Weltkirche im Aufbruch -  - E-Book

Weltkirche im Aufbruch E-Book

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Beschreibung

Das zentrale Thema im deutschen Katholizismus ist derzeit der Synodale Weg, bei dem Bischöfe und Laien Kirchenreformen beraten. Auch weltweit laufen auf Anregung von Papst Franziskus synodale Prozesse. Welche Erfahrungen machen andere Länder dabei, welche Themen für eine Erneuerung der katholischen Kirche werden diskutiert? Und wie wird der Synodale Weg in Deutschland weltweit wahrgenommen, welche Fragen treiben auch die Gläubigen anderer Ortskirchen um? In der neuen Ausgabe der Reihe "Herder Thema" finden sich Beiträge von allen Kontinenten. Außerdem kommen die internationalen Beobachter der Synodalversammlungen in Deutschland zu Wort, andere Beiträge widmen sich der Perspektive des Synodenbüros im Vatikan. Herausgeber dieses Themenheftes mit interessanten Einblicken in eine Weltkirche im Aufbruch ist das Büro des Synodalen Wegs in Deutschland.

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Seitenzahl: 189

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HERDERTHEMA

WELTKIRCHE IM AUFBRUCHSYNODALE WEGE

IMPRESSUM

Herder Thema

Weltkirche im Aufbruch. Synodale Wege

August 2022

Herausgeber:

Dr. Frank Ronge, Leiter des Synodalbüros

[email protected]

Projektsteuerung:

Dr. Stefan Orth

Redaktion:

Teresa Hohmann Miriam Pawlak

Verlag und Anzeigen:

Verlag Herder GmbH Hermann-Herder-Straße 4 79104 Freiburg i. Br.

Anzeigenleitung:

Bettina Haller (Verantw.)

Tel.: (0761) 2717-456; Fax.: -426

E-Mail: [email protected]

Es gilt die Anzeigenpreisliste Nr. 53 vom 1.1.2022

„Herder Thema“ ist eine Sonderedition-Reihe zu ausgewählten Themen.

E-Book-Konvertierung: Röser MEDIA GmbH & Co. KG, Karlsruhe

ISBN: E-Book (EPUB): 978-3-451-82822-5

E-Book (PDF) 978-3-451-82822-5

Print 978-3-451-27416-9;

Außerdem gibt es eine italienische und eine englische Ausgabe im PDF-Format.

Bildnachweise:

Bodenpanoramen: Frank Ronge

Umschlagabbildung aufgenommen in Ffestiniog

INHALT

VORWORT

INHALTSVERZEICHNIS

SYNODALITÄT

– Ratschläge einholen und Konsens finden. Chancen und Herausforderungen für eine synodale Kirche Rafael Luciani

– Zwei Zeitalter, zwei Kirchen, ein spirituelles Leben. Entwicklungen und Perspektivwechsel fördern die Gemeinschaft Joan Chittister

– Notwendige Reformprozesse. Erste Kirchliche Versammlung Lateinamerikas und der Karibik Birgit Weiler

– Auf dem Weg zu einer universellen Philosophie der Synodalität. Die Zukunft der Kirche braucht eine neue synodale Führungskultur Christina Kheng

– Orientierung im Glauben finden: hier und heute. Die theologischen Grundlagen des Synodalen Weges Thomas Söding

INTERVIEW

– „Wir können nicht nicht synodal sein“. Ein Gespräch mit Kardinal Mario Grech, dem Generalsekretär der Bischofssynode

LÄNDER

– Die Verkündigung des Evangeliums neu ermöglichen. Der Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland Franz-Josef Bode

– Wenn aus Krisen Neues erwächst. Die Synodalität des Synodalen Weges setzt Maßstäbe – auch für die Schweiz Daniel Kosch

– Neues wagen oder weiter so? Die Kirche Frankreichs an einem entscheidenden Wendepunkt Paule Zellitch

– Vertrauen auf die Wirkkraft des Heiligen Geistes. Ein Spotlight auf den Synodalen Weg aus nordischer Sicht Czesław Kozon

