9,99 €
In diesem Augenblick verlor ich mich selbst. In diesem Augenblick fand er mich
Als Starlet Evans ihren Freund ausgerechnet an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag beim Fremdgehen erwischt, bricht für sie eine Welt zusammen. Sie will nur vergessen und flieht auf eine Collegeparty und in die Arme eines geheimnisvollen Fremden, der sie mit seinen tiefgrünen traurigen Augen sofort in seinen Bann zieht. Starlet beschließt, für diese eine Nacht jegliche Vernunft hinter sich zu lassen, ohne Namen und Verpflichtungen - bis sie sich im Klassenzimmer wiederbegegnen. Denn Starlet ist Milos neue Nachhilfelehrerin!
»Durch Brittainy C. Cherry habe ich die Liebe zum Lesen entdeckt und gleichzeitig meine Lieblingsautorin gefunden. Ihre Worte sind Seite für Seite, Satz für Satz etwas ganz Besonderes und gehen tief unter die Haut.« CELINESBUCHBLOG
Band 2 der neuen Reihe von SPIEGEL-Bestseller-Autorin Brittainy C. Cherry
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 520
Titel
Zu diesem Buch
Widmung
Leser:innenhinweis
Prolog
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
32
33
34
35
36
37
38
39
40
41
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Die Romane von Brittainy C. Cherry bei LYX
Impressum
Brittainy C. Cherry
Wenn der Frost dein Herz berührt
Roman
Ins Deutsche übertragen von Katia Liebig
Starlet Evans ist eine Perfektionistin, die genau weiß, was sie vom Leben will. Doch als sie ihren Freund ausgerechnet an ihrem einundzwanzigsten Geburtstag beim Fremdgehen erwischt, bricht für sie eine Welt zusammen. Am Boden zerstört (statt verlobt) flieht sie auf eine Collegeparty und in die Arme eines geheimnisvollen Fremden, der sie mit seinen tiefgrünen traurigen Augen sofort in seinen Bann zieht und unvergleichliche Gefühle in ihr auslöst. Starlet beschließt, für diese eine Nacht jegliche Vernunft hinter sich zu lassen. Ohne Namen und Verpflichtungen trennen sich am nächsten Tag ihre Wege – bis sie sich im Klassenzimmer wiederbegegnen. Denn Starlet ist Milos neue Nachhilfelehrerin und seine einzige Chance, den lang ersehnten letzten Brief seiner verstorbenen Mutter von seinem Onkel zu bekommen – denn dafür muss er seinen Abschluss schaffen! Auch wenn Starlet augenblicklich weiß, dass sie sich von Milo fernhalten sollte, bringt sie es nicht übers Herz, ihn im Stich zu lassen. Doch die Erinnerungen an ihre gemeinsame Nacht lassen sie ebenso wenig los wie die Anziehungskraft zueinander. Und dann bringt ein Kuss erneut alles ins Wanken …
Für alle, die vom Weg abkamen und kämpfen mussten, um wieder nach Hause zu finden.
Dieses Buch ist für euch.
Anmerkung der Autorin
Ich habe diese Geschichte mit größter Liebe und Achtsamkeit geschrieben. Sie ehrt den Prozess, den ein Mensch durchlebt, wenn er oder sie um den Verlust eines geliebten Menschen trauert. Ich wollte eine unverfälschte, ehrliche Geschichte erzählen, um zu zeigen, dass alle, die diesen Weg gehen, ihn ganz individuell und einzigartig erleben.
Aus diesem Grund mag diese Geschichte manchen Leser:innen sehr nah gehen. Ihr findet daher hier eine Triggerwarnung.
Achtung: Diese enthält Spoiler für das gesamte Buch!
Elf Monate zuvor
Mein Leben.
Das erste Jahr ist das schlimmste.
Ich kann mich noch erinnern, wie es war, als ich meine Mutter verlor. Ich erinnere mich an das Gefühl, als würde die Welt sich nur noch in Zeitlupe und zugleich rasend schnell und vollkommen außer Kontrolle um sich selbst drehen.
Selbst die kleinsten Kleinigkeiten berührten mich zutiefst. Die glücklichsten Ereignisse waren entsetzlich deprimierend, weil mir dann jedes Mal bewusst wurde, dass sie nicht da war, um diesen großen Moment gemeinsam mit mir zu feiern. Noch schlimmer war, dass sie bei den kleinen Momenten fehlte, denn manchmal waren mir die kleinen Momente viel wichtiger als die großen.
Es tut mir so leid, dass ich in diesen Momenten nicht da sein werde. Den großen. Den kleinen. Denen dazwischen. Es tut mir leid, dass ich nicht da sein werde, um dir zu geben, was du brauchst, wenn das Leben schwierig wird.
Es tut mir leid, dass der Abschied schneller kam, als wir gehofft hatten.
Doch ich möchte dir etwas geben. Ein Geschenk. MeineRezeptsammlung. Du weißt, wie viel sie mir bedeutet, und ich möchte sie an dich weitergeben. In ihr sind HunderteLieblingsgerichte, die ich im Laufe deines Lebens für dich zubereitet habe. Wann immer dir danach ist, etwas zu kochen, sollen sie dir zur Verfügung stehen. Vielleicht hilft es dir, mich zu spüren, wenn du dich verloren fühlst. Ich hoffe, du schmeckst meine Liebe in jedem einzelnen Bissen.
Ich werde dich immer lieben. Und dann noch ein wenig länger.
Du findest mich im Sonnenaufgang. Ich werde immer da sein und darauf warten, dich mit meinem Licht zu erfüllen.
Con amore
Mama
Januar
Gegenwart
An meinem vierzehnten Geburtstag erstellte ich einen detaillierten Lebensplan. Ich wusste genau, was ich wollte, und auch, wie ich es bekommen würde. Schritt eins lautete, einen Collegeabschluss in Pädagogik zu machen, so wie meine Mutter. Schritt zwei, mich bis dahin mit meinem Freund John verlobt zu haben. Schritt drei, mir einen fantastischen Job als Lehrerin zu suchen. Und Kinder mit dreiundzwanzig klang schon immer perfekt.
Ich wusste also genau, wie mein Leben aussehen sollte, und zu Beginn des zweiten Semesters meines vorletzten Jahrs auf dem College war ich fest davon überzeugt, mich auf dem besten Weg zur Erfüllung meiner Träume zu befinden.
Ich war stolz darauf, ein besonnener, vernunftgeleiteter Mensch zu sein. Wenn ich mich mit einem Wort hätte beschreiben müssen, dann hätte ich »Perfektionistin« gesagt. Ich tat einfach immer das Richtige, weil ich eine irrationale Angst davor hatte, zu versagen, und ich war fest entschlossen, immer brav hinter den schützenden Mauern meiner sicheren kleinen Welt zu bleiben, in der ich jede Ecke und jeden Winkel kannte. Es fiel mir also nicht schwer, dem richtigen Weg zu folgen, denn ich liebte die Sicherheit, die er mir gab.
An diesem Nachtmittag stand ich vor dem Ankleidespiegel in meinem Wohnheimzimmer, das ich mir mit meiner besten Freundin Whitney teilte, und strich mit den Händen über mein weißes A-Linien-Kleid. Neben dem Spiegel hing mein Vision-Board mit all den Dingen, die ich noch erreichen wollte. Viele Leute überarbeiteten ihr Vision-Board etwa einmal im Jahr, ich aber hatte das Glück, dass ich seit meiner Jugend noch immer exakt dieselben Ziele verfolgte. Ich wusste genau, wer ich war, und daher auch, was ich sein würde, und der heutige Nachmittag würde mich meinem Glück wieder einen Schritt näher bringen.
Heute feierte ich meinen einundzwanzigsten Geburtstag, und am Abend würde mir mein Freund John einen Heiratsantrag machen.
John war nicht besonders gut darin, andere Menschen zu überraschen. Als er mir sagte, ich solle mir die Nägel machen lassen und ein weißes Kleid anziehen, war mir sofort klar gewesen, worauf das hinauslaufen würde. Und als ich vor ein paar Tagen bei ihm im Wohnheim gewesen war, um dort für unsere Physikklausur zu lernen, hatte ich in der oberen Schreibtischschublade nach einem Stift gesucht und die Ringschachtel entdeckt.
Das Timing hätte nicht besser sein können, wenn man bedachte, dass ich mindestens ein Jahr verlobt sein wollte, bevor ich heiratete. Wenn alles nach Plan lief, würden wir mit dreiundzwanzig unser erstes Kind bekommen und wären damit nur ein Jahr älter als meine Eltern, als sie mich bekamen.
Zu behaupten, die Liebe meiner Eltern zueinander sei für mich eine Inspiration, wäre untertrieben. Obwohl meine Mutter vor ein paar Jahren gestorben war, sprach mein Vater noch immer von ihr, als wäre sie das größte Geschenk gewesen, das die Welt jemals erhalten hatte. Und er hatte recht. Meine Mutter war eine wahre Heilige.
