Wie der Duft von Jasmin - Julia M. Ory - E-Book
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Wie der Duft von Jasmin E-Book

Julia M. Ory

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Beschreibung

Nachdem Philip sich von Rachel getrennt hat, versucht sie herauszufinden, wie es so weit kommen konnte. Doch ihre Suche nach Antworten scheint nur ins Leere zu führen. Sie stößt nur auf mehr Rätsel und Fragen. Philip selbst scheint spurlos aus ihrem Leben und New York verschwunden zu sein. Der Schmerz der Trennung, liegt, wie der Duft von Jasmin, subtil und dennoch mit allgegenwärtiger Schwere auf ihrer Seele. Bis sie in Rajasthan, am anderen Ende der Welt, unerwartet auf Antworten stolpert. Auch wenn Philip weiter weg scheint als je zuvor, gibt es endlich einen Hoffnungsschimmer. Aber was sie findet, ist nicht was sie gesucht hat. Wird sie trotz neuer Herausforderungen einen Weg zu Philip zurückfinden, oder verliert sie auf der Suche nach ihm auch noch sich selbst?

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Julia M. Ory

WIE DER DUFT VON JASMIN

Deutsche Originalausgabe

1. Auflage Copyright © Julia M. Ory 2024

c/o Fakriro GbR / Impressumsservice

Bodenfeldstr. 9

91438 Bad Windsheim

https://www.instagram.com/julia_m_ory/

Cover: Juliana Fabula | Grafikdesign

Unter Verwendung folgender Stockdaten:

freepik.com

Buchsatz & Innengestaltung: Juliana Fabula | Grafikdesign

Unter Verwendung folgender Stockdaten:

shutterstock.com: barberry; freepik.com

Lektorat: textfein

Korrektorat: textfein

ISBN Softcover: 978-3-384-22661-7

ISBN E-Book: 978-3-384-22662-4

Druck und Distribution im Auftrag :

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk, einschließlich seiner Teile sind urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung ist ohne Zustimmung der Autorin unzulässig.

Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung,

Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten

mit real existierenden Personen sind rein zufällig.

Für Penny

Inhalt

Cover

Halbe Titelseite

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

PROLOG

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

EPILOG

ÜBER DIE AUTORIN

Wie der Duft von Jasmin

Cover

Titelblatt

Urheberrechte

Widmung

PROLOG

ÜBER DIE AUTORIN

Wie der Duft von Jasmin

Cover

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PROLOG

Deepak war schon früh auf den Beinen.

Den Zehnjährigen hatten die ersten Sonnenstrahlen an der Nase gekitzelt und er war barfuß aus dem Haus geschlichen. Zuerst war er an der Wiese bei den Kühen gewesen und jetzt schlenderte er den Feldweg in Richtung der großen Straße entlang, die aus dem Dorf hinausführte.

Er setzte sich unter den Neembaum, der auf der einen Seite des Weges, den Eingang zum Dorf markierte. Die ersten Bauern würden bald auf den Feldern, die den Weg säumten, und auf denen üppige, grüne Pflanzen wuchsen, erscheinen. Deepak lehnte sich zurück und lauschte dem Rascheln der Blätter in der Baumkrone über sich und dem Konzert der Insekten in den grünen Feldern.

In der Ferne sah er eine Gestalt, die sich dem Dorf näherte. Es fröstelte ihn und er wünschte sich, er hätte das Haus nicht frühmorgens alleine verlassen. Wer konnte das sein?

Er erkannte, dass es ein Mann war. Er ging gebeugt. Nein, er schlurfte. Das eine Bein zog er nach. Und urplötzlich brach er wenige Meter von Deepak entfernt zusammen.

Deepak zuckte zusammen und hielt die Luft an, aber der Mann regte sich nicht. Ohne die Augen von ihm zu nehmen, zog er sich am Baumstamm hoch und rannte dann, so schnell in seine kurzen Beine trugen zurück ins Dorf.

Er stürmte ins Haus und in das Schlafzimmer seiner Eltern. Aufgeregt rüttelte er am Arm seines Vaters: »Vater! Vater! Steh auf! Auf der Straße vor unserem Dorf liegt ein Mann!«

Vivek öffnete schlaftrunken die Augen.