– Ein vielversprechendes Abenteuer voller Hoffnungen. Der synodale Prozess in Spanien Luis Manuel Romero Sánchez

– Frustrationstoleranz überschritten? Der Synodale Weg in der Kirche in Italien Mauro Castagnaro

– Sensibilisierungsprozess für die Bedürfnisse der Zeit. Dynamiken aus der Mitte Europas: aus der Slowakei Katarína Hulmanová

– Der Weg entsteht beim Gehen. Reflexionen zur synodalen Reise der katholischen Kirche in Irland Nicola Brady

– Lebensrealität als Fundort der Zeichen der Zeit. Der US-amerikanische Episkopat und der Geist des Aggiornamento Rene Reid

– Weggefährten und Zeugen des Synodalen Weges. Aus französischer Sicht Didier Berthet und Jérôme Vignon

– Synodalität, neu entfaltet. Gemeinsam unterwegs in Argentinien Carolina Bacher Martínez

– Eine Tradition wird zur Antwort. Prozesse der synodalen Beteiligung in Chile Catalina Cerda-Planas und Pascale Larré

– Die Präsenz der Frau in Kirche und Gesellschaft. Der synodale Prozess der Maronitischen Kirche im Libanon setzt klaren Schwerpunkt Mirna Abboud Mzawak

– Den Realitäten gerecht werden und die Einheit wahren. Die senegalesische Kirche auf synodalem Vormarsch Martin Boucar Tine

– Trotz Ambivalenzen ein heiliger Raum für viele. Die katholische Kirche in Kenia auf dem Weg zu einem synodalen Miteinander Constansia Mumma-Martinon

– Besinnung auf den Heiligen Geist. Die australische Kirche zwischen Enttäuschung und Hoffnung auf Wandel John Warhurst

– Die Zukunft bleibt ungewiss. Die katholische Kirche Neuseelands in der Krise Joe Grayland

– Wird der Synodale Weg aus der Krise helfen? Eine Einschätzung aus Luxemburg Théo Péporté

Zu den Bildern

Vielfältig ist der Grund, auf dem wir stehen. Das zeigen auch die Fotografien dieses Heftes.

Rafael Luciani „Ratschläge anzunehmen, die auf dem Zuhören basieren, ist eine Pflicht derjenigen, die Autorität ausüben.“

Joan Chittister „Die katholische Welt muss aus dieser Weltsynode anders herausgehen, als sie hineingegangen ist.“

Franz-Josef Bode „Der Synodale Weg ist getragen von der Gewissheit, dass Erneuerung vom Kern her möglich ist.“

Katarína Hulmanová „Für uns ist Mitbestimmung auf allen Ebenen eine ganz neue Erfahrung.“

Nicola Brady „Auch der synodale Weg in Irland ist zutiefst durch die Enthüllungen über den Missbrauch geprägt.“

Martin Boucar Tine „Es fällt nicht schwer, Themen zu erkennen, die wir mit anderen Ortskirchen gemein haben.“

VORWORT

Ist der Synodale Weg, auf den sich die katholische Kirche in Deutschland begeben hat, ein deutscher Sonderweg? Koppeln sich die Katholikinnen und Katholiken in Deutschland damit von der Weltkirche ab und rücken Fragen ins Zentrum ihrer Beratungen, die sich so nirgendwo sonst in der katholischen Kirche stellen? Ein etwas eingehenderer Blick in die verschiedenen Regionen der Weltkirche zeigt hier schnell ein anderes Bild.

Genau diesen Blick möchte das vorliegende Heft eröffnen. Es stellt die Frage nach vergleichbaren Überlegungen, Dynamiken und Fragestellungen in anderen Ländern und Weltregionen und wird dabei vielfach fündig. Dabei wird deutlich: Das Interesse der Gläubigen an einer Kirche, die Möglichkeiten der Partizipation sowohl im Bereich des diakonischen Engagements wie auch in der Verkündigung und nicht zuletzt in Fragen der Leitung und Entscheidung eröffnet, ist nicht nur groß, sondern es wächst zusehends. Papst Franziskus hat diese Dynamik zum rechten Zeitpunkt aufgegriffen, indem er die Weltkirche zu einem großen gemeinsamen Synodalen Weg eingeladen hat.