Und ich war auf jede nur erdenkliche Art und Weise die Tochter meiner Mutter. Jede Entscheidung, die ich seit ihrem Tod getroffen hatte, war in der Überlegung getroffen worden, was sie wohl davon halten würde. Meine Noten waren immer erstklassig, weil ich wusste, dass sie stolz auf mich gewesen wäre. Ich fluchte nie, weil auch sie nie geflucht hatte. Ich hatte mich für eine Karriere als Lehrerin entschieden, weil sie eine der besten Lehrerinnen gewesen war, die ich kannte. Ich trug Lippenstift und High Heels, weil das auch ihre Markenzeichen gewesen waren. Und natürlich trug ich auch ihren Schmuck. Jeden Tag lag ein Stück von ihr auf meiner Haut.
Meine Mutter war eine wunderschöne Italienerin, mit olivbrauner Haut und dunkelblondem Haar – das exakte Gegenteil von meinem. Mein Vater war ein wunderschöner Schwarzer Mann mit dunkelbrauner Haut und den sanftmütigsten Augen, die die Menschheit je gesehen hat. Ich selbst hatte schwarzes Haar wie mein Dad – als er noch welches gehabt hatte – und die dunkelbraunen Augen meiner Mutter. Dad sagte immer, meine Haut hätte den goldenen Ton sonnengeküsster Haut, die perfekte Mischung ihrer Gene. Meine Haare jedoch waren in ihrem natürlichen Zustand eine ziemlich aufwändige Angelegenheit. Die Locken jeden Tag aufs Neue zu bändigen, war eine Herausforderung, der sich weder meine Mutter noch mein Vater mit ihren Haaren je hatten stellen müssen. Doch Mom war eine Meisterin darin gewesen, meine Haare zu pflegen, und hatte mir all ihre Tricks verraten.
Wenn ich sie besonders vermisste, dann glättete ich mein Haar, sodass sie mich im Spiegel anblickte. Ich glättete mein Haar sehr häufig. Sie hätte deswegen vermutlich mit mir geschimpft, denn sie mochte mein Haar am liebsten lockig, doch ich wollte immer nur sein wie sie.
Ich sah sie in meinen Augen, während ich mich zurechtmachte, um John zu treffen. Der Gedanke an das, was an diesem Abend vielleicht geschehen würde, ließ einen Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch aufflattern. Ich wünschte, du wärst hier, Mom.
Ich wünschte mir, ich hätte sie nach Johns Antrag anrufen können, um gemeinsam mit ihr meine Hochzeit zu planen. Sie in den großen Momenten nicht bei mir zu haben, war so gemein.
Meine Mom hätte John geliebt. Er war mir in vielen Dingen sehr ähnlich – strukturiert, ausgeglichen und zuverlässig. Er wusste, was er vom Leben wollte und wohin sein Lebensplan ihn führen würde.
Wir wollten uns erst in einer Stunde bei ihm treffen und gemeinsam essen gehen, doch meine Aufregung führte dazu, dass ich schon eine Stunde früher vor seinem Zimmer stand. Wann er mir wohl den Antrag machen würde? Vor dem Essen oder danach? Würde er mich fragen, nachdem ich meinen allerersten Schluck Alkohol – ein Glas Prosecco, Moms Lieblingsgetränk – probiert hatte? Oder würde er warten und es erst auf dem Rückweg vom Restaurant tun, auf den Stufen vor Rander Hall, wo wir uns zum ersten Mal in unserem ersten Jahr auf dem College im Geschichtskurs begegnet waren?
Die verschiedenen Möglichkeiten machten den Gedanken an den bevorstehenden Heiratsantrag noch viel aufregender. Ich wusste, dass er kommen würde, aber nicht, wann.
Aus Johns Zimmer drang laute Musik. Sie musste von Kevin kommen, Johns Mitbewohner. John stand nicht so auf Rap, obwohl ich ihm erklärt hatte, dass einige der besten Songwriter aus der Rapmusik kamen – ein Charakterzug, den ich von meinem Vater geerbt hatte.
Ich drehte den Türknauf, trat ein, wie ich es immer tat, da die Jungs ihre Tür nie abschlossen – und erstarrte. John lag nackt auf seinem Bett, mit einem Mädchen zwischen den Beinen, das ihm gerade einen Blowjob verpasste.
Seine blauen Augen weiteten sich, als er mich sah, während meine Brust sich aus Mangel an Atemluft zusammenzog. Panik stieg in mir auf, während ich auf meinen Freund und das Mädchen starrte, das vor ihm kniete.
»Scheiße!«, rief John und stieß das Mädchen von seinem Unterleib zurück.
»Tut mir leid«, stammelte ich benommen, stürzte aus dem Zimmer und zog die Tür hinter mir zu. Hatte ich mich gerade dafür entschuldigt, dass ich meinen Freund mit einer anderen Frau erwischt hatte? Tränen brannten in meinen Augen, und ich schüttelte fassungslos den Kopf. Mit hastigen Schritten lief ich den Korridor hinunter, denn ich spürte, dass ich jeden Augenblick die Fassung verlieren würde.
»Starlet! Starlet, warte!«, rief jemand hinter mir.
Ich warf einen Blick über die Schulter und sah John hastig in das linke Hosenbein seiner Jogginghose hüpfen und – noch immer mit nacktem Oberkörper – hinter mir herlaufen.
Mir quollen fast die Augen aus dem Kopf, und die anderen Jungs im Korridor sahen uns mit großen Augen an.
»Es ist nicht das, wonach es aussah!«, rief John, was eine Welle der Wut in mir aufsteigen ließ. Doch ich zeigte es nicht. Das Letzte, was ich jetzt brauchte, war eine Szene vor ein paar Fremden hier auf dem Korridor, damit alle erfuhren, dass ich gerade meinen Freund dabei überrascht hatte, wie er sich von einer anderen Frau einen blasen ließ. Jeder Mensch hat seine eigenen Ängste im Leben, und auf meiner Liste stand öffentliche Demütigung ganz oben. Unter keinen Umständen wollte ich vor irgendwelchen Fremden anfangen zu heulen.
Also erhöhte ich mein Tempo und lief zum Aufzug. Wieder und wieder drückte ich auf den Rufknopf, als könnte ich das Ding damit herbeizaubern – was leider nicht funktionierte. Als John mich erreichte, war er ziemlich außer Atem, wobei man dazusagen musste, dass er eben im Bett mit der anderen auch schon ziemlich schwer geatmet hatte. Die andere. Wer war sie? Spielte das überhaupt eine Rolle?
Nein.
Tat es nicht.
Es spielte keine Rolle, mit wem dieser Betrüger mich betrogen hatte – alles, was zählte, war, dass er mich betrogen hatte.
Die Fahrstuhltüren öffneten sich, und ich sprang hinein. John folgte mir.
»Lass mich in Ruhe!«, fuhr ich ihn an und drückte auf den Knopf für das Erdgeschoss.
»Starlet, es war nicht das, wonach es aussah«, wiederholte er drängend. Überrascht riss ich die Augen auf. Er kniff sich in den Nasenrücken und seufzte. »Okay. Es war das, wonach es aussah. Aber du verstehst das nicht. Sie und ich, wir haben zuerst einfach nur für die Matheprüfung gelernt, und …«
»Lass mich raten, eins plus eins ist gleich dein Penis in ihrem Mund?«, unterbrach ich ihn. »Ich wette, du stehst auf solche Gleichungen.« Die Tränen, die sich in meinen Augen gesammelt hatten, liefen nun doch meine Wangen hinunter, als er mich schuldbewusst ansah. Fühlte er sich schlecht, weil es überhaupt passiert war oder weil er aufgeflogen war?
»Es tut mir leid, Star«, flüsterte er, und seine Augen füllten sich ebenfalls mit Tränen.
Was für ein Mistkerl! Welcher Idiot fängt denn an zu heulen, nachdem er selbst dabei erwischt worden war, wie er seine Freundin betrog? Und das auch noch an meinem Geburtstag! Ich hätte das Gleiche, das sie mit ihm gemacht hatte, später auch gemacht – und vermutlich sogar besser! Wie gesagt, ich war Perfektionistin.
»Wie konntest du nur?«, heulte ich und fühlte mich furchtbar, weil ich jetzt auch noch vor seinen Augen die Fassung verlor. »Heute ist mein Geburtstag, und du wolltest mir einen Heiratsantrag machen!«
John verengte die Augen. »Du hast gewusst, dass ich dir heute Abend einen Antrag machen wollte?«
»Natürlich.« Ich hielt meine Finger mit den frisch rot lackierten Nägeln hoch. »Ich habe mir die Nägel lackiert!«
Er kratzte sich am Hinterkopf. »Ich hatte immer noch vor, dich heute Abend zu fragen, ob du mich heiraten willst. Auf dem Papier sind wir beide das perfekte Paar, Starlet. Meine Eltern mögen dich. Sie denken, dass du gut für mich bist, anders als Meredith. Sie ist wild und witzig, während du … einfach du bist.«
»Was soll das denn heißen?«, fragte ich verletzt. Er klang, als würde er mich verspotten.