»Du hast geträumt. Leg dich wieder hin«, sagte er nur und wollte den Jungen zu sich unter die Decke ziehen. Er mochte es gar nicht, wenn man ihn früher aus dem Schlaf riss, als es unbedingt nötig war.

»Ich schwöre es dir!«, rief der Kleine aufgeregt, gegen den festen Griff seines Vaters ankämpfend.

»Pscht! Willst du etwa das ganze Haus aufwecken?«, sagte Vivek ungehalten.

»Ich war draußen«, jammerte Deepak. »Er hat mich so erschreckt!«

Vivek setzte sich auf und rieb sich die Augen. Er würde jetzt eh nicht mehr zur Ruhe kommen.

»Wie oft habe ich dir gesagt, dass du nicht alleine rausgehen sollst?«, schalt er das Kind, während er mit den Füßen nach seinen Schuhen suchte und in sie hineinschlüpfte.

Deepak griff nach seiner Hand, »Ich komme mit.«

Vivek schüttelte den Kopf. »Du bleibst schön hier!«

Er stand auf, schüttelte den Jungen ab, der jetzt wieder mutiger war und das Ganze sehr spannend zu finden schien.

»Und weck mir ja niemanden auf!«

Vivek trug den fremden, weißen Mann so behutsam wie möglich durch das Dorf zu seinem Haus.

Als er sein Lehmhaus betrat, stolperte er über etwas, das im Schatten des Eingangs lauerte. Er fing sich, fuhr herum und fuhr herum: »Deepak! Was habe ich dir gesagt?«

Sein Sohn sah erst ihn mit großen, unschuldigen Augen an und trat dann näher, um den Fremden in seinen Armen neugierig zu mustern. Vivek atmete tief durch und bahnte sich seinen Weg an ihm vorbei in eines der leerstehenden Gästezimmer und legte den Mann auf einer einfachen Pritsche ab.

»Nicht anfassen!«, mahnte er seinen Sohn, der ihm gefolgt war, und kehrte zurück ins Schlafzimmer. An der Schwelle stieß er fast mit seiner Frau Kamla zusammen.

»Guten Morgen«, begrüßte er sie und machte Anstalten, sie auf die Stirn zu küssen, aber sie stieß ihn spielerisch von sich.

»Was soll der Lärm zu so früher Stunde?«, fragte sie.

»Deepak ist mal wieder herumgestrolcht und hat auf der Straße einen bewusstlosen Fremden gefunden. Er ist verletzt, deshalb habe ich ihn hierhergebracht. Vielleicht kannst du ihn dir ja mal ansehen.«

Kamlas Augen weiteten sich ungläubig.

»Ich weiß, dass das vielleicht nicht das Schlaueste war, aber ich konnte ihn nicht einfach auf der Straße liegen lassen«, sagte Vivek.

Sie nickte und gab ihm einen Wink. Vivek ging ihr voraus ins Gästezimmer und entzündete dort eine kleine Lampe.

Kamla beugte sich über den bewusstlosen Fremden und auch Vivek erhaschte zum ersten Mal einen richtigen Blick auf den Mann.

Er wirkte vernachlässigt und krank. Sein dunkles, gewelltes Haar war verstrubbelt. Ein ungepflegter Bart zierte sein Gesicht. Seine helle Haut war auf einer Gesichtshälfte blutverkrustet und auch sein T-Shirt und die Hose waren abgenutzt, verschmutzt und zum Teil mit Blut getränkt. Staub bedeckte seine nackten Füße. Die Sohlen waren von Rissen und Wunden überzogen, ein Zeichen dafür, dass er womöglich eine weite Strecke barfuß zurückgelegt hatte.

Deepak stand im Türrahmen und beobachtete seine Eltern, die sich um den Fremden kümmerten.

»Kann ich was helfen?«

Seine Eltern tauschten kurze Blicke, dann wies Kamla ihn an: »Hol frisches Wasser und Tücher.«

Als Deepak mit eiligen Schritten verschwunden war, sprach sie weiter.

»Er hat Fieber.«

»Ich weiß«, antwortete Vivek.

