Weißt du was Liebe ist? - Elfriede Schilling - E-Book

Weißt du was Liebe ist? E-Book

Elfriede Schilling

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Beschreibung

Als die Firma von Friedrich Dahlberg in die Pleite schlittert, steht die Familie von einem Tag auf den anderen fast mittellos da. Während die Eltern sich dieser neuen Situation stellen, gibt es für den verwöhnten Sohn Clemens, der bisher von Papas Kohle ein sorgenfreies Luxusleben führte, gibt es nur eine Lösung: möglichst schnell reich heiraten. Mit der lebenslustigen und äußerst naiven Annerose ist schnell die richtige Frau. Doch dann verliebt sich Clemens unsterblich in eine andere Frau. Aber er wird abgewiesen. Enttauscht – auch von sich selbsr - flieht Clemens nach Afrika, um im Urwald des Kongo in einer Missionsstation. Aber Annerose kommt gegen seinen Willen mit. Und dann kommt dort dann alles anders, als es einmal geplant war . . .

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Seitenzahl: 151

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Weißt du was Liebe ist?

Elfriede Schilling

Impressum

Copyright: Novo-Books im vss-verlag

Jahr: 2024

Lektorat/ Korrektorat: Annemarie Werner

Covergestaltung: Hermann Schladt

Verlagsportal: www.novobooks.de

Gedruckt in Deutschland

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publika-tion in der Deutschen Nationalbibliografie.

Das Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheber-rechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig

„Aber das kann doch nicht sein, Papa! Das ist einfach nicht möglich!"

Clemens Dahlberg, knapp 24 Jahre alt und von einem Äußeren, das die Mädchen als aufregend bezeichneten, sandte einen hilfesuchenden Blick zu seiner Mutter hinüber. Aber ihr schmales, feines Gesicht war maskenhaft starr, und ihre Augenlider blieben niedergeschlagen. Es bereitete ihr zu viel Schmerz, jetzt einen von den beiden Männern anzusehen, ihren Gatten und ihren Sohn.

„Es klingt fast unmöglich, aber es ist wahr, Clemens!" sagte Friedrich Dahlberg.

„Papa! So schlimm kann es nicht sein, du siehst zu schwarz. Du, ein so guter Geschäftsmann, du kannst doch nicht einfach in Konkurs gehen. So etwas geht nicht von heute auf morgen. Vielleicht hast du sehr schwere Verluste gehabt, aber das kann doch nicht gleich, zum völligen Ruin führen. Gib es zu, Papa, du willst mich aufrütteln; es ist eine erzieherische Maßnahme. Ich weiß ja, dass du nicht einver- standen bist mit meinem Leben, das ich führe. Deiner Ansicht nach sollte ein M.inn mit 24 Jahren arbeiten und nicht nur vom Geld seines Vaters leben. Aber alle meine Freunde tun es. Wir haben alle reiche Väter, warum sollten wir da nicht unsere Jugend genießen? Das ist doch keine Schande. Aber wenn du es durchaus so willst, dann werde ich arbeiten. Sage mir, was ich tun soll, und ich werde mich bemühen, deine Zufriedenheit zu erringen. Es ist nicht nötig, dass du mir einen Schrecken einjagst und erklärst, wir seien mit einem Schlage ganz arm geworden."

„Lieber Clemens!" Friedrich Dahlberg schüttelte den Kopf über seinen Sohn, der sich sträubte, seines Vaters Worte als Wahrheit zu nehmen. „Du denkst wieder einmal überhaupt nicht nach. Wie kannte ich etwas behaupten, das nicht stimmt? Du kämst schnell dahinter. Ich möchte niemals vor meinem Sohn als Lügner dastehen. Aber du wirst es schnell erfahren, dass ich nicht übertrieben habe, dass es die volle Wahrheit ist. Wahrscheinlich wird es schon morgen überall bekannt sein, was uns passiert ist. Wir besitzen praktisch nichts mehr als dieses Haus und Grundstück, da es deiner Mutter gehört. Bargeld ist natürlich keines mehr vorhanden, das gehört alles in die Konkursmasse. Natürlich haben wir noch Werte und können eine Weile davon leben; die nackte Not wird nicht an uns herantreten. Aber mit der Firma ist es vorbei. Es ist nicht meine Schuld. Ich bin neben anderen das Opfer eines großen Wirtschaftsskandals geworden, der noch, andere hineingerissen hat. Es trifft nicht uns allein. Aber es steht fest, wir sind keine reichen Leute mehr. Ich denke, nun war ich deutlich genug. Du musst mir glauben."

