What Gives Us Hope (Glitter Love 3) - Romy Hart - E-Book

What Gives Us Hope (Glitter Love 3) E-Book

Romy Hart

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Beschreibung

**Trust in Paradise** Kendras unerwartete Rückkehr in die New Yorker Upper Class versetzt alle in Aufruhr. Doch ihre Willkommens-Feier im Glitter and Gold endet abrupt, als sie von einem Fremden bedrängt wird. Ausgerechnet der unverschämt attraktive Barbesitzer Rhett Whitaker geht dazwischen und schützt Kendra. Von der Situation überwältigt vertraut sie sich dem sonst so schweigsamen jungen Mann an. Unglücklicherweise kann sich Kendra am nächsten Tag nicht mehr erinnern, wie viel sie von sich preisgegeben hat. Denn den wahren Grund ihrer plötzlichen Rückkehr darf niemand erfahren … Wagst du es, für die Liebe über deinen Schatten zu springen? //Dies ist der dritte Band der gefühlvollen New Adult Buchserie »Glitter Love«. Alle Romane der High-Society-Romance:   -- Band 1: What Keeps Us Apart -- Band 2: What Brings Us Together  -- Band 3: What Gives Us Hope//

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Impress

Die Macht der Gefühle

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Romy Hart

What Gives Us Hope (Glitter Love 3)

**Trust in Paradise**

Kendras unerwartete Rückkehr in die New Yorker Upper Class versetzt alle in Aufruhr. Doch ihre Willkommens-Feier im Glitter and Gold endet abrupt, als sie von einem Fremden bedrängt wird. Ausgerechnet der unverschämt attraktive Barbesitzer Rhett Whitaker geht dazwischen und schützt Kendra. Von der Situation überwältigt vertraut sie sich dem sonst so schweigsamen jungen Mann an. Unglücklicherweise kann sich Kendra am nächsten Tag nicht mehr erinnern, wie viel sie von sich preisgegeben hat. Denn den wahren Grund ihrer plötzlichen Rückkehr darf niemand erfahren …

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Vita

Playlist

Danksagung

© privat

Romy Hart, Millennial mit Leib und Seele, liebt Geschichten – egal in welchem Medium sie erzählt werden. Wenn sie nicht gerade Bücher schreibt, schlüpft sie bei Pen&Paper-Rollenspielrunden leidenschaftlich gern in andere Charaktere, trinkt literweise Kaffee und genießt dabei das Aroma ihrer heißgeliebten Duftkerzen.

Playlist

Pretty Pills for Broken Hearts – Cloudy June

People I Don’t Like – UPSAHL

Creep – mxmtoon

I can’t breathe – Bea Miller

Fake Bitch – UPSAHL

Slow Motion – Charlotte Lawrence

Exist For Love – AURORA

Glory Box – Olivia Coleman

Save Myself – Ashe

The Night We Met (feat. Phoebe Bridgers) – Lord Huron, Phoebe Bridgers

Lay All Your Love On Me – The Butterfly Effect

Somebody I’m Proud of – Sarah Barrios

Fire N Gold – Bea Miller

Kapitel 1

Als ich zum ersten Mal seit Jahren mein altes Zuhause betrat, hätte ich nie vermutet, dass dieser Abend für mich in einem fremden Bett enden würde. Und noch viel weniger, dass es Rhett Whitaker gehören würde.

Bis vor ein paar Stunden hätte ich nicht einmal selbst damit gerechnet, heute Abend hier zu sein. Aber nun war ich zurück. Ich hatte mich, ohne nachzudenken, in ein Flugzeug gesetzt und war von Großbritannien in einer Acht-Stunden-Tortur nach New York City geflogen. Alles war besser gewesen, als dort zu bleiben. Nach dem grauenhaften Ende dieser Party hätte ich es keine Sekunde länger in Oxford ausgehalten.

Vor der wuchtigen Eingangstür unseres New Yorker Stadthauses hielt ich zum ersten Mal inne, seit ich mich entschieden hatte, England zu verlassen. Das Gebäude ragte groß und irgendwie schöner vor mir auf, als ich es in Erinnerung hatte. Es war eines dieser schmalen fünfstöckigen und verdammt teuren Gebäude mit dunkler Steinfassade, bei denen man wenige Stufen bis zur Tür hochgehen musste. Die Treppen waren gesäumt von einem schmiedeeisernen Geländer, um das sich Blumen rankten, die dank der Sommersonne in bunten Farben blühten. Es wirkte wie das perfekte Zuhause einer angesehenen Upper-Class-Familie.

Ein mulmiges Gefühl zuckte durch meinen Bauch, so vertraut war der Anblick. Und gleichzeitig wirkte dieser Ort derart fremd, dass ich für einen Augenblick unsicher war, ob ich meinen Schlüssel benutzen sollte. Immerhin war ich ohne Ankündigung hergeflogen und würde meine Eltern ziemlich überrumpeln. Zu klingeln hätte sich aber noch seltsamer angefühlt. Zwar hatte ich die vergangenen drei Jahre zum Studieren bei meiner Großtante in Oxford gelebt und in der Zeit kaum ein Wort mit meiner Familie gesprochen, aber das hier war immer noch mein Elternhaus. Da klingelte man doch nicht, oder? Und vielleicht hatte ich ja Glück und meine Eltern waren gar nicht da. Im Sommer sonnte sich die Oberschicht New Yorks an den Wochenenden meistens auf hochkarätigen Strandbarbecues in den Hamptons. Aber es brannte Licht im Haus und das sprach nicht gerade dafür, dass meine Eltern unterwegs waren. Das wäre ja auch zu einfach gewesen.

Ich wappnete mich innerlich für das wohl unvermeidbare Aufeinandertreffen, dann steckte ich meinen Schlüssel ins Schloss. Erleichtert, weil er immer noch passte, öffnete ich langsam die schwere Eingangstür. Sofort schlug mir ein viel zu vertrauter Geruch entgegen und beinahe hätte das meine Fassade eingerissen. Alles in mir sehnte sich schmerzlich danach, mich in meinem alten Zimmer unter der Bettdecke zu verkriechen und erst wieder rauszukommen, wenn ich die vergangenen zwei Tage erfolgreich verdrängt hatte. Aber vorher würde ich die Begegnung mit meinen Eltern überstehen müssen.

Ich machte einen zögerlichen Schritt auf das geölte Parkett in den Eingangsbereich, nur um festzustellen, dass das Glück in letzter Zeit wirklich nicht auf meiner Seite war. Statt in ein leeres Haus zu kommen, platzte ich mitten in eine dieser hochkarätigen High-Society-Veranstaltungen – und meine Eltern waren die Gastgeber. Erst jetzt drangen die Stimmen, das Lachen und das Klirren der Gläser durch das Rauschen in meinen Ohren zu mir durch. Geräusche, die ich sicher auch draußen gehört hätte, wenn ich nur nicht so unaufmerksam gewesen wäre. Shit!

Auf diese Party war ich absolut nicht vorbereitet. Ich hatte ein anstrengendes Gespräch mit meinen Eltern befürchtet, aber nicht dieses Déjà-vu. Aus purem Instinkt drehte ich mich noch auf dem Absatz um und wollte wieder verschwinden, bevor mich jemand entdeckte, aber es war längst zu spät.

»Kendra?«, hörte ich die Stimme meiner Mutter. »Was machst du denn hier?«

Ich erstarrte und verfluchte das Schicksal oder was auch immer für solche Situationen zuständig war. Innerhalb einer Millisekunde war ich mir schmerzlich bewusst, wie ich aussah. Das Urteil meiner Eltern würde vernichtend ausfallen. Ich trug dank der fluchtartigen Abreise einen kurzen Minirock, dazu Overknees und ein bauchfreies Top. Garantiert hatte ich heftige Mascaraspuren unter den Augen. Ich sah ein bisschen aus wie Julia Roberts in Pretty Woman – in ihrem Straßenoutfit. Nur Modekenner würden sehen, dass jedes Kleidungsstück von einem angesehenen Designer war. Bloß half mir das grade nicht. Denn für eine lange Partynacht war ich zwar hammermäßig gekleidet – für eine gediegene Cocktailparty hingegen absolut nicht.

»Hi, Mom«, gab ich mit einem verlegenen Lächeln zurück und schloss beim Umdrehen meine Lederjacke, die hoffentlich das Schlimmste verdecken würde. Gegen meinen kurzen Rock konnte sie aber auch nichts ausrichten. Ich machte meinem Ruf als Problemkind der Familie Carnegie alle Ehre, kaum dass ich das Haus betreten hatte.

Meine Mutter überwand ihre Überraschung mit einem Lächeln und entschuldigte sich bei den Gästen, in die ich beim Reinkommen beinahe hineingestolpert wäre. Mom gab die perfekte High-Society-Lady, die ich niemals sein würde. Sie führte die Alcotts bis ins Wohnzimmer zu den anderen Gästen, dann stöckelte sie begleitet von lautem Klacken über das Nussbaumparkett zu mir.

Am liebsten wäre ich sofort wieder abgehauen, aber ich hätte nicht gewusst wohin. Scham wegen meines Outfits brannte auf meinen Wangen und ich machte mich innerlich bereit für die Predigt. Ich konnte mir vorstellen, wie das auf Mom wirkte. Aber die Ansprache kam nicht. Stattdessen breitete meine Mutter die Arme aus und drückte mich an sich. So fest, dass sie mir mit ihrer Umarmung die Luft abschnürte. Nur das bewahrte mich letztlich davor, bei ihrer Berührung in Tränen auszubrechen. Ihr vertrautes Parfüm, das ich seit so langer Zeit nicht mehr gerochen hatte, stieg mir in die Nase. Mit einem Schlag traf mich die Erkenntnis, dass ich nach all dem Chaos der letzten Tage tatsächlich zu Hause war. Ich rang um Fassung.

»Wieso hast du denn nicht gesagt, dass du kommst?« Sie schob mich ein Stück von sich, um mich zu mustern.

»Ich habe euch vermisst«, gab ich gepresst zurück und wirkte dank meiner zitternden Stimme nicht besonders überzeugend. Ich konnte ihr auf keinen Fall sagen, warum ich tatsächlich zurückgekommen war. Denn dann müsste ich ihr auch beichten, dass ich Mist gebaut hatte, und das brachte ich nicht über mich. Nicht jetzt. Ich war hergekommen, um zu vergessen.

Ich sah an Moms Gesichtsausdruck, wie ihre Mutterinstinkte mit jeder weiteren Sekunde stärker ansprangen. Sie merkte viel zu schnell, dass das nicht die ganze Wahrheit war. Und ich war kurz davor, sie ihr zu erzählen, obwohl ich wusste, dass ich das nicht sollte. Ich hatte vollkommen unterschätzt, was es mit mir machen würde, sie zu sehen.

Ein Räuspern hinter ihr machte mir wieder bewusst, dass nicht nur sie anwesend war. Neugierige Augenpaare richteten sich aus dem offen gestalteten Wohnraum auf mich, aber nur eines davon ließ mich schlucken. Mein Vater ragte jetzt hoch über Mom auf und legte ihr eine Hand auf den Rücken, mit der anderen schirmte er mich von den Gästen ab. Ihm war nicht entgangen, wie ich aussah, und sein Gesichtsausdruck ließ mich das spüren.

Innerhalb von Sekunden fühlte ich mich wieder wie die Sechzehnjährige, die sich in unangemessenen Klamotten aus dem Haus geschlichen hatte, um auszugehen. Wenn ich mitten in der Nacht zurückgekommen war, hatte er mich oft genug mit genau dem gleichen Blick angesehen. Seiner Meinung nach legte ich gerade eine absolut grandiose Show hin und ich hatte sie im Gegensatz zu früher nicht einmal geplant.

»Wie … überraschend, dich hier zu sehen.«

»Es war eine spontane Idee.« Ich trat von einem Fuß auf den anderen und fühlte mich auf eine bekannte Art unerwünscht.

»Kommst du von einer Party oder gehst du auf eine?«

Sein strenger Tonfall ließ mich zusammenzucken und ich war meiner Mutter mehr als dankbar, dass sie sich einmischte. Selbst wenn es nur war, um den Schein zu wahren und der versammelten High Society nicht eine noch bessere Lästervorlage zu liefern, als ich das eh schon getan hatte. Hitze rauschte durch meinen Körper, weil ich es wieder geschafft hatte, dass morgen alle über mich reden würden. Früher hätte mich das vielleicht noch mit einem rebellischen Stolz erfüllt, aber ich hatte mich in den vergangenen drei Jahren geändert. Auch wenn es gerade für meine Eltern bestimmt absolut nicht so wirkte.

»Lasst uns bitte in die Küche gehen.«

Mom warf meinem Vater einen Blick zu und er nickte. Mit der Hand auf meinem Rücken schob er mich vor sich her.

Leider waren wir in der Küche auch nicht allein. Überall wuselten Angestellte umher und bereiteten Essen vor. Aber sie waren höflich oder ängstlich genug, um uns zu ignorieren. Kaum war die Tür hinter meiner Mutter zugefallen, ergriff Dad das Wort.

»Kendra, was machst du hier?« Er klang beinahe besorgt und ich schöpfte Hoffnung, dass er vielleicht doch Verständnis für mich hätte. Aber das hielt nicht besonders lange an. »Und dann auch noch in so einem Aufzug.«

Ich verschränkte die Arme vor dem Bauch, als könnte ich so überdecken, dass bei dem Outfit eine zu große Menge Stoff fehlte, um noch angemessen zu sein. Mir war schon vorher klar gewesen, dass der Look für Unmut sorgen würde, aber ich hatte die gesamte Situation völlig falsch eingeschätzt.

»Tut mir leid«, entschuldigte ich mich und unterdrückte ein nervöses Lachen. Man sollte denken, ich hätte mir in den acht Stunden Flugzeit ein paar mehr Gedanken darüber gemacht, was ich ihnen sagen würde. Die einzige ehrliche Antwort auf ihre Fragen wäre gewesen, dass ich vor allem nicht hatte weiterhin in England bleiben können. Ich hatte unbedingt weggemusst und, ohne nachzudenken, dem Impuls nachgegeben.

Bilder an die vergangene Nacht tauchten vor meinem inneren Auge auf. Da waren viele Menschen, Musik und ein Rettungswagen. In meinem Bauch breitete sich wieder die kalte Übelkeit aus, die mich seit dieser Party kaum noch losgelassen hatte. Aber ich musste mich zusammenreißen. Ich durfte jetzt nicht in Tränen ausbrechen. Entschlossen verdrängte ich die Erinnerungen und damit auch das Schuldgefühl, dann zwang ich mich, meine Eltern anzusehen.

»Schon gut, Schatz.« Mom strich mir über den Arm und wieder kribbelte ihre Berührung auf meinem Körper. »Aber du hättest doch anrufen können?«

»Es muss etwas passiert sein.« Mein Vater musterte mich mit gerunzelter Stirn und ich konnte nicht sagen, ob die Sorge um mich dieses Verhalten auslöste oder die darum, welche Scherben er meinetwegen aufkehren musste. Ich hätte am liebsten gelacht, weil er damit nicht einmal falschlag. Nur würde ich ihm das bei dem Blick, den er mir zuwarf, nicht sagen. Wenn ich bei meiner Abreise noch ein bisschen gehofft hatte, dass meine Eltern mir aus dem Schlamassel helfen würden oder auch nur Verständnis für mich hätten, begrub ich die Idee nun endgültig.

»Es ist alles in Ordnung. Ich hatte nur Heimweh«, wiederholte ich die einzige Antwort, die ich geben konnte.

Ich hätte es eh besser wissen müssen. Immerhin hatte er mich vor mehr als drei Jahren zu Tante Kate abgeschoben, weil ich nach einer geheimen Party vor versammelter Upper Class in einen Blumenkübel gebrochen hatte. Er hatte mich weggeschickt, damit ich mich besserte, wie er damals gesagt hatte. Nur hatte er sich jahrelang nicht dafür interessiert, ob ich das geschafft hatte. Und dank seines Gesichtsausdrucks wurde mir wieder bewusst, dass Fehler im Hause Carnegie nicht toleriert wurden.

»Ich bin wirklich froh, euch zu sehen. Aber ich bin auch total müde. Wir können doch morgen noch reden. Ich lege mich einfach hin, ja?«

Meine Eltern tauschten einen Blick und erst jetzt kam mir der Gedanke, dass es mein Zimmer nach der langen Zeit vielleicht gar nicht mehr gab.

»Wie wäre es, wenn du duschst, dich umziehst und dann wieder runterkommst, hm?« Mom musterte mich mit einem halbherzigen Lächeln. »Ich meine es nicht böse, aber du siehst wirklich nicht vorzeigbar aus, Schatz. So kannst du nicht auf die Party gehen.«

Ich holte Luft, um ihr zu sagen, dass ich das auch gar nicht wollte. Ich wollte nur ein Bett, eine ganze Menge Schlaf und endlich vergessen. Mir lag schon das »Aber« auf der Zunge und ich kam mir dabei wie ein Teenager vor. Besonders, weil mein Vater mir diesen mahnenden Blick zuwarf, der mich gefühlsmäßig in die Vergangenheit katapultierte.

Mom nutzte die Stille, um mir weitere Anweisungen zu geben. »Du findest in deinem Schrank sicher noch was zum Anziehen, das besser zum Anlass passt. Und ansonsten nimmst du dir etwas aus meinem, ja?«

Ich seufzte und gab auf. Es war zu lange her, dass ich mit ihnen solche Diskussionen hatte führen müssen, und ich war zu ausgelaugt, um es zu versuchen. Ich hätte sowieso nicht gewonnen. Also würde ich es in dieser Situation machen wie die Queen: lächeln und winken.

»In Ordnung«, stimmte ich zu und Dad nickte.

»Wir sehen dich in einer halben Stunde hier unten.«

Mom nahm meine Hand und drückte sie. Als sie mich jetzt betrachtete, lag ein sanfter Ausdruck auf ihrem Gesicht, der es schwerer machte, mich zusammenzureißen. »Es ist trotzdem schön, dass du hier bist.«

Mein Vater sagte nichts, sondern ging schweigend aus dem Raum. Mom folgte ihm nach einem weiteren Blick und ich blieb allein zurück, in einer Küche, die mir vertraut und gleichzeitig fremd war.

Ich nahm zwei tiefe Atemzüge und ärgerte mich über mich selbst, weil ich mich in diese blöde Situation gebracht hatte. Irgendwie stolperte ich gerade planlos in ein Leben, das schon seit Jahren nicht mehr meins war. Und so sehr ich es auch vermisst hatte, wünschte ich mir, die Umstände wären anders. Ich hatte mir in meiner Zeit in Oxford immer vorgestellt, dass ich nach meinem Abschluss nach Hause zurückkehren und von meinen Eltern mit offenen Armen empfangen werden würde. Und dann hätte ich allen gezeigt, dass sie sich mit ihrer Meinung über mich geirrt hatten. Stattdessen war in den vergangenen vierundzwanzig Stunden alles aus dem Ruder gelaufen und ich hatte noch dazu eine Party meiner Eltern gecrasht. Und das hieß in den Augen der High Society wohl, dass Dramaqueen Kendra Carnegie zurück war.

Kapitel 2

Mein Zimmer existierte noch und es sah genauso aus, wie vor dreieinhalb Jahren. Die rosa Tagesdecke kam mir mit den Rüschen zwar zu übertrieben vor und ich hatte keine Ahnung, wie ich es jemals geschafft hatte, unter diesem rosafarbenen Baldachin zu schlafen, aber irgendwie half der Anblick mir anzukommen. Ich war wieder hier und ich hatte dieses Haus vermisst – mein Zimmer dagegen weniger. Es fühlte sich auf eine komische Weise nach Zeitreise an und zumindest bei einer Sache hatte mein Vater recht behalten: Die Jahre in England bei Tante Kate hatten mich verändert. Mein altes Ich war mir genauso fremd wie dieses rosarote Prinzessinnenzimmer. Und gleichzeitig waren die ganze Umgebung und die Person, die ich gewesen war, mir angenehm nah.

Nachdem ich den ersten Kulturschock halbwegs überwunden hatte, duschte ich und bearbeitete meine braunen naturkrausen Haare mit einem Lockenstab, bis sie mir in sanften Wellen um die Schultern fielen. Man sah mir kaum noch an, welche Gefühle unter meiner Haut brodelten. Und das war gut so. Nach einigem Grübeln zwängte ich mich in ein blutrotes Cocktailkleid von früher, das nach der langen Zeit in meinem Schrank ein wenig muffig roch. Heute füllte ich es ein bisschen mehr aus als damals, aber zusammen mit den schlichten schwarzen High Heels sah ich im Großen und Ganzen vorzeigbar aus. Natürlich war mein Outfit nicht perfekt und ich hatte deutlich länger gebraucht, als die von meinem Vater veranschlagte halbe Stunde. Aber ich würde einfach ein typisches Upper-Class-Lächeln aufsetzen und hoffen, dass meine Eltern dann zufrieden mit mir waren.

Wieder ließ ich den Blick durch das Zimmer wandern und ohne die Geräusche der Dusche oder des Föhns breitete sich Stille aus. So ohrenbetäubend, dass ich nichts mehr hatte, was meine Gedanken übertönen konnte. Mit jeder Sekunde wurden sie lauter und erinnerten mich an Dinge, an die ich nicht denken wollte. Und das war tausendmal schlimmer, als mich den Leuten auf dieser Party zu stellen. Also gab ich mir einen Ruck und machte mich auf den Weg nach unten.

Bevor ich in das große Wohnzimmer trat, holte ich tief Luft. Es war voller Leute, die meinen Eltern Komplimente für ihren Geschmack, das teure Kunstwerk an der Wand oder den neusten Geschäftsabschluss machten. Kaum hatte ich einen Fuß hineingesetzt, reckten sich Hälse in meine Richtung. Die Blicke, die ich auffing, waren nicht alle freundlich. Zwei ältere Damen wirkten sogar regelrecht schockiert und steckten hinter vorgehaltener Hand die Köpfe zusammen.

Wow. Ich hatte völlig vergessen, wie es sich anfühlte, auf diesen Veranstaltungen zu sein. Tante Kate gehörte zwar in England ebenfalls der Oberschicht an, hatte aber nie viel Wert auf gesellschaftliche Anlässe gelegt. Das war wahrscheinlich einer der Gründe, warum man mich zu ihr geschickt hatte. Ohne passende Gelegenheiten konnte ich den Ruf der Familie nicht weiter durch den Dreck ziehen.

Ich ließ den Blick über die Szenerie schweifen und mit jeder Sekunde, die verstrich, erinnerte ich mich drängender an früher. Damals hatte ich genauso wenig dazugehört wie heute. Egal, was ich versucht hatte. Meine Antwort als Teenager war gewesen, der Oberschicht zumindest echte Gründe zu liefern, um über mich zu reden. Damals hatte ich mir den Ruf als Skandaljägerin hartnäckig verdient. Aber ich hatte nicht erwartet, dass meine früheren Fehltritte immer noch ein großes Thema sein würden. Doch das waren sie.

Mit einem aufgesetzten Lächeln trat ich neben Mom und begrüßte Mrs Alcott, mit der sie in ein Gespräch über Kunst vertieft gewesen war.

»Margret, deine Tochter ist so erwachsen geworden!« Die ältere Dame sah von mir zu Mom und wieder zurück. »Diese Wangenknochen hat sie eindeutig von dir, aber man erkennt den Willen von der väterlichen Seite in ihren Augen. So grau wie Stahl. Genau wie der Vater.«

Ich kam mir ein bisschen vor, als wäre ich ein Hund oder Rennpferd auf einer Züchtershow. Aber Mom schien sich darüber zu freuen.

»Ja, Kendra hat sich wirklich weiterentwickelt«, stimmte sie ihr zu und Mrs Alcott lehnte sich verschwörerisch zu uns.

»Ein paar Jahre in England machen einen ja auch innerlich reifer.«

Mom behielt ihr Lächeln bei, trotzdem sah ich, wie der Funke Stolz aus ihren Augen wich, als sie an mein früheres Verhalten erinnert wurde. Meine Ohren glühten förmlich und es fiel mir schwer, nicht aus der Rolle zu fallen oder einen bissigen Kommentar abzugeben. Ich war diese Cocktailpartys definitiv nicht mehr gewohnt.

»Es ist schön, wieder hier zu sein«, ergriff ich das Wort und lächelte so stark, dass meine Wangen schmerzten. Mrs Alcott fragte, wie lange ich bleiben würde, und ich war gerade dabei, mir eine Antwort auszudenken, da blieb mein Blick an einer Person hinter der älteren Dame hängen.

»Sloan Whitaker?«, rutschte mir raus und im gleichen Moment erkannte sie mich.

Ihr entglitt vor Überraschung das falsche Lächeln und der Kerl im maßgeschneiderten Anzug neben ihr hob den Kopf in meine Richtung. Jetzt stand auch mir der Mund halb offen. Sie war mit Grant Fitzgerald hier?

»Bitte entschuldigen Sie mich. Ich möchte eine alte Freundin begrüßen«, verabschiedete ich mich bei Mrs Alcott, die sich eh schon wieder mit meiner Mutter unterhielt.

Sloan und ihr Begleiter hatten sich zwischenzeitlich auch von ihren Gesprächspartnern losgemacht und kamen mir entgegen. Meine Laune hob sich augenblicklich, als meine alte Freundin mich angrinste und in ihre Arme zog.

»Wieso hast du nicht gesagt, dass du kommst?«, fragte sie in meine braunen Haare, die ihre Stimme beinahe verschluckten.

»Es war ein spontaner Besuch.«

»Wow, Kendra. Wie lange ist das her?« Sloan musterte mich und ich war mir sicher, dass sie sich noch in dieser Sekunde ein Urteil bildete. Über mich, meine Frisur und vor allem mein Outfit. Anders als erwartet, schnitt ich scheinbar recht gut ab.

»Wenn ich mich vorstellen darf? Grant Fitzgerald.«

Sloans Begleitung reichte mir die Hand, aber ich hatte natürlich gewusst, wer er war. Er war auf der Elite Highschool ein paar Jahrgänge über uns gewesen und hatte einen bestimmten Ruf genossen. Aber der hatte sich wohl geändert, wenn Sloan mit ihm hier war.

»Hi, ich bin Kendra Carnegie«, erklärte ich, weil ich hoffte, dass er im Gegenzug nicht wusste, wer ich war.

Aber das Karma hatte heute eindeutig was gegen mich. Durch seine Augen zuckte dieses Blitzen, das ich nur von Mitgliedern der New Yorker Oberschicht kannte. Es trat immer dann auf, wenn sie sich an Klatsch und Tratsch erinnerten – und meine früheren Eskapaden waren scheinbar auch heute noch guter Gesprächsstoff.

Ich war zwar lange nicht mehr hier gewesen, aber ich wusste, dass die Neuigkeit von meinem gesellschaftlichen Fehltritt sich nach meiner Abreise sicher wie ein Lauffeuer verbreitet hatte. Die Spannung, die sich deshalb um meinen Brustkorb legte, ignorierte ich bestmöglich.

»Es ist über drei Jahre her«, nahm ich Sloans Frage wieder auf und sie legte ungläubig den Kopf schief.

»Und wie lange bist du hier? Das müssen wir unbedingt feiern! Außerdem ist das die beste Möglichkeit, von dieser Cocktailparty zu verschwinden.« Sie rollte mit den Augen und ihr Freund nickte.

»Wir haben uns nun auch genug sehen lassen. Und ich bin dir dankbar, dass du diesen Abend meinetwegen ertragen hast. Ich mache es wieder gut, Darling.« Grant hauchte ihr einen Kuss auf die Wange.

Während ich noch versuchte, mich an dieses neue Bild zu gewöhnen, presste ich unschlüssig die Lippen aufeinander. Obwohl ich absolut nichts dagegen hätte, dem Gerede der Leute aus dem Weg zu gehen, wären meine Eltern sicher nicht begeistert, wenn ich mich jetzt verzog.

»Ich bin noch gar nicht lange hier und sollte mich wohl erst ein bisschen zeigen.«

»Na, dann drehst du eine Runde und danach kannst du ruhigen Gewissens gehen. Die sind doch eh alle mit sich selbst beschäftigt«, meinte Sloan. »Wir könnten den Abend im Glitter and Gold ausklingen lassen.«

Weil ich nicht sofort wusste, was mir der Name sagen sollte, fügte Sloan an: »Erinnerst du dich daran? Mein Bruder hat die Flüsterkneipe vor ein paar Jahren eröffnet und sie ist wirklich nobel. Dort kommt niemand rein, der nicht persönlich auf seiner Liste steht.«

Das war nahezu perfekt. Denn mit jedem Tuscheln, das ich hörte, und jedem Blick, der in meinem Nacken kribbelte, wurde ich unruhiger. Ich war nach New York gekommen, um meine Fehler zu vergessen, und nicht, um die ganze Zeit an die früheren erinnert zu werden. Ich hatte in den vergangenen Stunden leider bewiesen, dass ich immer noch bestens dazu in der Lage war, unabsichtlich Katastrophen zu verursachen. Vielleicht wäre es sogar sicherer, wenn ich die Veranstaltung meiner Eltern verließ, bevor ich für neuen Gesprächsstoff sorgte.

»Das klingt eigentlich gar nicht so übel«, gab ich zu und Sloans Augen leuchteten auf.

»Ich kann’s kaum erwarten zu erfahren, wie es bei dir läuft. Und im Glitter and Gold wären wir ein bisschen ungestörter. Die Geier hier lauern nur darauf, irgendwelche Informationen abzugreifen, die sie ganz bestimmt nichts angehen.«

Sie zog eine Grimasse und ich grinste. Sloan hatte mir mit ihrer Art ziemlich gefehlt und mir gefiel, dass sie kein Blatt vor den Mund nahm. Also drehte ich eine Anstandsrunde durch die Gäste und holte dann Jacke und Tasche aus meinem Zimmer im zweiten Stock. Dabei achtete ich penibel darauf, dass meine Eltern nichts mitbekamen. Ich war immerhin erwachsen und konnte auf ihre missbilligenden Blicke gut verzichten.

Als ich wieder unten ankam, hatte meine frühere Freundin weitere bekannte Gesichter um sich versammelt. Neben ihr stand Eden McAllister und dass beide immer noch befreundet waren, wunderte mich nicht. Sie waren seit dem Kindergarten gute Freundinnen, während ich Sloan erst in der Highschool wirklich kennengelernt hatte. Früher war ich für sie wohl manchmal der lockere Gegenpol zur stillen Eden gewesen. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich mich damals nicht gut mit ihr verstanden. Wir waren einfach zu unterschiedlich.

Eden begrüßte mich mit einem freundlichen und vor allem offenen Lächeln. »Wie schön, dass du New York besuchst. Sloan und ich haben erst letztens an dich gedacht.«

»Ach ja?«, fragte ich verwundert und merkte jetzt, dass Eden anders wirkte als zu Schulzeiten. Ich konnte nur nicht sagen, woran das lag.

Eden hatte sich auf der Highschool den Erben des Rutherford-Immobilien-Imperiums geangelt und war damit den klassischen Weg gegangen. Das war auch ungefähr die Zeit gewesen, in der Sloan ab und an mit mir abgehangen hatte – was ich ziemlich gut verstehen konnte. Eden und William waren so ein perfektes Vorzeigepaar, dass ihre Gegenwart sicher anstrengend gewesen war. Und das Schlimmste war, dass ein Teil von mir sich damals gewünscht hatte, auch so zu sein: dazuzugehören und von allen gemocht zu werden, immer das Richtige zu tun und einen Lebensweg ohne Stolpersteine zu haben. Aber dieser Wunsch war mir vom Schicksal definitiv nicht erfüllt worden. Stattdessen hatte es mit einem enormen Stinkefinger auf alle meine Versuche reagiert, es doch hinzukriegen. Und gestern Abend hatte das Ganze seinen Höhepunkt genommen.

»Das ist eine längere Geschichte«, gab Eden zurück und zuckte mit den Schultern, während die junge Frau neben ihr auf mich zukam. Ich erinnerte mich dunkel an sie, weil mir vor allem ihre lange, wallende Frisur im Gedächtnis geblieben war.

»Camila Alvarez«, stellte sie sich vor. »Ich habe schon einiges über dich gehört«, schob sie nach und in ihren Augen funkelte es.

»Und mit Sicherheit nicht nur Gutes«, überspielte ich lächelnd den Stich in meiner Brust, den ihr Kommentar ausgelöst hatte. Darauf, dass mein Ruf mir vorauseilte, würde ich gern verzichten.

Hinter den beiden Frauen trat nun eine Person an uns heran, die ich definitiv anders in Erinnerung hatte – bis auf das milchige linke Auge. Bei dem Anblick richteten sich die feinen Härchen in meinem Nacken auf.

Rhett Whitaker war kein Teenager mehr, sondern ein Mann. Sloans Bruder trug wie Grant einen teuren und perfekt sitzenden Anzug. Nur war seine Haltung aufrecht und beinahe starr. Alles an ihm hatte eine fast aristokratische Ausstrahlung. Das spiegelte sich auch in seinem Gesicht wider, das dank seines dunklen Barts noch gediegener wirkte. Durch das kleine Dreieck unter seiner Unterlippe wurde der eher strenge Oberlippenbart perfekt ergänzt.

Rhett und Grant sahen nebeneinander aus wie Models. Sloans Freund war der lässige Charmeur und Rhett der unnahbare Geschäftsmann. Vor allem, weil Sloans Bruder seine Haare in einem Weißblond gestylt hatte, das kaum natürlich sein konnte.

Rhett trat zu mir und ich reichte ihm automatisch die Hand. Aber statt sie zu schütteln, drehte er sie leicht und hauchte einen zarten Kuss darauf. Seine Lippen berührten meine Haut kaum und doch konnte ich für die Dauer eines Wimpernschlags keinen klaren Gedanken fassen. Die Haare seines Oberlippenbartes kitzelten meinen Handrücken und ich spürte sogar die Wärme seines Atems, der mich hauchzart streifte. Ein Impuls rauschte von der Stelle durch meinen Körper, erreichte mein Herz und brachte es für mehr als einen Schlag aus dem Takt.

Was war das denn gerade?

Ich traute mich kaum, mich zu bewegen, bis Rhett sich aufrichtete. Dabei trafen sich unsere Blicke und ich wusste nicht, was ich sagen oder denken sollte. Ich war viel zu perplex und mein von der Party und dem Jetlag verkaterter Kopf kam nicht hinterher. Rhett hatte eine Geste, die der gealterten Upper Class gehörte, zu neuem Leben zu erweckt – und das ohne jeglichen Spott.

»Es ist schön, dich wiederzusehen.« Er sah mir tief in die Augen und hielt immer noch meine Hand, während sein voller Bariton in meiner Brust nachhallte.

Ich kannte Rhett Whitaker. So gut wie man den großen Bruder einer Freundin eben kannte. Durch meine Freundschaft zu Sloan hatte ich ihn ab und zu gesehen, aber ich erinnerte mich nicht daran, oft mit ihm geredet zu haben. Er war damals ein verschlossener und eher unscheinbarer Junge gewesen, über den die Leute wegen seiner ungleichen Augen oft genug gesprochen hatten. Wenn ich ehrlich war, hatte ich seinen dadurch intensiveren Blick früher auch ein wenig beunruhigend gefunden.

»Ich freue mich auch«, presste ich nach einer Ewigkeit heraus und löste endlich meine Hand aus seiner. Ich hatte das verwirrende Bedürfnis, sie auszuschütteln, weil sie seinetwegen seltsam kribbelte. Dabei fing ich einen Blick von Sloan auf, die eine Augenbraue fragend hochgezogen hatte und mich mindestens so aufmerksam betrachtete wie ihr Bruder eben. Ich schluckte gegen den Kloß in meinem Hals und zuckte nur leicht mit den Achseln.

Was sollte ich ihr schon groß sagen? Ich hatte ja selbst keine Ahnung, was gerade passiert war.

Kapitel 3

Als wir das Glitter and Gold betraten, wurde mir klar, dass Sloan sich überhaupt keine Mühe hätten geben müssen, mir den Laden schmackhaft zu machen. Die Flüsterkneipe sprach für sich und mir rutschte ein anerkennendes »Wow« raus. Der Privatclub war im Stil der Zwanzigerjahre eingerichtet und bestach durch das aufeinander abgestimmte Design in Gold und Schwarz. Kein Wunder, dass sich die jüngere Generation der Oberschicht darum riss, hier reinzukommen.

»Das ist deine Bar?«, fragte ich Rhett, der uns zu einem freien Tisch führte. Auf der Bühne spielte stilvoller Jazz und machte die Illusion der Golden Twenties perfekt.

Rhetts Mundwinkel hob sich leicht und er nickte knapp. Ich dachte, er würde mir erklären, wie er dazu gekommen war oder warum er sich für eine Karriere als Barbesitzer entschieden hatte, aber er schwieg. Stattdessen sprang Sloan ein.

»Was ich am meisten am Glitter and Gold mag, ist der Club im hinteren Teil. Man kann sich spontan noch von dem hier«, sie machte eine ausladende Geste, »für eine Partynacht entscheiden.«

Wir setzten uns an einen Tisch, der weit genug von der Bühne entfernt war, um angenehm miteinander sprechen und trotzdem die Musik hören zu können. Eine Kellnerin kam vorbei und nahm unsere Bestellungen auf. Als ich an der Reihe war, zögerte ich. Die Kopfschmerzen, die durch meine Ankunft in New York in den Hintergrund gerückt waren, meldeten sich wieder. Und mit ihnen drängten sich auch Erinnerungen in meinen Geist.

Meine Hände verkrampften sich, die vorher locker in meinen Schoß gelegen hatten, und ich kämpfte vergeblich gegen die Bilder an. Da war dieser Kerl gewesen und später das grelle Neonlicht im Kranken–

»Ist alles in Ordnung?«, hörte ich einen sanften Bariton von der Seite und wurde aus der Gedankenspirale gerissen.

Ich atmete aus und gab mir Mühe zu nicken. Zu einem Lächeln konnte ich meine Mundwinkel nicht überreden.

»Ja, alles bestens.«

Rhett hatte sich zu mir gelehnt und wieder trafen sich unsere Blicke. Ich war ihm noch nie so nah gewesen und konnte mich nicht davon abhalten, sein Auge genauer zu betrachten. Nicht nur die Pupille, sondern auch die Iris schimmerte milchig und das gab seinem Blick eine Intensität, die mich faszinierte – und gleichzeitig nervös machte. Das andere Auge war so satt braun wie ein Edelstein.

Je länger er mich betrachtete, umso stärker baute sich Spannung in meinem Körper auf. Und das hieß, ich würde bald nicht mehr in der Lage sein, mich weiter zusammenzureißen und nicht in Tränen auszubrechen, wenn ich ihn weiterhin ansah.

»Ich hätte gern einen Sidecar«, bestellte ich bei der Kellnerin und löste mich damit von Rhetts Blick. Aus dem Augenwinkel sah ich seinen Oberlippenbart zucken, als er einen Mundwinkel hob.

»Was ist ein Sidecar?«, fragte Eden, aber ich kam nicht zu einer Antwort, weil Camila sich einmischte.

»Ein alkoholischer Drink aus Triple Sec, Cognac und Orangensaft.« Sie verzog grübelnd den Mund und lehnte sich in dem dunklen Ledersessel zurück.

»Eigentlich«, ergriff ich wieder das Wort, »wird er mit Zitronensaft zubereitet.«

»Echt? Ich hätte schwören können, der wird mit Orange gemacht.« Sie warf einen Blick zu Rhett, der als Barbesitzer wohl am besten wusste, welche Cocktails auf seiner Getränkekarte standen.

»Kendra liegt richtig«, gab er sachlich zurück und bestellte bei seiner Angestellten ein Wasser.

Während wir auf die Getränke warteten, begann Sloan zu reden. Sie erzählte von ihrem Leben und allem, was in den letzten Jahren passiert war. Und ich bereute ein wenig, dass ich irgendwann aufgehört hatte, ihr auf Instagram zu folgen. Aber nachdem unser Kontakt eine Weile nach meinem Umzug endgültig abgebrochen war, hatte ich mich gänzlich von meinem alten Leben zurückgezogen. Das war leichter gewesen, als es die ganze Zeit zu vermissen.

Auch deshalb tat es verdammt gut, mit ihr und den anderen hier zu sein. Sie tratschten nicht über mich und warfen mir auch nicht diese enttäuschten Blicke zu, die ich von meinen Eltern zu spüren bekommen hatte. Sloan behandelte mich genau wie früher und ich war mir ziemlich sicher, dass wir gerade mit unserer Freundschaft da weitermachten, wo wir aufgehört hatten. Zumindest wenn ich bei ihr und ihrem Leben wieder up to date war.

»Und ich baue mir gerade eine eigene Modelinie auf«, beendete sie die Lovestory über sie und Fitzgerald.

»Das ist wirklich großartig«, gab ich anerkennend zurück. Sloan hatte in den vergangenen Jahren eine Menge erreicht. Ich wünschte, ich wäre schon einen Schritt weiter. In England hatte ich nur versucht, alles richtig zu machen und mein Literaturstudium in Oxford mit Bestnoten abzuschließen, damit ich wieder nach Hause kommen konnte.

»Hättest du vielleicht Lust, mal ein paar der Sachen zu tragen? Ich habe da ein Outfit, das noch nicht ganz fertig ist, aber perfekt zu dir passen würde!«

»Ähm, sicher«, stammelte ich, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass ich mich dabei besonders gut anstellte. »Ich habe zwar keine Ahnung vom Modeln, aber du sagst mir bestimmt, was ich tun soll.«

»Du hast zugesagt, das ist schon der erste Schritt!« Sie grinste mich an und warf ihrer Freundin einen vielsagenden Blick zu. »Eden ist auch noch eine Modeljungfrau. Aber sie hat endlich zugestimmt, eins meiner Outfits zu präsentieren. Ich mache am besten ein Shooting mit euch beiden!«

Sloans Augen funkelten, aber Eden strich sich peinlich berührt die Haare aus dem Gesicht, dabei lächelte sie mir zu. »Ich bin froh, es nicht alleine machen zu müssen. Aber Sloan weiß echt, was sie tut. Sie hat Cami ein Kleid für meine Verlobungsfeier gemacht und das hat mir definitiv die Show gestohlen.«

Camila lachte und wirkte ertappt. »Na ja, nicht nur das Kleid, mit dem ich gekommen bin, hat eine gewisse Aufmerksamkeit auf sich gezogen.«

Sie zuckte mit den Achseln und ich war nicht im Geringsten überrascht. Es passte zu Eden, dass sie schon mit einundzwanzig mit ihrem Highschoolfreund verlobt war. Ein Meilenstein auf dem perfekten Weg zur Upper-Class-Ikone.

Aber bevor ich ihr gratulieren konnte, tauchte ein großer Kerl mit dunkelbraunem Man Bun und etwas mehr als Dreitagebart am Tisch auf. Zuerst hielt ich ihn in dem schwarzen Outfit für einen Kellner, doch dann beugte er sich zu Eden herunter und küsste sie. Nicht freundschaftlich, sondern auf den Mund. Und zwischen den beiden herrschte sofort eine flirrende Spannung, die nicht zu übersehen war.

»Das ist nicht William Rutherford«, rutschte mir halblaut heraus und der große Kerl lachte.

»Raffael Alvarez«, stellte er sich vor und mir fiel auf, dass ich den Nachnamen heute schon einmal gehört hatte. Und das ergab noch weniger Sinn.

Man musste mir meine Verwirrung deutlich ansehen, denn Sloan sprang ein. »Nein, das ist er zum Glück nicht.«

»Wir sind noch nicht lange zusammen«, erklärte Eden.

Ich hatte wohl doch einige entscheidende Veränderungen hier nicht mitbekommen.

Sloan winkte grinsend ab. »Keine Sorge, es ist nicht so kompliziert, wie es scheint.«

Und keine fünf Minuten später wusste ich in der Kurzversion, was passiert war. Mit meiner Vermutung, dass Rutherford Eden einen Antrag gemacht hatte, lag ich gar nicht falsch. Nur hatte der mit einer Trennung geendet und nicht mit einer Hochzeit. Und wie es aussah, waren Eden und Raffael, der Camilas Aussteigercousin war, nun ein Paar.

Der hochgewachsene Mann hatte sich zu Grant und Rhett gesetzt und berichtete mit leidenschaftlichen Gesten von einem Cocktail, während Rhetts Haltung dagegen ein bisschen steif aussah. Ich wollte mich gerade wieder abwenden, da drehte er den Kopf in meine Richtung. Hitze schoss in meine Wangen und ich wandte mich ruckartig ab. Ich wollte nicht riskieren, dass sein Blick ein zweites Mal diese Spannung in mir anfachte.

»Jetzt bist du bei uns auf dem neusten Stand. Was ist mit dir? Hast du vielleicht irgendwelche Verlobungen oder Verurteilungen zu beichten?«, scherzte Sloan und in mir zog sich alles zusammen. Das Glühen auf meinen Wangen wurde von einer kalten Welle in meinem Bauch abgelöst.

Sofort hatte ich das Blaulicht vor Augen, das mich in meinen Erinnerungen verfolgte. Obwohl ich mich seit meiner Abreise dagegen wehrte, brodelte in mir ein Sturm aus Gefühlen, der immer wilder wurde. Ich hatte ein paar Momente lang mit Sloan und den anderen so tun können, als wäre ich einfach in New York zu Besuch. Aber das war ich nicht und wenn ich mich nicht schnell irgendwie ablenkte, konnte ich der Wucht meiner Erinnerungen nicht mehr lange standhalten. Sie würden mich wie ein Tornado mit ganzer Kraft packen und ich war nicht darauf vorbereitet, alles zu fühlen, geschweige denn bereit dazu. So stechend wie die Panik unter meiner Haut spannte, hätte ich in diesem Moment alles getan, um den Sturm aufzuhalten. Also tat ich, was ich am besten konnte: Ich lenkte mich mit einer ziemlich unüberlegten Aktion ab.

»Wie wär’s, wenn wir rübergehen und tanzen?«, schlug ich vor, anstatt Sloan auf ihre Frage zu antworten. »Der Club ist doch sicher genauso stilvoll wie die Jazz-Lounge. Und ich muss meine überschüssige Energie irgendwo ablassen.«

Das stimmte zwar streng genommen nicht, aber ich konnte nicht hier sitzen und mich von meinen eigenen Gedanken überwältigen lassen.

Camila nickte begeistert und auch in Sloans Augen leuchtete es auf. Keine Sekunde später war sie auf den Beinen. »Ich hab dich echt vermisst, Carnegie!«

Und als sich beide bei mir einhakten, war der Sturm in meiner Brust zu einer stetigen Brise verklungen. Wir waren gemeinsam hier und würden uns die Füße wund tanzen, genau wie früher. Und dann konnte ich endlich vergessen.

Für die nächsten Stunden eroberte ich mit Sloan und den anderen die Tanzfläche des Clubs im Glitter and Gold. Die Einrichtung war genauso schimmernd glamourös wie vorne, aber hier hinten liefen die neusten Dance-Hits und das Licht war gedimmt. Die Musik zu fühlen und alles rauszutanzen, was mir auf der Seele lag, tat gut und ich bekam endlich, was ich seit meiner Abreise gewollt hatte: Ich hörte auf zu denken. Jedes Glas, das mir Sloan oder ihr Freund den Abend über angeboten hatte, hatte ich genommen.

Mittlerweile fühlte ich mich schwerelos und gleichzeitig angenehm schwer. Sloan zog mich in ihre Arme und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Dann meinte sie, dass sie mich auf jeden Fall anrufen würde, damit wir etwas unternahmen, solange ich hier war. Ich nickte, verabschiedete mich von ihr und wandte mich Grant zu, der mich ebenfalls kurz in seine Arme zog, als wären wir so viele Jahre befreundet wie Sloan und ich. Auf ihre Nachfrage versicherte ich ihr, dass ich auch nicht mehr lange bleiben und mich nur noch von den anderen verabschieden wollte. Camila war zwar bereits vor einer Stunde gegangen, aber Eden und ihr Freund, der tatsächlich hier im Club Barkeeper war, müssten noch da sein. Weil ich sie längst aus den Augen verloren hatte, meinte Sloan, ich sollte es an einer der Bars versuchen.

Ich machte ein paar wackelige Schritte und landete schließlich an der größeren Theke. Eden und Raffael sah ich nicht, deshalb entschied ich mich für einen kurzen Zwischenstopp bei meiner Suche. Nur, bis es mir besser ging und sich nicht mehr alles drehte. Ich hievte mich auf den Barhocker und bestellte mir in einem Moment der Klarheit ein Wasser bei einem Mitarbeiter, dann rieb ich mir über die Augen. Mein Finger war schwarz und ich brauchte eine Weile, um zu verstehen, dass ich meine Schminke verschmiert hatte. Überhaupt kam es mir vor, als würde alles in Zeitlupe passieren, langsam und klebrig. Wie mein Körper sich weiterhin aufrecht halten konnte, war mir ein Rätsel. Ich war seit weit mehr als vierundzwanzig Stunden auf den Beinen und noch dazu betrunken. Shit. Wie war das denn passiert?

Während ich auf das rettende Wasser wartete, kramte ich mein Smartphone aus der Tasche und schluckte. Ich hatte einige verpasste Anrufe und viele Nachrichten. Eine davon war von Sloan, damit ich ihre aktuelle Nummer hatte. Aber alle anderen waren von Leuten aus England und ein Name stach besonders hervor. Randall.

Ein Adrenalinschub rauschte durch meinen Körper, als ich den Chat öffnete, und ich hatte Schwierigkeiten, die Panik in meinem Bauch zurückzudrängen. Die Worte verschwammen auf dem grellen Bildschirm, sodass sie keinen Sinn ergaben. Ich erahnte nur die Drohungen darin.

Mit zitternden Händen wollte ich das Telefon ausschalten, hatte aber keine Ahnung, ob ich es geschafft hatte. Mein Blick fokussierte sich nicht richtig und ich tippte ungelenk auf dem Display herum. Zumindest wurde es dunkel und das Licht brannte mir nicht mehr in den Augen. Mit einem Rauschen in den Ohren stopfte ich das Gerät zurück in meine Tasche. Die Welt waberte um mich, während ich krampfhaft versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen, doch der Alkohol in meinem Körper hatte die Kontrolle übernommen. Ich rang nach Luft, schloss verzweifelt die Augen – und machte es nur noch schlimmer.

Ich fühlte mich zu meinem letzten Abend in Oxford zurückversetzt, hörte die Stimmen und die Musik, schmeckte den pappigen Pelz auf meiner Zunge und spürte den Schweiß auf meiner Haut. Um mich herum waren Menschen und wie in Trance hob ich die Arme, dabei traf ich auf einen Widerstand. Es dauerte einen Augenblick, bis ich begriff, dass es ein Kerl war. Er zog mich vom Hocker auf meine Beine, die sofort ungelenk einknickten. Das hier war definitiv keine Erinnerung mehr.

»Hey, Süße«, hörte ich eine unbekannte Stimme an meinem Ohr und riss die Augen auf. »Wie wär’s, wenn ich dich ins Bett bringe?«

Es war zwar dunkel im Clubbereich und mein Kopf neblig, aber ich war mir sicher, dass der Mann vor mir ein Fremder war. Er hatte seinen Arm um meine Taille gelegt und wollte mich mit sich ziehen.

»Nein«, sagte ich. Meine Stimme klang falsch in meinen Ohren, dumpf und hohl, ganz anders, als ich sie gewohnt war. »Ich will nicht.«

Mein kläglicher Versuch, mich von ihm loszumachen, scheiterte. Ich stolperte über meine eigenen Beine, kaum dass ich versuchte, einen Schritt zu gehen.

»Schon gut, Kleines. Ich kümmere mich um dich.«

Sein scharfer Unterton passte absolut nicht zu den Worten und meine Alarmglocken schrillten ohrenbetäubend. Er hatte meinen Arm über seine Schulter gelegt und hielt ihn da fest. Aber mein anderer war frei und endlich schaffte ich es, ihn zwischen mich und seine Brust zu bringen. Ich war nur nicht stark genug, um ihn wegzuschieben.

Nein, das stimmte nicht.

Ich könnte mich vielleicht befreien, aber je fester sein Griff wurde, umso größer wurde meine Angst, es mit aller Kraft zu versuchen. Ich erinnerte mich im Nebel zu schmerzlich daran, was das letzte Mal passiert war, als ich jemanden von mir gestoßen hatte. Das hatte mich überhaupt erst dazu gebracht, nach New York abzuhauen. Ich konnte hier doch nicht den gleichen Fehler ein zweites Mal machen, oder? Fehler wurden einem nicht verziehen, egal wie sehr man sie wiedergutmachen wollte.

»Ich will nicht. Lass mich los«, stammelte ich verzweifelt und der große Kerl antwortete etwas, das in einer anderen Stimme unterging. Ein voller Bariton schallte mir entgegen, kräftiger als ich ihn bisher gehört hatte.