Er wusste, woran seine Frau dachte. Die Monsunzeit brachte starke Regenfälle mit sich, die eine Erlösung von der unerträglichen Hitze bedeuteten. Aber das Klima begünstigte auch die Verbreitung verschiedener Krankheiten.

»Es war das Richtige ihn herzubringen«, versicherte Kamla ihm dann.

Plötzlich zuckte sie erschrocken zusammen und wandte sich dem Fremden zu. Vivek beugte sich vor und sah, dass der Mann sie am Handgelenk festhielt.

Er stöhnte leise, blinzelte langsam und öffnete die Augen. Sein Blick schweifte unkoordiniert durch den Raum.

»Keine Angst«, sagte Kamla beruhigend. »Sie sind in Sicherheit.«

Noch bevor sie ihren Satz beendet hatte, waren ihm die Augen wieder zugefallen und seine Hand fiel hinab.

»Was meinst du, wer er ist?«, fragte Kamla.

»Ich weiß es nicht. Er war muss aber eine ganze Weile unterwegs gewesen sein«, sagte Vivek.

»Sobald sich Deepak mit seinen Freunden trifft, weiß das ganze Dorf Bescheid. Alle werden Fragen stellen«, seufzte Kamla und ihre Stirn legte sich in Sorgenfalten.

Vivek nickte. Fremde Menschen weckten in dieser eingeschworenen und isolierten Gemeinschaft immer Misstrauen und Argwohn. Noch dazu war dieser Fremde offensichtlich ein Ausländer.

In die Sorge um den Fremden mischte sich auch ein wenig Unbehagen über sein Auftauchen.

Sie hörten auf dem Lehmboden, wie Deepak auf nackten Sohlen zurückkehrte. Aber sie nahmen auch weitere Schritte wahr und wechselten einen vielsagenden Blick.

»Vivek, beta, dein Sohn erzählt mir was von einem Fremden«, hörte er die Stimme seiner Mutter. Kurz darauf kam Deepak ins Zimmer mit einem Tonkrug, auf dessen Oberfläche die nassen Spuren des Wassers glänzten. Ihm folgte seine Großmutter mit einem kleinen Stapel Tücher.

»Ma…«, setzte Vivek an, wurde aber von dem kurzen, spitzen Aufschrei seiner Mutter unterbrochen.

»Hast du sie geweckt?«, fragte er Deepak.

»Als ob ich nicht mitbekomme, wenn mein Enkel singend durchs Haus hüpft. Ich dachte, dein Sohn spinnt sich irgendwas zusammen«, bemerkte seine Mutter wild gestikulierend.

»Ausnahmsweise nicht«, erwiderte Vivek mild lächelnd. »Du kannst Kamla ja helfen, den Fremden zu versorgen. Ich sehe nach dem Feuer und bereite das Frühstück vor. Dann können wir uns in Ruhe überlegen, was wir als Nächstes tun.«

KAPITEL 1

Rachel scrollte seufzend durch die Bilder, die ihr ihre beste Freundin Vicky geschickt hatte. Diese vertrat Rachel zurzeit in ihrer Galerie und hatte Rachels selbstgemalte Aquarelle abfotografiert und ihr die Fotos gesendet. Vicky hatte zwei von ihren Bildern verkauft und jetzt musste Rachel entscheiden, welche Bilder an der Wand nachrücken durften.

Jedoch war Rachel nicht danach fröhliche, blumige Bilder durchzusehen. Jedes dieser Bilder erzählte ihr eine geheime Geschichte. Sie erinnerte sich noch zu gut daran, wie sie die Aquarelle in ihrem Wohnzimmer ein paar Stockwerke über der Galerie gemalt hatte. Dabei hatte oftmals Philip hinter ihr auf dem Fensterbrett gesessen und ihr Gesellschaft geleistet.

Philip. Allein an seinen Namen zu denken, beschwor die Erinnerung an seine freundlichen tiefblauen Augen herauf. Der Gedanke an sein warmes Lächeln und seine sanfte Stimme zerriss ihr jedes Mal das Herz.

»Schätzchen, denkst du wieder an Philip?« Die mitleidige Frage ihrer Großmutter riss sie aus ihren düsteren Gedanken. Die ältere Frau stellte ein Tablett mit zwei Tassen heißer Schokolade mit viel Schaum und zwei Tellern mit Blaubeerkuchen auf den Tisch. Dann setzte sie sich zu ihr aufs Sofa und legte einen Arm um sie.