»Du weißt schon. Ein bisschen langweilig und vorhersehbar. Aber auf eine gute Art!«, erklärte er. »Ich mag es, dass ich immer weiß, wie du reagieren wirst. Du bist immer gleich. Und das ist gut so. Du bist wie Cheerios – ein bisschen langweilig, aber gut fürs Herz. Meredith ist eher wie ein Zuckerschock, der einem am Ende Diabetes oder so was einbringt. Ich meine, es ist gut – es ist so gut –, aber … nicht gesund. Und du bist Cheerios. Ich mag Cheerios. Meine Eltern mögen sie etwas lieber, aber ich denke, mit der Zeit werde ich auch noch ein größerer Fan davon werden. Vermutlich werde ich dich irgendwann ab Mitte dreißig auch so sehr mögen.«
Verglich er gerade ernsthaft Frauen mit Frühstückszerealien? Meine beste Freundin Whitney würde sich nicht mehr einkriegen, wenn ich ihr davon erzählte.
Meine Tränen liefen weiter, und auch mein Herz brach immer weiter. Ich wünschte mir, ich könnte meine Emotionen einfach abstellen. John hatte sie nicht verdient, aber sie zeigten sich ihm ganz offen. Ich wette, sein dämliches Ego genoss es zu sehen, welche Macht er über mich hatte. Whitney hatte mir mal erzählt, dass es manche Männer richtig erregte, wenn sie sahen, dass sie die Gefühle einer Frau verletzt hatten. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, John zu diesen Typen zu zählen, aber jetzt war ich mir nicht mehr sicher, was für ein Typ er überhaupt war.
»Wer ist Meredith?«, fragte ich.
»Oh, die, die mir gerade …« Er verstummte. Zuckte die Schultern. »Falls du dich dann besser fühlst, ich würde niemals mit ihr ausgehen oder so. Sie ist eine Schlampe und hüpft mehr oder weniger durch alle Betten.«
Mit offenem Mund schlug ich wiederholt mit meiner Handtasche auf ihn ein, wobei ich keine Ahnung hatte, ob ich es um Merediths oder meiner selbst willen tat – jedenfalls malträtierte ich seinen Arm.
»Du bist einfach abscheulich!«, schrie ich angewidert. Noch während ich schrie und auf ihn einschlug, öffneten sich die Aufzugtüren. »Du bist Abschaum, John, einfach nur Abschaum! Ich will dich nie wieder sehen!«, schrie ich.
Als ich mich umdrehte, standen zahlreiche Leute in der Lobby und verfolgten meinen Ausraster interessiert.
Öffentliche Demütigung.
Super.
Einfach großartig.
Happy Birthday, Starlet.
Ich hatte immer noch vor, dich heute Abend zu fragen, ob du mich heiraten möchtest.
John hatte das gesagt, als wäre es ein Kompliment, über das ich mich hätte freuen sollen. Wenn ich eine Zeitmaschine gehabt hätte, hätte ich die ›alte‹ Starlet davor bewahrt, ohne Vorwarnung bei ihrem Freund reinzuplatzen.
John an meinem Geburtstag dabei zu erwischen, wie er mich mit einer anderen Frau betrog, hatte nicht unbedingt zu meinen guten Vorsätzen für das neue Jahr gehört. Seine Geschenke waren zwar noch nie besonders toll gewesen, aber das hier war wohl das schlimmste Geschenk aller Zeiten.
Wenn Sarah McLachlan in Dauerschleife und voller Lautstärke »Angel« in deinem Wohnheimzimmer sang und du Bridget Jones schon bereitliegen hattest, um dir den Film später anzusehen – gefolgt von Er steht einfach nicht auf dich –, bestand kein Zweifel mehr: Es hatte dich voll erwischt.
Er steht einfach nicht auf mich!
Da hockte ich also in meinem Zimmer, am Boden zerstört und nicht verlobt. Ich war Single wie ein Pringle ganz unten in der Dose.
Allein.
Einsam.
Erbärmlich.
Happy Birthday, Starlet Evans.
Wenn Schwimmen in den eigenen Emotionen eine olympische Sportart wäre, dann wäre ich Michael Phelps.
»Du meine Güte. Wo ist das arme, hungernde Hundebaby, das um eine Spende bittet?«, fragte Whitney, als sie in unser Zimmer kam.
Und hier saß ich, in meiner ganzen Pracht, verzweifelt auf meinem Bett, mit schwarzen Mascara-Striemen auf den Wangen, das weiße Kleid voller Make-up-Flecken, weil ich es als Taschentuch benutzt hatte.
»Hier«, schluchzte ich. »Ich bin das arme, hungernde Hundebaby, das dringend um eine Spende bittet.«
Meine beste Freundin lief zu mir und zog mich fest in ihre Arme. »Nein, nein, nein. Das werde ich nicht zulassen. Du darfst an deinem Geburtstag nicht traurig sein. Das widerspricht allen Regeln des Lebens. Was ist passiert?«
»John hat sich von einer anderen einen blasen lassen, als ich in sein Zimmer gekommen bin!«
Sie sah mich aus schmalen Augen an. »Ernsthaft?«
»Ja. Warum sollte ich lügen?«
»Nein, du hast recht. Ich bin bloß ein wenig schockiert – immerhin reden wir hier von John.«
»Ich weiß«, schluchzte ich und nickte zustimmend. »Weil er immer so loyal ist.«
»Nein, ich meinte, weil er so hässlich ist. Wie hat er eine Frau gefunden, die bereit war, ihm einen zu blasen?«
»Was?«, keuchte ich. »Er ist nicht hässlich.«
»Ach, komm schon, Starlet. Er ist mindestens mittelhässlich, das lässt sich kaum leugnen. Und du kannst ihn nicht auch noch verteidigen, nachdem er dir so was angetan hat. An deinem Geburtstag!«
»An meinem Geburtstag!«, heulte ich und warf die Hände in die Luft. »Er ist mittelhässlich!«
»So was von mittelhässlich.«
»Was ist mittelhässlich?« Ich schluchzte theatralisch.
Whitney kicherte über meine Theatralik. Sie wohnte jetzt seit drei Semestern mit mir zusammen und ließ sich von meinen theatralischen Auswüchsen nicht mehr sonderlich beeindrucken.
»Jemand, der nicht total hässlich ist, sondern eben mittelhässlich.«
Ich schnaubte. »John ist so was von mittelhässlich.«
»Und du bist absolut heiß. Und damit meine ich heiß-heiß. Vielleicht nicht gerade jetzt, mit dem ganzen Exorzisten-Make-up-Look, aber Baby, du bist der Burner. Was du mit John gemacht hast, war die reinste Wohltätigkeitsveranstaltung, Sweetie. Aber das Problem ist, wenn eine heiße Braut sich auf einen mittelhässlichen Typen einlässt, dann denkt der Typ irgendwann, er wär selbst echt heiß, bloß weil er eine heiße Braut abgekriegt hat, verstehst du?«
»Du solltest ein Seminar über das Thema anbieten.«
»Auf jeden Fall würde ich so Millionen von Frauen vor einem gebrochenen Herzen bewahren. Das Schlimmste, was dir passieren kann, ist, sich von einem mittelhässlichen Typen das Herz brechen zu lassen. Wahrscheinlich musstest du dich am Anfang erstmal selbst überreden, mit ihm auszugehen, und ich wette, du schämst dich jetzt, weil von allen Penissen dieser Welt ausgerechnet der dir wehgetan hat. Er hatte kein Recht, dir wehzutun.«
»Weil ich heiß-heiß bin?«
»Ja. Alle Frauen sind heiß-heiß. Die meisten Männer sind mittelhässlich. Und bloß eingebildete Idioten, die mit heißen Bräuten ausgehen und sich deshalb für den heißesten Scheiß halten. Das ist echt alarmierend, und daran ist allein das Patriarchat schuld. Das Problem ist so alt wie die Menschheit. Weißt du, warum Napoleon so ein Arschloch war? Weil ihm wahrscheinlich irgendeine heiße Braut mal gesagt hat, er wäre gar nicht so klein, und BUMM! Der Rest ist Geschichte.«
Ich kicherte ein wenig, und Whitneys Augen leuchteten auf.
»Das will ich hören – Lachen«, sang sie. Dann sprang sie auf mein Bett, griff nach meinem Handy und schaltete Sarah McLachlan ab.
»Hey! Das ist ein großartiger Song!«, rief ich.
»Nein. Weißt du, was ein guter Song ist? Irgendwas von Lizzo. Oder ›Flowers‹ von Miley Cyrus.«
»Oder Sza?«
»Nein! Sza geht gerade überhaupt nicht. Es gibt auch eine Zeit für Sza, aber nicht, wenn man gerade mit seinem Freund Schluss gemacht hat.«
Sie hatte recht.
Whitney nahm ein Haargummi von meinem Nachttisch und band mir die Haare zu einem hohen Knoten zusammen. Dann wischte sie mir mit den Daumen die Tränen von den Wangen. Sie nahm mein Gesicht in beide Hände und sah mich mit ihren blauen Augen an. »Weißt du, was wir jetzt machen?«, sagte sie.
»Wir essen Ben & Jerrys und gucken uns alte Fotos von John und mir an?«
Sie bedachte mich mit einem Blick, der warnte: Sei still, oder ich zieh dir eins über den Schädel.