„Mama, was sagst du dazu?" Clemens' Stimme klang beschwörend. Frau Helene hob langsam den Kopf und sah ihren Sohn sehr schmerzlich an.

„Wir müssen alle drei sehr tapfer sein, Clemens, mein Junge. Das Schicksal hat uns zu Boden gerissen, aber wir dürfen trotzdem nicht verzweifeln. Unser Leben muss anders werden, aber wir haben noch unser Haus. Ich werde ein Gästeheim daraus machen. Das bringt uns natürlich Einschränkungen, die uns wohl manchen Kummer bereiten werden, aber es ist eine Existenz für deinen Vater und mich, und wir brauchen unser Heim nicht zu verlassen."

Clemens starrte seine Mutter und dann seinen Vater an. Er meinte, nicht richtig gehört zu haben. Das Haus seiner glücklichen Kindheit und Jugend sollte ein Hotel werden? Und seine Mutter, der Inbegriff einer vornehmen Dame, würde eine Pensionswirtin sein, die die Wünsche wildfremder Menschen ausführen musste, die sich hier breitmachten, achtlos mit allem umgehend, was ihnen nichts bedeutete. Sie bezahlten ja dafür, dass sie hier wohnten.

Frau Helene ahnte, was in ihrem Sohn vorging. Liebevoll blickte sie Clemens an.

„Junge, versuche es nicht zu schwer zu nehmen. Gewiss, mit voller Wucht ist es nun auf dich niedergegangen. Ich selbst wusste von den großen Schwierigkeiten schon länger, mit denen dein Vater zu kämpfen hatte. Mich traf es also nicht unvorbereitet; höchstens, dass das Unheil doch nicht mehr abgewendet werden konnte. Dein Vater machte alle Anstrengungen, und mit etwas mehr Rücksicht und Hilfsbereitschaft seiner Geschäftsfreunde wäre es vielleicht noch gutgegangen. Aber auf Freunde sich zu verlassen, hat sich wieder einmal als falsch erwiesen. Du musst nun in Ruhe über alles nachdenken und wirst dann diese Veränderung auch mit Fassung und Haltung hinnehmen. Ich verkaufe meinen Schmuck. Er ist wertvoll. Wir haben also zu leben, und ich kann davon auch noch das Haus so umgestalten, dass es Gäste aufnehmen kann. Ich glaube, ich werde nicht lange auf Gäste zu warten brauchen. Haus und Garten sind wunderschön. Viele werden es zu schätzen wissen, dass sie nicht in einem normalen Hotel wohnen müssen, sondern in einer intimeren Sphäre."

Clemens hätte sich am liebsten in die Arme seiner Mutter gedrückt und losgeweint wie ein kleiner Junge. Aber sein Vater hätte dies für eine unverzeihliche Schwäche gehalten. Mehr als einmal hatte er schon Andeutungen gemacht, dass er seinen Sohn für verweichlicht hielt.

„Ihr erlaubt, dass ich mich zurückziehe", sagte Clemens. „Es war sehr viel, was ich erfahren musste. Ich muss darüber nachdenken."

Seine Eltern nickten zustimmend. Clemens verließ das Zimmer. Noch nie hatte er sich so genau umgesehen wie jetzt, als er durch die Halle ging, zu der schön geschwungenen breiten Treppe, die ins obere Stockwerk führte. Wie schön war es hier.

