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Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Iris Winkler fuhr gut gelaunt über die Landstraße von St. Johann in Richtung Kreisstadt. Von dort aus wollte die hübsche Rechtsanwaltsgehilfin auf die Autobahn fahren, um nach Regensburg zu gelangen, wo eine Tante von ihr wohnte. Schon lange hatte Iris diesen Besuch versprochen, doch leider scheiterte es bisher immer an ihrer Arbeit, dieses Versprechen zu erfüllen. Erst jetzt hatte sie sich endlich einen Kurzurlaub nehmen können, der Anwalt, für den Iris arbeitete, mußte sich einer Knieoperation unterziehen, ein Eingriff, der nicht länger hinauszuschieben war. Also wurde die Kanzlei für ein paar Tage geschlossen, und Tante Ella konnte sich auf den Besuch der Nichte freuen. Aus dem Autoradio erklangen die neuesten Schlager, Iris summte die Melodien mit. Es war ein herrlicher sonniger Tag, und wenn sie ein Cabrio besessen hätte, dann würde sie ganz bestimmt offen fahren. Aber sie hatte nur einen alten, französischen Kleinwagen, der aber immerhin ein Sonnendach besaß, das sie, so weit es möglich war, geöffnet hatte. Durch einen Spalt im Seitenfenster konnte der Wind in das Wageninnere zirkulieren und für etwas Kühle sorgen. »Halt bloß durch«, sagte das junge Madl in Gedanken, und meinte damit das Auto, das sie selbst aus bereits dritter Hand gekauft hatte. Bisher war sie damit zufrieden gewesen. Für den Weg von St. Johann in die Kreisstadt und wieder zurück, reichte es ihr mit dem Wagen zu fahren. Aber in letzter Zeit schien das betagte Fahrzeug so seine Mucken zu bekommen. Immer häufiger mußte sie das Auto in die Werkstatt bringen, und wenn es auch nur kleine Reparaturen waren, so summierten sich die Beträge doch, und inzwischen hatte Iris schon ein kleines Vermögen bezahlt. Aber sie hing an dem Wagen, den sie von ihrem ersten Gehalt gekauft hatte, und wollte ihn nur ungern gegen ein neueres Auto eintauschen. Um ihn ein wenig zu schonen, hatte Iris Winkler sich vor ein paar Wochen ein möbliertes Zimmer in der Stadt gemietet. So brauchte sie nur an den Wochenenden heimfahren, und konnte das Auto stehen lassen, weil es von der Wohnung bis zur Arbeit nur ein paar Minuten Fußweg waren.
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Seitenzahl: 129
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Iris Winkler fuhr gut gelaunt über die Landstraße von St. Johann in Richtung Kreisstadt. Von dort aus wollte die hübsche Rechtsanwaltsgehilfin auf die Autobahn fahren, um nach Regensburg zu gelangen, wo eine Tante von ihr wohnte. Schon lange hatte Iris diesen Besuch versprochen, doch leider scheiterte es bisher immer an ihrer Arbeit, dieses Versprechen zu erfüllen. Erst jetzt hatte sie sich endlich einen Kurzurlaub nehmen können, der Anwalt, für den Iris arbeitete, mußte sich einer Knieoperation unterziehen, ein Eingriff, der nicht länger hinauszuschieben war. Also wurde die Kanzlei für ein paar Tage geschlossen, und Tante Ella konnte sich auf den Besuch der Nichte freuen.
Aus dem Autoradio erklangen die neuesten Schlager, Iris summte die Melodien mit. Es war ein herrlicher sonniger Tag, und wenn sie ein Cabrio besessen hätte, dann würde sie ganz bestimmt offen fahren. Aber sie hatte nur einen alten, französischen Kleinwagen, der aber immerhin ein Sonnendach besaß, das sie, so weit es möglich war, geöffnet hatte. Durch einen Spalt im Seitenfenster konnte der Wind in das Wageninnere zirkulieren und für etwas Kühle sorgen.
»Halt bloß durch«, sagte das junge Madl in Gedanken, und meinte damit das Auto, das sie selbst aus bereits dritter Hand gekauft hatte.
Bisher war sie damit zufrieden gewesen. Für den Weg von St. Johann in die Kreisstadt und wieder zurück, reichte es ihr mit dem Wagen zu fahren. Aber in letzter Zeit schien das betagte Fahrzeug so seine Mucken zu bekommen. Immer häufiger mußte sie das Auto in die Werkstatt bringen, und wenn es auch nur kleine Reparaturen waren, so summierten sich die Beträge doch, und inzwischen hatte Iris schon ein kleines Vermögen bezahlt.