Ich seufzte. »Was machen wir dann?«
»Wir gehen auf eine Verbindungsparty.« Sie wackelte mit den Hüften und klatschte aufgeregt in die Hände. »Wir gehen auf eine Verbindungsparty und feiern deinen Geburtstag!«
»Ich gehe nicht auf Partys.«
Ich war das exakte Gegenteil eines Partygirls. Mein Studentenleben bestand aus Seminaren, Vorlesungen und Tutorials. Und danach hockte ich stundenlang in meinem Zimmer und lernte. Ich ließ mich von nichts und niemandem von meinen Zielen ablenken, erst recht nicht von Partys. Wer hatte schon Zeit für Kater, Dramen und stundenlanges Zurechtmachen, wenn man seine Ziele erreichen wollte?
Du meine Güte. John hatte recht. Ich war Cheerios!
Whitney legte ihre Hände auf meine Schultern und schüttelte mich. »Starlet.«
»Ja?«
»Wir gehen auf diese Party. Du wirst billigen, schlechten Alkohol trinken und mit Männern flirten, die nicht mittelhässlich sind. Und ich schwöre dir, wenn ich dich auch nur mit einem einzigen mittelhässlichen Typen erwische, bring ich dich um.«
»Und was, wenn der Typ echt heiß ist?«
»Dann werde ich meinen unsichtbaren Hut ziehen und dir die Erlaubnis erteilen, vorsichtig weiterzumachen. Auch heiße Typen sind Arschlöcher.«
»Erklär mir noch mal, wieso wir Männer überhaupt mögen?«
»Weil wir schon als Teenager darauf programmiert wurden, das andere Geschlecht anziehend zu finden, was dazu geführt hat, dass wir uns jahrelang selbst belogen haben, und all das bloß, weil die Gesellschaft uns ihre eigenen veralteten Normen aufdrängt, damit unsere Eltern und Großeltern nicht das Gefühl haben, ihr Leben für eine Lüge verschwendet zu haben, weshalb sie wiederum von uns erwarten, ihre Lügen weiterzuleben.«
Whitney hatte immer die längsten Antworten auf die simpelsten Fragen.
Ich zuckte mit den Schultern. »Und ich dachte, weil wir auf Penisse stehen.«
»Oh ja.« Sie nickte. »Wir mögen Penisse. Und jetzt geh duschen und zieh dich um. In ein paar Stunden gehen wir aus.«
Ich stand in der Küche eines dämmrig erleuchteten Verbindungshauses und fühlte mich komplett fehl am Platz. Meine Haare waren nach dem Duschen noch immer ein wenig feucht, und ich trug ein schwarzes Tanktop und enge schwarze Jeans. Die Jeans waren von Whitney, die behauptete, dass mein Po in ihnen einfach umwerfend aussah. Ich hatte noch nie so enge Jeans getragen, aber mein Po sah tatsächlich ziemlich prall aus, als ich ihn im Spiegel begutachtet hatte.
Leider hatte Whitney mir verboten, ein Buch mitzunehmen, denn ich hatte die Aufgabe, mich unters Volk zu mischen. Sie hatte mir sogar die Kopfhörer gemopst, damit ich nicht heimlich Hörbücher hörte. Ich hatte mich mit anderen Menschen zu unterhalten, statt wie sonst den Einsiedlerkrebs zu spielen. Nur, wie sollte ich das anstellen? Nervös rieb ich mir die Arme und blickte mich um.
Auf den Tischen und Arbeitsflächen der Küche stand eine bemerkenswerte Menge alkoholhaltiger Flaschen neben einigen Bierfässchen und zwei gigantischen Coolern, in denen sich sogenannter »Magic Punch« befand. Nie zuvor hatte ich so viel Alkohol an einem Ort gesehen. Die Musik war so laut, dass mir die Ohren klingelten, und überall standen Leute, die lachten und sich unterhielten. In den Ecken wurde geflirtet, und ich sah nicht wenige Pärchen, die offen miteinander rummachten.
Whitney trat zu mir und drückte mir einen roten Plastikbecher in die Hand. »Hier. Trink«, sagte sie. »Das ist Magic Punch.«
Ich schnüffelte und rümpfte die Nase. »Was genau ist Magic Punch?«
Sie zuckte mit den Schultern und trank einen großen Schluck aus ihrem Becher. »Das ist ja das Magische daran – niemand weiß, was drin ist. Aber nach dem zweiten Becher bist du angeblich auf dem Weg nach Hogwarts.«
»Zauberhaft.«
Sie hob ihren Becher. »Auf das Geburtstagskind. Möge es eine Nacht werden, wie sie sie noch nie erlebt hat – voller Spaß, Lachen und heiß-heißer Typen!«
»Hört, hört.« Ich stieß mit ihr an, trank einen kleinen Schluck – und spuckte ihn sofort wieder aus. »Du meine Güte, was ist das? Waschbenzin?«
»Sieh dich an. Dein erster Schluck Alkohol.« Whitney grinste breit und legte eine Hand auf ihr Herz. »Mein kleines Mädchen wird erwachsen.«
»Ja, sieh mich an. Ich lebe und gehe hier voll ab«, sagte ich total cool. »John hat sich geirrt, als er meinte, ich wär wie Cheerios.«
Whitney zog eine Augenbraue hoch. »Er hat gesagt, du bist Cheerios?«
»Ja.« Als ich daran zurückdachte, füllten sich meine Augen wieder mit Tränen. »Weil ich langweilig und vorhersehbar bin.«
»Oh mein Gott, was für ein Wichser. Scheiß auf John. Der Typ ist ein Lügner und hat dich nicht verdient.«
»Du hast recht«, sagte ich, lehnte mich gegen den klebrigen Küchentresen – und stieß mich sofort wieder ab. Ich freute mich jetzt schon auf eine heiße Dusche. »Und das hier ist der perfekte Moment, um zu beweisen, dass John sich irrt. Ich bin nicht langweilig. Ich bin witzig! Ich bin wild. Ich kann genauso sein wie Meredith.«
»Wer ist Meredith?«
»Die Frau, die ihm den Blowjob verpasst hat.«
»Oh. Scheiß auf sie!«, sagte Whitney. »Blöde Kuh.«
Ich runzelte die Stirn. »Ich habe keine Ahnung, ob sie blöd ist. Ich weiß nicht mal, ob sie wusste, dass er mit mir zusammen war. Vielleicht hat er gelogen, und sie wusste gar nicht, dass sie unsere Beziehung zerstört hat. Und hat sie sie überhaupt zerstört? Oder war sie vielleicht schon kaputt, bevor sie aufgetaucht ist? Sigmund Freud hat mal gesagt …«
Whitney verzog das Gesicht und legte ihre Hände auf meine Schultern. »Sweetie, bitte sag jetzt nicht, dass du gerade Philosophiezitate vom Stapel lassen wolltest. Denn das wäre echt mein Ende. So betrunken darfst du heute Abend nicht sein, okay?«
»Wie betrunken soll ich denn sein?«
»Keine Ahnung. Eher so, dass du auf dem Tisch tanzt und ausflippst, aber auf die gute Art, und mit irgendeinem Typen rummachst. Keine Freud-Zitate, okay?«
»Okay. Weißt du, ich hatte gar nicht vor, Freud zu zitieren. Ich war einfach nur ein bisschen albern.«
»Star.«
»Ja?«
»Du bist meine beste Freundin, meine Mitbewohnerin, mein Kumpel zum Pferdestehlen, also glaub mir, wenn ich sage, dass du gerade Freud zitieren wolltest.«
Meinetwegen.
Aber er war wirklich faszinierend und hatte einige gute Gedanken.
»Außerdem finde ich es nicht gut, dass du nicht auch auf sie sauer bist«, sagte Whitney. »Ich würde sie beide hassen.«
»Was soll ich sagen? Ich bin eben eine loyale Frau.« Ich seufzte und dachte wieder an die Szene, die erst wenige Stunden her war.
Ich bekam das Bild einfach nicht aus dem Kopf. Dad hatte immer schon gesagt, dass John nicht der Richtige für mich war. Seine Begründung? Grässliche Tattoos. Meinem Vater gehörte eins der renommiertesten Tattoo-Studios von Chicago, und er beurteilte die Menschen nach ihrer Tinte – vielleicht nicht alle, aber John ganz sicher.
»Ich werde auf dem Tisch tanzen und mir jemandem zum Rummachen suchen«, erklärte ich und schob die Brust raus. John würde mir nicht meinen Geburtstag versauen. Heute wurde ich einundzwanzig Jahre alt, und ich würde nicht zulassen, dass John mir diesen Abend vermieste, der ein wirklich aufregender Abend für mich hatte werden sollen.
»Sehr gut! Das will ich hören! Denn heute ist dein Geburtstag, und den werden wir uns nicht von John und seinem kleinen Freund versauen lassen!«
»Johns Freund ist nicht klein.« Ich seufzte.
»Wie viele kleine Freunde hat du schon gesehen, hm? Live und in Action?«
»Nur seinen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Dann vertrau mir, Johns kleiner Freund ist klein.«
»Woher willst du das wissen?«
»Der Typ verströmt reinste Small-Dick-Energy. Erinnerst du dich noch, als er eine Rose für dich gepflückt, sie mit Babystimme ›Rosy‹ genannt und dir in die Haare gesteckt hat?« Sie tat, als müsste sie sich übergeben. »Zum Kotzen. Ich habe mich jahrelang zurückgehalten, weil du meine beste Freundin bist, aber er ist der größte Small-Dick-Arsch, den es gibt. Ohne ihn bist du besser dran.«
»Ich weiß.«
Wenn mein Herz es doch nur auch wüsste.