Sein Herz krampfte sich zusammen. Hier hatte er die ersten Eindrücke seines Lebens empfangen, hier war er groß geworden, und mit allen Fasern seines Herzens hing er an diesem Hause. Aber das hatte er noch niemals so genau gewusst wie an diesem Tage.

Nun sollten Fremde hier ein- und ausgehen dürfen? Der Gedanke war so qualvoll, dass er beinahe laut aufgestöhnt hätte. Wie konnte Mama nur einen solchen Gedanken fassen? Ob es vielleicht die Wirkung des großen Schocks war, den sie natürlich heute auch erhalten hatte? Und sie wusste schon länger als er, dass der Boden unter ihnen schwankte, dass sich ein Abgrund aufgetan hatte.

In seinem Zimmer lief er rastlos hin und her. Noch konnte er nichts anderes denken als daran, dass sie plötzlich arm geworden sein sollten. Immer wieder sträubte sich alles in ihm, es wirklich zu glauben. Weiter kam er in seinem Denken einfach nicht.

Nun blieb er vor einem großen gerahmten Foto stehen und sah das junge Mädchen an, das darauf dargestellt vzar.

.Meinem lieben Clemens von seiner Gitta!' war quer über das Bild geschrieben. Gitta hatte eine sehr große und ausdrucksvolle Handschrift, die Clemens imponierte. Obwohl er Gitta je- cen Tag persönlich sah, betrachtete er voIler Aufmerksamkeit ihr Foto.

Sie war seit langem seine unzertrennliche Partnerin bei allen Vergnügungen und Unternehmungen seines Bekanntenkreises. Nun schaute er sie eigentlich zum ersten Mal genau daraufhin an, ob sie wohl in jeder Beziehung die Frau sein würde, mit der er |vor den Traualtar treten wollte.

Aber durfte er denn dann lange überlegen? Der Gedanke an Gitta Schünemann war doch das erlösende Licht in dem Dunkel seiner Bedrückung und Furcht vor dem Kommenden. Seine Lage war vielleicht gar nicht so hoffnungslos und schlimm, wie es zuerst ausgesehen hatte. Wenn er ein reiches Mädchen heiratete, ging ja sein Leben genauso angenehm weiter wie bisher. Das reiche Mädchen war vorhanden — Gitta! Sie hatten sich gern, auch von ihr wusste er das, dass sie ihn den anderen vorzog.

Sie nannten sich Kameraden, wenn sie auch ziemlich ernsthaft miteinander flirteten, und man konnte ihre Beziehung auch schon nicht mehr nur als Flirt bezeichnen.

Zum ersten Male dachte Clemens nun über den Sinn des Wortes Kameradschaft nach. Gesagt hatte er dieses Wort unzählige Male, aber erst jetzt begriff er, dass Kameradschaft etwas ganz Besonderes und etwas Wunderbares bedeutete. Kameradschaft, das hieß Verständnis, Vertrauen, ja sogar Opferbereitschaft.

Bisher hatten sie niemals den Beweis dafür zu führen brauchen, dass sie wirklich Kameraden waren. Weder Gitta noch er waren jemals in einer bedrängten Lage gewesen, kannten weder seelische Nöte noch materielle. Aber nun würde Gitta zum ersten Mal ihre kameradschaftlichen Gefühle für ihn wirklich beweisen müssen, weil Clemens mit etwas Zweifel an ihren Vater dachte. Herr Schünemann war sicher nicht sehr beglückt, wenn seine Tochter einen Mann heiraten wollte, der nichts hatte.

Darum sah er nun so genau in das lachende Gesicht von Gitta. Würde sie versagen? Würde sie zu ihm halten? Er wusste keine Antwort darauf. Er überlegte, dass es am besten war, noch heute mit ihr darüber zu sprechen, dass er sich gern sehr bald mit ihr verloben wollte. Am besten war es, diese Verlobung schon heute festzumachen. Heute wussten es wahrscheinlich noch nicht viele, wie es um die Dahlbergs stand.

