Wiener's G'schichten XI - Ralph Wiener - E-Book

Wiener's G'schichten XI E-Book

Ralph Wiener

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Beschreibung

Die Eulenspiegeleien sind alle im ersten Band. Der zweite Band beinhaltet Satiren, die bisher nur in anderen Zeitungen, Büchern oder noch gar nicht veröffentlicht sind. Band 3 und 4 enthalten die erfolgreich aufgeführten heiteren Theaterstücke "Geschichten meiner Frau", "Fragen Sie Sibylle" und "Ein himmlischer Abend". Im fünften Teil der "Wiener's G'schichten" geht es jedoch ernster zu, denn hier werden drei gesellschaftspolitische Stücke vorgestellt. Wie im Teil 6 wurde es mit drei weiteren Lustspielen im 7. Band wieder heiter. Philosophisch ging es im 8. Band zu und Novellen fanden Platz im 9. Band. Der 10. Band beschäftigte sich mit Witzen in Diktaturen und deren Gefährlichkeit. Dieser elfte Teil der Reihe ist eine Sammlung aller gereimten Werke von Ralph Wiener.

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Inhalt

Leben und Lieben (1933 bis 1944)

Rosita

Sie wartet

Am Lebensabend

Erlebnis

Das Schönste

Zigeunerblut

Wanderleben

Das alte Lied

Am Bache

Mitternacht

Du schweigst

Das unbekannte Ideal

Der Poet in Not

Parabel

Die Enthaltsame

Ein Problem

Etwas Wunderbares

Theorie und Praxis

Vereinigung

Geständnis

Nimmermüd

Fragen

Das Beispiel

Der Pessimist

Der Optimist

Nachkriegsgedichte (1945 bis 1950)

Weibliche Logik

Hubel-Sprünge

Der Ausweg

Die Spröde

Mannequin

Der Kenner

Stilbruch

Angelica

Dreiklang

Ja zum Leben (1951)

Prolog

Das Leben

Erster Gesang - DAS SEIN

Zweiter Gesang - DER WILLE

Dritter Gesang - DAS SCHÖNE

Vierter Gesang - DIE LIEBE

Fünfter Gesang - DAS GUTE

Sechster Gesang - DAS WISSEN

Siebenter Gesang - DIE TAT

Epilog

Die Mädchen von Cadiz (1956)

Erster Teil

Zweiter Teil

Dritter Teil

Vierter Teil

Fünfter Teil

Sechster Teil

Siebenter Teil

Eulenspiegeleien (ab 1957)

Verschmähte Liebe

Farbengeflüster

Faschings-Intermezzo

Die Spröde

Rundfunk-Freuden

Die Krankenruhe

Der Übersetzer

Hopf an der Basis

Der Fotograf

Verzeihlicher Irrtum

Ihre Hoheit persönlich

Liebe zu Johanna

Ballade vom Klecks

Irenes Lächeln

Verwässerte Hymne

Der Tag

Im Fasching

Gedichte nach Bildern (1997)

Lilos Bilder (Lieselotte Mielke-Bode)

Hiddensee

Gelbes Dreieck

Himmel und Erde

Nacht

Gelbe Spuren

Begegnung

In Pfeilrichtung

Andalusischer Strand

Neuzeit

Weites Land

Antike Stadt

Erinnerung

Erde

Warten

Sehnen

Versperrt

Letzter Sommer

Verbindungsweg

Ruheplatz

Versammlungsort

Feste Formen

Signale

Meilenstein

Trüber Tag

Lebensräume 1

Lebensräume 2

Dichters Dank an ein Triumvirat

Max Reinhardt II (2005)

Er ist da (Max Salvadore, 2005)

Pressemitteilungen

Felix Ecke im Februar 1951

Leben und Lieben (1933 bis 1944)

Rosita

Irgendwo im schönen Spanien.

Sitzt Rosita, traumversunken,

Ihre Augen liebestrunken,

Unter Palmen und Kastanien.

Strahlend schmückt sie der Sombrero,

Manch Senior verharrt betroffen;

Doch ihr Sehnen und ihr Hoffen

Gilt nur einem: Dem Torero!

Leise flüstern die Zypressen,

Und Rosita lauscht dem Klange; -

Währt die Trennung noch so lange,

Niemals wird sie ihn vergessen. -

Fern die Mandolinen klingen.

„Mio amigo‘“ - tönt’s aufs Neue;

Auch im Süden gilt die Treue,

Heißer dort die Herzen ringen! -

Unter Palmen und Kastanien

Sitzt Rosita, traumversunken,

Ihre Augen liebestrunken,

Irgendwo im schönen Spanien.

Sie wartet

Im stillen Dorf zur Winterszeit

Die Weihnachtsglocken klangen;

Am Fenster steht die blonde Maid

Und denkt an einen, der so weit,

So weit von ihr gegangen.

"Komm wieder!" - rief sie bang zurück

In jener Abschiedsstunde.

Noch einmal traf ihr liebend Blick

Sein Antlitz wie ein stilles Glück

Im treuen Liebesbunde.

Dann zog er fort - ins ferne Land,

Getreu ihr Bild im Herzen.

Als Fremder einen schweren Stand,

Er nirgends, nirgends Ruhe fand,

Nur Sorgen, Not und Schmerzen.

Und im Gewühl der weiten Welt,

Der Liebsten, ach, so ferne,

Das harte Schicksal ihn befällt:

Verlassen muss er diese Welt -

Hinauf ins Reich der Sterne.

Noch immer wartet jene Maid

In sehnsuchtsvollem Bangen.

Am Fenster steht sie jede Zeit

Und denkt an einen, der so weit,

So weit von ihr gegangen.

Am Lebensabend

Einst hab’ ich ein Liedchen im Frühling gesungen,

Es klang immer voller - nun ist es verklungen.

Einst hab’ ich mein Glück frohen Herzens erkoren,

Es blühte mir lange - nun hab’ ich’s verloren.

Einst lachten mir fröhliche, goldene Stunden;

Sie eilten vorüber - nun sind sie entschwunden.

Einst lebt’ ich in Träumen voll süßem Verlangen,

Doch Träume sind Schäume - nun sind sie vergangen.