»Also: Auf mich!«, rief ich.
»Auf dich!«, jubelte Whitney, leerte ihren Becher und gab mir einen Klaps auf den Po. »Das ist mein Mädchen.«
»Ich werde mir einen Jungen suchen, mit dem ich heute Abend rummache«, erklärte ich, nicht sonderlich überzeugt.
Whitney schüttelte den Kopf und sah mir fest in die Augen. »Nein, meine Liebe. Du gehst jetzt los und suchst dir einen Mann, mit dem du rummachen kannst. Keinen Jungen. Einen Mann.«
»Jawohl«, antwortete ich und hüpfte hin und her wie eine Boxerin, bevor sie zum ersten Mal in den Ring steigt. »Aber darf ich dir vorher noch das Freudzitat sagen?«
Sie lächelte. »Aber sicher doch.«
»Aus deinen Schwachstellen wird deine Stärke hervorgehen.« Ich lächelte. »Verflixter Freud. Hab ich recht?«
»Der Mann, der Mythos, die Legende«, stimmte sie mir zu und schüttelte kichernd den Kopf. »Bleib immer so, wie du bist, meine verrückte Freundin.«
Ich war mir nicht sicher, ob ich das überhaupt konnte, selbst wenn ich es gewollt hätte.
Whitney zog los, vermutlich, um irgendwo auf dem Tisch zu tanzen, während ich den restlichen Inhalt meines roten Plastikbechers in den Ausguss schüttete und ihn mit dem Fruit Punch auffüllte, der auf der Kücheninsel stand. Auch wenn ich an diesem Abend keinen Alkohol trinken würde, so hatte ich es doch immerhin bis auf eine Party geschafft – das war doch schon mal was. Als ich mich umdrehte, trat ich in irgendetwas Klebriges, verlor das Gleichgewicht und taumelte zur Seite. Doch bevor ich hinfallen konnte, legte jemand instinktiv seine großen, kräftigen, mit Schwielen bedeckten Hände um meine Oberarme und hielt mich fest. Die Wärme seines Griffs und die Berührung seiner rauen Hände kribbelten auf meiner nackten Haut. Neugierig glitt mein Blick über seine Hände an meinen Armen, bevor ich den Kopf in den Nacken legte und deren Besitzer betrachtete. Als mein Blick, mit dem ich jeden Zentimeter von ihm abscannte, seinen traf, ließ er mich eilig los.
Ich hörte nicht auf, ihn zu betrachten, denn ich konnte es einfach nicht. Mein Herz schlug schneller, als unsere Blicke sich zum zweiten Mal trafen. Er war der attraktivste Mensch, den ich jemals gesehen hatte, und seine Augen vielleicht die traurigsten. Ob er wusste, dass seine Augen so aussahen – so gequält und traurig? Und trotzdem war er unglaublich schön, auf eine Art, wie ich sie nur aus Modemagazinen kannte.
Dieser mysteriöse Mann war einer der beeindruckendsten Menschen, die ich in meinen einundzwanzig Jahren auf dieser Erde gesehen hatte. Er kleidete sich wie die tiefste Nacht und bewegte sich wie ein Fels. Alles an ihm wirkte konzentriert. Und obwohl seine Hände warm waren, schien seine Seele eisig kalt. Es dauerte einen Moment, bis ich sah, dass ich ihm meinen Drink aufs Hemd geschüttet hatte, doch selbst dann konnte ich einfach nicht aufhören, ihn anzustarren. Sein nasses schwarzes Shirt klebte ihm an der Brust und betonte seine muskulösen Arme. Er war ein ganzes Stück größer als ich, mindestens eins neunzig, und sein Mund sah aus, als würde er niemals lächeln. Sein Bart war perfekt rasiert, was den grimmigen Zug um seinen Mund noch verstärkte.
Doch seine Lippen waren voll und seine Haut makellos. Entweder pflegte er seine Haut perfekt, oder er gehörte einfach zu den Glückspilzen, die noch nie einen Pickel gehabt hatten.
Und diese Augen.
Noch nie hatte mich ein Blick so hypnotisiert. Ich war wie gebannt.
Seine Augen sandten einen Wirbel an Gefühlen bis tief in meinen Bauch, wo sich ein Strudel aus Hitze bildete, während sein Blick mich festhielt. Grüne Orbits mit funkelnden braunen Sprenkeln. Vielleicht waren sie auch braun mit grünen Sprenkeln. Mein halb erschöpfter Geist und mein halb gebrochenes Herz erschwerten mir die Entscheidung. Ich wusste nur, dass es schön war, in diese Augen zu schauen, auch wenn sie kalt wirkten.
Nein, nicht kalt.
Deprimiert?
Deprimierte Augen konnten manchmal eisig wirken.
Seine sahen aus, als schmerzten sie ebenso wie mein Herz.
Wenn du selbst leidest, erkennst du, wenn andere Menschen leiden. Ihr Schmerz spiegelt deinen eigenen wider.
»Mist. Tut mir leid«, stotterte ich.
Ich stellte meinen Becher auf den Küchentresen und begann, ohne nachzudenken, mit den Händen über die Brust dieses fremden Mannes zu reiben, in dem Versuch, auf diese Weise den Fleck von seinem Shirt zu entfernen. Er stand reglos da, so dunkel und ernst wie ein Gargoyle auf einem Mauervorsprung, ohne den Blick von mir abzuwenden. Sein Blick war durchdringend und zugleich seltsam distanziert – als könne er jeden einzelnen meiner Gedanken lesen, ohne es eigentlich zu wollen.
Meine Fingerspitzen stießen auf seine steinharten Bauchmuskeln. Was ich hier tat, war der aktuellen Situation eigentlich nicht förderlich, aber ich konnte einfach nicht aufhören. Meine Hände waren kein Trockner, und doch bewegte ich sie über seinen Körper, als könnte ich so sein Hemd trockenreiben.
»Wenn du schon rubbelst, dann kannst du deine Hände ruhig ein wenig tiefer wandern lassen.« Er sagte das so lässig und selbstbewusst, dass ich seinen anstößigen Kommentar beinahe überhört hätte.
Meine Hände erstarrten auf seiner Brust, ich legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. »Entschuldige, wie bitte?«
»Wenn du schon über meine Brust reibst, kannst du mir gerne auch den Schwanz reiben.«
Fassungslos zog ich meine Hände zurück. »Hm?«
»Spreche ich undeutlich?« Seine Stimme war so weich wie Whiskey und verursachte ein ähnlich kribbelndes Gefühl, als ihr Klang auf meine Ohren traf. Sie war tief, wie ein Bass, und fest, ohne eine Spur von Zweifel. Ich hatte nicht gewusst, dass Stimmen so stark, so sicher klingen konnten. Es war nicht so, als würde er Autorität einfordern oder so. Er besaß sie einfach.
Eindeutig kein Junge.
Eindeutig ein Mann.
Ein heiß-heißer Mann.
»Ähm, nein. Du sprichst nicht undeutlich.«
»Also?«
Ich zog eine Augenbraue hoch. »Also was?«
»Wirst du mir den Schwanz reiben, oder gehst du mir aus dem Weg, damit ich mir ein Bier holen kann?«
»Bist du immer so unfreundlich?«
»Ich bin nicht unfreundlich«, erwiderte er. »Ich komme bloß gleich auf den Punkt.«
»Und was genau ist der Punkt?«
»Dass du mir den Schwanz reibst.«
»Sag nicht immer Schwanz.« Ich verzog das Gesicht.
»Dann frag mich nicht nach meinem Punkt«, entgegnete er.
Ich stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte ungläubig den Kopf. »Ist das etwa eure Masche? Und das funktioniert? Ihr sagt den Frauen einfach, sie sollen euren Penis anfassen?«
»Meinen Penis?« Er schnaubte, und seine Mundwinkel verzogen sich zur Andeutung eines teuflischen Grinsens. »Wie formell, wie korrekt«, spottete er.
»Ich hätte auch Phallus sagen können.«
Er beugte sich ein wenig nach vorne, und sein heißer Atem schmolz auf meinem Gesicht. »Du kannst mir gern den Phallus lutschen, wenn du willst. Sogar samt Testikeln, wenn du drauf stehst.«
»Was ist bloß mit euch Typen los? Für einen Blowjob macht ihr alles, was?«
Er zuckte mit den Schultern. »Ich gebe auch was zurück.«
»Was soll das denn heißen?«
»Das soll heißen, du darfst dich auf mein Gesicht setzen.«
Mir fiel die Kinnlade runter, und ich starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Du meine Güte!«
Er zog eine Augenbraue hoch. »Auf anderer Leute Gesichtern zu sitzen, macht dich wohl verlegen, was?«
»Was? Nein. Pscht, also bitte. Kein bisschen.« Ich trat von einem Fuß auf den anderen. »Ich hab kein Problem damit. Da bin ich cool. Total hip.« Ich sag nur Cheerios, Star.