Aber sie hing an dem Wagen, den sie von ihrem ersten Gehalt gekauft hatte, und wollte ihn nur ungern gegen ein neueres Auto eintauschen. Um ihn ein wenig zu schonen, hatte Iris Winkler sich vor ein paar Wochen ein möbliertes Zimmer in der Stadt gemietet. So brauchte sie nur an den Wochenenden heimfahren, und konnte das Auto stehen lassen, weil es von der Wohnung bis zur Arbeit nur ein paar Minuten Fußweg waren.
Für die Fahrt nach Regensburg hatte sie den Wagen extra in der Werkstatt durchsehen lassen, in der auch Öl und Wasser kontrolliert wurden. Alles sei in bester Ordnung, hatte der Meister versichert, und Iris hatte sich guten Mutes auf den Weg gemacht.
Das Dorf lag hinter ihr, bis zur Stadt würde sie noch eine Viertelstunde brauchen. Von dort aus war sie dann schnell auf der Autobahn. Die junge Frau trat das Gaspedal durch. Die Straße vor ihr war frei, und eine Geschwindigkeitsbegrenzung gab es auf dieser Strecke nicht.
Der Wagen zog an, doch nach ein paar hundert Metern wurde er plötzlich langsamer und blieb schließlich ganz stehen, der Motor erstarb mit einem kläglichen Tuckern.
»O nein!« entfuhr es Iris entsetzt. »Was ist denn das?«
Es war ihr gelungen, das Fahrzeug an den rechten Straßenrand zu lenken. Rasch schaltete sie die Warnblinkanlage ein und öffnete den Deckel des Motorraumes.
Das Warndreieck! fiel ihr ein, und sie nahm es aus dem Kofferraum. Nachdem Iris das Schild in entsprechender Entfernung aufgestellt hatte, blickte sie unter die Haube und stieß hörbar die Luft aus.
Das Gewirr aus Kabeln, Schläuchen und Drähten war in ihren Augen ein einziges Durcheinander, und die Rechtsanwaltsgehilfin hätte beim besten Willen nicht sagen können, wo was hingehörte.
Am Benzin konnte es nicht liegen, daß der Wagen streikte, selbstverständlich hatte sie vollgetankt, bevor sie sich auf den Weg machte.
Vorsichtshalber schaute Iris nach dem Ölstand. Allerdings war das eine überflüssige Maßnahme. Der Meister hatte versichert, daß das Motoröl aufgefüllt worden war, und die Kontrollleuchte hatte nicht aufgeblinkt, bevor der Wagen stehengeblieben war.
Aber woran lag es dann, daß das Auto nicht mehr fahren wollte?
Irsi Winkler schaute sich ratlos um. Es herrschte wenig Verkehr auf der Straße, sie erinnerte sich, daß der letzte Wagen ihr vor gut zehn Minuten begegnet war. Sie konnte also kaum darauf hoffen, daß sie schnell Hilfe bekam.
Vielleicht hätt’ ich mir doch längst schon ein Handy anschaffen sollen, dachte sie. In solchen Situationen wäre ein Mobiltelefon schon hilfreich.
Indes, sie besaß keines, und so wie es aussah, würde es eine ganze Weile dauern, bis Hilfe kam. Solange blieb ihr nichts anderes übrig, als untätig herumzustehen und abzuwarten.
*
Martin fuhr langsam an den rechten Straßenrand, als das Handy klingelte. Zwar gab es in der dunklen Limousine eine Freisprecheinrichtung, doch der junge Mann telefonierte nicht so gerne, während er fuhr.
»Von Ambach«, meldete er sich und vernahm gleich darauf die Stimme des Sekretärs seines Vaters.
»Ein Anruf der Firma Ostermann, Herr Graf«, sagte Clemens Höffner. »Der Herr Direktor bittet darum den Termin zu verschieben. Eine dringende Familienangelegenheit.«
Martin blickte auf die Uhr. Die Firma Ostermann hatte ihren Sitz in Garmisch Partenkirchen, der Termin wäre um fünfzehn Uhr gewesen.