Einst hatt’ ich mir Heimat und Freunde erworben,

Sie waren mein alles - nun sind sie gestorben.

Einst hatt’ ich mir Hoffnung im Leid zugesprochen,

Sie glühte und lohte - nun ist sie zerbrochen.

Einst bin ich bei Knospen und Blüten gesessen,

Auch sie waren glücklich - nun sind sie vergessen.

Einst sprühte der Geist, und es schafften die Hände;

Ich lebte, ich strebte - nun steh’ ich am Ende.

Erlebnis

Still war die Nacht; wir gingen Hand in Hand,

Das Licht des Mondes auf der Straßen.

So einfach war, was ich für dich empfand.

Die Sinne doch das Wort vergaßen.

Man war am Ziel; noch einmal deinen Hauch,

Ein lieber Blick aus deinen Augen,

Ein Händedruck und deine Stimme auch,

Was sollten da noch Worte taugen?

So vieles, was voll Liebe ich gedacht,

Wollt' ich dir zärtlich noch gestehen.

Dann klang das Tor, - du sagtest: "Gute Nacht!" -

...ich musste einsam weitergehen.

Das Schönste

Bei Sternenschein und Abendwind

Zieh ich bedächtig, nicht geschwind,

Durch altvertraute Gassen.

Es ist, als sei der Häuser Pracht

In der herangenahten Nacht

Verstorben und verlassen.

Und doch, trotz aller Traurigkeit,

Trotz aller Öde weit und breit

Füllt sich die Brust mit Leben.

O, glücklich, wer in stiller Nacht,

Wo ihm die Jugend zugelacht,

Die Ruhe kann erstreben!

Aus jedem Strauche und Gestein,

Aus aller Häuser Dämmerschein

Quillt dir ein Kinderlachen.

Drum, Fremder, zieh zur Heimat hin;

Sie wird dir, sei sie auch gering,

Das Glück aufs neu entfachen!

Zigeunerblut

Durch die Pußta klingt ein Lied

Bis zur Bergeskuppe.

Rauh und wild vorüberzieht

Die Zigeunergruppe.

Finster zuckt's in ihren Brau'n,

Die sich zornig weiten.

Spähend alle um sich schaun -

Die Zigeuner streiten!

"Schluss!" - befiehlt ein Alter kühn,

Und man hockt sich nieder,

Und die Pußta-Melodien

Halln im Kreise wider.

Joi, ein Csárdás feurig-heiß

Endet alle Schmerzen.

Niemand mehr vom Streite weiß -

Die Zigeuner scherzen!

Heiter so der Tag entflieht.

Hat der Streit geendet?

Wie ein einzig Pußta-Lied

Solche Seelen wendet!

Sehnsuchtsvoll ein Csikós spielt.

Da - will's nur so scheinen? -

Die Zigeuner - rauh und wild -

Die Zigeuner weinen!

Wanderleben

Frohen Sinnes, unverwandt,

ohne Schmerz und Sorgen

ziehen wir von Land zu Land,

denken nicht an morgen.

Fällt der Regen, bläst der Wind -

's wird auch wieder heiter.

Spielmann, sing ein Lied geschwind -

Und wir wandern weiter.

Manches Städtchen zieht uns an,

sagt, wir sollen bleiben.

Doch nicht lange währt der Bann,

weiter geht das Treiben.

Langohr hoppelt übers Feld,

einer, dann ein zweiter.

Blühend lacht die ganze Welt -

und wir wandern weiter.

Lebe wohl, mein holdes Lieb,

muss dich schon verlassen.

Wandern muss ich nun - vergib,

ziehe meine Straßen.

Spüre drum nur keine Reu‘,

Mädel, sei gescheiter!

Wanderburschen sind nicht treu -

und wir wandern weiter.

Das alte Lied

Wer, wenn im Haag die muntern Vöglein singen,

denkt an die Jugend sehnsuchtsvoll zurück

und hört ein Lied aus dieser Zeit erklingen,

das ist bestimmt das allergrößte Glück.

Ich war allein - das Glück in weiter Ferne,

als jener Klang zu meinen Ohren drang:

Ein Lied von einst. - Wie hört ich es so gerne,

mir schien es fast wie himmlischer Gesang.

Verträumend fielen meine Augen nieder

und tiefbeweget dacht ich nur an sie. -

Dies alles bringt ein Lied von damals wieder,

O holde Zaubermacht der Melodie!

Am Bache

Am Bach sind wir gegangen

So selig Hand in Hand.

In Liebe und Verlangen

Hat uns der Bach gekannt.

Wir sind vorbeigezogen

Mit liebend treuem Blick;

Der Bach mit stillem Wogen

Betreute unser Glück.

Und wenn wir dann verschwiegen

So manchen Kuss getauscht,

Ist er in schnellen Zügen

An uns vorbeigerauscht.

Ist es des Wassers Rache,

Dass du, mein Lieb, jetzt weinst?

So steh ich nun am Bache,

Und er - er rauscht wie einst!

Mitternacht

Mitternacht - die Wipfel rauschen,

Ferne strahlt der Mond;

Still bewegt die Sinne lauschen,

Ruh im Herzen wohnt.

Horch, was flüstern dir die Sterne,

Was die Winde zu? -

Alles liegt in weiter Ferne,

Greifbar bist nur du.

Menschenherz, oh, fühlst du endlich

Deiner Väter Saat;

Merkst du nun, wie unabwendlich

Sich das Schicksal naht?

Ach, wohl sehnst du dich hinieden

Auch nach Pracht und Glanz,

Doch bedenke: Nur der Frieden

Füllt die Seele ganz.

Träumen sollst du, suchen, tasten,

Schwanken oft im Glück,

Niemals ruhen, niemals rasten;

Doch denkst du zurück,

Dann, ja, dann verharrst du schweigend

Auf des Lebens Bahn,

Prüfst dein Herz, das - wild sich neigend -

Schlägt im Sehnsuchtswahn.

Mitternacht - wenn stumm dein Sehnen

Und der Lenz so jung,

Presset aus dem Aug' dir Tränen

Die Erinnerung.