»Hip?« Fast hätte er gelacht, aber ich war mir nicht sicher, ob seine Stimme überhaupt zu so einem Laut fähig war. »Wie alt bist du noch mal?«
»Ach, sei doch still. Ich bin nicht unbedingt auf der Suche nach fremden Männern, die mir anbieten, mich auf ihr Gesicht zu setzen.«
»Tut mir leid, das zu hören. Ich hoffe, das kommende Jahr bietet dir mehr Gelegenheiten, dich auf anderer Leute Gesicht zu setzen. Das ist mein Neujahrsvorsatz für dich. Und wie gesagt, ich biete mich als erste Sitzgelegenheit an.«
Meine Wangen glühten. »Hör auf.«
»Womit? Ich biete dir einen Sitzplatz an. Was willst du noch? Einen Heiratsantrag?«, fragte er spöttisch.
Das wär gar nicht mal so schlecht, dachte ich.
»Das soll jetzt keine Beleidigung sein …«, begann ich.
»Aber du bist kurz davor, mich zu beleidigen …«
»Ich sagte doch, es soll keine Beleidigung sein.«
»Das ist exakt das, was Leute sagen, bevor sie beleidigend werden. Aber sprich weiter.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Du bist ein ziemliches Arschloch.«
»Meine Freunde nennen mich Dick.«
»Und wie heißt du wirklich?«
»Ist jetzt nicht wichtig«, sagte er und tippte sich mit dem Daumen gegen die Nase. »Denn am Ende des Abends wirst du mich entweder Dick nennen oder selbigen reiten. Es ist und bleibt also bei Dick.«
»Du meine Güte, bist du immer so unverblümt?«
»Hängt davon ab. Bist du immer so prüde?«
»Sehe ich so aus?«
Sein Blick wanderte mehrfach an mir auf und ab, bevor er erneut meinem begegnete. Der Bogen, den seine Lippen formten, ließ mich fast von Neuem erröten. Ihm gefiel, was er sah. Einschließlich meiner Hüften und allem Drum und Dran. »Du siehst aus wie eine Frau, die auf meinem Gesicht sitzen sollte.«
Ich lachte und schüttelte den Kopf. »Diese Unterhaltung ist beendet.«
Er verschränkte die Arme vor seinem breiten Brustkorb und beugte sich ein wenig nach vorn. »Ich habe verstanden. Aber ich versuche bloß, dir bei deinem guten Vorsatz für das neue Jahr zu helfen, nämlich sich auf paar Gesichter zu setzen.«
»Das war nicht mein guter Vorsatz. Das war dein Vorsatz für mich.«
»Was soll ich sagen? Ich will einfach nur dein Bestes.«
Ich wollte es nicht zugeben, aber dieses Geplänkel gefiel mir irgendwie. John hatte so etwas nie mit mir gemacht. Argh. John. Blöder John – dummer Junge.
Ich wandte mich wieder dem Mann vor mir zu. »Ich denke, jetzt ist der Moment da, an dem wir aufhören, miteinander zu reden.«
»Absolut. Weniger reden und mehr sitzen.«
Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern, doch mein Hirn setzte einfach aus, als ich ihn ansah.
Er neigte den Kopf ein wenig zur Seite und verengte die Augen, als wäre er zunehmend von mir fasziniert. Dabei betrachtete er mich, als wäre ich die Mona Lisa – einzigartig und mysteriös zugleich. Er starrte mich an, als versuchte er irgendwelche Hinweise auf ein Rätsel zu sammeln, von dem ich bislang nicht gewusst hatte, dass ich ein Teil davon war. Warum sah er mich so an? Und warum fühlte ich mich unter seinem Blick so panisch und zugleich so beschützt?
Geh, Star.
Aber das tat ich nicht. Ich konnte es nicht.
Wir standen schweigend da, während die Musik um uns herum pulsierte und die Stimmen der anderen Gäste in meinen Ohren summten.
Warum sah er mich immer noch an?
Und warum konnte ich den Blick nicht von ihm wenden?
Ich zwang mich zu einem verlegenen Lächeln. »Okay, also, das war … seltsam. Okay. Ja. Tschüss dann.« Ich wollte mich an ihm vorbeischieben. Mein Arm stieß gegen seinen, und wieder traf mich die Wärme seiner Berührung, als seine Hand sich auf meinen Unterarm legte.
»Versuchst du zu vergessen?«
Schmetterlinge flatterten in meinem Bauch auf. »Was vergessen?«
Er trat näher, bis sein Mund direkt neben meinem Ohrläppchen war. Sein heißer Atem jagte Schauer über meine Haut, als er flüsterte: »Alles.«
Mein Magen gluckerte nervös, als ich den Blick hob und erneut in seine grünen Augen mit den braunen Sprenkeln darin blickte. Und wieder sah ich sie, die Traurigkeit, die in ihnen aufflackerte – nur kurz, aber sie war da. Verborgen hinter Geheimnissen und Geschichten, die er mit niemandem teilte. Fast glaubte ich schon, ich hätte sie mir nur eingebildet, aber, nein, sie war da. Ich wusste es. Ich konnte sie förmlich in mir spüren, während er meinen Arm festhielt. Es war, als explodierte seine Intensität in meiner Seele. Ich konnte seine Finsternis nicht nur sehen, ich spürte sie durch seine Berührung hindurch.
»Wer hat dir so wehgetan?«, fragte ich.
Wieder flackerte es in seinen Augen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr.
Sein Blick wurde hart, als er antwortete: »Niemand.«
»Du lügst.«
»Ich lüge«, bestätigte er. »Wie wäre es, wenn wir gemeinsam lügen, während wir … zusammen liegen«, bot er an. Seine Hand lag noch immer auf meinem Arm, und die Hitze, die er durch mich hindurchströmen ließ, machte mich kirre. Ich mochte seine warmen Berührungen. Ich mochte das kurze Aufflackern seines Schmerzes. Ich mochte es, dass er mich an eine Achterbahnfahrt erinnerte – Furcht einflößend und zugleich aufregend und den Preis absolut wert.
Und ich mochte seinen Geruch – nach Eichenholz und Limonade.
Ich sah an ihm vorbei, und mein Blick traf Whitneys, die die Augenbrauen hochzog und nickte, während sie mit den Lippen stumm »heiß-heiß« formte.
Ja, genau, ein heiß-heißer Mann.
In diesem Moment wusste ich, dass ich zwei Möglichkeiten hatte. Ich konnte die sichere, langweilige Starlet sein, die immer das Richtige tat. Die Starlet, die immer die rationale Entscheidung traf, die immer an die Zukunft und die Konsequenzen dachte. Oder ich konnte die verrückte Starlet sein, die den Verstand ausschaltete und ihrer wilden Seite folgte. Die Starlet, die losließ und es sich erlaubte, frei zu sein – die diesen Mann wie einen Baum besteigen und sich auf ihn setzen wollte. Ich hatte keine Lust mehr auf Cheerios. Ich wollte die untersten Flakes in einer Packung Frosties, denn die waren die besten – süß und köstlich.
Mein Blick fiel auf seine Hand und wanderte dann hoch zu seinen Augen. »Okay«, hauchte ich.
Er sah mich fragend an. »Okay was?«
»Ich brauche einen Stuhl.«
Er bedachte mich mit einem teuflischen Grinsen.
Und auch das gefiel mir.
Ich drehte meine Hand so, dass nun ich es war, die sein Handgelenk gepackt hielt, und zog ihn in eins der Schlafzimmer.
Mit dem Rücken zu ihm zog ich die Tür hinter uns zu und schloss uns so in unsere Fantasie ein. Der Riegel klickte und machte alles noch realer, und meine Anspannung und Vorfreude wuchsen. Als ich mich auf den Zehenspitzen zu ihm umdrehte, sah ich, dass er mich beobachtete, meinen Anblick förmlich in sich aufsaugte, während sein Atem schneller wurde und seine Hände, die an seinen Seiten hinunterhingen, sich zu Fäusten ballten. Geduldig blieb er stehen, wo er war, als wartete er auf die Erlaubnis, mich berühren zu dürfen.
Ich lächelte schüchtern und kaute auf meiner Unterlippe. Es war mir unangenehm, der Fokus seiner Aufmerksamkeit zu sein. Noch nie hatte mich ein Mann so angesehen – wie ein hungriges Tier, das sich auf das köstlichste Mahl seines Lebens vorbereitete. Jetzt trat er zu mir und drückte mich gegen das kalte Türblatt. Sanft fiel mein Rücken gegen das Holz, und seine großen Hände umfassten mein Gesicht und verhinderten so, dass mein Kopf gegen die Tür schlug.
Kurz schwebte sein Mund über meinem, wobei er sanft mit der Nase über meine strich. Ich spürte seinen Atem auf meinen Lippen und öffnete sie, atmete seinen Atem ein, bevor unsere Münder sich trafen. Meine Arme schlangen sich um seinen Hals, und sein Körper presste sich gegen meinen. Ein Flattern und Beben erfasste meine Schenkelinnenseiten und alles dazwischen, als er eine Hand in meinen Nacken legte. Mein Körper bog sich ihm entgegen, und plötzlich wusste ich nicht mehr, wie es sich angefühlt hatte, seinen Körper nicht um mich zu spüren. Ich fühlte mich schmutzig und sehnte mich zugleich danach, dass es noch schmutziger wurde. Ich wollte, dass er es mir auf die beste Art und Weise besorgte. An der Wand. Auf der Kommode. Im Bett. Nie zuvor hatte ich mich so gefühlt – durch Küsse berauscht.