Mochte morgen schon die Kunde von der Katastrophe überall auftauchen, für ihn war es dann nicht mehr so schlimm. Er hatte Gittas Wort, und von der Verlobung zurückzutreten war eine solche Blamage, dass Gitta es nicht tun würde. Gitta war eitel und vertrug keinerlei Kritik.

Trotz allem war er sehr erschrocken über seine Gedanken. Eigentlich sah es so aus, als vertraute er Gitta nicht. Aber Gitta brauchte nicht nach Geld zu heiraten, die Schünemanns waren steinreich. Wie wenig er doch von ihr wusste. Er kannte wohl ihre Ansichten über vieles, ihre Lieblingsschriftsteller, ihre Lieblingsmusik, ihr Lieblingsparfüm, doch das genügte noch nicht, um einen Menschen wirklich zu kennen.

Es hielt ihn nicht mehr hier, er musste zu Gitta, obwohl er erst für später mit ihr verabredet war. Doch er konnte sich ja inzwischen mit ihrem Bruder Hoist unterhalten. Offiziell kam er ja immer zu Horst zu Besuch, wenn er die Villa Schünemann aufsuchte.

„Der junge Herr ist im Kellei bei seinem Sack", erklärte Annchen, das junge Hausmädchen mit den rehbraunen Augen, die Clemens Dahlberg mit unverhohlener Bewunderung ansahen. Annchen schwärmte sehr für diesen Verehrer des gnädigen Fräuleins. Sie verstand nicht, dass Fräulein Gitta die anderen jungen Herren überhaupt noch ansah. So hübsch und liebenswürdig wie Clemens Dahlberg war kein anderer.

Clemens ging in den Keller, wo sich Horst einen Raum zum Boxen eingerichtet hatte. Er sah zu, wie Horst den Sandsack bearbeitete. Dann stellte er sich so, dass der in seinen geliebten Sport vertiefte junge Mann den Besucher sehen musste. Für einen winzigen Augenblick schien Hoist überrascht zu sein, doch er boxte noch ein pani Minuten weiter, ehe er nach einem Handtuch griff und sich das vom Schweiß überströmte Gesicht abtrocknete.

„Tag, Clemens. Bist du schon lange hier?" Er klopfte Clemens auf die Schulter. „Ich gehe unter die Brause. Wenn du willst, kannst du eine Büchse Pilsner aufmachen. Ich freue mich schon auf den kühlen Trunk. Leider muss ich noch etwas damit warten.“

„Ich warte auch, Horst Wir konnten oben bei dir sitzen, wenn es dir recht ist. Da ich keine Schallplattenmusik höre, ist anzunehmen dass deine Schwester nicht zu Hause ist.“

Horst brummle nur etwas Unverständliches, weil er unter dem kalten Wasserstrahl stand Dann kam er im Bademantel wleder hervor, und sie gingen hinauf. Annchen wurde beauftragt, ein paar Dosen von dem Exportbier und Gläser hinaufzubringen.

„Was sagst du zu dem Australier?" Horst erzählte von dem großen Boxkampf, der stattgefunden hatte und die Gemüter sehr erhitzt hatte, jedenfalls die Gemüter derer, die für Boxen viel übrig hatte. Clemens blieb schweigsam. Erstens verabscheure er Boxkämpfe, und zweitens hatte er etwas ganz anderes im Kopf.

„Was ist los, Clemens? Ich habe den Eindruck, dass du mir gar nicht zuhörst."

„Entschuldige, Horst. Aber ich möchte gern über etwas mit dir sprechen, du bist ja mein Freund."

„Gut, dann rede nur, Clemens. Wie ich deine Miene beurteile, ist es etwas Schwerwiegendes."

„Das stimmt, Horst. Ich denke daran, dass ich heiraten will. Das ist ja etwas Schwerwiegendes, nicht wahr?"