Du schweigst

Dein Auge glänzt, und deine Lippen beben,

In tiefem Sehnen du dein Antlitz neigst.

Ich will von Liebe dir ein Zeichen geben;

Doch du - du schweigst, doch du - du schweigst!

Dein liebend' Blick hat sich von mir gewendet;

Es pocht dein Herz, jedoch dein Mund bleibt stumm.

Hat - kaum begonnen - schon der Traum geendet?

Ich kehre um - ich kehre um.

Dort stehst du noch und harrst vielleicht mit Bangen

Spürst tiefe Liebe, die du doch nicht zeigst.

Ich sag noch einmal dir mein heiß' Verlangen:

Doch du - du schweigst, doch du - du schweigst.

Das unbekannte Ideal

Ich kenn dich nicht, doch hör ich deine Stimme;

Weit bist du weg, doch liegst du mir so nah.

Dich zu umfassen, locken meine Sinne,

Dass du mir wirst zum lieblichsten Gewinne,

Dir gut sein, was bis jetzt noch nie geschah.

Ich kenn dich nicht, weiß nicht mal deinen Namen,

Fühl nur dein Bild, sonst weiter nichts von dir.

Die Wolken alle, die vorüberkamen

Und einen Blick aus meinen Augen nahmen,

Sie grüßen dich ganz glückerfüllt von mir.

Ich kenn dich nicht, erfass nicht die Gedanken,

Die dich bewegen voller Freud und Schmerz.

Es mögen Rosen blühend dich umranken,

Nie Hoffnung und mein Glaube an dich wanke

Ich kenn dich nicht - doch schlägt für dich mein Herz!

Der Poet in Not

Ein Gedichtchen zu gestalten,

Das versprach ich dir als Mann?

Was versprochen, muss man halten!

Doch wie gehe ich heran?

Ich denke und denke, beginne zu fragen:

Was will ich mit meinem Gedichte nur sagen,

Wie krieg ich die Reime, was fang ich nur an?

Und noch mal von vorn ich lese,

Was erfüllet nur mein Herz?

Soll es ernst sein oder Späße,

Was von Freude oder Schmerz?

Je länger ich sinne, je länger ich schreibe,

Ersehe ich doch, was vergeblich ich treibe.

Ist plötzlich so leer mein geschwollenes Herz?

Und mich packt ein tiefes Wehen,

Kalte Reue fasst mich an.

Du willst mein Gedicht bald sehen,

Ach, was hab ich nur getan?

Ich stecke in Sorgen, da kommt ein Gedanke:

Drei Strophen sind fertig; ihr Musen, ich danke!

Das Wort ist gehalten. - Nun, bin ich ein Mann?

Parabel

Die Blume stand am Feldesrand,

Frau Sonne schien hernieder.

Und in der Sonne heißem Brand

Verstummten ihre Lieder.

Versengend senkte sie ihr Haupt,

Sah schon ihr Bild zerrinnen,

Sah allen Glanzes sich beraubt -

wie ihre Nachbarinnen.

Da kam ein bunter Schmetterling

Grad auf sie zugeflogen.

Sie dachte: Welch ein seltsam Ding

Ist mir da so gewogen?

Doch er bedeckt sie lieb und zart,

Damit die Sonnenstrahlen

Sie nicht, wie andre ihrer Art,

In winzig Staub zermahlen.

Weh ihm! - Sein Flügelkleid zerfällt;

Doch bleibt er, trotz Ermatten.

Und leis er einen Kuss erhält

Für den gelieh'nen Schatten.

Der Falter schützt noch manche Stund'

Das Blümlein vorm Entfärben.

Noch einmal küsst er ihren Mund -

Dann muss der Arme sterben.

Als dann in später Abendstund‘

Verdorrt der Blüten Triebe,

Da sah die Blum' den Falter - und

Das Opfer seiner Liebe.

Wie ward an Duft sie plötzlich arm,

Vergessen Frühlingslieder.

Und eine Träne - liebeswarm -

Fiel auf den Falter nieder. - -

...Du fragst mich, wer das Blümchen ist? -

Du bist es, liebes Mädchen!

Und jener Falter, der dich küsst,

Der wohnt in deinem Städtchen.

Mit Blumen kommt er - voller Scheu -

Im zarten Blütenalter.

Und liebst du ihn, so ist er treu -

Wie jener kleine Falter!

Die Enthaltsame

"Nein, verliebt ist diese Jugend,

Mich lasst damit nur in Ruh!"

Und allein ging ich - voll Tugend -

Durch den Park der Wohnung zu.

Auf den Bänken, liebeschwörend,

Sitzen sie statt brav zu Haus.

Himmelschreiend! Ha, empörend!

Ich - ich ging geradeaus.

Wie sie tuscheln, wie sie flüstern,

Wie geheimnisvoll die Nacht!

Blindlings mittendurch, im Düstern,

Hab ich mich nach Haus gemacht.

"Mädel, meide diese Stege,

In der Nacht ist's dorten schlecht,

Bleib auf dem geraden Wege!"

Ja, die Mutter redet recht!

Später dann, nach ein paar Wochen,

Lockt mich wieder jener Park.

Worte wurden da gesprochen,

Nein, das war mir doch zu arg!

Und man küsst sich in den Zweigen,

Grad als wär's noch immer Mai.

Längst schon wollt ich weitersteigen

Aber - ach - ich war dabei!!

Ein Problem

Ich hab darüber nachgedacht,

Wozu wir alle leben;

Wollt wissen von der Himmelsmacht,

Erkennen alles Streben.

Ich wollt ergründen den Gesang

Der Heiden und der Frommen -

Und bin bei allem Wissensdrang

Zu diesem Schluss gekommen:

"Man denkt so viel, man träumt so oft,

Man hält für Glück die Scherben;

Man jauchzt und weint, man bangt und hofft -

Und schließlich muss man sterben.

Was hat es Sinn, soviel man denkt -

Der Mensch ist nicht vollkommen.

Und wie uns Gott das Leben schenkt,

So wird's uns auch genommen."