Rachel nickte nur. Wahrscheinlich hatte sie das an ihren Augen erkannt, die sich wieder verräterisch mit Tränen füllten.

Ob es an der Umarmung, dem Blaubeerkuchen oder der heißen Schokolade lag, konnte Rachel nicht sagen, aber der Schmerz ließ nach. In diesem Moment lag so viel Vertrautes. Genauso war sie von Kindheit an von ihrer Großmutter bemuttert worden, egal ob sie sich ein Knie aufgeschrammt, Streit mit ihrem Vater oder eine schlechte Note bekommen hatte. Das Einzige, das sich in den vielen Jahren geändert hatte, war die Anzahl der Fältchen und der grauen Haare ihrer Großmutter.

»Jetzt warte doch noch ein wenig ab. Bestimmt meldet er sich wieder bei dir und dann wird alles wieder gut.«

»Hm.« Rachel wischte sich die Tränen unter den Augen fort. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie das wollte. Ihre Großmutter mochte davon überzeugt sein, dass das alles nur ein großes Missverständnis war, das Philip erklären konnte, aber sie selbst hegte ihre Zweifel. Es wäre zwar nicht das erste Mal gewesen, dass er sich so abrupt von ihr abgewandt und dann einige Zeit nicht gemeldet hatte, aber das konnte sich nicht ständig wiederholen. Wenn er mit ihr Schluss gemacht hatte, dann war das nun einmal so. Sie brannte nicht darauf, Philip noch einmal zu treffen, nur um sich anzuhören, dass er nicht mehr mit ihr zusammen sein wollte.

Es war auch nicht ihre erste Beziehung, die in die Brüche gegangen war, aber es war die erste, die sich so aufrichtig und ernsthaft angefühlt hatte. Es war die erste, bei der sie nicht nur gehofft, sondern daran geglaubt hatte, dass daraus etwas Festes und Dauerhaftes entstehen könnte.

Gerade deswegen war sie komplett aufgelöst zu ihrer Großmutter geflohen und übers Wochenende bei ihr geblieben. Niemand sonst war so bedingungslos für sie da. Sie verurteilte sie und ihre Beziehung zu Philip auch nicht so wie ihr Vater. Was auch daran liegen konnte, dass sie Philip kennengelernt und nicht wie ihr Vater jeden Anlass dazu vermieden hatte, weil er schon eine vorgefertigte Meinung zu ihm hatte.

Am Sonntagabend war sie mit dem Vorsatz, ihrem Alltag wie gewohnt nachzugehen, in ihre Wohnung in Manhattans Upper East Side zurückgekehrt. Jeden Tag vormittags in die Vorlesungen und nachmittags in die Galerie gehen. Das Ganze am besten so lange wie möglich, damit sie abends erschöpft ins Bett fiel. Bloß nicht nachdenken.

Das hatte erstaunlich gut geklappt, solange sie nicht in einen Spiegel gesehen und gemerkt hatte, dass das aufgesetzte Lächeln ihre Augen nicht erreicht hatte. Einerseits war sie noch wie betäubt und stand neben sich. Als wäre sie noch Momente davor, bis ihr Herz zerbrach. Und dann gab es die Momente, in denen sie ganz plötzlich in Tränen ausbrach und erst später realisierte, dass etwas sie an Philip erinnert hatte. Dass ihr Gedächtnis ein Bild von ihm herausgekramt hatte.

So war sie heute wieder zu ihrer Großmutter gefahren, um ihre Akkus aufzuladen und den Schmerz in ihrer tröstlichen Nähe zu verarbeiten.

»Welche von den Bildern findest du am besten?« Rachel reichte ihr das Smartphone.

Mit Stolz beobachtete sie, wie gekonnt ihre Großmutter sich durch die Bilder wischte. Obwohl sie nicht so technikaffin war, hatte Rachel es geschafft, ihr einiges beizubringen.

»Die sehen alle wunderbar aus.«

»Granny …«, seufzte Rachel.