„Du willst heiraten?" Verdutzt sah Horst seinen Freund an, und Clemens lächelte etwas krampfhaft.

„Spiele nur nicht den Unwissenden, Horst. Du weißt doch wohl genau, an wen ich da denke. Gitta und ich sind nicht nur befreundet, wir lieben uns. Das dürftest du auch wissen. Es ist bedauerlich, dass ich nicht schon mit ihr darüber gesprochen habe, dass wir uns verloben wollen. Dieser Tage hatte ich das vor, und nun kommt leider gerade heute etwas scheußlich Unangenehmes auf mich zu. Bis heute ahnte ich nichts davon, dass mein Vater schwere geschäftliche Verluste erlitten hat. Erst vorhin hat er mir eröffnet, dass wir momentan in ziemlichen Schwierigkeiten sind. Ich war sehr erschrocken darüber, nicht wegen der Verluste, sondern wegen Gitta. Darum frage ich dich nun als meinen Freund: kann ich es mir erlauben, trotzdem heute um die Hand deiner Schwester anzuhalten?“

Horst sah Clemens mit einem vieldeutigen Blick an. Es schien Clemens sogar, als flöge ein spöttisches Lächeln um seinen Mund.

„Sei ehrlich, Clemens! Hat dein Valet dir nur gesagt, dass er einige schwere Verluste erlitten hat? So undeutlich sollte er sich ausgedrückt haben, so dass du kein genaues Bild von der Situation gewonnen hast?"

„Wie meinst du das?" stammelte Clemens. „Wir stecken in sehr großen Schwierigkeiten, hat Vater mir gesagt. Aber...“

„Clemens, ich weiß ganz genau, wie es um euch steht. Vergiss bitte nicht, dass mein Vater im Aufsichtsrat mehrerer Großbanken sitzt und auch sonst mitten im Wirtschaftsleben steht und von allem genau Bescheid weiß, was sich ereignet. Also weiß er auch, dass die Firma Dahlberg seit längerer Zeit wackelt und seit gestern gestürzt ist. Zahllose Verhandlungen sind geführt worden, aber es war nichts mehr aufzuhalten."

Clemens hatte mit niedergeschlagenen Augen dagesessen und sich heimlich selbst beschimpft, dass er so töricht und ungeschickt gewesen war. Schließlich hätte er es sich selbst denken können, dass Herr Schünemann alles wusste. Nun hatte er sich vor Horst eine schwere Blöße gegeben. Doch nun hatte er einmal angefangen und konnte nicht plötzlich abbrechen.

„Es ist wahr, Horst, ich war nicht ganz offen zu dir. Mein Vater hat mir schonungslos die Wahrheit gesagt. Mit uns ist es ziemlich aus. Deswegen sind wir natürlich nicht gleich verloren. Meine Mutter ist Eigentümerin der Villa und des Grundstücks, außerdem haben wir wertvolle Kunstgegenstände und ihren herrlichen Schmuck, der ein Vermögen wert ist. Damit lässt sich allerhand anfangen, also Sorgen haben wir sonst nicht, wenn es auch schlimm ist, dass es mit der Firma so gekommen ist. Aber mich trifft es so tief, weil ich Gitta fragen wollte, ob wir heiraten wollen. Das sieht jetzt etwas sonderbar aus. Aber es hat nichts damit zu tun, glaube mir, Horst. Unsere Liebe hat ja schließlich mit Geld nichts zu tun."

„Mir tut euer Missgeschick sehr leid, Clemens. Auch mein Vater ist erschüttert darüber, dass es euch so hart treffen musste."

„Danke, Horst. Doch willst du mir ausweichen? Ich spreche immer von Gitta, und du sagst gar nichts dazu."

„Ich kann nichts dazu sagen, Clemens, weil ich fürchte, dass dir meine Worte weh tun."

„Egal, sprich es aus!" verlangte Clemens, dessen Hände jetzt leicht zitterten vor innerer Erregung.

„Clemens, ich habe nicht den Eindruck, als ob meine Schwester bald heiraten möchte!"