So, denkt ihr, will ich nun im All

Mein Leben leblos führen? -

Doch weit gefehlt! - In diesem Fall

Wird Zwang das Weltstudieren.

Wiewohl ich weiß, es ist vorbei,

Das Hirn gibt keine Ruhe.

Und während ich "Nicht denken!" schrei,

Das Gegenteil ich tue.

Etwas Wunderbares

Beim Weine stumm zu sitzen,

Das Wohl der Welt zu stützen -

O welche Lust!

Ein Trinklied anzuheben,

Dann wieder still ergeben -

Das füllt die Brust!

Ein Weilchen hier gesessen

In stillem Selbstvergessen -

Was willst du mehr?

Im Weine voll Vertrauen

Dein Spiegelbild zu schauen,

Fällt niemals schwer.

Das ganze Weltgeschehen,

Das Zweifeln und Verstehen

Im Glase ruht.

Hier ist zu End' das Rennen,

„Nirwana“ könnt man's nennen;

Wie gut das tut.

Rings liegt das All im Schweigen.

Leis sagen mir die Geigen

Das, was ich litt.

Komm, lös nach einen Pfropfen!

Es flieh'n mit jedem Tropfen

Die Sorgen mit.

Theorie und Praxis

In früheren Zeiten, da hörte

Ich einige alte Gelehrte.

Ein jeder von ihnen wollt sagen,

Wie's Leben am besten zu tragen.

Sie stritten um Fragen wie diese:

Wie man wohl am besten genieße.

Und von Philosophen ich hörte:

Zum „Leben“ sei man auf der Erde!

Den Satz, ich vergaß ihn dann nimmer;

Denn Ratschlägen folge ich immer.

Ich zog aus der Weisheit die Schlüsse:

Viel besser sei's, wenn man nichts wisse

Nun leb ich, dem Schicksal treu, weiter,

Zufrieden und glücklich und heiter!

Doch jene verständigen Leute,

- Ich glaube - sie streiten noch heute.

Vereinigung

Sehe ich zur Erde nieder,

Blick ich auf zum Himmelszelt -

Stets ertönen meine Lieder,

Dich zu preisen, hehre Welt!

Jeden Stein erfüllt mein Klagen,

Jede Blume wonniglich.

Selbst dem Wurme möcht ich sagen

"Ich bin du - und du bist ich!"

Was kann eine Grenze halten

Zwischen mir und was ich seh?

Unterschiede der Gestalten

Trennen nicht der Seelen Näh.

Welt, nach mühevollen Wegen

Fass ich nun den Sinn des Seins:

Lebend steh ich dir entgegen,

Doch im Tode sind wir eins!

Geständnis

Zuweilen führt des Geistes Licht

Mich in der Wahrheit Regionen.

Ich sehe dann das Böse nicht

Und glaub, im Paradies zu wohnen.

Tief in das Innere versenkt,

Entsag ich jedem ird'schen Triebe.

Zum heil'gen Unbekannten lenkt

Das Selbst die Flammen seiner Liebe.

Da - wie ein höllisch Gaukelspiel -

Erscheinst du, Weib, mit holden Blicken

Du lächelst, reizt, es fehlt nicht viel

Und mich erfasst ein bang Entzücken.

Ich reiche meine Hände dir,

Dein Mund erbebt von meinen Küssen.

Was will der Wüstling voller Gier

Von jenem Heiligen noch wissen?

Vergessen ist, was wahr und echt,

Sobald du, Mädchen, nahst mit Kosen.

Warum, sag, ist mein Herz so schlecht?

Was soll'n in deinem Haar die Rosen?

All deine Schönheit weckt die Glut,

Die nur dem Höllenfeuer gleicht.

Ich möcht dich fliehen - doch wie gut

Weiß ich, dass dieser Vorsatz weicht.

Das Gute, das der Mann erstrebt,

Ist Tand, solang das Weib ihn richtet.

So ward ich tausendmal belebt

Und - ach! - schon tausendmal vernichtet.

Nimmermüd

Nimmermüd wollt ewig leben;

Bat darum den Herrn,

Dass in seinem ganzen Leben

Stets der Tod ihm fern.

"Gut", entschied der Herr der Welten,

"Deine Bitte lass ich gelten.

Nie sollst du die Nacht begrüßen,

Niemals deine Augen schließen!"

Nimmermüd lebt viele Jahre,

Nirgends fand er Ruh.

Freunden schloss er auf der Bahre

Ihre Augen zu.

"Ach, wie glücklich sind sie alle",

Dachte er in jedem Falle.

"Ruhe ich vergebens suche;

Ewig leben gleicht dem Fluche!"

"Siehst du", ließ sich Gott vernehmen,

"Tod verlangt dein Herz.

Lass ich ewig dir dein Leben,

Fühlst du ew'gen Schmerz!"

"Vater, Irdische nichts taugen.

Nimm das Bild von meinen Augen!"

Gott erfüllte sein Verlangen. -

Nimmermüd ist heimgegangen.

Fragen

Sinnloses Walten im stofflichen Sein,

Mächte des Zufalls regieren allein.

Ewiger Raum von Materie erfüllt,

Liefert für uns der Erscheinungswelt Bild.

Nirgends ein Geist, dem das All unterstellt -

Ist das die Welt?

Zeitweises Leben auf Erden erscheint,

Pflanzen und Tiere und Menschen vereint.

Kaum auf der Welt, schon geweihet dem Tod;

Gutes und Böses in selbiger Not.

Freuden und Leiden nur Augenblicks Zier -

Sagt: Sind das wir?

Und die Natur wälzt sich weiter dahin,

Fragt nicht "Woher' und fragt nicht "Wohin";

Denn jedes Stoffliche in ihrem Reich

Spendet ja Kraft und Empfindung zugleich.

Nicht Geist, nicht Seele - das ist ihr Gebot|

Ist das der Gott?

Das Beispiel

Am Weiher scholl der Wachtel Schlag,

die Frühlingswelt war bunt.

Und unten, tief im Wasser, lag

Ein Fischlein auf dem Grund.

Ihn freute nicht des Frühlings Pracht,

des Teiches klares Licht;

ob Sonnenschein, ob Tag, ob Nacht,

das sah der Kleine nicht.