War das, wie Küsse sich anfühlen sollten?
Machtvoll? Gierig? Euphorisch?
Fühlte es sich so an, kein braves Mädchen zu sein?
War das der Grund, warum Menschen jede Vorsicht vergaßen?
Mein Körper pulsierte unter seinen Händen, während sie ihn Stück für Stück weiter erkundeten. Meine Hüften, meine Schenkel, meine Kurven … Sein Mund wanderte an meinem Hals hinunter, während seine linke Hand den Gürtel meiner Jeans öffnete.
Er knurrte an meiner Haut, während er mich schmeckte, und ich bog den Hals zur Seite, damit seine Zunge an meinem Schlüsselbein entlangwandern konnte, was sie auch tat und dabei jeden Zentimeter von mir kostete.
Als der Gürtel weg war, öffnete er meine Jeans und zog sie runter. Hastig kickte ich meine Schuhe beiseite und stieg aus der Hose.
Er hielt inne, legte einen Finger unter mein Kinn und hob es an, sodass ich ihm in die Augen sehen musste. Und da war er wieder, dieser Blick, bohrte sich in meine Seele und las die neuen Seiten, geschrieben mit der Tinte der Lust und in der Schrift der Sünde.
Die Zeit verlangsamte sich.
Mein Atem stockte, während er mich forschend ansah.
Er war so intensiv, ohne sich überhaupt darum zu bemühen.
Sein Blick schien etwas zu suchen, eine Antwort, die er in meinen Augen zu lesen hoffte.
»Okay?«, flüsterte er mit den Lippen auf meinen.
Mein Herz schlug noch schneller, als mir bewusst wurde, was er meinte.
Er nahm nichts von mir; er respektierte mich. Er suchte nicht allein nach seiner Befriedigung, sondern bat mich um Erlaubnis. Und aus irgendeinem Grund turnte mich das nur noch mehr an.
»Okay«, hauchte ich.
Und damit verbanden sich seine Lippen erneut mit meinen. Seine Küsse waren wie ein Rausch. Mein Hirn wurde flusig, und mein Herz jubilierte. Ich mochte das Gefühl, ihn zu spüren. Ja, ich liebte es. Er fühlte sich an wie eine Mischung aus Himmel und Hölle, wie ein gefallener Engel, der noch immer fliegen konnte.
Als seine Lippen meine wieder freigaben, zog er mir das Trägershirt über den Kopf und warf es zur Seite. Seine Hände umfassten meinen BH, und er senkte den Kopf, um die Konturen meiner Brüste mit Küssen nachzuziehen. Immer tiefer und tiefer wanderte er, während sein Mund jeden kleinsten Zentimeter von mir erkundete, und näherte sich langsam dem Bund meines Höschens.
»Ich habe heute Geburtstag«, keuchte ich. Keine Ahnung, warum ich das sagte oder warum mein Verstand sich nach vorne drängen und meine Bedürfnisse beiseiteschieben wollte.
Wieder suchten seine braun-grünen Augen meinen Blick. Er neigte fragend den Kopf und wartete darauf, dass ich ihm weitere Details verriet.
Ich räusperte mich. »Mein Freund hat mich betrogen. Heute. An meinem Geburtstag.«
»Dick«, knurrte er, beinahe fürsorglich.
Ich kicherte. »Ich dachte, das ist dein Name.«
»Glaub mir, das ist er.« Ohne den Blick von meinem zu lösen, hakte er die Finger in den dünnen Stoff meines Höschens, schob es über meine Schenkel und gab mir Raum, um es auszuziehen, bevor er die Hände an meine Hüften legte und mich hochhob.
»Warte.« Ich schüttelte den Kopf. Eine Sekunde lang wurde ich verlegen. Ich schämte mich nicht für meine Kurven, ganz und gar nicht, aber ich hatte Sorge, dass ich nicht so federleicht sein könnte wie die Frauen, mit denen er normalerweise zusammen war. »Du wirst dir den Rücken verrenken. Ich bin schwerer als andere. Du kannst mich nicht einfach hochheben wie …«
»Ich sehe dich«, sagte er, und seine Hände wanderten über meine Kurven, über meine Haut, meinen Bauch. »Und ich will dich«, flüsterte er, und sein Mund küsste die Stellen, die John immer gemieden hatte. Er massierte meine Haut, bevor er seine Hände unter meinen Po schob, mich mühelos auf seine Arme hob und zum Bett trug. Ich bin mir fast sicher, dass dies der Moment des ersten Orgasmus dieses Abends war.
»Heute Nacht gehörst du mir«, schwor er, und seine Stimme war leise und triefte förmlich vor Lust und Verlangen. »Halte dich am Kopfende fest«, sagte er und hob mich auf sich. »Und lass mich dich schmecken.«
Mein Hirn, das sonst immer alles zehnmal überdachte und abwog, schaltete sich in dem Moment ab, als er meine gut einhundert Kilo hochhob und auf seine Brust setzte. Er packte meine Handgelenke, schob mich auf sein Gesicht, und ich war verloren. Seine Zunge glitt in mich hinein und wieder heraus, sodass ich vor Lust laut aufschrie. Meine Hüften wiegten sich gegen seinen Mund, gegen seinen Bart, der nun von meiner Nässe triefte.
Meine Hände umklammerten das Kopfende, während er mich vernaschte, als wäre ich sein letztes Abendmahl. Er leckte mit seiner Zunge über meine Knospe, saugte daran und schluckte jeden Tropfen von mir. Er trank meine Nässe, als wäre er in der Wüste verloren und ich die Erste, die seinen Durst stillte. Ich spürte, dass er mich ebenso sehr wollte wie ich ihn.
»Ich … ich … ich …«, wimmerte ich atemlos und spürte, wie mein Orgasmus mit jeder Sekunde näher heranrollte. Meine Nägel bohrten sich in das Kopfende des Bettes, während er sich in mir vergrub.
Ja, ja, ja, bitte …
Die Bewegungen seiner Zunge wurden schneller, als hörte er meine Gedanken, die um mehr flehten. Ich lehnte mich nach hinten, umklammerte seine Beine und bewegte mich, als wäre seine Zunge der Rhythmus und meine Lust seine liebste Melodie.
Und dann brach ich bebend über ihm zusammen und schrie laut auf, während es mich überwältigte. In diesem Augenblick schien mir alles zu viel, zu machtvoll, und ich versuchte mich zurückzuziehen, doch seine Hände auf meinen Schenkeln sagten »noch nicht«, bevor er mich wieder an sich zog. Und jetzt wurde es richtig gut. Jetzt ging es erst richtig los. Ich hätte um mehr gebettelt, doch er gab es mir freigiebig, selbstlos, mit Anweisung. Er gab mir das Gefühl, eine Königin zu sein, und arbeitete, als wäre er nicht mehr als ein Knecht, der sich um meine Gunst bemühte. Und doch ritt ich sein Gesicht, als wäre er der König und ich wollte nur seine bescheidene Dienerin sein.
Als ich mich nach hinten sinken ließ und auf seine Beine legte, konnte ich seine Erektion an meinem Rücken spüren. Er war hellwach und zu allem bereit. Und als ich spürte, wie er an meinem Rücken pulsierte, wollte ich noch mehr.
Als ich fertig war, setzte er mich auf seinen Bauch. Die Freude in seinen Augen ließ meine Wangen erröten, und ich wurde plötzlich ganz schüchtern. Sein Bart glitzerte von meiner Nässe, bis er grinsend mit der Hand darüberwischte. Sein Grinsen wie das des Hades, und ich wollte nichts sehnlicher, als seine Persephone zu sein.
»Alles Gute zum Geburtstag«, flüsterte er, zog mich zu sich hinunter und küsste mich mit meinem Geschmack auf den Lippen. »Du bist einfach unglaublich. Alles an dir.«
Sein Kompliment traf mich wie nichts zuvor im Leben. Ich war noch nie mit einem Mann zusammen gewesen, der mich im Bett mit Worten verwöhnt hatte, und es erhöhte mein Selbstvertrauen.
Mit ihm tat mein Körper Dinge, von denen ich gar nicht gewusst hatte, dass ich dazu fähig war. Ich hatte nicht gewusst, dass er so gut auf die richtigen Worte, auf Lob und Berührungen reagieren konnte. Dieser Mann veränderte mich nicht allein körperlich, sondern auch emotional. Er brachte mich dazu, meine Kurven zu lieben und mich auf ganz neue Art zu erforschen.