»Na ja, da kann man wohl nichts machen«, sagte er. »Immerhin kommt die Absage ja noch rechtzeitig. Dann richten Sie doch meinem Vater aus, daß ich bis zum Mittag wieder zurück bin. Jetzt steht ja nur noch der Termin in Waldeck an. Der ist bis elf wohl erledigt.«
»Sehr wohl, Herr Graf«, antwortete der Sekretär. »Ich richte es Ihrem Herrn Vater aus.«
Martin von Ambach beendete das Gespräch und fuhr wieder an. Nach der Kurve sah er das Warndreieck und trat auf die Bremse. Ein paar Meter weiter stand eine junge Frau neben einem Auto. Sie sah sehr hilflos und verlassen aus.
Der junge Graf setzte seinen Wagen vor den anderen und stieg aus.
»Grüß Gott«, nickte er Iris zu. »Was hat er denn?«
Iris Winkler hatte schon nicht mehr geglaubt, daß noch Hilfe kommen würde. Als sie den Mann jetzt aussteigen sah, hielt sie unwillkürlich die Luft an.
Himmel, schaut der gut aus! schoß es ihr durch den Kopf.
»Tja, wenn ich das wüßt’«, antwortete sie auf die Frage und berichtete, daß ihr Auto plötzlich nicht mehr weiterfahren wollte. »Dabei hab’ ich ihn erst gestern aus der Werkstatt geholt.«
»Ich schau’ mal nach«, sagte der Helfer und beugte sich in den Motorraum.
Martin von Ambach entdeckte schnell, was dazu geführt hatte, daß der Motor streikte. Auch wenn die Leute in der Werkstatt das Auto durchgesehen hatten, den Luftfilter hatten sie nicht überprüft.
Iris hatte sich neben ihn gestellt. Es war ihr peinlich, als sie sah, wie dieser gutaussehende Mann mit seinen gepflegten Händen im Innern ihres Autos herumhantierte. Doch im selben Moment richtete er sich auf und lächelte sie an.
»Das ist schnell behoben«, sagte er mit einer sonoren Stimme, die ihr in die Glieder fuhr. »Ich vermute, daß Sie keinen neuen Luftfilter dabei haben?«
Iris schüttelte den Kopf.
»Macht nix«, fuhr der Mann fort. »Ich werde diesen hier ein wenig säubern, dann wird’s noch eine Weile geh’n. Aber Sie sollten ihn so bald, wie möglich auswechseln lassen.«
Ein paar Minuten später war der Filter wieder eingesetzt.
»Starten Sie mal«, sagte der Helfer zu ihr.
Iris setzte sich in das Auto und drehte den Zündschlüssel herum. Der Motor sprang sofort an.
»Ich weiß gar net, wie ich Ihnen danken soll, Herr...«, sagte sie erleichtert.
»Ambach«, stellte er sich vor. »Martin Ambach.«
»Iris Winkler«, erwiderte sie und reichte ihm die Hand. »Tausend Dank, Herr Ambach.«
»Schon gut«, lächelte er. »Es war ja keine große Sache. Wo soll’s denn hingehen?«
Iris erzählte von dem Kurzurlaub, den sie bei ihrer Tante verbringen wollte.
»Dann wünsch’ ich Ihnen eine gute Fahrt.«
»Dank’ schön«, nickte die junge Frau. »Und wenn S’ mal in Sankt Johann sind, würd’ ich mich freu’n, Sie auf eine Tasse Kaffee einzuladen.«
»Das Angebot nehm’ ich gern’ an«, antwortete der Graf.
Er wartete, bis sie losgefahren und nicht mehr zu sehen war. Dann stieg er in seinen eigenen Wagen.
Hübsches Madl, dachte er.
Das war auch sein erster Gedanke gewesen, als er ausstieg, um der jungen Frau zu helfen. Frauen kannte er viele, der junge Graf Ambach, aber wenn er ehrlich war, dann mußte er zugeben, daß bisher keine darunter gewesen war, die ihn so angesprochen hatte, wie Iris Winkler.
Immer noch saß er in seinem Auto, ohne anzufahren. Iris ging ihm einfach nicht aus dem Kopf. Immerzu sah er dieses hübsche Gesicht, von blonden Haaren umrahmt, und das Lächeln, das ihn ganz verzaubert hatte.
Iris, dachte er, Iris heißt sie.
Und im selben Moment wurde ihm bewußt, daß das alles war, was er von ihr wußte. Den Namen und daß sie wohl in St. Johann wohnte, weil sie den Ort erwähnt hatte, im Zusammenhang mit einer Einladung zum Kaffee.