Ihn trieb's nur, all das noch zu sehn,

was hinter'm Teiche ruht.

Unmögliches wollt er verstehn,

doch grübeln tut nicht gut.

Die schwersten Fragen stiegen auf

in seiner kleinen Brust.

Und weil sein Geist nicht kam darauf,

entschwand die Lebenslust.

An seiner Seit' ein flinker Fisch

Kannt' die Probleme kaum,

dacht nur an seinen Mittagstisch

und träumt manch süßen Traum.

Er freute sich am reinen Nass,

blieb fröhlich und gesund,

behielt auch seinen Lebensspaß

in mancher bitter'n Stund'.

Nach vielen Tagen voller Glück

im Teich und am Gestad

starb er im selben Augenblick

wie jener Kamerad.

Dem war das Leben eine Qual,

weil er es nicht verstand.

Nur dem erscheint das Leben fahl,

der nie zum Leben fand.

... Drum, Leser, nimm als Beispiel dir

die Fabel von dem Fisch;

und lebst du ohne Wissensgier,

bleibst du gesund und frisch!

Der Pessimist

Eines merke dir im Leben:

Lass den Tränen freien Lauf!

Nur des stummen Herzens Beben

hebet deinen Kummer auf.

Sieh, wie rings die Welt sich spaltet,

wie sich mehret alles Leid,

wieviel Schmerzen sie entfaltet

und wie wenig Glück sie beut!

Glück - was kann man glücklich nennen?

Ist‘s die Freude am Gewinn,

ist‘s der Sieg im Alltagsrennen,

ist‘s der Liebe goldner Sinn?

Freut euch immer, heitre Leute,

doch der helle Schein ist Trug!

Groß - ja, groß ist manche Freude,

Keine Freude groß genug.

Ach, nur in Gestalt von Sorgen

Drängt sich mir das Leben auf:

Gestern noch ein Mensch - und morgen

nimmt das Schicksal seinen Lauf.

Strebe keiner zu verlangen,

was verschwiegen hält mein Herz.

Liebesglück ist schnell vergangen -

ewig währt der Liebesschmerz!

Der Optimist

Den Urquell allen Seins und Lebens,

Vergehn und Werden der Natur,

sieht man mit ernstem Sinn vergebens;

drum lächelt man darüber nur.

Man soll sich nicht Gedanken machen,

die doch in Zweifel übergehn.

Es läßt allein ein herzhaft Lachen

den Stein der Weisen schnell verwehn.

Zusammenhänge aller Dinge

und jedes überird'sche Wort,

das alles, samt und sonders, bringe

man durch die Lebensfreude fort!

Es trinke der, dem Wein gegeben;

es freue sich, wer lachen kann!

Nur Spielerei ist dann das Leben,

sieht man es immer lächelnd an.

Nachkriegsgedichte (1945 bis 1950)

Weibliche Logik

Eva lag im Paradiese,

Hingestreckt auf grüner Wiese.

Adam war, wie er gesagt,

Unterdessen auf der Jagd.

Eva harrte schon mit Bangen

Seiner Rückkehr voll Verlangen.

Adam kam - welch tolles Stück -

Erst um Mitternacht zurück.

Eva sprach: "Jetzt nicht gelogen:

Schändlich hast du mich betrogen!"

Adam macht es sich bequem

Und fragt schelmisch nur: "Mit wem???"

Eva wusste nichts zu sagen

Und beendete das Fragen.

Adam schlief dann wie noch nie -

Seine Rippen zählte SIE (!)

Hubel-Sprünge

Wenn Bärbel Rux sechs Meter dreißig springt,

Dann schrei'n und brüllen wir vor lauter Jubel!

Das ganze Stadion eine Lobeshymne singt;

Denn Bärbel stammt - wie wir - aus Unterhubel.

Springt Heike Bolz sechs Meter vierzig weit,

Dann tun wir so, als wäre nichts geschehen.

Sie wohnt in Oberhubel. Tut uns leid!

Da kann man die Rekorde übersehen.

So war es einst. Heut sind wir auf der Hut!

Die Bärbel sprang sechs fünfzig, ungelogen!

Doch nicht ein einz'ger von uns fand das gut.

(Sie ist nach Mittelhubel weggezogen ...!)

Der Ausweg

Mit seiner Oper "Talisman"

Klopft Troll beim Herrn Verleger an.

Eins, zwei - am Flügel spielt er schon.

Herr Hunsing flüstert: "Oberon!"

Troll schweigt in süßen Harmonien,

Durchschwimmt ein Meer von Melodien,

Die Träne rinnt von Fall zu Fall.

Herr Hunsing nickt: "Ein Maskenball!"

Jetzt hört man Triller, lieblich, süß;

Man fühlt sich wie im Paradies,

So herrlich klingt's und angenehm.

Herr Hunsing schmunzelt: "La Bohème!"

Da plötzlich: Rhythmen voller Kraft!

Troll macht in wilder Leidenschaft,

Blickt um sich und sieht nichts als Spott;

Denn Hunsing lächelt: "Turandot!"

Troll gibt das Rennen noch nicht auf.

Die Tastenskala geht's hinauf,

Und es erklingt ein herrlich' Lied.

Herr Hunsing jauchzt: "Der Waffenschmied!"

Zum letzten Einsatz strebt der Troll.

Ein Leitmotiv, gar wundervoll,

Schallt rheingoldmäßig durchs Revier.

Herr Hunsing brüllt: "Nun reicht es mir!"

Troll klappt gehorsam sein Ragout,

Genannt "Der Talisman", still zu,

Rührt es daheim zu Schlagern an -

Und H. nimmt nicht mehr Anstoß dran.

Die Spröde

Sie saß ganz keusch mit einem Buch

Im Park auf einer Bank.

Er hob ihr auf das Taschentuch,

Da sprach sie: "Vielen Dank!"

Er sagte: "'s wird bald Frühling sein."

Sie nestelte am Schuh.

Er blickte in ihr Buch hinein.

Da klappte sie es zu.

Er rückte sacht in ihre Näh'.

Sie wandte sich ihm ab.