Aber auch, was die Themen des Synodalen Weges in Deutschland anbelangt, zeigt sich, dass sie – vielleicht auf unterschiedliche Weise, aber nicht minder deutlich – an vielen verschiedenen Orten der Weltkirche behandelt werden. Bei Weitem nicht nur in Deutschland wird nach einem transparenteren und partizipativeren Umgang mit Macht, nach einer weiterentwickelten, besser vermittelbaren Beziehungs- und Sexualethik, nach einer zukunftsoffeneren Gestaltung priesterlicher Existenz und nach einer verantwortungsvolleren und sichtbareren Rolle der Frauen in der Kirche gefragt. Ja, und das Heft zeigt auch: Die Weltkirche ist bunt und vielseitig. Vielfalt mag herausfordernd sein, vor allem aber ist sie ein Zeichen von Lebendigkeit und eine Quelle der Inspiration.

Wir hoffen, dass die Lektüre dieses Heftes interessante und aufschlussreiche Einblicke bietet und so dabei hilft, den eigenen Horizont zu weiten. All jenen, die dem Gedanken zuneigen, die Kirche solle sich möglichst wenig verändern, kann dabei deutlich werden: Sie weist tatsächlich eine große Dynamik auf, die unverzichtbar zu ihrem Wesen gehört. Alle aber, die meinen, es ändere sich ja sowieso nichts, weil selbst dann, wenn man in Deutschland guten Willens notwendige Reformen wolle, die Weltkirche nicht mitgehen werde, können sich hier bewusst machen: Wir als Katholikinnen und Katholiken in Deutschland sind nicht allein mit diesen Anliegen, die Weltkirche ist im Aufbruch. Das aber macht Mut und Hoffnung auf tatsächliche Veränderungen hin zu einer Kirche, die glaubwürdig die Frohe Botschaft verkündet und dabei aufrichtig nach den Menschen, den „Hörern des Wortes“, fragt.

Präsidentin und Präsident des Synodalen Weges:

Dr. Irme Stetter-Karp, Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken

Bischof Dr. Georg Bätzing, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz

SYNODALITÄT

Chancen und Herausforderungen für eine synodale Kirche

Ratschläge einholen und Konsens finden

Papst Franziskus erkennt in Synodalität das Schlüsselwort des dritten Jahrtausends. Es bleibt nicht nur beim Wort: Synodalität ist eine Haltung, ein Prozess, in dem alle Beteiligten gleichsam Lernende sind. Es braucht die Reform von unten.VON RAFAEL LUCIANI

Dr. Rafael Luciani ist Professor an der Universidad Católica Andrés Bello in Caracas (Venezuela) sowie an der Boston College School of Theology and Ministry in Boston (USA). Er ist theologischer Berater des Lateinamerikanischen Bischofsrats CELAM sowie der Theologischen Kommission des Generalsekretariats der Bischofssynode.

Papst Franziskus ruft die gesamte Kirche dazu auf, ein neues Modell zu suchen, das ungleiche Beziehungen, Über- und Unterordnungen überwindet und einen Dialog in Gang setzt, der neue kirchliche Wege und Strukturen für das dritte Jahrtausend schafft. Auf der Gedenkfeier zum 50. Jahrestag der Einsetzung der Bischofssynode wirbt er für ein tiefgründigeres Verständnis der Ekklesiologie des Volkes Gottes und gibt zu bedenken, dass der Weg der Synodalität der Weg sei, „den Gott von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“. Er tut dies in einem Kontext, in dem es dringender denn je ist, das kirchliche Leben zu erneuern.

