eine solche Mordwaffe hatte es in Quimper und Umgebung noch nicht gegeben. Der Mörder hatte sich seine Hände jedenfalls nicht mit Blut beschmutzt, die Arbeit hatte der große Stein für ihn erledigt. Das würde bestimmt keine einfache Ermittlung werden, dachte Anaïk und betrachtete den Brocken genauer. Dann wandte sie sich wieder der Leiche zu.
„Wie heißt der Tote, Dustin?“, fragte sie ihren Kollegen noch einmal.
„Paul Malencourt, es handelt sich um den Mann, der vor einigen Tagen in den Schlagzeilen gewesen ist, weil er mit seiner Segelyacht beim Sturm in Seenot geraten war. Er musste von den Männern der SNSM gerettet werden. Bei der Aktion ist ein Retter ums Leben gekommen. France 3 hat über seine Rettung berichtet.“ Dustin sah Anaïk an.
„Ja, ich erinnere mich, ich habe davon gelesen. Es hieß, dass der Mann nicht einmal ein Dankeschön für seine Rettung übrighatte“, antwortete Anaïk und sah nochmals auf den Toten vor sich.
„Genau um diesen Mann handelt es sich. Er trägt die Verantwortung für den Tod von René Audic, so hieß der Verunglückte. Audic hinterlässt eine Frau und ein kleines Kind.“
„Das könnte ein Motiv für den Mord sein“, spekulierte Anaïk.
„Vielleicht. Neben ihm liegt eine Rose.“ Dustin zeigte auf eine weiße Rose, die neben der Leiche auf dem Boden lag.
„Eine weiße Rose! Weiße Rosen werden doch häufig bei Beerdigungen ins Grab geworfen.“ Anaïk betrachtete die Rose und fuhr laut in ihren Überlegungen fort.
„Mir scheint, die Rose stammt aus einem Garten, es ist keine gekaufte Rose, so duftet und sieht nur eine Gartenrose aus.“
„Bonjour Anaïk, Bonjour Dustin“, unterbrach Monique ihre Gedanken.
„Ich war gerade auf dem Weg nach Quimper und habe erfahren, dass ihr in Névez bei einem Leichenfund seid. Da bin ich sofort zurückgefahren“, erklärte Monique.
„Ich wollte dich nicht so früh stören. Ich konnte nicht einmal meinen Kaffee trinken“, meinte Anaïk und lächelte ihre Kollegin an.
„Ist lieb von dir, Anaïk, beim nächsten Fall können die Kollegen mich dann aus dem Bett werfen“, meinte Monique und lächelte ebenfalls.
„Sieh mal, was wir neben der Leiche gefunden haben, Monique, eine weiße Rose. Das sieht doch aus, als wollte uns jemand einen Hinweis geben“, sagte Anaïk und sah erneut auf den Leichnam und die Rose.
„Die kommt aus einem Garten“, meinte Monique und zog sich Handschuhe über.
„Das habe ich gerade auch zu Dustin gesagt“, antwortete Anaïk.
„Dann müssen wir ja nur die Gärten durchforsten und den mit den weißen Rosen finden“, meinte Monique scherzhaft.
„Und wenn wir diesen Garten finden, sagt das noch nichts aus. Der Mörder kann die Rose aus irgendeinem Garten genommen haben, sie muss ja nicht zwangsläufig aus seinem eigenen sein“, räsonierte Anaïk und beugte sich über den Toten.
„Ich sehe mir mal die Umgebung an, vielleicht finde ich weitere Spuren“, meinte Dustin und ließ die beiden Kommissarinnen bei der Leiche zurück.
„Erkennst du den Mann?“, fragte Anaïk ihre Kollegin.
„Ja, das ist der Segler, der vor einigen Tagen gerettet worden ist. Ich habe den Bericht im Fernsehen gesehen. Es hieß, er war ziemlich undankbar. Ein Retter ist doch dabei ums Leben gekommen.“ Monique sah Anaïk an und wartete auf eine Erwiderung.
„Denkst du, dass das ein Racheakt gewesen sein könnte?“
„Du denkst an die Familie des verstorbenen Retters?“
„Klar, warum nicht. Wir müssen mit der Familie sprechen.“ Anaïk überlegte und fuhr dann fort.
„Ich denke, wir müssen sehr behutsam vorgehen. Die Familie ist bestimmt in tiefer Trauer, und dann kommen wir und verdächtigen sie des Mordes. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Das Gespräch müssen wir führen. Lass uns alle Fakten zusammentragen und die gesamte Familie ausfindig machen. Die Tat ist von einem Mann verübt worden“, sagte Anaïk überzeugt.
„Warum von einem Mann?“, fragte Monique.
„Wegen der Tatwaffe“, antwortete Anaïk und zeigte auf den Felsbrocken über ihnen.
„Oh, den habe ich noch gar nicht gesehen. Ich bin so auf die Leiche fixiert gewesen. Ich gebe dir Recht, eine Frau kann diesen Brocken nicht hochheben.“
„Es geht nicht nur ums Hochheben, der Felsbrocken muss hierher in den Garten getragen worden sein. Ich glaube nicht, dass ihn jemand mit einem Schubkarren hergebracht hat. Bei dem Gewicht wäre eine deutliche Reifenspur im Kies zu sehen, die fehlt aber.“
„Auf eine solche Idee muss man erst einmal kommen. Einen Felsbrocken mit einem Gurt an einem Ast zu befestigen, ihn mit einem Seil halten und das Seil in dem Moment loslassen, in dem das Opfer an der richtigen Stelle angekommen ist“, meinte Monique.