Er fasste ihre Hand - doch jäh

Fühlt er ein Fäustchen. Klapp!

Jetzt wagte er den letzten Streich

Und sprach: "Ich liebe Sie!"

Sie sagte ihm: "Das ist mir gleich,

Ich selber liebe nie!"

Da stand er auf (nicht grade froh)

Und sprach, wie's oft der Brauch:

"Verzeihen Sie, ich tat nur so!"

"Ich auch, mein Herr, ich auch!"

Mannequin

Sie ist perplex. Von all den Herrn

(Es waren ziemlich über hundert)

Hat einer - so was hört man gern -

Tatsächlich ihr Kostüm bewundert!

Der Kenner

"Was halten Sie von Annelie?"

Fragt ich 'nen Herrn mit Bangen;

Denn Annelie hielt irgendwie

Ein jedes Herz gefangen.

Jedoch der Herr war aufgebracht:

"Sie ist ein Ungeheuer!"

Fast hätte ich ihn ausgelacht.

Warum fing er kein Feuer?

"So seh'n Sie doch nur die Figur!"

Er winkte ab: "Fassade!"

"Ihr Blick verrät des Geistes Spur!"

Er gähnte: "Sie ist fade!"

Ich zeigte auf die andern Herrn

Im bunten Ballgewühle.

"Sie sehen: Jeder hat sie gern -

Sie sind der einz'ge Kühle!"

"Es tut mir leid", sprach er voll Hohn,

"Ich finde, diese Dame

Lässt außer Acht den guten Ton,

Und alles ist Reklame."

"Herr!" rief ich, und ich packt empört

Ihn fest an der Krawatte,

"Wer sind Sie? Es ist unerhört!"

Er lächelte: "Ihr Gatte!"

Moral: Nicht alles, was man preist,

Kommt prompt auf einen Nenner;

Gar oft steht - ohne, dass du's weißt -

Im Winkel still der Kenner!

Stilbruch

"Wie Gertrud ihre Kinder lehrt" -

Dies Buch (man wagt es kaum zu sagen)

Hielt jüngst ein strenger Vater wert,

Dem Söhnchen um den Kopf zu schlagen.

Solch Strafgericht ein Lob zu weih'n,

Kann ich mich leider nicht bequemen.

Muss es denn Pestalozzi sein?

Er sollte lieber Klopstock nehmen.

Angelica

Sie fragt bei Männern nie, was sie verdienen.

Ein Auto reizt sie nicht und kein Likör.

Sie ignoriert der Kavaliere Mienen.

Ihr ist der Chef so schnurz wie ein Schofför.

Sie macht sich nichts aus Schminke und Frisuren

Selbst Zigaretten lässt sie unberührt.

Unnötig sind bei ihr Erholungskuren.

Sie meidet alles, was zum Abgrund führt.

Nicht eine Nacht schlägt sie sich um die Ohren.

Wie eine Heil'ge lebt sie in der Welt.

Kein Mann hat sie bisher für sich erkoren.

Sie hat - o Wunder! - sich noch nie verstellt.

Ganz selten nur blickt sie in einen Spiegel.

Sie ist nicht prüde, aber auch nicht keck.

Für ihre Reinheit geb' ich Brief und Siegel.

Bei unanständ'gen Witzen hört sie weg.

Verschwiegen ist sie in geheimsten Dingen.

Was man von ihr berichtet, lässt sie kalt.

Kein Filmstar kann sie aus der Ruhe bringen.

Nur ist sie leider erst sechs Wochen alt...

Dreiklang

Da traf ich jüngstens Lilli wieder.

Sie kam bedrückt aus einem Haus

Und blickte scheu zu Boden nieder.

Blass und verkümmert sah sie aus.

Ihr Kleid war ziemlich abgetragen,

Auch die Frisur war nicht mehr fein.

"Sie ist die Frau", so hört ich sagen,

"Vom Pianisten Wandelstein!"

Dann sah ich Olga. Welch Entzücken!

Die hatte sich herausgemacht:

Ein Persianer zum Berücken!

Und wie sie strahlt! Und wie sie lacht!

"Wie lebt sie nur auf solche Weise?"

Fragt' ich erstaunt den Nachbarn Klein

"Sie ist die Freundin", sprach er leise,

"Vom Pianisten Wandelstein."

Ja zum Leben (1951)

Prolog

Als die Natur in voller Blüte stand

Und rings die Welt im Sonnenglanze lachte,

Da wehte jene Wahrheit durch das Land,

Dass man im Einzelnen das Ganze achte;

Denn was nicht Form gewinnt im Weltgetriebe,

Bleibt unzugänglich jeder wahren Liebe.

Das Herz wird kalt, wenn es das Leben flieht,

Wenn es sich hängt an flücht'ge Traumgebilde -

Nein, wen Natur in ihre Arme zieht,

Gelangt in wahres, göttliches Gefilde.

Hier ist der Ort, wo sich das Höchste kündet,

Wo, was er sucht, der Strebende bald findet.

Dies ahnend, schritt ich durch die lichte Flur,

Vernahm mit offnem Sinn der Bäume Rauschen,

Verfolgte liebend mancher Tiere Spur,

Begann, dem muntern Lied des Bachs zu lauschen

Und als ich fest mich an die Erde schmiegte,

Da war's, als ob ein Einsgefühl uns wiegte.

"Leben", sprach ich, "sei gepriesen,

Kannst dich niemals mir entwinden.

In den Fluren, Wäldern, Wiesen

Werde ich dich wiederfinden,

Wenn du anderswo entschwunden;

Denn du wechselst nur die Farbe,

Bleibest selbst zu allen Stunden

Das im Grund Unwandelbare.

Darum dien ich dir mit Wonnen,

Bin ja selbst ein Teil des Lebens,

Das als Ganzes mich durchronnen,

Und ich diene nicht vergebens; -

Gibst du mir doch Kraft und Stärke,

Alles liebend zu verehren,

Zu erfüllen deine Werke,

Wirst mich auch die Wahrheit lehren."

Wahrheit? - ja, sie wollt ich schauen,

Spüren ihre Huld,

Wollte wandern durch die Auen,

Frei von jeder Schuld;

Denn das fühlt ich: Ohne Wahrheit

Strahlt kein Hoffnungslicht,

Nur am Geiste heller Klarheit

Sich das Böse bricht.

Und so zog ich manche Wege,

Kam zum Wiesenrand,

überschritt der Bäche Stege,

An der Bergeswand

Macht' ich halt und setzt mich nieder

- mit dem Blick zum Teich -,

Vögel sangen Jubellieder,

Und ich schätzt mich reich.

Sah beseelt in blaue Lüfte,

Barg das Haupt ins Gras,

Mich betäubten zarte Düfte,

Und mein Herz genas.

Leise schlossen sich die Augen,

Und mein ganzes Ich

Drang, das Weltall einzusaugen,

Wie das Weltall mich.

Da plötzlich - ich weiß nicht, wie lange ich lag -

Umspielte ein Hauch meine Sinne.

Es war, als verhülfe der blumige Hag

Mir diesmal zum größten Gewinne.

Ich sah, wie zwei Augen - so hell und so klar -

Aus lieblichem Angesicht blickten,

Die beide - ich ward es im Innern gewahr -

Viel Strahlen der Freude mir schickten.

Ein Mädchen - an Anmut und Schönheit so reich -

Stand vor mir, wie himmelentstammend.

Sie lachte mir zu und erfüllte sogleich

Mein Wesen, das Herz tief entflammend.

Ich sah ihr ins Antlitz, ich reicht ihr die Hand

Und wollte sie liebend umfangen -

Doch, halb nur geboren, die Regung entschwand -

Und wich einem heimlichen Bangen.

Mein Blick ward gebannt an die Augen der Maid,

Sie töteten jedes Begehren;

Es schien mir, als wollten sie jedweder Zeit

Das Wirken im Raume verwehren.

Der Glanz dieser Augen gab Frieden und Glück,

Ich blickte ins Inn're der Sterne:

Da sah ich die Wahrheit. Nicht konnt' ich zurück;

Nah war mir die weiteste Ferne.

Die Wahrheit - so oft und vergeblich erfleht -,

Sie lag in den Augen verborgen.

Wer tief in die Blicke der Holden gespäht,

Dem schwinden auf immer die Sorgen.

Es war eine Göttin, dies merkte ich bald, Und WAHRHEIT allein muss sie heißen. Wo immer ich bin, ob in Feld oder Wald,

Im Liede wird' stets ich sie preisen.

Die Wahrheit ist alt; doch worin sie sich spiegelt,

Das Auge, ist stets wieder jung.

Drum ist durch den Tod nicht ihr Schicksal besiegelt

Sie pendelt in ewigem Schwung.

Das Auge der Wahrheit blickt werbend auf alle;

Nur wer es erfasst, wird entzückt.

Es folgt dem Gesetz - wie in jeglichem Falle -,

Dass Gleiches nur Gleiches erblickt.

So will ich denn künden, was sich mir enthüllet,

Und lasse dem Lied seinen Lauf.

Von Herzen muss kommen, was Herzen erfüllet -

Darauf baut das Leben sich auf.

Das Leben

Im Leben liegt das Urprinzip der Welten,

Ein jeder Keim ist Ausdruck seiner Kraft.

Als ew‘ge Quelle muss das Leben gelten,

Das zeitlos aus sich selbst die Zeiten schafft.

Verborgen tief, durchdringt es alle Räume

Und bleibt dasselbe stets in Ewigkeit.

Der Tod ficht es nicht an, nicht Schlaf noch Träume -

Und siebenfach ist seine Wesenheit:

Das Dasein ist die Grundnatur der Wesen;

Dass etwas nicht sei, ist ein bloßer Schein.

Nichts wird in Zukunft, was nicht schon gewesen -

Der Schwerpunkt aller Dinge liegt im SEIN.

Dies Sein jedoch ist in sich selbst begründet,

Hat nicht allein im Bilde Andrer Wert.

Wer es im Innern seines Wesens findet,

Besitzt, was man nach außen stumm verehrt.

Im Dasein selbst entfaltet sich der WILLE.

Er treibt die Welt zum großen Umlauf an,

Eilt unaufhörlich, duldet keine Stille,

Schlingt, alles zu gewinnen, Weib an Mann.

Durch seine Freiheit wird die Welt gebunden,

Sie ächzt und ist im Grunde selbst sein Teil;

Und nur, wenn sie des Urgrunds Grund gefunden,

Führt äuß‘rer Zwang zu inn‘rer Freiheit Heil.

Nicht immer thront die Macht des blinden Willens;

Denn seine Herrschaft beugt sich vor der Kunst.

Was Ziel war allen Stillens und Erfüllens,

Löst durch die Kunst sich auf in Rauch und Dunst.

Und das Erkennen macht sich frei von Zwecken,

Die - erdgebunden - uns zur Tiefe zieh‘n.

Der Gattung neues Leben zu erwecken,

Vermag das SCHÖNE nur, zu dem wir flieh‘n.

Doch was die Kunst gewährt im Augenblicke,

Das liegt ein Leben lang für den bereit,

Der wahrhaft LIEBE hegt. Und diesem Glücke

Gleicht nicht Askese noch Gerechtigkeit.

Wer innig liebend sich dem All verbindet

Und selbst dem Feinde weiht sein eigen Herz,

Dem wird - indem er sich im andern findet -

Zur Freude stets der Selbstverleugnung Schmerz.

Und weil das Böse nur den Bösen schrecket,

Den Guten doch in Wahrheit nicht berührt,

So wird das GUTE immerfort erwecket

Da, wo es seine Herrschaft sicher führt.

Gut ist die Welt, sobald ein Wesen immer

Das Schlechte abzuhalten fähig ist.

Drum schöpfe neuen Mut: Es weichet nimmer

Des Guten Streben vor des Argen List.

Was nun das Gute lenkt auf rechtem Wege,

Das wird als WISSEN überall verehrt.

Erkenntnis ist das Licht am dunklen Stege,

Ohn‘ dessen Hilfe mancher Gang erschwert.