»Oh, du hast gerade eine Nachricht bekommen. Fängt mit >Hallo Liebes< an.« Ihre Großmutter gab ihr das Handy zurück.

Rachels Blick huschte kurz über das Pop-Up-Fenster und ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen. Die Nachricht war von Jessica. Sie und ihr Mann Sam waren Philips beste Freunde und Nachbarn. Die beiden hatten gestern aus dem Urlaub zurückkommen sollen und bestimmt hatte Philip ihnen schon erzählt, was passiert war. Sam war sicher auf seiner Seite und Jessica würde sich bestimmt nicht gegen die beiden auf ihre Seite stellen. Was konnte Jessica also noch von ihr wollen?

Sie öffnete den Kontakt. In den letzten Wochen hatte Jessica ihr immer wieder mal Urlaubsfotos geschickt. Rachel hatte zunächst auch darauf reagiert, aber in letzter Zeit nicht mehr.

Die aktuellste Nachricht lautete:

>Hallo Liebes, wie geht es dir? Du hast dich zuletzt nicht mehr gemeldet und ich wollte fragen, ob alles in Ordnung ist. Melde dich doch, wenn du Zeit hast.<

Hatte Philip ihnen etwa doch nichts gesagt? Hatten die beiden überhaupt schon mit ihm gesprochen? Vielleicht waren sie gestern spät nach Hause gekommen und waren jetzt erst dabei, alles zu organisieren, um ab morgen, wie sie, wieder in eine neue Woche zu starten.

Rachel begann, ihre Antwort in die Maske zu tippen, aber hielt nach einigen Momenten inne. Sie konnte ihr nicht schreiben, dass alles in Ordnung war, wenn es das nicht war. Sie wollte sich aber nicht bei ihr ausheulen, schließlich verband Jessica mit Philip eine längere Geschichte als sie.

Sie musste vorher noch einmal mit Philip sprechen. Er hatte ihr weh getan, aber sie musste noch einmal in Ruhe mit ihm reden. Warum er das gesagt hatte, was er gesagt hatte und wie sie in Zukunft damit umgehen wollten und was sie nach außen darüber sagten. Sie hatte Jessica liebgewonnen und sie wollte diese Freundschaft nicht über eine Trennung verlieren, die nichts damit zu tun hatte. Sie wollte nicht, dass seltsame, unangenehme Situationen entstanden, wenn sie bei Jessica war und Philip vorbeikam.

»Ich versuche ihn anzurufen«, sagte sie laut, um ihre Zweifel zu zerstreuen, und warf ihrer Großmutter einen fragenden Blick zu. Sie nickte zustimmend.

Rachel öffnete Philips Kontakt, rief an, legte dann aber sofort auf.

»Vielleicht schreibe ich ihm doch erst«, murmelte sie und begann eine Nachricht zu tippen.

>Hallo Philip, wie geht es dir?<

Aber das klang in ihren Ohren falsch. Wollte sie wirklich wissen, wie es ihm ging? Würde er denken, dass sie angekrochen kam und darum bettelte, wieder von ihm geliebt zu werden? Sie löschte die letzten Worte.

>Hallo Philip, wir müssen reden und ein paar Dinge klären. Schreib mir wann und wie wir uns austauschen wollen.<

Sie versendete die Nachricht schnell, ohne sie noch einmal zu lesen, und schloss die App.

»Was denkst du? Wird er antworten?«

»Ich weiß es nicht. Aber ich bin mir sicher, dass du ihm immer noch viel bedeutest. Lass ihm Zeit, sich Gedanken zu machen, was er dir antwortet«, sagte ihre Großmutter und reichte ihr eine der Tassen. Rachel nahm einen großen Schluck und wischte sich den Schaum von den Lippen. Nervös spielte sie mit ihrem Handy und öffnete nach ein paar Momenten wieder den Chat.

Anscheinend war ihre Nachricht noch nicht bei Philip angekommen. Sie überlegte, ob sie sie doch noch löschen sollte, aber verwarf diese Idee. Diese Blöße würde sie sich bei Philip nicht geben.

»Du bist manchmal wirklich ungeduldig.« Ihre Großmutter schüttelte den Kopf.