Der Traum des Papstes von einer sich erneuernden Kirche, in der beraten, aber auch Rat von außen eingeholt wird, um dann gemeinsam nach einem Konsens zu suchen, wurzelt in einer fast vergessenen mittelalterlichen Tradition, in der das Kirchenrecht den Grundsatz festgeschrieben hat: „Was alle angeht, muss von allen behandelt und entschieden werden.“

Synodale Praktiken sind in der römisch-katholischen Kirche also nicht neu. Auch der einflussreiche Cyprian von Karthago kannte so etwas wie die goldene Regel der Synodalität: „Nichts ohne den Rat des Presbyteriums und den Konsens des Volkes“, lautete seine Devise.

Diese beiden Handlungsprinzipien des ersten Jahrtausends der Kirchengeschichte bieten einen adäquaten Interpretationsrahmen für die Reflexion über die heutigen Chancen und Herausforderungen für gelebte Synodalität. Für den Bischof von Karthago stand die Gemeinschaft in der Kirche im Vordergrund. Er entwickelte Methoden, die auf Dialog und gemeinsamer Unterscheidung beruhten und die es ermöglichten, alle, nicht nur die Presbyter, an den Beratungen und Entscheidungen zu beteiligen. Dies sind zwei Beispiele einer forma ecclesiae, in der die Ausübung von Macht als gemeinsame Verantwortung verstanden wird.

Papst Franziskus scheint von dieser Vorgehensweise inspiriert zu sein, wenn er sich eine synodale Kirche als hörende Kirche vorstellt: „Es ist das Hören auf Gott, bis hin zum Hören mit ihm auf den Schrei des Volkes; und es ist das Hören auf das Volk, bis hin zum Einatmen des Willens, zu dem Gott uns ruft.“

Das Zuhören ist in einer synodalen Ekklesiologie unverzichtbar, da es von der Anerkennung der Identität der kirchlichen Subjekte ausgeht und auf der Grundlage horizontaler Beziehungen besteht, die auf der Radikalität der Würde aller Getauften und auf der Teilhabe am gemeinsamen Priestertum aller Gläubigen beruhen (Lumen Gentium, Nr. 10). Die Kirche als Ganzes qualifiziert sich durch Prozesse des Hörens, in denen jedes kirchliche Subjekt etwas beiträgt, das die Identität und die Sendung des anderen vervollständigt (Apostolicam actuositatem, Nr. 6), und zwar auf der Grundlage dessen, was jedem Einzelnen eigen ist (Nr. 29).

Ein solches Verständnis von Kirche impliziert die Überwindung ungleicher Beziehungen von Überund Unterordnung und den Übergang zur Logik der „gegenseitigen Notwendigkeit“ (LG 32). Dies entspricht dem Geist der Internationalen Theologischen Kommission (ITK), die bekräftigt, dass „eine synodale Kirche eine partizipatorische und mitverantwortliche Kirche ist“ (Die Synodalität in Leben und Sendung der Kirche). In der Ausübung der Synodalität ist sie aufgerufen, die Teilnahme aller, entsprechend der Berufung eines jeden, mit der Autorität zu verbinden, die Christus dem Bischofskollegium, dem der Papst vorsteht, verliehen hat.

Die Teilnahme beruht darauf, dass alle Gläubigen befähigt und berufen sind, ihre jeweiligen vom Heiligen Geist empfangenen Gaben in den Dienst der anderen zu stellen. Es ist das Recht eines jeden, angehört zu werden, aber Ratschläge anzunehmen, die auf dem Zuhören basieren, ist eine Pflicht derjenigen, die Autorität ausüben. Man hört auf ein Volk, einen Ort und eine Zeit, um darin die Stimme des Heiligen Geistes wahrzunehmen und um Wege zu finden, die der jeweiligen Epoche entsprechen. Auf der Amazonassynode wurde bereits deutlich, wie identitätsstiftend der Prozess des Zuhörens sein kann. Er kann noch dynamischer werden im Hören und im Dialog mit den Menschen, den Realitäten und der Geschichte ihres Territoriums (vgl. Querida Amazonia, Nr. 66). Zuhören ist jedoch kein Selbstzweck. Es ist wichtig, bei einem Prozess des Zuhörens alle Aktionen zu berücksichtigen: beten, zuhören, analysieren, dialogisieren und beraten. Denn das Ziel dieses Weges ist nicht nur, sich zu treffen, zuzuhören und sich besser kennenzulernen, sondern zusammenzuarbeiten, damit pastorale Entscheidungen getroffen werden können.