Mühelos drehte er mich so, dass nun ich auf dem Rücken lag, und kniete sich über mich. Es gefiel mir, wie er das tat – wie er so mühelos mit mir umging, als wäre mein Gewicht nicht mehr als ein gedankliches Konzept, das bloß meiner von Unsicherheiten geprägten Fantasie entsprang.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich mich, nackt mit einem Fremden, so sicher und selbstbewusst fühlen konnte, während mein Ex mich kaum angesehen hatte, wenn wir miteinander intim gewesen waren. Mit John war Sex eher wie Pflichterfüllung gewesen, etwas, das wir noch abzuarbeiten hatten, bevor wir wieder zu unseren anderen Aufgaben zurückkehren konnten. An diesem Abend aber wurde Sex zu einem Abenteuer – einer Erkundungsexpedition.
Ich konnte den Blick nicht von diesem Mann wenden, der nun über mir kniete. Er fühlte sich so vertraut an, und doch wusste ich, dass wir uns noch nie zuvor begegnet waren. Er war wie eine Erinnerung, die ich im Lauf der Zeit irgendwie vergessen hatte. Ein verlorener Traum, der endlich wieder zurückkehrte.
Ich zog ihm das Hemd aus, während er seinen Gürtel öffnete, und schnappte hörbar nach Luft, als er seine Hose und Boxershorts auszog.
Größe und Umfang seines ›kleinen‹ Freundes brauchten dringend ein Warnschild.
Achtung, Erstickungsgefahr. Lutschen und Saugen kann einen steifen Kiefer und geschwollene Lippen verursachen. Ohne zwischenzeitliche Atempausen kann es zum Tod führen. Diskretion beim Anblick dringend angeraten. Erkundung auf eigene Gefahr.
Mein Kiefer schmerzte schon, während ich ihn nur ansah. Aber versprochen war versprochen.
Ich wollte mich gerade hinunterbeugen, doch er lachte und schüttelte den Kopf.
»Heute ist dein Geburtstag«, sagte er, drückte mich zurück auf die Matratze und küsste meinen Hals. »Ich bin es, der die Geschenke verteilt, nicht du«, flüsterte er an meinem Ohr, während er meine Schenkel spreizte und sich dann langsam auf mich heruntersinken ließ. Schnell holte er ein Kondom aus seiner Hosentasche und zog es über, bevor er zu mir zurückkehrte. Während er sich mit seinem harten Schwanz an mir rieb, wanderte seine Hand hinter meinen Rücken und öffnete mit scheinbar einem Fingerschnippen meinen BH.
Mein Verstand verwandelte sich in Pudding, als er seine Lippen auf meine linke Brust senkte und mit der Zunge gleichmäßig gegen meine Brustwarze zu schlagen begann. Er nahm sein riesiges hartes Glied und rieb mit dessen Spitze einige Male über meine Klitoris. Ich spürte, wie die Lust sich erneut in mir aufbäumte, während er mit seiner Erektion immer wieder über meine vollen, feuchten Schamlippen rieb und es so weit trieb, dass das Verlangen nach ihm mich schier wahnsinnig machte und ich ihn anflehte, mich endlich zu nehmen.
»Bitte«, murmelte ich atemlos. »Ich will dich ganz …«
Seine Lippen tanzten über meine, als hätten sie schon immer dorthin gehört. Und seine Zunge glitt im selben Augenblick in meinen Mund, als er mit einem einzigen, wunderschönen, harten Stoß in mich eindrang.
»Ja, ja, ja«, schrie ich.
Mein Rücken bog sich ihm entgegen, als er noch tiefer glitt, zuerst ganz langsam, sodass jeder Zentimeter sich anfühlte wie eine Meile. Er nahm meine Beine und legte sie sich auf die Schultern, und ich stützte die Hände auf seine steinharte Brust. Er faltete mich zusammen wie einen Pfannkuchen und erhöhte das Tempo. Meine Beine zitterten, und ich hob die Hände über den Kopf, stemmte sie gegen das Kopfende und genoss sein Tempo, seinen Umfang, einfach alles.
Ja, ja, ja …
Jetzt legte er eine Hand auf meinen Hals, nicht fest, aber doch so, dass es mein Empfinden um ein Vielfaches steigerte. Das war neu, und es gefiel mir … Es gefiel mir, von ihm gewürgt zu werden.
Sein Mund senkte sich auf meinen, und er leckte meine Lippen von unten nach oben, bevor er an ihnen flüsterte: »Wer ist mein braves Geburtstagsmädchen?«
Seine Augen wurden glasig, und mein Herz machte einen Sprung, als ich flüsterte: »Ich.« Nichts wünschte ich mir sehnlicher, als mich für eine Weile in ihm zu verlieren. Und auch er hielt mich fest, als würde ich ihm tatsächlich etwas bedeuten. Er streichelte und liebkoste meinen Körper und meine Seele, und als er seinen Mund auf meinen drückte, verstummten auch die lautesten meine Unsicherheiten.
»So ist es richtig«, sagte er leise. »Du bist mein braves Geburtstagsmädchen.«
Und in diesem Augenblick verlor ich mich selbst.
In diesem Augenblick fand er mich.
Meine Beine zitterten an seiner Brust, und er knurrte vor Lust, als ich den nächsten Orgasmus fand. Und auch er spürte das alles. Während ich bebte, stöhnte er lustvoll. Ich wusste, dass er mit aller Macht dagegen ankämpfte, mir noch nicht zu folgen. Er hatte nicht vor, die Feier so früh zu beenden.
Er drehte mich auf die Seite, schlang die Beine um mich und glitt von hinten in mich hinein. »Du meine Güte«, keuchte ich, als ich entdeckte, dass verschiedene Eintrittswinkel unterschiedliche Stellen trafen, und ich genoss jede einzelne Sekunde.
Sein Gesicht drückte sich an meine Wangen, als die Worte von seiner Zunge flossen. »Das gefällt mir«, sagte er. »Ich mag es, dass ich alles von dir sehen kann.« Seine Hände legten sich auf meine Brüste und massierten sie, während seine Lippen und Zähne an meinen Ohrläppchen knabberten. »Ich mag es, dass ich dich überall spüren kann.«
Und so verloren wir die Zeit und jegliche Hemmungen, die wir noch gehabt hatten. Seine grün-braunen Augen waren wie eine Droge. Er hätte mich um alles bitten können, und ich hätte ihm jeden Wunsch erfüllt. Wenn er einen Stern gewollt hätte, hätte ich eine Leiter gefunden, die lang genug war, um in den Himmel hinaufzusteigen, so sehr sehnte ich mich danach, ihn glücklich zu machen. Ich wollte ihn so sehr, wie er mich zu wollen schien.
»Komm mit mir«, befahl er, während seine Eichel über meine Klitoris rieb. Er stieß in mich hinein und sah mir dabei tief in die Augen, als wäre ich der einzige Mensch auf dieser Welt, den er von nun an ansehen wollte. Und ich tat, was er von mir verlangte.
Er kam in mir, und auch ich kam, schnell, hart, lang und frei.
Ja, ja, ja …
Als wir fertig waren, ließ er sich auf mich herabsinken. »Fuck«, murmelte er befriedigt und zog eine Perlenschnur aus Küssen über meinen Hals, bevor er sich von mir hinunterrollte, schweißgebadet nach der Achterbahnfahrt, die wir gemeinsam unternommen hatten.
»Das war …«, keuchte er.
»Ja …«, stimmte ich ihm zu.
Er drehte den Kopf so, dass er mich ansehen konnte, und grinste verschlagen. »Ich habe dir ja gesagt, dass du auf meinem Gesicht sitzen wirst.«
Ich verdrehte die Augen und war auf einmal ein wenig verlegen. »Ja, ja.«
Plötzlich veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er verengte die Augen und neigte den Kopf ein wenig, während er mein Gesicht betrachtete. Sein listiges Lächeln verschwand, und sein Blick traf meinen. Unvermittelt stand er auf und sammelte seine Sachen ein. Dabei bewegte er sich, als hätte er in meinen Augen einen Geist gesehen.
Seine Hast und seine Eile jagten einen irritierten Schauer über meinen Rücken.
Wie konnte er mich gerade noch ansehen, als wäre ich alles für ihn, und dann blinzeln und mir das Gefühl geben, als wäre ich gar nichts für ihn?
Ich zog die Decke über meinen nackten Körper und hoffte, sie würde auch mein verängstigtes Herz schützen. Nervosität erfasste mich, während ich langsam in die Realität zurückkehrte. Ich empfand ein seltsames Gefühl der Zurückweisung, während seine Wärme auf meiner Haut verdampfte. Aus größter Ekstase wieder hinab zu sinken, führte dazu, dass ich mich mit einem Mal schrecklich einsam fühlte. Er hatte das Zimmer noch nicht mal verlassen, und doch fühlte es sich an, als wäre er weit, weit weg – vielleicht nicht körperlich, aber im Geiste hatte er in der Sekunde ausgecheckt, als seine Füße das Bett verlassen und festen Boden unter sich gespürt hatten.
Die Situation hinterließ einen seltsamen Nachgeschmack, doch ich versuchte ihn hinunterzuschlucken. Was hatte ich denn erwartet? Ich kannte ja nicht mal seinen Namen. Er schuldete mir gar nichts, nicht mal einen Abschiedsgruß. Mein Verstand wusste das – aber mein Herz? Es fühlte sich ziemlich geknickt.
Ich kaute auf meiner Unterlippe. »Willst du schon gehen?«