„Warum ist Monsieur Malencourt bei Nacht in den Garten gegangen? Ist er herausgelockt worden? Hat er seinen Mörder gekannt? Hat er Geräusche gehört?“
„Wer hat den Toten gefunden?“
„Das war der Gärtner. Wir müssen uns noch mit dem Mann unterhalten, er steht dort drüben bei seinem Fahrzeug und wartet auf uns“, antwortete Anaïk und machte sich auf den Weg zu dem Mann.
„Der Mörder ist immer der Gärtner“, trällerte Monique.
Auf dem Kleinlaster des Gärtners stand in großen Buchstaben der Name des Gartenbaubetriebs, André Guivarch. Die beiden Kommissarinnen stellten sich vor.
„Sie sind Monsieur…?“
„André Guivarch, mir gehört der Betrieb, und ich bin mein einziger Angestellter“, antwortete der Angesprochene.
„Monsieur Guivarch, Sie haben Monsieur Paul Malencourt gefunden?“
„Ja, genau! Ich sollte heute Morgen den Rasen mähen, die Hecken zurückschneiden und die verblühten Rosen entfernen. Als ich hier eintraf, bin ich sofort hinters Haus gegangen, um mit dem Schneiden der Rosen zu beginnen. Es war noch früh, und ich wollte Monsieur Malencourt nicht mit der lauten Heckenschere wecken, er schlief gerne etwas länger und wäre bestimmt böse geworden.“
„Wie gut kannten Sie Monsieur Malencourt?“
„Nun, so gut kannte ich ihn nicht. Ich arbeite seit drei Jahren für ihn. Als ich meinen Betrieb aufgebaut habe, habe ich allen Bewohnern in Névez meine Dienste angeboten, auch Monsieur Malencourt. Der war mit seinem alten Gärtner, der den Garten einige Jahre lang unterhalten hat, nicht mehr zufrieden, und so habe ich spontan den Auftrag erhalten. Er hat die Rechnungen immer bezahlt, auch wenn ich oft etwas länger auf die Überweisung warten musste. Sehr großzügig war der Mann nicht, redselig kann ich ihn auch nicht nennen. Mehr als Bonjour und einige Höflichkeitsfloskeln haben wir selten ausgetauscht.“
„Haben Sie, als Sie vorhin hier eingetroffen sind, irgendetwas Besonderes gesehen? Etwas, das anders gewesen ist als sonst?“
„Nein, mir ist nichts aufgefallen, abgesehen von dem großen Stein, der an dem Ast hängt.“ André zeigte auf den Brocken über dem Leichnam.
„Gibt es hier im Garten weiße Rosen?“, fragte Monique Monsieur Guivarch.
„Weiße Rosen? Nein, hier stehen rote, gelbe und rosafarbene Rosen. Weiße gibt es nicht. Ich persönlich finde weiße Rosen sehr schön und würde sie sofort pflanzen. Dort drüben gibt es eine schöne Stelle, dort könnten sie sehr gut…“
„Haben Sie vielen Dank, Monsieur Guivarch“, unterbrach Anaïk seine Ausführungen.
„Falls wir noch Fragen haben, melden wir uns bei Ihnen.“ Sie drehte sich um und ging zurück zu Dustin.
„Hast du noch etwas gefunden?“, fragte sie ihren Kollegen.
„Nein. Ich werde mir den Gurt, mit dem der Stein befestigt worden ist, im Labor genauer ansehen. Auch das Hanfseil will ich untersuchen. Viel mehr haben wir nicht. Ich vermute, dass sich daraus keine heiße Spur zum Täter ergibt. Der Stein gibt mir zu denken, ich kann mich erinnern, dass Gärtner häufig einen Stein an einen Ast binden, wenn sie verhindern wollen, dass ein Ast zu sehr in die Höhe wächst. Hat der Ast später eine gewisse Dicke erreicht, kann man den Stein wieder entfernen. Vielleicht handelt es sich ja um einen Gärtner?“
„Interessante Überlegung, zumal mir der Gärtner, André Guivarch, gerade gesagt hat, dass Monsieur Malencourt seinen damaligen Gärtner vor drei Jahren entlassen hat. Vielleicht ein Racheakt des alten Gärtners?“
„Denkbar Anaïk, aber ist das nicht etwas billig? Bringt man jemanden um, weil man einen Auftrag verliert?“
„Wer steckt schon im Kopf eines Mörders?“
Monique hatte sich im Garten weiter umgesehen und nach Spuren gesucht. Warum war der Hausbesitzer in der Nacht in den Garten gegangen? Sie durchstreifte den Garten und betrachtete jede Kleinigkeit. Sie fand nichts Wesentliches. Als sie wieder am Haus ankam und über die Terrasse ging, fiel ihr auf, dass eine Scheibe von den drei Balkontüren eingeschlagen war, die Tür stand offen. Sie ging näher zur Tür und sah sich das Loch an. Eindeutig, hier war ein Stein eingeschlagen. Sie sah ins Innere. Auf dem Boden lag der Stein und etwas entfernt ein Zettel. Sie trat ins Haus und sah sich das genauer an.
Der Raum war mit Parkett ausgelegt. Sie durfte keine Spuren zerstören. Außer einem Stein, einem Zettel und Glasscherben von der Balkontür war nichts Auffälliges zu sehen. Sie ging zu dem Stein. Neben dem Stein lagen ein größerer Gummiring und das Papier. Monique hob das zerknitterte Blatt hoch. Mit einem Filzschreiber stand darauf geschrieben: