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Sie sind jung, schön und auf dem Weg nach ganz oben. Doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu. Auf den ersten Blick haben die Sängerin Pearl Porter und der Footballstar River Havering nichts gemeinsam. Dennoch kreuzen sich in einer Klinik ihre Wege. Aus anfänglicher Abneigung wird eine fragile Freundschaft, die in ihnen die Sehnsucht nach mehr weckt. Aber schon bald müssen sie sich der Frage stellen: Was wiegt schwerer – die Vergangenheit oder die Gegenwart? Und kann es eine gemeinsame Zukunft überhaupt geben, wenn die Dunkelheit das Einzige zu sein scheint, das sie verbindet?
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Seitenzahl: 210
Veröffentlichungsjahr: 2024
Inhalt
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Inhalt
Briarwood Tales 1
Wissenswertes über Wyoming
1. Kapitel
2. Kapitel
3. Kapitel
4. Kapitel
5. Kapitel
6. Kapitel
7. Kapitel
8. Kapitel
9. Kapitel
10. Kapitel
11. Kapitel
12. Kapitel
13. Kapitel
14. Kapitel
15. Kapitel
16. Kapitel
17. Kapitel
18. Kapitel
19. Kapitel
20. Kapitel
21. Kapitel
Über die Autorin:
Liebes Leserherz
Nele Franzen
c/o AUTORENBETREUUNG
CAROLINE MINN
Kapellenstraße 3
54451 Irsch
Deutschland
Copyright: © Text Nele Franzen
Lektorat/Korrektorat: Annette Schneider
Cover und Illustrationen: Imagine
Erstausgabe Mai 2024
Print ca. 250 Seiten
Alle Rechte vorbehalten. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Briarwood ist eine malerische Kleinstadt in Wyoming mit schrulligen, liebenswerten Einwohnern. Man sagt, dass hier Träume wahr werden oder zerplatzen. Je nachdem, wie man die Dinge anpackt!
Alle Bände der Reihe sind in sich abgeschlossen und unabhängig voneinander lesbar, aber ihr werdet in den Folgeteilen auf bekannte Charaktere stoßen. Happy End – Garantie!
Sie sind jung, schön und auf dem Weg nach ganz oben. Doch dann schlägt das Schicksal erbarmungslos zu.
Auf den ersten Blick haben die Sängerin Pearl Porter und der Footballstar River Havering nichts gemeinsam. Dennoch kreuzen sich in einer Klinik ihre Wege.
Aus anfänglicher Abneigung wird eine fragile Freundschaft, die in ihnen die Sehnsucht nach mehr weckt.
Aber schon bald müssen sie sich der Frage stellen: Was wiegt schwerer – die Vergangenheit oder die Gegenwart? Und kann es eine gemeinsame Zukunft überhaupt geben, wenn die Dunkelheit das Einzige zu sein scheint, das sie verbindet?
Warnung:
Vergewaltigung
Trauer/Verlust
Fehlgeburt
Blindheit
Drogen und Alkoholmissbrauch
In den Briarwood Romanen findet man weder explizit dargestellte Gewalt, noch ausufernde Intimszenen, weil es nicht zur Reihe passen würde. Vielen Dank für euer Verständnis.
Wyoming ist der bevölkerungsärmste Bundesstaat der Vereinigten Staaten von Amerika und nach Alaska der Bundesstaat mit der geringsten Bevölkerungsdichte.
Der Name stammt aus der Sprache der Algonkin-Indianer und bedeutet „Große Ebenen“.
Als ziemlich trockener Flecken der USA besitzt Wyoming naturgemäß keine größeren Feuchtgebiete oder Seenlandschaften. Nur 0,7 % der Staatsfläche sind von Wasser bedeckt.
Die hochgelegenen Plains in Wyoming sind die Heimat von Hasen, Präriehunden, Kojoten, Gabelböcken, Klapperschlangen, Habichten, Moorhühnern und Fasanen. Bisons wie auch Gabelböcke waren Ende des 19. Jahrhunderts in den Plains aufgrund übermäßigen Jagens beinahe ausgerottet, ihr Bestand konnte sich aber dank weitreichender Schutzmaßnahmen stabilisieren.
Wyoming besitzt ein semi-arides, kontinentales Klima, das mit allerlei Extremen aufwarten kann.
Wyoming zählt insgesamt acht Colleges: Casper College, Central Wyoming College, Eastern Wyoming College, Laramie County Community College, Northwest College, Sheridan College, Western Wyoming Community College, Wyoming Technical Institute.
Die University of Wyoming in Laramie ist die einzige Universität des Bundesstaates.
Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts war Wyoming zu einem großen Teil von Indianern folgender Stämme bewohnt: Absarokee, Arapaho, Bannock, Cheyenne, Lakota, Pawnee, nördliche und östliche Shoshone sowie Ute. Als die Weißen von Osten weiter und weiter nach Westen vordrangen, gerieten die Indianerstämme Wyomings immer stärker unter Druck.
Quelle Wikipedia
Achtung: Briarwod, Grayson und Maple Springs sind fiktive Kleinstädte. Geografisch angesiedelt sind sie im Nordwesten des Bundesstaates.
Vornehmlich im Nordwesten Wyomings und teilweise auch im Südosten erheben sich gewaltige Gebirgsketten, die allesamt Teil der Rocky Mountains sind.
Der Lake Briar ist kein richtiger See, sondern ein von Menschenhand angelegtes beziehungsweise umgeleitetes Gewässer.
Wo waren bloß diese verflixten Kotzbeutel, wenn man dringend einen davon brauchte? Mein Magen schlingerte schon wieder unablässig wie die Trommel einer Waschmaschine und ich kämpfte mit aller Macht die Übelkeit nieder, die mir auch schon während meiner Konzerte einiges abverlangt hatte. Außerdem war die Luft im Tourbus im Augenblick trotz Klimaanlage extrem stickig und ich sandte ein Stoßgebet aus, als wir endlich vor dem dreistöckigen weiß getünchten Gebäude mit den künstlichen Palmen hielten, in dem sich Ethans und meine Penthouse-Wohnung befand.
Ethan … Ich war gespannt, ob er sich wirklich für die nächsten drei Tage freigenommen hatte, denn schließlich kehrte ich gerade wieder einmal von einer Tournee zurück und eine weitere, dieses Mal Europa, stand bevor.
Ich löste den Haargummi und meine braunen Locken ergossen sich bis über die Schultern. Seufzend warf ich einen Blick auf Ray, der hemmungslos mit den blonden Backgroundsängerinnen flirtete und schon die Aftershowparty in einem der Clubs hier mit ihnen plante. Ich würde nicht dabei sein, denn ich hasste diese exzessiven Bumsgelage, bei denen der Champagner in Strömen floss und Kokain wie Puderzucker durch eine sexgeschwängerte Promi-Location flirrte. Ja, ich war der wohl langweiligste Star der Welt. Keine Skandale, keine verwüsteten Hotelzimmer und ich brach keine Vereinbarungen.
Verbissen schluckte ich bitteren Gallensaft hinunter und verdrängte den Gedanken, der sich schon zu lange wie ein klebriges Kaugummi an meine Fersen heftete und einerseits irre Glücksgefühle, aber auch andererseits nackte Panik auslöste.
Nur allzu bereitwillig erhob ich mich vom Sitz, presste mein Handgepäck an die Brust und ging mit einem erzwungenen Lächeln nach vorne. Von mir wurde erwartet, dass ich immer strahlte wie eine Tausendwatt-Birne. Man hatte mich mit achtzehn Jahren berühmt gemacht, also musste ich seitdem 24/7 frohlocken und jubilieren. Im Moment war mir nicht danach zumute.
„Hey Babe.“ Ray tänzelte durch die Sitzreihen wie ein Zirkusclown auf mich zu, schlang seine Arme um meine Mitte und drückte mir einen Kuss auf die Stirn.
Sein breites Grinsen ließ meine Laune schlagartig in luftige Höhen klettern. Das konnte er perfekt. Selbst aus einem Tal der Tränen katapultierte er mich mit seinem unerschöpflichen Optimismus zurück in gleißenden Sonnenschein.
„Ich bringe deine Koffer nach oben, aber nur, wenn du dafür ein Glas Wein mit mir trinkst.“
Bedauernd schüttelte ich den Kopf, ich durfte Ethans Eifersucht keine Munition liefern. „Mein Mann ist zu Hause und du weißt, wie er auf dich reagiert.“
Grummelnd trat er einen Schritt zurück. „Er macht viel Wind um Nichts.“
Na ja fast, denn es hatte eine gemeinsame Nacht gegeben. In Los Angeles an meinem vierundzwanzigsten Geburtstag. Er war nach ein paar Cocktails zu viel auf mein Zimmer mitgekommen. Zärtlich und einfühlsam hatte er mich zum einzigen Fehltritt meines Lebens verleitet. Stunden voller Rausch, Leidenschaft und multipler Orgasmen. Ethan hatte keine Ahnung davon und das sollte auch so bleiben.
„Na gut, wir holen das eben bei den Studioaufnahmen nach“, lenkte Ray ein. „Aber das Gepäck bringe ich trotzdem vor deine Wohnungstür.“
Lächelnd hauchte ich ihm ein Küsschen auf die Wange. Bevor ich den Bus verließ, dankte ich noch den Girls für ihre tolle Arbeit. Dann trat ich ins Freie. Die Sonne knallte erbarmungslos vom Himmel und ich huschte zum schattigen Hauseingang. Erst, als Ray neben mir auftauchte und verkündete, dass er ganz gentlemanlike mein Gepäck hochgebracht hatte, ging ich selbst durch die Tür. Im Treppenhaus war es Dank indirekter Belüftung wunderbar kühl und ich entspannte mich ein wenig. Egal ob schwanger oder nicht, ich würde eine tolle Zeit mit meinem Ehemann verbringen.
„Ich bin wieder daheim, Liebling“, rief ich durch das Appartement, als ich mit der rechten Hand den riesigen pinkfarbenen Trolley hinter mir herzog und den kleineren mit der linken Schuhspitze Richtung Schlafzimmer schob. Das Personal, bestehend aus einer Haushälterin und zwei Bodyguards, war im Urlaub. Ich wollte ganz und gar Ethan gehören. Ungestört und mit einem Touch Normalität. Seine Bürotür öffnete sich und groß, atemberaubend attraktiv und wie immer mit diesem Frisch-aus-dem-Bett-gefallen – Look erschien er im Türrahmen. Ich hielt den Atem an. Sogar nach sieben Ehejahren raubte mir sein Anblick den Verstand.
Mit ausgreifenden Schritten eilte er mir entgegen. Als er mich an sich drückte und seine Bartstoppeln über meine Wange kratzten, roch ich sein Aftershave und … Bourbon. Nervös widerstand ich dem Drang, etwas zu sagen. Stattdessen sah ich über die Tatsache, dass es neun Uhr morgens war, hinweg und stürzte mich in seine ausgebreiteten Arme.
Er vergrub die Nase in meinem Haar. Seine Hände schoben sich besitzergreifend unter mein Kleid, verharrten an meinem Po. Eine Spur zu fest kniff er zu. Die Härte in Ethans Boxershorts ließ keinerlei Missverständnisse aufkommen.
Ich wollte mit ihm schlafen, aber nicht jetzt und schon gar nicht unter diesen Umständen. Mit meiner süßesten Stimme und einem unschuldigen Augenaufschlag säuselte ich: „Lass uns ein Taxi bestellen und irgendwo frühstücken, Eth. Wir sind die ganze Nacht ohne Stopp durchgefahren und ich bin am Verhungern.“
„Geht mir genauso, Sweety, wenn du so verboten scharf vor mir stehst. Aber gut, ich verfrachte deine Koffer ins Schlafzimmer und du rufst inzwischen einen Wagen.“
Dieses Zugeständnis kam ihm für meinen Geschmack zu schnell über die Lippen. Der knallharte Banker war normalerweise ein Meister darin, seine Wünsche durchzusetzen. Ein Blowjob im Austausch für einen romantischen Kinobesuch. Ein Quickie im Fahrstuhl seiner Firma, wenn ich mir mehr Zweisamkeit wünschte. Sex gegen Liebe. Stirnrunzelnd fragte ich mich, was er noch für mich empfand. Ob ich ihn nicht mehr liebte als er mich. Ich ging in die Küche, nahm ein Glas aus dem Schrank und füllte es mit Wasser. Nachdem ich es gierig in einem Zug ausgetrunken hatte, telefonierte ich mit der Taxizentrale.
Während Ethan sich auf die Beifahrerseite setzte, platzierte ich meinen Hintern auf der abgewetzten Rückbank und hörte Eth etwas in sein Smartphone brüllen, aber ich verschloss die Ohren und dachte die Fahrt über an all die schönen Auftritte, die wenige Stunden später schon Ewigkeiten zurückzuliegen schienen. Phoenix war großartig gewesen, das Publikum hatte getobt. Mit meinen sehnsuchtsvollen Balladen eroberte ich die Herzen im Sturm. Obwohl ich doch nur Ethans erweichen wollte.
„Wir sind da.“
Das herrische Bellen meines Mannes riss mich in die Wirklichkeit zurück. Als er den Taxifahrer bezahlte, stieg ich aus und registrierte, dass wir vor dem Coopers angelangt waren. Unser beider Lieblingslokal, das den mondänen Schick von Las Vegas perfekt inszenierte.
Heute allerdings war es mir zu schrill, hektisch und überdreht. Mein Mann steckte endlich sein Handy weg und hakte mich unter. Ein freches Grinsen lag auf seinem Gesicht, das mich vom Szenario in unserer Wohnung ablenkte und ich mir einredete, alles nur geträumt zu haben.
Wir traten durch die Schwingtür und schon begrüßte uns Michael in seinem Elvis-Kostüm. Ich ließ meinen Blick durch den Raum schweifen, entdeckte Bekannte, aber auch eine Menge Fremde, denen man den Touristenstatus ansah. Der Tisch, den wir bevorzugten, weil er in einer ruhigeren Ecke lag, war noch frei und automatisch bewegten wir uns dorthin.
Michael folgte wie ein Schoßhündchen. Unnötigerweise reichte er uns die in Krokoleder gebundene Speisekarte, die sowohl Ethan als auch ich auswendig kannten. Ich entschied mich für Rührei mit Tomaten und Pilzen. Ethan orderte schwarzen Kaffee und einen doppelten Bourbon. Schon wieder sagte ich kein Wort, weil mir plötzlich erneut schlecht wurde und mit einer knappen Entschuldigung hastete ich zur Toilette. In einer der Kabinen übergab ich mich und konnte meinen Verdacht schlichtweg nicht mehr vor mir verleugnen. Ich war schwanger oder wie Eth es ausdrücken würde: Ich hatte einen Braten in der Röhre!
***
Nachdem ich einen völlig betrunkenen Ethan mittels Taxi in unsere Wohnung gebracht hatte, — der indische Fahrer war so nett gewesen, mir zu helfen — mühte ich mich ab, ihn ins Bett zu kriegen. Schließlich gelang es mir und wie ein Stein kippte er vornüber, blieb so liegen und schnarchte wie verrückt.
Schweißüberströmt stolperte ich ins Wohnzimmer und sank weinend auf die Couch. So hatte ich mir das Wiedersehen auf keinen Fall vorgestellt. Die Ferngespräche mit meinem Mann waren wie immer gewesen. Nicht überschäumend emotional, aber diese Veränderung schwappte ohne jegliche Vorwarnung über mich hinweg und stieß mich mit der Kraft einer Lawine in unermessliche Dunkelheit und Kälte. Was war bloß passiert? Es waren nur sechs Wochen gewesen. Sechs verdammte Wochen, die sein Wesen grundlegend verändert hatten. Ich biss mir auf die Unterlippe, so fest, dass Blutstropfen auf meinen nackten Oberschenkel tropften. Ich rieb sie mit Spucke weg, schlang dann die Arme um meinen Oberkörper und wiegte mich vor und zurück wie ein Baby. Baby … Ich würde ein wunderschönes kleines Lebewesen zur Welt bringen, meine Karriere auf Eis legen und mit Ethan von hier wegziehen. Die Lösung für das Dilemma! Dieser neue Hoffnungsschimmer verlieh mir Kraft und Zuversicht. Ich raffte mich auf, mixte mir einen alkoholfreien Mai Tai und tackerte Bilder einer strahlenden Zukunft an eine imaginäre Pinnwand.