Es ist das Recht eines jeden, angehört zu werden, aber Ratschläge anzunehmen, die auf dem Zuhören basieren, ist eine Pflicht derjenigen, die Autorität ausüben.

Dies sind nur einige Aspekte, die den Sinn und das Ziel eines synodalen Prozesses definieren. In der Synode über die Synodalität will die Kirche auf der Suche nach einer „vollständigeren Definition ihrer selbst“ vorankommen – wie auch schon Paul VI. bei der Eröffnung der zweiten Sitzungsperiode des Konzils zu sagen vermochte.

Das Neue an der Weltsynode

Der Weltsynodenprozess ist erst der Beginn eines langen Prozesses, der zu einer tieferen Annäherung verschiedenster Bereiche christlichen Lebens führen kann: in der Geschichte, der Sprache und Kultur, die die zwischenmenschliche Kommunikation und ihre symbolischen Ausdrucksformen prägen. Menschen, die sich einbringen, begünstigen in ihrem konkreten Leben die Ausübung eines synodalen Stils.

Daher ist es wichtig zu verstehen, dass Synodalität der geeignetste Weg ist, um kirchliche Prozesse der Identitätsbildung und ihrer theologisch-kulturellen Neugestaltung als Kirche der Kirchen unter dem Vorsitz des Bischofs der Kirche von Rom und in der Gemeinschaft aller Kirchen zu entwickeln.

Bedenkt man dies nicht, läuft man Gefahr, das Verständnis und die Ausübung der Synodalität auf eine rein affektive und atmosphärische Praxis zu beschränken, ohne sie wirksam in konkrete Veränderungen umzusetzen, die zur Überwindung der derzeitigen klerikalen institutionellen Kirche beitragen würde.

Aus diesem Grund hat der Vatikan eine Theologische Kommission eingesetzt, die den gesamten Prozess berät. Dies ist eine neue Entwicklung, die die Zusammenarbeit zwischen der Theologie und dem Lehramt in einer Weise wiederherstellt, wie es sie immer schon gegeben haben sollte. Innerhalb dieser Kommission wurde eine Unterkommission eingerichtet, die Vorschläge für die Reform des Kirchenrechts ausarbeiten soll. Wenn das Gehörte nicht in neue kirchliche Kanäle und Strukturen umgesetzt wird, wird sich erneut ein kirchliches Modell zeigen, das den sensus fidelium unzureichend berücksichtigt.

Die gegenwärtige Synode bringt insgesamt noch eine wichtige Neuerung: Sie ist nicht mehr ein Ereignis, sondern ein Prozess. Sie setzt bei einer Ekklesiologie der Ortskirchen an. In der ersten, das heißt diözesanen Phase müssen die Bischöfe nicht nur auf das Volk Gottes hören, sondern auch, als integraler Bestandteil davon, gemeinsam mit ihm über pastorale Entscheidungen nachdenken und diese ausarbeiten. Nach dem Text von „Lumen Gentium“, Nr. 12, der in „Episcopalis Communio“, Nr. 5 aufgegriffen wird, ist es die Gesamtheit der Gläubigen, „von den Bischöfen bis zu den geringsten Laien, die ihre allgemeine Zustimmung in Fragen des Glaubens und der Sitten geben“.