Aus Neugier änderte Rachel ihre Einstellungen und konnte sehen, dass Philip das letzte Mal am Freitag vor einer Woche online gewesen war. Der Tag, an dem er sich von ihr getrennt hatte. Ob er seine Nummer nicht mehr nutzte, damit sie ihn nicht erreichen konnte? Oder hatte er sein Handy ausgeschaltet und bisher nicht mehr gebraucht?

Sie dachte wieder daran, dass Philip ein gewisses Muster hatte. Es wäre nicht das erste Mal, dass er sich von ihr zurückgezogen hatte und dann nach einiger Zeit voller Schuldgefühle zurückgekehrt war. Auch wenn diese Trennung unverhältnismäßig war. Er hatte ihr noch nie so weh getan und er konnte nicht von ihr erwarten, dass sie das einfach so hinnahm und ihm verzieh.

Jetzt hätte er, je nachdem, was er sagte, eine gute Chance, weil ihre größte Wut langsam verraucht war. Das verdankte sie auch Vicky, die in der letzten Woche, in ihrer Funktion als beste Freundin, fast täglich bei ihr gewesen war. Bei ihr hatte Rachel Dampf abgelassen.

Anstatt Wut machte sich nun eine Leere in ihr breit, die jederzeit von einer anderen Emotion geflutet und in Besitz genommen werden konnte.

Rachel wählte noch einmal seine Nummer. Wenn er offline war, klingelte vielleicht zumindest sein Handy. Geduldig wartete sie, aber dann schaltete sich die automatische Ansage ein. Rachel legte auf und funkelte ihr Display an.

»Schätzchen, was hast du vor?«

»Ich weiß es nicht …«, sagte sie, während ein Plan in ihrem Kopf Form annahm.

»Überstürze nichts«, mahnte ihre Großmutter. »Geh das bitte ruhig und bedacht an. Wenn du mit Philip redest, dann hör ihm zu.«

Rachel lächelte. »Danke, Granny. Ich weiß, dass du es gut meinst.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich werde versuchen, dass morgen nicht zu vergessen.«

»Morgen?«

»Ja, ich werde morgen nach den Vorlesungen zu ihm nach Hause gehen. Und wenn er nicht da ist, werde ich warten, bis er kommt. Ich lasse nicht mehr zu, dass er mir aus dem Weg geht. Ich brauche Antworten.«

Ihre Großmutter zog sie an sich und Rachel schaffte es gerade noch rechtzeitig, sich vor ihrer Tasse Kakao in Sicherheit zu bringen.

KAPITEL 2

Rachel trat nervös vor Philips Wohnungstür. Sie hatte versucht, sich Sätze zurechtzulegen, die sie Philip direkt an den Kopf werfen konnte, wenn er vor ihr stand. Sobald sie aber einen Satz gebildet hatte, wurde er von einem Gedankenzug durchkreuzt und in wirre Schnipsel zerrissen. Aber auch wenn sie nicht wusste, was sie Philip sagen wollte, musste sie mit ihm reden. Sie musste alles klären, um damit abschließen zu können.

Rachel atmete noch einmal tief durch und klopfte an. Nichts regte sich. Sie wartete und trat von einem Bein aufs andere. Sie klopfte noch einmal fester. Anscheinend war Philip nicht da. Enttäuscht ging sie die Treppe hinunter.

Auf den letzten Stufen fiel ihr Blick auf die Wand mit den Briefkästen gegenüber. Philips Briefkasten quoll im Gegensatz zu den anderen regelrecht über. Sie war in den letzten Monaten hier fast täglich ein und ausgegangen und wusste, dass so viel Post nie an einem Tag für Philip gekommen war.

Sie konnte sich nicht vorstellen, dass er seine Wohnung in der letzten Woche weder verlassen noch aufgesucht hatte? Er musste zu den Proben für das Theaterstück gehen. Es war eine der wenigen großen Chancen, seinen Traum wahrzumachen und vom Schauspiel zu leben. Das würde er niemals aufgeben.