Ich spurtete nach meinem Drink ins Badezimmer, wusch den Schweiß und die Tränen weg, schlich einige Minuten später zu Ethan ins Zimmer und kramte irgendetwas aus dem begehbaren Kleiderschrank. Der Apothekerin, deren Geschäft am Ende des Blockes lag, war mein Outfit garantiert schnuppe. Wenn ich mir Gewissheit verschafft hatte, würde ich Lynn Bescheid geben. Meine Pressesprecherin und zugleich beste Freundin musste Kenntnis davon kriegen, dass ich das Showgeschäft verließ, um einen anderen Weg einzuschlagen.
Einfach alles käme in Ordnung und wie auf unsichtbaren Schwingen erreichte ich den kleinen Shop, der rund um die Uhr geöffnet hatte. Aufgeregt kramte ich in den vollgestopften Regalen nach einem Test, er entglitt meinen zitternden Fingern und ich bückte mich mit vor Verlegenheit heißen Wangen. Außer mir befand sich nur ein griesgrämiger alter Mann hier, der hustend die schmalen Gänge verfluchte und als er die Packung mit den Streifen bemerkte, die ich hinter meinem Rücken verschwinden lassen wollte, schüttelte er empört den fast kahlen Kopf.
„Du junges Ding gehst sicher noch zur Schule und lässt dich von irgendeinem Schönling anbumsen, der zwar nicht bis drei zählen kann, aber auf willige kleine Muschis steht. Asoziales Pack.“
Die Apothekerin schnappte hörbar nach Luft und beachtete die Münzen gar nicht, die ihr der alte Knacker auf den Tresen knallte.
„Billige geldgierige Schlampe“, giftete er weiter und selbst, als er die Ladentür geräuschvoll hinter sich zufallen ließ, hörte man lautstarke Beleidigungen.
Meine Mundwinkel zuckten und ehe ich es unterdrücken konnte, erfüllte mein schallendes Gelächter den Raum. Asozial. Geldgierig. Ich verdiente in einem Monat mehr, als die meisten im ganzen Leben. Gut, im Moment sah ich wirklich nicht besonders vertrauenserweckend aus, eher wie eine aus der Gosse.
Die Apothekerin stimmte ein und ihre grauen Löckchen wackelten fröhlich. „Schön, dass du es locker nimmst, Herzchen. Ich hätte diesem Aas gern eine Ladung Abführmittel verpasst. Hast du noch Lust und Zeit für eine Tasse Tee und Plätzchen? Meine Ablösung kommt gleich.“
Ich nickte, legte einen großzügigen Betrag neben die Kasse und wartete geduldig, bis die Schichtübergabe vonstattengegangen war. Im Hinterzimmer, das nur durch einen verschlissenen Vorhang vom Hauptraum abgetrennt war, roch es heimelig, es war hier bunt und erinnerte an das Sammelsurium einer Zigeunerin. Ich hörte einen Teekessel pfeifen, sog das Aroma von liebevoll gebackenen Köstlichkeiten in mich auf und verspürte inneren Frieden wie schon lange nicht mehr. Nach kurzem Zögern setzte ich mich auf einen Biedermeierstuhl und genoss einfach nur das Gefühl, umsorgt zu werden. Anders als meine Mutter wäre sie die zauberhafteste Oma, die man sich nur wünschen konnte. Kein Eisklotz, sondern voller Herzenswärme.
Misses Cornelly füllte rote Becher mit der dampfenden Flüssigkeit und stellte sie mitsamt einem Teller voller Gebäckteilchen auf ein antikes Tischchen. Das Deckchen, welches das doch schon in die Jahre gekommene Möbelstück zierte, war filigrane Handarbeit. Bedächtig strich ich darüber und beschloss spontan, dass unser zukünftiges Heim aus Holz bestehen sollte. Eingerichtet im Vintage-Stil. So kuschelig wie das hier, nur ohne grauenhafte 70er-Jahre-Tapeten. Vor einer überdachten Veranda musste sich ein Rasenstück befinden, damit unser Kleines einen gesicherten Platz zum Toben hatte.