Es geht nicht um den Sensus einzelner Bischöfe, sondern um den Sensus der ganzen Kirche (sensus ecclesiae totius populi). Daher wird eine der vielleicht wichtigsten Herausforderungen für die kirchliche Hierarchie die Schaffung von Vermittlungsstellen und Verfahren für die Einbeziehung aller Gläubigen und die Festlegung der Modalitäten der Beteiligung sein. Besonders Laien sind aktives Subjekt in der Kirche. Schon 2007 haben die lateinamerikanischen Bischöfe auf der Konferenz von Aparecida vorgeschlagen, Laien an der Unterscheidung, Entscheidungsfindung, Planung und bei der Ausführung zu beteiligen (Aparecida, Nr. 371).

Wenn die Vorgehensweise einer synodalen Kirche „ihren Ausgangspunkt und auch ihren Ankunftspunkt im Volk Gottes hat“ (Episcopalis Communio, Nr. 7) und wenn „Synodalität eine konstitutive Dimension der Kirche ist, die sich durch sie als Volk Gottes manifestiert und gestaltet“ (ITK, Synodalität, 42), dann ist es notwendig, alles zu tun, damit das Zeitalter der Kirche hier und jetzt zu einer authentischen Synodalisierung der ganzen Kirche führt.

So wird es von entscheidender Bedeutung sein, Modelle der Entscheidungsfindung in der Kirche zu erkennen und anzuwenden. Es könnte darauf hinauslaufen, dass beispielsweise die Entscheidungsfindungen für Pfarrer verbindlich werden, weil sie selbst an dem Prozess des Zuhörens und der Unterscheidung, der Annahme von Ratschlägen und der Konsensbildung teilgenommen haben und sich somit zur Selbstverpflichtung bereiterklärt haben.

Jedes Zukunftsmodell für die Kirche muss bei der Entscheidungsfindung berücksichtigen, dass die ihr inhärente synodale Dimension durch die Verwirklichung und Leitung von Beteiligungs- und Unterscheidungsprozessen zum Ausdruck kommen muss. In diesen Prozessen manifestiert sich die Dynamik der Gemeinschaft, die letztlich alle kirchlichen Entscheidungen inspiriert (ITK, Synodalität, 76). Die große Herausforderung wird also darin bestehen, eine Kultur des kirchlichen Konsenses zu schaffen, die sich in synodalen Stilen, Ereignissen und Strukturen manifestieren kann, aus denen eine neue kirchliche Vorgehensweise für die Kirche des dritten Jahrtausends hervorgehen wird. ■

SYNODALITÄT

Entwicklungen und Perspektivwechsel fördern die Gemeinschaft

Zwei Zeitalter, zwei Kirchen, ein spirituelles Leben

Die Gegenwart nicht von der Vergangenheit bestimmen zu lassen, sondern von ihr lernen – das ist eine wichtige Maxime, die auch die Kirche der Zukunft formen kann. Der Aufruf der Kirche zur Synodalität ist ein Aufruf an die ganze Welt, sich gegenseitig zu sehen und damit anzufangen, die Welt anders zu betrachten. In Orden wird häufig eine solche synodale Verantwortung vorgelebt, die auf die Gesellschaft übertragbar ist. Spiritualität ist dabei eine tragende Säule.VON JOAN CHITTISTER

Sr. Dr. Joan Chittister wurde 1936 geboren. Die Benediktinerin trat im Alter von 16 Jahren in das Kloster Erie in Pennsylvania ein. Die Autorin von mehr als 60 Büchern gilt als mutige, leidenschaftliche, energiegeladene und gefragte Rednerin, Kommentatorin, Beraterin. Die Hans-Küng-Preisträgerin setzt sich seit mehr als 45 Jahren über alle Religionen hinweg für die Schaffung von Frieden, Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Völker ein.

Wandel erfordert eine Neuausrichtung des Lebens und ist auch ein Sprungbrett in die Zukunft. Dem einen zu erlauben, das andere zu sein, ist das Wunder eines Lebens. Glücklicherweise gibt es viele weise Persönlichkeiten, die sich dieser Herausforderung bereits gestellt und uns einige Erkenntnisse hinterlassen haben, denen wir folgen können.

