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Was hat Pherus Christo mit einem Heiligen zu tun? Wer versteckt sich hinter den Jogginghosen-Weibern? Wie ein umgekipptes Weihrauchfässchen die Männer ins Spiel ruft oder Grau die schönste Farbe der Welt ist, ein Pferd pieselt, eine Fahrt mit der Waldbahn anödet oder ein Wiener Würstchen am besten am Ostersonntag schmeckt, verraten diese Kurzgeschichten.
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Seitenzahl: 66
Veröffentlichungsjahr: 2017
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Geschichten aus dem Leben erzählen sich Menschen, die viele Jahre miteinander leben, sich lieben, schätzen, einander in- und auswendig kennen und, natürlich, auch mal streiten und sich verzeihen. Sie erleben Höhen und Tiefen. Interessanterweise sind es aber immer die nicht ganz so perfekten Erlebnisse, an die sich Ehepaare, Kinder, Freunde oder Familien erinnern, wenn sie zusammensitzen und ins Ratschen kommen. Die Geschichten in diesem Buch sind die Ernte aus vielen Jahren Dorfleben. Ihre Erzählerin Christel Schuster sagt: „Unterschätze niemals den Wert der Erinnerung. Weißt du noch, als ... sagen zu können, bedeutet, wirkliche Freunde zu besitzen. Sei stolz darauf!“
Christel Schuster absolvierte eine Ausbildung zur Fachjournalistin (fjs). Sie lebt mit ihrem Ehemann und den beiden Kindern in Niederbayern. Kraft spendet der Autorin ihr christlicher Glaube. Sie reitet gerne aus, arbeitet im Garten oder verreist mit ihrer Familie. Ihr Lebensmotto: „Perfekt ist langweilig!“
Die Jogginghosen-Weiber
Das Weihrauchfässchen
Die Kramerin
Grau ist auch schön
Die Bergerin
Die neue Unterhose
Wenn die Mama mit der Tante ...
Die Vorbei-Messe
Die Zinzenzellnerin
Ein Pferd pieselt
Die Nacht im Heu
Der Hahn ist tot
Ausflug mit der Tante
Die kranke Katze
Ein Wiener Würstchen am Ostersonntag
Die Schusters im Urlaub
„Wir haben einen neuen Held!“
Die Spendenaffäre
An Muttertag ist nichts erlaubt!
Fettige Grillhendl, ein fliegender Klapperl und zu viel Bier
Heuernte bei den Schusters
Mitzerl lernt Rechnen fürs Leben
Wer Familie hat, braucht Marmelade
Kein Helm – kein Respekt
Einmal im Monat trafen sie sich bei Mama Schuster: die Jogginghosen-Weiber. Das war der Tag, an dem Papa Schuster gerne mal Mäuschen gespielt hätte und die Kinder haargenau wussten: Wenn wir stören, werden wir einen Kopf kürzer gemacht. Und es war der Tag, an dem die Ehrbacherin mit dem Zug zu ihrer Mutter fuhr und praktisch keine Zeit hatte. Ein Kreuz nur, dass der Ehrbacher schwer in Ordnung und der beste Freund von Papa Schuster war. Die Jogginghosen-Weiber hätten unterschiedlicher nicht sein können, und so wunderte sich Papa Schuster ab und an, wie Hausfrauen und Karrierefrauen unter einen Hut passten.
Mama Schuster schleppte im Winter Brennholz in das Werktagsstüberl und heizte ein. Im Sommer riss sie die Fenster auf, damit vielleicht ein Lüfterl die erdrückende Hitze aus den alten Mauern wehte. Die Frauen ratschten nämlich nicht im Haus. Zu gefährlich, dass eines ihrer Geheimnisse nach außen drang. Pünktlich wie die Maurer trudelten die Damen jeden vierten Samstag im Monat ein. „Die Ehrbacherin hockt schon im Zug, oder?“
Da war die Kramerin. Mama Schuster kannte sie bereits seit Kindergartentagen, und das Foto, wo sie sich beide am Kopf kratzten, weil sich Läuse in ihren Haaren eingenistet hatten, lag in der untersten Schublade im Büro. Das Foto war umso peinlicher, weil es geknipst wurde, als die Kindergartenkinder ein Spalier für den Bischof bildeten. Alle Kinder winkten, nur die Schuster-Mama und die Kramerin kratzten sich am Kopf. Dann noch die Bergerin. Mama Schuster und sie waren Nachbarskinder. Und weil sie einmal einen toten Fuchs nach Hause schleppten, mussten sie gegen Tollwut geimpft werden. Ihrer beider Mütter und Väter wären damals vor Scham am liebsten im Erdboden versunken, weil das Amt überall im Dorf Schilder aufhängte: „Vorsicht! Tollwutgefahr!“ Nicht wegzudenken aus der Runde: Mama Schusters Schwester, kurz „die Tante“. Zu jedem Treffen sauste sie von Niederösterreich nach Niederbayern. Dass es die beiden Schwestern faustdick hinter den Ohren haben, wusste Papa Schuster von der Haidner-Oma. Keine Gelegenheit ließen sie aus, um von Schandtaten aus ihrer Kinderzeit zu berichten. Sogar die mittlerweile pensionierte Verkäuferin aus dem Nachbardorf erinnerte sich, dass die zwei einmal samt Einkaufswagen umgeflogen waren. Auch jedes Mal mit von der Partie war die Zinzenzellnerin. Sie hatte mit Mama Schuster die Schulbank gedrückt, und beide mussten gleich im ersten Jahr eine fette Strafarbeit schreiben, weil sie eine Türe aushängten. Wie das zwei kleine Mädchen schafften, das war auch nach über 30 Jahren ein wohlgehütetes Geheimnis.