„Ich mag es, wenn du lächelst. Oft, wenn du bei mir hereinschneist, bist du so bitterernst.“ Die Dame steckte sich eine Nussmakrone in den Mund und kaute genüsslich.
Nach einem Schluck vom Orangentee griff ich ebenfalls zu und schon nach kürzester Zeit hatten wir alles aufgegessen und unser lockeres Geplänkel stockte immer mehr.
Die Apothekerin schien keinen Bedarf mehr an belanglosen Smalltalk zu haben. Sie beugte sich nach vorne und sah mir eindringlich in die Augen. „Mut und Lebensfreude sind die beste Medizin. Du magst eine berühmte Sängerin sein, aber der wahre Segen besteht darin, einem Kind Liebe zu schenken.“ Weise Worte einer Frau, deren Sanduhr schon über die Hälfte geleert war.
Ich blickte auf meine Rolex und musste mit großer Verwunderung feststellen, dass bereits drei Stunden verstrichen waren. Hastig verabschiedete ich mich, aber sie entrang mir das Versprechen, bald wieder auf Besuch zu kommen. Trunken vor Glück tanzte ich mit weit ausgebreiteten Armen über das Kopfsteinpflaster zurück in die Elmstreet und ignorierte die Passanten, die der jungen Frau in ausgebeulten Jogginghosen und Totenkopf T-Shirt argwöhnische Seitenblicke zuwarfen. Ich war Pearl Porter, höchstwahrscheinlich in süßen Umständen und ein Star. Noch. Aber ich setzte alles auf eine Karte. Und Ethan würde begeistert sein. Ganz bestimmt!
***
„Touchdown, Baby. Touchdown!“
In dem Moment, als das nasse Handtuch auf meinen nackten Arsch klatschte, fragte ich mich zum wohl tausendsten Mal, ob Jonah, dieser Penner, nicht doch schwul war und ich mein kostbares Körperteil noch mehr vor ihm schützen sollte. „Idiot“, knurrte ich, aber als ich in das lachende Gesicht meines besten Freundes schaute, verflog mein Ärger wie von Zauberhand. Niemand freute sich mehr über meine Siege als er. Ich wandte mich wieder zur Duschstange, nahm den Brausekopf in die Hand und wusch mir den Rest Seife vom Körper und aus den Haaren. Der Wide Receiver verschwand aus dem Mannschaftssanitärraum und ich unterdrückte den Drang, einfach weiter das heiße Wasser an mir herab prasseln zu lassen und meinen Triumph wie einen Blockbuster vor meinem geistigen Auge nonstop abzuspulen. Ich hatte es geschafft! Mein erster Sieg in der Profiliga. Es war ein unglaublich harter Kampf gewesen, es ins Team der New York Bullets zu schaffen. Schließlich drehte ich doch den Hahn zu, trocknete mich ab und schlenderte mit einem Handtuch um die Hüften in die Umkleidekabine, wo ich aus meinem Spind frische Jeans und T-Shirt holte.
Jonah lehnte lässig an seinem, eine Cola-Dose in der einen und das Handy in der anderen Hand. Er musterte mich aus strahlend blauen Augen, seine Wimpern klimperten. Manchmal erinnerte er mich an die Comicfigur eines Groupies. Grinsend zerknüllte Jonah den Alubehälter und kam auf mich zu. „Na, du Hengst, Stripclub oder gleich in die Vollen? Meine Eier jucken.“
„Ich muss nach Hause. Joyce will über irgendetwas Wichtiges mit mir reden. Sie ist schon seit einigen Tagen sonderbar."
Er schlüpfte in seine Lederjacke und warf sich den Rucksack über die Schulter. „Aha, du alte Spaßbremse. Aber die Party am Wochenende geht klar, oder?“
„Ja, Mann. Keine Sorge.“
Zufrieden wanderten seine Mundwinkel nach oben, dann fuhr er sich durch das etwas zu lange blonde Haar. „Bis übermorgen. Und viel Erfolg beim Reden.“ Er schob seinen muskulösen Körper am Coach und den noch verbliebenen Spielern vorbei nach draußen.