Der Dichter Basho schreibt zum Beispiel: „Ich trete nicht in die Fußstapfen der alten Meister; ich suche, was sie gesucht haben.“ Und der römische Philosoph Boethius lehrt in seinem „Trost der Philosophie“, dass jedes zu Ende gehende Zeitalter einfach ein neues Zeitalter ist, das zum Leben erwacht. Mit anderen Worten: Es ist für beide nicht das Ende von allem.

Das Wichtigste ist, darauf zu vertrauen, dass die Reise von einem Zeitalter zum anderen auf beiden Seiten lebensspendend sein kann – aber auf unterschiedliche Weise. So bin ich zum Beispiel mit 86 Jahren alt genug, um zwischen zwei Zeitaltern und zwei Kirchen gelebt zu haben, und das habe ich tatsächlich.

Zwischen zwei Kirchen: Welche Perspektiven bieten sie?

Beide Kirchen hatten je etwas anzubieten. In der ersten Kirche – der älteren der beiden – fühlte ich mich am ehesten wie in einer gut geführten Institution. Sie war wohlgeordnet, klar in ihren Erwartungen, sicher in ihren Lehren, allgemeingültig in ihren Normen und eng definiert durch die Ideen und Verhaltensweisen, die wir alle gemeinsam erlernt hatten. Das Ziel des Unterfangens bestand darin, Heiligkeit zu erreichen, indem wir jede Stufe mit Eifer und Zielstrebigkeit erklimmen sollten.

Tatsache ist, dass das Bedürfnis nach Leistung und Anerkennung im ersten Zeitalter vorherrschend war. Wenn meine Lebensführung nicht den Regeln entsprach, empfand ich das als Versagen, Verlust und Schuld. Der Weg zur Heiligkeit wurde zu einem privaten Weg, der von der Teilnahme an öffentlichen Ereignissen geprägt war: Taufe, Erstkommunion, Sonntagsmesse, vierzigtägige Fastenzeit, die vier Wochen des Advents, jährliche Beichte, Weihnachten und Ostern. Das waren die grundlegenden Ecksteine eines jeden Pilgers, der sich sorgfältig an den vorgegebenen Weg hielt. Es war ein Leben voller „Praktiken“, die alle eher Teil des „Trooping the Colour“ waren als die Verpflichtung, sein Leben für die anderen zu geben.

Einige von uns gewannen sämtliche Preise, die die erste Kirche anbot, indem sie sich an alle Regeln hielten; der Rest von uns lief eher mit – man war zwar mittendrin, ja, aber nicht ganz, und man war weit weniger sicher, dass das System an sich ein heiliges war. Es kam darauf an, was ich aufgrund der jeweiligen Situation tat. Es ging nicht darum, was die Situation selbst von mir in dem Prozess verlangte, der zu meinem geistigen Erwachsensein führte.

Die zweite Kirche kam erst viel später im Leben – nämlich jetzt –, als die Routine sowohl ihren Reiz als auch ihre Dynamik längst verloren hatte. Stattdessen lädt uns das geistliche Leben jetzt dazu ein, jenseits des Systems zu leben und dem Ruf des Heiligen Geistes im jeweiligen Moment zu folgen. Es fühlt sich an wie eine frische Brise. Wie eine Möglichkeit. Wie Verantwortung. Wie Liebe.

Was ist der Unterschied zwischen „Spiritualismus“ und „Spiritismus“?

Dieser Weg der Seele bringt die Einladung von neuem Leben, von aufkeimendem Wachstum, von einem ständigen Neuanfang mit sich. Hier geht es nicht so sehr um eine Routine, die auf mehreren Ebenen zu bewältigen ist, um mich am Ende zu retten. Es handelt sich um einen Aufruf zu einem Leben, das ich aus meinem Herzen und meiner Seele heraus gestalte, zum Wohle der Welt um mich herum und zu meinem eigenen Wachstum im Hier und Jetzt.