Sie stieß mit der Hand in ihrer Jackentasche an ihren Schlüsselbund, an dem der Schlüssel zu Philips Wohnung hing. Ursprünglich hatte sie sich vorgenommen, dort auf ihn zu warten, denn mit der feierlichen Schlüsselübergabe vor fast zwei Monaten hatte er diese Wohnung für sie zu einem weiteren Zuhause gemacht. Sie nahm an, dass diese Einladung mit ihrer Trennung hinfällig war, und sie hatte Angst ihn dort zu überraschen, falls er ihr bewusst nicht die Tür geöffnet hatte. Auch wenn er nicht da war, was wäre, wenn nichts mehr von dem da war, das daran erinnerte, dass sie je dort gewesen war. Nicht das Rachel viel verändert hätte, aber sie fürchtete sich auch davor, dass Philip die wenigen Spuren, die sie in seiner Wohnung hinterlassen hatte, einfach beseitigt hatte.

Widerwillig stellte sie fest, dass Neugier in ihr aufkam. Jetzt fasste sie sich ein Herz, fischte die Post aus dem Briefkasten und ging wieder hinauf. Noch einmal klopfte sie an und wartete besonders lange. Dann zog sie den Schlüssel hervor und sperrte die Tür auf. Rachel trat in das kleine Ein-Zimmer-Appartement. Sie fühlte sich, als würde sie heimkommen, als sie die Tür hinter sich schloss. Sie lauschte einen Moment in die dunkle Stille, aber es rührte sich nichts.

Die Vorhänge gegenüber der Tür waren zugezogen und sie tastete sich am Esstisch und dem Sofa vorbei zum Fenster. Die Sonne blendete sie, als sie den schweren Stoff beiseitezog, um das Zimmer mit Licht zu fluten. Während sie die Post auf der Fensterbank ablegte, sah sie sich aufmerksam um.

Auf den ersten Blick schien sich nichts verändert zu haben. Aber dann fiel ihr das Puzzle auf, das sie zusammen mit Philip gelegt hatte. Er hatte es tatsächlich mit Kleber fixiert und über dem Esstisch, der hinter der Wohnungstür stand, aufgehängt.

Mit dem Blick an der Wand ging sie am Sofa, das in der Mitte des Raumes stand, vorbei und stolperte dabei über etwas. Rachel sah nach unten und entdeckte einen großen, vollen Ordner, der sie beinahe zu Fall gebracht hätte. Rachel hatte ihn bisher noch nie gesehen. Sie nahm ihn mit zum Tisch, auf dem ein zusammengefalteter Zettel lag. Auf dem Stuhl davor hing dasselbe Hemd, das er vor einer Woche getragen hatte. Mit einer Hand fuhr sie sanft über den Stoff, während sie den Ordner abstellte.

Rachel trat näher und stellte sich auf die Zehenspitzen und fuhr mit den Fingerspitzen über die offenen Löcher und Nasen am Rand des Puzzles, die sie erreichte. Rachel hatte es ihm geschenkt, um ihm vor Augen zu führen, dass jede Einzelheit, auch Schwächen und Zweifel, ihn zu dem Wesen machten, das sie so sehr liebte. Um die Zusammensetzung aus zahlreichen Einzelstücken zu betonen, hatte Philip überlegt ein paar Teile wegzulassen, falls er es kleben sollte.

Wehmütig lächelnd griff sie nach dem gefalteten Zettel, der neben dem Ordner lag. Kaum, dass sie es zwischen den Fingern hielt, erkannte sie, dass es der Brief war, den sie Philip geschrieben hatte. Er hatte ihn gefunden. Gemischte Gefühle durchströmten sie. Rachel war sich sicher, dass er ihn noch nicht gelesen hatte, als er sie verlassen hatte. Wenn dieser Brief ihn wachgerüttelt und er versucht hätte, mit ihr zu reden, hätte sie ihn niemals weggeschickt. Alles, was sie brauchte, war eine ehrliche Erklärung.

Suchend sah sie sich um. Das Hemd unter ihrer Hand musste seit letztem Freitag hier hängen. Er war also nach Hause gekommen, hatte sich umgezogen und ihren Brief gelesen. Erst jetzt fiel ihr die abgestandene Luft auf und sie riss das Fenster auf. Wann war Philip zuletzt aus dem Haus gegangen? Wohin war er gegangen? Wann würde er zurückkommen?