Coach Callahan unterbrach sein Gespräch mit Vince und marschierte zu mir. „Gut gemacht, Havering. Du bist ein ganz großer Wurf und ich hoffe, du kannst dein Niveau halten.“
Verlegen grinsend nickte ich. Ein Kompliment von ihm war selten und deshalb ehrte es mich sehr. „Ein Quarterback kann nur sein Bestes geben, wenn der Rest der Mannschaft mitzieht.“
„Deine Bescheidenheit ist auch eine deiner Stärken.“ Der durchtrainierte grauhaarige Texaner betrachtete uns alle als seine Kinder. Er regierte mit harter Hand, behandelte jeden gleich und lobte nur, wenn wir es auch verdient hatten.
„Danke.“ Ich fürchtete, dass ich wie ein Schulmädchen wirkte. Wenn man wie ich aus einfachen Verhältnissen stammte, war man auch noch nach Jahren unsicher, ob man vor den kritischen Augen der Sportwelt bestehen konnte.
„Schlaf dich aus, Junge. Die Saison hat erst begonnen und ich will, dass du beim Superbowl allen den Hintern versohlst.“ Mit diesen Worten war seine Anerkennung erschöpft und er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf meine Teamkollegen.
Ich hängte das Handtuch an einen Garderobenhaken, sprang in meine Klamotten und eilte ins Freie.
Der Parkplatz hatte sich geleert und meine alte Schrottkarre stand einsam in einiger Entfernung zu einem Testarossa. Ich hätte auch genügend Geld für einen Angeberwagen, aber ich sparte für die Zukunft und überwies meinen Eltern monatlich größere Beträge, damit sie die Farm instand halten konnten. Außerdem war der Camaro ein Geschenk meiner Familie zu meinem achtzehnten Geburtstag gewesen. Mit einem Ziehen in der Magengegend dachte ich an Mom, die noch immer auf das Ergebnis ihrer Mammografie wartete. Ihre Mutter war an Brustkrebs gestorben, als sie gerade einmal zwölf Jahre alt gewesen war. Ich musste dringend wieder zu ihr fahren. Vielleicht konnte ich Joyce überreden, mich über die Weihnachtsfeiertage nach Briarwood zu begleiten. Im Zwiespalt der Gefühle stieg ich in mein Auto. Heute war wieder einer dieser Tage, an dem Schmerz und Freude zu dicht beieinanderlagen.
***
Joyce saß mit einem Martini und einem Berg Zeitschriften auf der Couch, als ich abgekämpft vom Feierabendverkehr unser Wohnzimmer betrat. Sie hob den Kopf und lächelte kurz, während ich mich ihr näherte. „Hi, Champ. Sorry, dass ich das Spiel verpasst habe, aber ich habe endlich einen Sponsor für meine Modekollektion an Land gezogen.“
Okay … Ihr Beauty-Blog schien also Geschichte zu sein … „Das freut mich, Schatz.“ Ich klang wenig enthusiastisch und sofort strafte sie mich mit einer steilen Stirnfalte und hochgezogenen, perfekt gezupften Augenbrauen.
„Tu wenigstens so, als würdest du dich für mein Leben interessieren, Mister Superstarfootballspieler.“ Sie stand auf, drückte mir das leere Longdrinkglas in die Hand und blickte mich abwartend an.
Seufzend legte ich ihr meinen freien Arm um die Schulter. „Ich bin nur müde. War es das, worüber du so dringend sprechen wolltest?“
„Ja. Und über Hawaii. Du weißt, ich hasse es, Weihnachten in New York zu verbringen. Es sind nur noch drei Monate bis dahin und jeder außer mir hat die Festtage schon verplant.“ Sie meinte ihre kosmopolitischen Freundinnen, deren reiche Ehemänner für jede Laune der kostspieligen Bunnys das nötige Kleingeld herausrückten.
„Lass uns bitte keinen Streit vom Zaun brechen. Ich mixe uns neue Drinks und du erklärst mir deine Geschäftsidee.“ Briarwoood brachte ich erst gar nicht zur Sprache. Das würde sie garantiert zum Ausrasten veranlassen. Eigentlich wollte ich nur ein kaltes Bier und heißen Sex, aber das Leben zeigte mir heute den Stinkefinger. Von meinem Sieg abgesehen.