„Wirklich nicht? Aber du weißt doch, dass wir uns lieben?"

„Nein, das weiß ich eben nicht. Gitta hat mir nie so etwas gesagt. Im Gegenteil, erst neulich hat sie erklärt, dass sie noch lange nicht daran denkt, ihre Freiheit aufzugeben und zu heiraten. Sie konnte es nicht besser haben, als sie es jetzt hat, das waren genau ihre Worte. Aber es klingt wohl nicht nach übergroßer Liebe zu dir, Clemens."

„Himmel, dann hätte sie mich ja an der Nase herumgeführt", stieß Clemens erbittert hervor. Horst setzte sein Bierglas mit Schwung auf den Tisch und sah Clemens aufgebracht an.

„Du, so darfst du von meiner Schwester- nichtt sprechen, das kann ich nicht zulassen, Gitta führt niemanden an der Nase herum,

„Herrgott, nun lege bitte nicht jedes Wort auf die Goldwaage, Horst. Ich habe nicht gesagt, dass sie mich an der Nase herumgeführt hat. Das glaube ich nicht von ihr. Du musst mich ein bisschen verstehen. Ich bin heute in einer Verfassung, die nicht gerade beneidenswert zu nennen ist. Ich liebe Gitta, ich möchte sie heiraten. Da muss ich erfahren, dass ich plötzlich nichts mehr besitze, dass mein Vater alles verloren hat. Ist es da nicht verständlich, dass ich Angst um meine Liebe habe? Allerdings traue ich es Gitta nicht zu, dass sie mich deswegen ablehnen würde, weil ich nun keinen reichen Vater mehr habe. Und ich hoffe auch, dass sie nicht vermutet, ich käme gerade jetzt mit meinem Antrag, weil ich weiß, wie es um uns steht. So schlecht kann sie nicht von mir denken. Aber es ist am besten, wenn ich selbst mit ihr über alles spreche. Nur sie kann ja entscheiden. Übrigens ist es gleich so weit, dass sie kommen muss. Wir sind hier um fünf Uhr verabredet, und es fehlen nur noch zehn Minuten. Wir wollen also nicht mehr darüber sprechen, Horst."

„Gitta kommt nicht zurück, Clemens. Entschuldige, das hatte ich völlig vergessen, dir auszurichten. Sie ist mit Tante Ellen für ein paar Tage weggefahren!"

„Gitta ist weggefahren? Wann denn, wohin denn? Und warum hat sie mich nicht angerufen und es mir selbst gesagt?"

„Das weiß ich nicht, Clemens, wahrscheinlich hatte sie keine Zeit mehr dazu. Es ging alles ziemlich schnell. Soviel ich vernommen habe, sind sie nach Baden-Baden gefahren. Tante Ellen hat ja immer so sprunghafte Ideen. Plötzlich fällt ihr etwas ein, und dann muss das auch, sofort in die Tat umgesetzt werden. Gitta findet das herrlich." Horst lachte herzlich, und doch hörte Clemens das Gezwungene darin.

Er trank schweigend sein Glas leer. Er war wie vor den Kopf geschlagen. Natürlich konnte es ganz harmlos sein, dass Gitta von einer Minute zur anderen umdisponierte. Er selbst kannte ja auch diese Tante Ellen, die sich gern außergewöhnlich aufführte, um damit zu demonstrieren, dass sie eine Künstlernatur war. Sie malte manchmal, wenn auch völlig talentlos. Niemand hätte jemals ein Bild von ihr gekauft, weil man ihre sogenannten Werke nicht einmal geschenkt genommen hätte.

Jetzt war ihm elend zumute. Es gab heute keine Verlobung, und damit sah es auch sehr trübe aus für die Zukunft. Außerdem peinigte ihn die Frage, ob diese unvorhergesehene und so schnell angetretene Reise vielleicht doch etwas mit der Katastrophe der Dahlbergs zu tun haben könnte.