Jetzt ergab Jessicas Nachricht mehr Sinn. Sie hatten mit Philip auch noch nicht sprechen können, weil sie ihn zumindest dieses Wochenende nicht angetroffen hatten. Die Menge an Post deutete darauf hin, dass er länger nicht mehr hier gewesen war.

Rachel tigerte wie aufgezogen durch die Wohnung. Wo steckte Philip? Sie blätterte durch die Post in der Hoffnung, dass ihr ein Umschlag ungewöhnlich vorkommen und sie darin einen Hinweis finden würde. Dann zückte sie ihr Handy und wählte Philips Nummer. Wieder antwortete ihr die automatische Ansage.

»Wo steckst du?«, fragte sie in das Piepen des Anrufbeantworters. In ihre Stimme mischte sich ehrliche Sorge.

»Rachel?«

Eine Hand rüttelte an ihrer Schulter und riss sie aus dem Halbschlaf.

»Phil?« Rachel fuhr verwirrt hoch.

Sie brauchte noch einen Moment, um sich zu orientieren. Als sie sich umsah, erkannte sie, dass sie noch in Philips Wohnung war. Die Hand an ihrer Schulter gehörte aber Jessica. In dem festen Entschluss, auf Philip zu warten, hatte Rachel sich mit dem Ordner aufs Sofa gesetzt und war beim Blättern in Urkunden und Zeugnissen offensichtlich eingedöst.

»Jessica!« Sie strahlte ihre Freundin an. Sie war braungebrannt und sah erholt, wenn auch etwas müde, aus. »Wie geht es euch? Wie war euer Urlaub?«

»Schön. Aber deshalb bin ich eigentlich nicht hier«, entgegnete Jessica verunsichert und setzte sich zu ihr. »Wir dachten, dass Philip vielleicht wieder zu Hause wäre, weil sein Briefkasten geleert wurde. Aber weil er nicht ans Telefon geht, wollte ich jetzt doch mal nach dem Rechten sehen. Nachdem aber auf unser Klopfen niemand reagiert hat, wollten wir vorsichtshalber nachschauen.«

Vorwurfsvoll ergänze sie: »Außerdem hast du auf meine Nachricht auch nicht reagiert.«

»Es tut mir leid, aber ich habe keine Ahnung, wo er steckt.« Rachel seufzte und warf einen Blick auf ihre Uhr. Es war kurz vor zehn.

»Was soll das heißen?« Jessica sah jetzt endgültig verwirrt aus.

»In der letzten Woche ist viel passiert«, sagte Rachel.

»Ich weiß. Sam hat eine Andeutung gemacht. Aber so wie du aussiehst, hat Philip seinen Plan nicht deinen Erwartungen entsprechend umgesetzt.«

»Meinen Erwartungen entsprechend? Was hatte Philip denn vor?«

»Ich habe nichts gesagt!« Jessica hob abwehrend die Hände.

Rachel richtete sich verärgert auf, schlug den Ordner zu und schob ihn zur Seite. »Ich weiß ja nicht, was Philip vorhatte, aber wenn das ein seltsamer Test war, dann ist das gründlich schief gegangen.«

»Was hat er denn gesagt?«, fragte Jessica argwöhnisch.

»Er hat mit mir Schluss gemacht« Ein Kloß bildete sich in ihrem Hals. Es auszusprechen, tat immer noch unglaublich weh.

»Bitte was?« Jessica zuckte zusammen und starrte sie ungläubig an.

»Das dachte ich in dem Moment auch.«

»Wenn ich nicht schon sitzen würde, müsste ich mich jetzt setzen. Und ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich könnte jetzt eine Tasse Tee vertragen.«

Rachel war mit Jessica in ihre Wohnung hochgegangen und Sam hatte ihnen eine Kanne Tee aufgegossen.

»Er hat mit dir Schluss gemacht?«, fragte Sam zum gefühlt hundertsten Mal und raufte sich die braunen Haare.

»Du nimmst das ganz schön persönlich«, stellte Rachel überrascht fest.

»Ja. Das liegt, aber auch daran, dass Philip ganz andere Pläne hatte, bevor ihr aus Pawling abgefahren seid. Ich habe extra Sekt kalt gestellt …«, murmelte Sam und fuhr sich unglücklich mit der Hand übers Gesicht.