Worin liegt also nun der Unterschied zwischen den beiden Kirchen? Der erste Weg ist ein System, das sich an eingefahrenen Verhaltensweisen orientiert, die bereits als „spirituell“ gelten. Wie das Beten des Rosenkranzes oder das Nichtessen von Fleisch am Freitag. Er entsteht ohne die Reifung der einzelnen Seelen durch die Anstrengungen des Lebens oder durch das Tun des Guten inmitten von Auseinandersetzungen. Dieser Weg liegt zwischen passivem Gehorsam gegenüber dem System und der Entmündigung der Anhänger. Die Heiligkeit besteht hier in der Unterwerfung unter die Obrigkeit. Sie ist aufrichtig und legt öffentlich Rechenschaft über persönliche Unzulänglichkeiten ab. Sie versucht, das zu tun, was unsere Vorfahren getan haben, ja, aber sie schafft es nicht, uns zu befreien, um das Leben auf dem Weg zu begreifen und darauf zu reagieren, indem wir es gemeinsam gestalten.

Zu glauben, dass die katholische Welt aus dieser Weltsynode so herausgehen kann, wie wir alle hineingegangen sind, ist nicht nur eine Zeitverschwendung, sondern eine Verschwendung von Glauben, Hoffnung und Liebe.

Der zweite Weg hingegen, der neue Weg, ist eine Reise durch das Leben, die von Mitgefühl, Gerechtigkeit, Authentizität und vor allem von Verantwortung geprägt ist. Es ist ein Weg für Pilger, denen es um mehr geht als um die Bewältigung eines Kalenders voller religiöser Aktivitäten. Diese Reise ist die Bewegung der katholischen Gemeinschaft durch die Zeit zum Wohle der Menschen, denen sie auf ihrem Weg begegnet. Durch sie öffnen sich die Arme der christlichen Gemeinschaft. Durch sie erfolgt ein Zusammenschluss mit denjenigen in der Welt, deren eigene Spiritualität – die buddhistische, die jüdische, die muslimische, die hinduistische – darauf abzielt, die Verfechter des Friedens und der Liebe, des Mutes und der Gerechtigkeit überall zu vereinen. Sie alle haben sich verpflichtet, überall auf dem Weg eine heilende Präsenz zu zeigen.

Auf dieser Reise des spirituellen Lebens geht es nicht darum, „spirituelle Dinge“ zu tun, also Dinge, die jedem, dessen Herz auch für die Welt offen ist, entweder persönlich fromm oder traditionell gut erscheinen. Es geht darum, ein spirituelles, ein geistliches Leben zu führen, ein Leben, das allen, die uns auf dem Weg brauchen, Güte und Unterstützung bringt.

Wenn Papst Franziskus vom „Synodalen Weg“ spricht, geht es darum, menschliche Gemeinschaft zu schaffen, anstatt sich in unseren religiösen Bunkern zu verschanzen und das Leben im Allgemeinen zu ignorieren. Er fordert die Authentizität der Kirche, das meint die Verantwortung der christlichen Gemeinschaft wie auch des einzelnen Christen, das Zeugnis der Kirche für die ganze Welt und alle ihre Völker ernst zu nehmen.

Wie das geschehen soll? Indem ich erkenne, dass die Stellung und die Macht des Christentums in der Welt von der Haltung des einzelnen Christen abhängen. Ich bin herausgefordert, mein Mitgefühl, mein Engagement für Gerechtigkeit, meine Authentizität und meine Verantwortung bereitwillig zu teilen: Das ist nichts anderes, als die Gegenwart der Liebe Gottes zu zeigen. So wie Jesus es tat. Es gibt einen gewaltigen Unterschied zwischen dieser Haltung und dem Gehorsam um seiner selbst willen. Die Worte, die Franziskus immer wieder verwendet, um seine Vision des Synodalen Weges zu beschreiben, sind eindeutig. Er ruft uns auf zur „Begegnung“, zum „Dialog“, zum „gemeinsamen Weg“, zur „Offenheit“ und „Gastfreundschaft“, zum „Brückenbau“ und zur „Zärtlichkeit“.