Mit den Getränken setzte ich mich neben sie. Ihr leichter Duft nach Zitronengras und frischer Minze stimulierte sofort mein bestes Stück und ich spielte mit einer roten Haarsträhne, die sich aus ihrem französischen Zopf gelöst hatte.
Sie nippte am Martini. Der Anblick ihrer schlanken Finger mit den rot lackierten Nägeln ließ meinen Schritt beinahe explodieren. Sie war eine wahre Virtuosin was Handjobs betraf. „Ich bin nicht in Stimmung, River.“ Ihr eisiger Tonfall brachte sogar die Sahara zum Einfrieren.
Meine Libido knallte in den Keller und vergnügte sich dort mit meinem schlechten Gewissen wegen meiner Eltern. Ich sah ihr dabei zu, wie sie aufstand, mit wiegenden Hüften durch unser stylishes Wohnzimmer ging und sich der Küche näherte. Sie trug einen Hauch von Nichts. Ihre prallen Brüste und der üppige Hintern verhöhnten mich.
„Ach ja.“ Sie drehte sich nach mir um. Ihre blasse Haut hob sich in starkem Kontrast zu all dem Lila und Anthrazit hier im Raum ab. „Verkauf endlich deine Schrottkarre. Man lästert über mich und als zukünftiger Stern am Modehimmel ist das wirklich peinlich.“
Verdrossen schwieg ich, weil mir in all den Jahren mit Joyce die Argumente verlorengegangen waren.
Ich saß allein vor der Glotze, während meine Freundin nach unzähligen weiteren Drinks im Gästezimmer verschwunden war. Wie sie sich als Modedesignerin behaupten wollte, konnte sie mir nur lückenhaft darlegen und sie würde wohl auch weiterhin mein teures Hobby bleiben. Im Grunde genommenen hatte ich selbst die Schuld daran, dass unsere Beziehung täglich mehr abdriftete. Ich war ein verdammter Softie und nicht der testosterongesteuerte Footballspieler, der sich Respekt und Achtung verschaffte, indem er ohne Rücksicht auf Verluste seine Interessen verfolgte. Leider war ich ein beschissener Good Guy. Einer, der alten Damen über die Straße half oder ihren Einkauf erledigte. Das Einzige, was mich vordergründig von der breiten Masse unterschied, war die noble Gegend in der wir wohnten und mein monatliches Gehalt. Lustlos zappte ich durch sämtliche Kanäle. Ich war unruhig und angepisst. In Momenten wie diesen vermisste ich Rocky den Familienhund, der mich jetzt bei einer Runde um den Block begleiten könnte. Stattdessen würde ich mich mit meiner Gesellschaft begnügen müssen, weil ich es keine Minute länger in der Wohnung aushielt.
Es war erst früher Abend und die Sonne stand zwar schon tief, aber sie wärmte noch. Der Herbst begann und färbte die Bäume in Greenwich bereits gelb und rot. Das satte Grün verschwand und machte unaufhaltsam Platz für das Weiß im Winter. Ich liebte diese Jahreszeit, egal wo ich sie verbrachte. Ja, es waren noch zwölf Wochen und das erste Mal in meiner Beziehung mit Joyce würde es an Weihnachten keinen Kompromiss geben. Nein, dieses Mal ganz sicher nicht. Ich pfiff auf die Südsee. Schließlich war ich es Mom schuldig, an ihrem Leben teilzuhaben, mir ihre Ängste und Sorgen anzuhören. Meinen Brüdern vertraute ich in dieser Hinsicht zu wenig. Sie waren wortkarg und hart, so wie das Land, das sie bewirtschafteten. Mich hatte New York verändert, gesprächiger werden lassen. Mein Blick schweifte die Straße entlang, blieb dann am Schild von Donnies Bar hängen. Noch ein oder zwei Bier konnten kaum schaden, ich musste erst in achtundvierzig Stunden wieder zum Training. Aber vorher holte ich mein Handy aus der Jackentasche und wählte Moms Nummer.
„Hallo River, schön, dass du anrufst.“ Sie hörte sich weder aufgeregt noch beunruhigt an, sondern warm und mit dem Klang von Heimat.
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