Der werde ich gewiß nachkommen, ging es Martin durch den Kopf, während er endlich den Motor anließ und langsam anfuhr. So schwer konnte es schließlich nicht sein, jemanden in dem kleinen Dorf auszumachen.
In zwanzig Minuten war der Termin in Waldeck. Martin hoffte, daß der Gedanke an Iris Winkler ihn nicht ganz von dem abbrachte, was es mit dem Geschäftspartner zu verhandeln gab...
*
Es war eine wunderschöne Woche, die Iris bei ihrer Tante verbracht hatte, und sie bedauerte es sehr, daß die Zeit schon um war.
»Nächsten Monat, wenn dein Vater seinen Sechzigsten feiert, seh’n wir uns ja wieder«, tröstete Tante Ella die Nichte. »Es war jedenfalls schön, dich hiergehabt zu haben. Fahr’ vorischtig und grüß’ die Eltern.«
»Mach’ ich«, versprach Iris und drückte auf die Hupe, bevor sie losfuhr.
Es war ein sonniger Tag, und wieder hatte sie das Radio eingeschaltet und summte die Melodien mit.
So sehr es auch andauerte, schon wieder heimfahren zu müssen, so sehr freute sie sich darauf, die Eltern wiederzusehen. Außerdem war heute Samstag, und sie würde zum Tanzen in den Löwen gehen.
Tante Ella hatte ein großes Vesperpaket hergerichtet und ins Auto gelegt. Iris machte unterwegs eine lange Pause und ließ sich schmecken, was sie in der Tasche fand. Und während sie die Beine aus der Fahrertür baumeln ließ und herzhaft in ein belegtes Brot biß, dachte sie an den Mann, der schon eine ganze Woche über ihre Gedanken beherrscht hatte – Martin Ambach!
Allein der Name löste ein Kribbeln in ihr aus, das ihr durch den ganzen Körper fuhr. Nie zuvor in ihrem jungen Leben hatte Iris sich so in einen Mann verliebt. Liebe auf den ersten Blick, nannte man das wohl.
Ob sie ihn wiedersehen würde?
Vielleicht hatte er ihre Einladung zu einem Kaffee ja als Scherz aufgefaßt...
Die junge Frau seufzte unwillkürlich auf.
Warum nur war immer alles so kompliziert? fragte sie sich. Dabei könnte das Leben doch so schön sein!
Nur flüchtig dachte Iris an Wolfgang Hochleitner. Das, was sie einmal verbunden hatte, war zerstört. Zwei Jahre waren sie und der Bauernsohn ein Paar gewesen, und nicht wenige hatten schon die Hochzeitsglocken läuten hören. Doch mit der Zeit wurden die Gemeinsamkeiten immer weniger. Wolfgang wollte, daß sie auf dem Hof mitarbeitete, wenn sie erst einmal verheiratet waren. Iris hingegen bestand darauf, in ihrem Beruf als Rechtsanwaltsgehilfin zu arbeiten und argwöhnte, daß Wolfgang, der mit dem Tag seiner Hochzeit den Hof vom Vater übernehmen sollte, die Kosten für eine Magd sparen wollte und statt dessen ihr diese Aufgabe zugedacht hatte.
Ein paarmal hatten sie versucht, den Streit darüber zu schlichten, doch am Ende hatten sie sich getrennt. Hin und wieder begegneten sie sich auf dem Tanzabend, aber viel zu sagen hatten sie sich nicht mehr, und der Bauernsohn schien sich derweil schon mit einer anderen getröstet zu haben.
Iris hatte nur ein Schulterzucken übrig, wenn sie die beiden sah und stürzte sich in ihre Arbeit. Die Entscheidung, ein möbliertes Zimmer in der Stadt zu nehmen, hatte wohl nicht nur etwas mit ihrem Auto zu tun. Es war auch so etwas, wie ein Abschied von ihrem bisherigen Leben und ein Schritt in die Unabhängigkeit.
All diese Dinge gingen ihr durch den Kopf, während sie sich auf der Heimfahrt von Regensburg nach St. Johann befand, und noch ehe sie es richtig begriff, passierte Iris die Stelle, an der auf der Hinfahrt ihr Auto gestreikt hatte.