»Lass sie gehen.«

Der Nebel in meinem Kopf lichtete sich und ich entdeckte Rhett vor mir. Seine Schultern waren gestrafft und sein Gesichtsausdruck jagte einen Schauer über meinen Körper. Das helle Auge machte seinen Blick stechender und das merkte scheinbar auch der Kerl, in dessen Arm ich hing. Sein Griff um mich lockerte sich und ich spürte den Boden fester unter meinen High Heels. Am liebsten hätte ich mich sofort in Rhetts Arme geworfen.

»Ich bring sie nur heile nach Hause«, gab der Fremde betont lässig zurück.

Obwohl keiner der Männer den anderen überragte, wirkte Rhett um ein ganzes Stück größer. Sie starrten einander an und die Spannung in der Luft verdichtete sich, als der andere Mann seine Schultern spannte.

»Kein Grund, hier einen Aufstand zu machen.«

»Ich werde mich nicht wiederholen«, gab Rhett todernst zurück und seine Stimme vibrierte dabei in den Tiefen. Dann streckte er die Hand nach mir aus und ich spürte, wie der Fremde mich losließ. Seine Berührung brannte noch auf mir, als ich mit einem wackeligen Schritt in Rhetts rettenden Armen landete. Am liebsten hätte ich vor Erleichterung geweint. Erschöpft lehnte ich den Kopf an seine Brust. Rhetts Arm war um meine Taille geschlungen, eine Hand stützend an meiner Hüfte. Und obwohl der Fremde mich eben noch auf sehr ähnliche Weise berührt hatte, fühlte ich mich in Rhetts Armen anders. Ich wusste, dass ich in Sicherheit war.

»Du hast Hausverbot«, hörte ich Rhett sagen und der andere Kerl schnaubte.

»Ich wollte ihr helfen! Das war doch nur ein Missverständnis.«

»Die gibt es nicht, wenn jemand Nein sagt. Und jetzt raus hier.«

Ich blinzelte, so schneidend war Rhetts Stimme. Für einen Moment dachte ich, dass der Fremde sich das nicht gefallen lassen würde. Er hatte immer noch die Schultern gespannt, aber Rhett wirkte nicht eingeschüchtert. Dann nickte der Fremde knapp.

»Damit hast du einen langjährigen Kunden verloren.« Er schnaubte schon halb im Gehen. »Sie ist es eh nicht wert.«

»Jeder Mensch ist es wert, dass man seine Wünsche respektiert.«

Ich schluckte gegen meinen trockenen Hals und in meinem Bauch wirbelte es heftig. Wahrscheinlich lag es am Alkohol und ich wünschte einmal mehr, ich hätte nichts getrunken. Ich fühlte mich elend.

»Geht es dir gut?«, fragte Rhett und ich nickte mechanisch. »Bist du einverstanden, wenn ich dich hier rausbringe?«

Wieder nickte ich und war dankbar, mich von ihm leiten lassen zu können. In meinem Kopf kreisten die mühsam unterdrückten Gedanken und beim nächsten Atemzug verlor ich den Kampf gegen die Erinnerungen, die der Situation gerade eben viel zu ähnlich waren. Ein Sturm an Gefühlen riss mich haltlos mit sich.

Das Nächste, das ich bewusst wahrnahm, waren Leder unter meinen Fingern und Stille um mich herum. Rhett musste mich in seinen Wagen gesetzt haben, denn ich spürte die leichte Vibration unter mir. Ich zitterte und ein Tropfen platschte auf mein Knie, dann folgten weitere. Ich weinte hemmungslos und wusste nicht einmal, wie es dazu gekommen war. Unzusammenhängende Worte kamen aus meinem Mund, die ich durch mein Schluchzen selbst nicht richtig verstand.

Der Zusammenbruch, der sich seit der Studentenparty in England angekündigt hatte, brach aus meiner Brust. Ich war völlig außer Kontrolle. Die Party, der Jetlag, meine Eltern und dieser Abend im Glitter and Gold waren zu viel für mich. All die schrecklichen Geschehnisse holten mich erbarmungslos ein. Ich weinte und schluchzte, nur unterbrochen von einzelnen Worten, die wie ein Strom aus meinem Mund sprudelten.

Dabei wusste ich, dass ich mich zusammenreißen musste. Niemand sollte erfahren, warum ich abgehauen war. Der Unfall auf meiner letzten Party musste unbedingt geheim bleiben.

Aber als Rhett Whitaker seine Hand beruhigend auf meinen Rücken legte, gab es kein Halten mehr.

Kapitel 4

Am nächsten Morgen umfing mich ein Geruch, der mir vage bekannt vorkam und so unglaublich gut war, dass ich mich weigerte, meine Augen zu öffnen. Also blieb ich in dem Zustand zwischen Träumen und Wachsein und versank wieder in der kuschelweichen Kissenwelt.

In meinem Traum tauchte ein Gesicht mit prägnanten Augenbrauen auf, die über zwei verschiedenfarbigen Augen thronten. Weißblonde Haare standen in deutlichem Kontrast zu einem dunklen Oberlippenbart, der mich kitzelte, sobald er meine Haut berührte. Die Lippen leicht geöffnet, als warteten sie nur auf einen Kuss, flüsterte er: »Wach auf.«

Ich schüttelte den Kopf, doch die Stimme wiederholte die Worte, bis ich eine federleichte Berührung an meiner Schulter spürte und endgültig aus dem Schlaf auftauchte.

Das Ankommen in der Realität war weniger schön. Ich nahm so vieles gleichzeitig wahr, dass ich nicht hätte sagen können, was mir zuerst auffiel: Sanftes Licht schien durch halb geöffnete Vorhänge ins Zimmer, der Duft von Kaffee verteilte sich im ganzen Raum und warme Fingerspitzen strichen tatsächlich über meine nackte Schulter. Wäre es dabei geblieben, hätte es ein gemütlicher Morgen mit Frühstück im Bett werden können. Aber mir war furchtbar schlecht, mein Kopf dröhnte und mein ganzer Mund fühlte sich wie Pappe an.

Ich stöhnte und wand mich, bevor ich den Mut aufbrachte nachzuschauen, wer mir den Kaffee hinhielt. Ich erwartete Tante Kate, die sich Sorgen um mich machte, obwohl sie sich denken konnte, dass ich nur einen Kater hatte.

Aber es war nicht Tante Kate, die vor dem Bett hockte, sondern Rhett Whitaker.

Mit einem Schlag kamen die Erinnerungen zurück.

England. Das Flugzeug. Meine Eltern. Das Glitter and Gold. Der Fremde. Übelkeit stieg mir bis zum Hals und ich riss mich im allerletzten Moment zusammen. Ich war gestern schrecklich betrunken gewesen und irgendwie in Rhetts Bett gelandet. Zumindest vermutete ich, dass es seins war. O Gott! Wie war das nur passiert? Ich traute mich kaum, ihn anzusehen. Scham brannte auf meinen Wangen und der Geschmack der letzten Nacht auf meiner Zunge.

»Guten Morgen«, sagte Sloans Bruder leise, dann hielt er den Kaffee und eine große, leere Schüssel hoch. »Was brauchst du davon im Moment?«

Sein Blick war undurchdringlich und absolut unlesbar. Ich hatte keine Ahnung, was er über mich und meinen grandiosen Auftritt gestern dachte. Aber es war bestimmt nichts Gutes. Wer würde nach so einer Aktion nicht schlecht von mir denken?

Mit einem Räuspern setzte ich mich halb auf und wagte einen verkniffenen Blick auf meinen Körper – und stieß erleichtert die Luft aus. Ich trug das rote Cocktailkleid von gestern, nur meine Schuhe standen neben dem Bett. Ich spürte sogar noch die Strumpfhose, die in meiner Taille zwickte.