Wenn er es sich so recht überlegte, dann wollte Papa Schuster doch kein Mäuschen sein. Die alten Kamellen interessierten ihn nicht. Oder doch?
Am 6. Januar war es guter Brauch, dass die Ministranten in wallenden Gewändern den Heiligen Drei Königen nacheiferten und an jede Haustüre klopften, ein Sprüchlein aufsagten und Geld für soziale Projekte sammelten. Mitzerl flitzte aufgeregt hin und her. Sie durfte dieses Jahr zum ersten Mal mitgehen. Bedauerlicherweise mussten die Jüngsten immer den „Mohr“ machen, also den Schwarzen. Mama Schuster stopfte Mitzerl in eine warme Winterjacke, bevor sie die Wangen des Mädchens mit Ruß beschmierte. Papa Schuster stapfte in die Küche und hielt Mama das Telefon hin: „Ist für dich, die Ehrbacherin.“
Mama Schuster rollte die Augen: „Was will die jetzt?“ Papa zuckte die Achseln und verkrümelte sich ins Wohnzimmer. Draußen wehte ein eisiger Wind und es schneite. „Frau Schuster! Sie müssen fahren! Lieselotte ist krank. Max kommt statt ihrer mit! Nehmen Sie meinen Wagen“, schrie Frau Ehrbacher in das Telefon. „Äh. Ja. Gute Besserung für Lieselotte. Aber ich fahre mit unserem Auto.“ Doch die Ehrbacherin widersprach: „Ich habe extra Auf- kleber gekauft mit ‚Sternsinger-Express’! Sie nehmen mein Auto, und passen’s mir ja gut auf!“ Wenig begeistert stapfte Frau Schuster mit Mitzerl zum Haus der Ehrbachers. Kaum ange- kommen, überschüttete die Ehrbacherin die Schuster-Mama mit Anweisungen: „Schauen’s, dass die Kinder keine Nässe reinziehen! Das Gebläse auf Stufe fünf, wenn die Scheiben anlaufen! Und gegessen wird gar nicht!“ Mama Schuster nickte und stellte sich vor Mitzerl, als diese in den Wagen kletterte. Ihr langes Gewand hatte sich am Saum mit Schnee vollgesogen und die Stiefel, na ja, da klebte nicht weniger Schnee dran. Unterwegs sammelten sie Katharina auf und dann Max. „Glüht die Kohle etwa schon?“ Entsetzt starrte Mama Schuster auf das Weihrauchfässchen, das Max selenruhig hin- und herbaumeln ließ. „Ja klar. Das machen wir jedes Jahr so. Es ausmachen und wieder anmachen, das dauert zu lang.“
Mama Schuster vertraute Max und steuerte den ersten Einöd-Hof an. Während die Kinder ihr Sprücherl aufsagten, spuckte sie auf ein Taschentuch und wischte an der linken hinteren Türe der Mitzerl die Rußspuren ab. Das Mädchen hatte sich ins Gesicht gefasst und mit den rußigen Händen ordentlich rumgetatscht. Das Spielchen wiederholte sich Hof für Hof, und als Katharina nach knapp zwei Stunden ein Wurstbrot aus- packte und Mitzerl und Max abbeißen ließ, wusste Mama Schuster: Ab der nächsten Haltestelle bin ich auch noch Staubsauger. Die Brösel hatten sich reichlich festgebissen im Teppich, und Mama Schuster bedauerte, keine langen, spitzen Fingernägel zu besitzen. Egal. Ich muss die Teppiche ohnehin föhnen, so drecknass, wie die sind.
Froh, dass sie nun den letzten Haushalt ansteuerten, trällerte Frau Schuster ein Liedchen vom Radio mit. Nanu? Warum sehe ich fast nix mehr? Sie drehte das Gebläse auf Stufe fünf, und plötzlich stank es fürchterlich. Sie schaute in den Rückspiegel und trat auf die Bremse: „Kinder! Seid ihr wahnsinnig?“ „Das war keine Absicht!“ „Ehrlich!“ „Es war ein Versehen!“ „Raus aus dem Auto, schnell!“, kreischte Mama Schuster. Wie ein