Unwillkürlich trat sie auf das Bremspedal und hielt an. Versonnen blieb sie sitzen und rief sich die Szene in Erinnerung, wie Martin Ambach den Kopf unter die Motorhaube steckte und den Luftfilter ausbaute.
Der war inzwischen längst erneuert worden. Gleich nach ihrer Ankunft in Regensburg hatte sie den Wagen in die Werkstatt gebracht, so wie Martin es ihr geraten hatte.
Iris schloß für einen Moment die Augen und stellte sich vor, er würde jetzt, in diesem Moment, hinter ihr anhalten und aus seiner Limousine steigen. Dann käme er zu ihr, nähme ihre Hand und würde sie an sich ziehen.
Ein wohliger Schauer lief Iris über den Rücken, als sie sich vorstellte, wie Martin sie in seine Arme nahm, und seinen Mund auf ihren preßte.
In diesem Moment klopfte es an die Seitenscheibe. Verwirrt riß Iris die Augen auf und sah in das fragende Gesicht Max Trenkers.
»Alles in Ordnung?« fragte der junge Polizist.
Iris hatte die Seitenscheibe heruntergekurbelt. Sie nickte.
»Grüß dich, Max«, sagte sie. »Ja, es ist alles in Ordnung, ich mußte nur mal kurz anhalten...«
Der Bruder des Bergpfarrers schaute in das verzückte Gesicht des Madls und schmunzelte.
»Das schaut mir ja ganz so aus, als wenn du dich verliebt hast, Iris«, meinte er.
»Da könntest’ recht haben«, lachte sie zurück. »So, jetzt muß ich aber. Bestimmt warten die Eltern schon. Also, pfüat di’, Max.«
»Servus, Iris«, nickte der Beamte ihr zu. »Vielleicht seh’n wir uns heut’ abend im Löwen.«
»Bestimmt sogar«, winkte sie ihm zu und gab Gas.
Ach, was für ein herrliches Gefühl, verliebt zu sein!
*
Martin, Graf Ambach, lockerte unmerklich den Kragen seines Hemdes, während er sich in dem Saal des Nobelhotels umsah.
Daß er sich in dieser illustren Gesellschaft wohl gefühlt hätte, konnte er nun wirklich nicht behaupten. Viel eher war es eine gesellschaftliche Verpflichtung, die er auf sich nahm, indem er der Einladung zu diesem Empfang nachkam.
»Würden Sie mir noch etwas Wein nachschenken, Graf?« hörte er die Stimme seiner Tischdame.
Rasch wandte er sich um.
»Entschuldigen Sie meine Unaufmerksamkeit, Komteß«, bat er und nahm die Karraffe aus kostbarem Glas, in der der rote Wein, im Licht der vielen Kerzen, verlockend schimmerte.
Michaela von Homberg sah ihn schmunzelnd an.
»Mir scheint, Sie sind mit Ihren Gedanken ganz woanders, nur nicht bei diesem Empfang«, meinte sie, mit einem leichten Tadel in der Stimme.
Die junge Komteß war nicht nur die jüngste Dame, die hier im Saal saß, sondern mit Abstand auch die hübscheste. Martin wußte sehr genau, warum man sie zusammen plaziert hatte. Wahrscheinlich steckte sein Vater dahinter, der an einem der anderen Tische saß. Martin wußte, daß sein alter Herr es gerne sehen würde, wenn die Häuser Ambach und Homberg sich verwandschaftlich einander näherten, wie er es einmal ausgedrückt hatte.
Daß die junge Komteß mit ihrer Vermutung recht hatte, ahnte sie indes nicht, und der Graf sah keinen Anlaß, sie darin zu bestätigen.
Wie hätte er ihr, einer ihm eher gleichgültigen Person, denn auch erzählen können, daß seine Gedanken bei der Frau waren, von der er nur den Namen kannte und wußte, daß sie aus St. Johann stammte?
Eigentlich müßte Iris an diesem Sonnabend von ihrem Kurzurlaub zurückgekehrt sein, überlegte er. Ob sie wohl noch ab und zu an ihren Retter aus der Not dachte?
Seit damals, als er nach Garmisch Patenkrichen zu seiner geschäftlichen Besprechung weitergefahren war, war ihm das hübsche Madl nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Martin dachte ununterbrochen an Iris Winkler, und je mehr Zeit vergangen war, um so größer war die Sehnsucht geworden.
Er mußte sie wiedersehen, das stand jedenfalls für ihn fest!