Was wär die Tugend ohne wahren Leiter? -

Ein Kind, das - gut gemeint - das Böse tut.

Nur dann führt uns der Weg zum Ziele weiter,

Wenn alles Tun im wahren Wissen ruht.

So offenbart das Leben seine Tiefen;

Sie zu ergründen, ist des Menschen Pflicht.

Denn alle, die im Finstern klagend riefen,

Gelangen durch das Streben nur zum Licht.

Geheiligt sei, wer sich dem Guten weihet! -

Das ist des Lebens ewig-junger Rat.

Frei heißt: Von Hoffnung und von Furcht befreiet

Unsterblich wird das Leben durch die TAT!

Erster Gesang - DAS SEIN

O Natur, in deinem Schoße

Quillt des Lebens heil'ger Bronnen.

Alles wird aus dir gewonnen.

Selbst im Kleinsten liegt das Große.

Hier und dorten regt sich Leben,

Strahlt im Glanze seiner Stärke,

Bildet sich zum ganzen Werke,

Will dem Sein ein Wesen geben.

Sein - so soll das Leben heißen;

Denn im Sein liegt Offenbarung.

Seiend zeigt uns die Erfahrung

Alles, was wir göttlich preisen.

Ohne Sein wär nichts vorhanden,

Selbst das eigne Wesen schwände,

Gleich am Anfang stünd' das Ende

Und die Welt hätt' nie bestanden.

Zwar, es wechselt die Erscheinung,

Spiegelt Werden und Vergehen,

Doch ein ewiges Bestehen

Kündet sich der wahren Meinung.

Aller Vielheit liegt zugrunde

Doch nur eines, und ein Wesen

Ist Erscheinung stets gewesen

Dessen, was erschien zur Stunde.

Wahres, ew'ges Sein hat keines

jener Dinge, die in Eile.

Die Erscheinung geht in Teile,

Das Erscheinende ist eines.

Drum, wenn auch der Wechsel mahnet

An Vergänglichkeit des Lebens,

Nicht ist das Gefühl vergebens,

welches Seiendes nur ahnet;

Denn im Sein allein liegt Wahrheit,

Es ist Urgrund aller Dinge.

Halt es fest, damit es bringe

Dir des Geistes helle Klarheit!

Nicht steht die Natur entgegen

Uns als Fremdes, unumwunden -

Nein, wir sind mit ihr verbunden,

Eng gepaart auf allen Wegen.

Fest und stark vom Sein durchdrungen

Sind die Dinge aller Welten,

Und was sie als Teile gelten,

Ist vom Ganzen ausbedungen.

Wer zutiefst das Selbst ergründet,

Allen äußern Schein verachtet

Und - wenn er nach Wahrheit trachtet -

Die Natur der Dinge findet,

Gleicht - sich selbst erkennend -

Jenen, die auf guten Boden säen

Und dafür entsprechend mähen;

Tat und Lohn sind niemals trennend.

Das Warum des Seins verhänget

Sich mit Schleiern alle Tage.

Doch das Was ist jene Frage,

Die mit Recht auf Antwort dränget.

Nicht auf das zielt unsre Meinung,

Nur die Wirkung stets zu finden,

Sondern fragend zu ergründen:

Was erscheint in der Erscheinung?

Schon im Seienden enthalten

Ist das Wesen, nicht geworden.

Es erstrebet allerorten,

Sich auf Dauer zu entfalten.

Und im Sein liegt die Bedingung

Jedes Lebens. Alle Worte

Gehen durch des Daseins Pforte,

Sind des Urseins Wiederbringung.

Darum lehret die Erfahrung:

Was Natur an Kräften spendet,

Was sie in die Welten sendet,

Gibt dem Seienden die Nahrung.

Und so gehet alles wieder

An den Ort, woher es kommen.

Was kann solch ein Wechsel frommen,

Der in ew'gem Auf und Nieder

Nur dem Kreis gleicht? Jede Wende

Zeugt von ungebroch'nem Leben,

Welchem nur ein Sein gegeben

Ohne Anfang, ohne Ende.

So, im Sein, verharrt das Ganze,

Kann sich nicht von ihm befreien;

Denn dann müsst es sich entzweien

Mit sich selbst und allem Glanze,

Der des Lebens Bild gestaltet.

Grundstock aller Möglichkeiten,

Aller Orte, aller Zeiten,

Ist das Sein - es ist und waltet.

Zweiter Gesang - DER WILLE

Innerlich drängend,

Vorwärts sich zwängend,

Unheil verhängend,

Treibt er zum Licht.

Stets zu gewinnen,

Eilt er von hinnen;

Ruh'ges Besinnen

Duldet er nicht.

Ewiges Leben

Nur zu erstreben,

Alles zu geben,

Ist er bedacht.

Brennende Schmerzen

Flammen im Herzen,

Leuchten als Kerzen

Ihm in der Nacht.

Schrecken und Bangen

Zu ihm gelangen,

Wildes Verlangen

Glüht in ihm auf.

Freuden und Wonnen,

Heiterer Sonnen

Spiegel im Bronnen

Führt ihn hinauf

Zu jenen Höhen,

Wo im Geschehen

Ganz fest zu stehen,

Glückvoll er glaubt.

Und er geht heiter

Des Lebens Leiter

Schritt für Schritt weiter,

Hungert und raubt.

Eitel Begehren

Lässt ihn verwehren

Alle die Ehren,

Die ihm bestimmt.

Rastloses Hoffen,

Das ihn betroffen,

Opfert ihm offen,

Was er sich nimmt.

Hohl ist sein Wähnen,

Hart sind die Tränen,

Spottendes Gähnen

Ist all sein Lohn.

Er will im Lande

Trennen die Bande,

Trifft nur auf Schande,

Erntet nur Hohn.

Sich zu erhalten

Alle Gestalten,

Endlos zu walten,

Müht er sich ab.

Und auch im Ganzen

Sich fortzupflanzen,

Stürzt ihn die Schanzen

Tiefer hinab.

Auf jedem Gange

Sieht er im Drange

Seine Belange,

Sonst weiter nichts.

Ans Ich gebunden,

Zu allen Stunden

Will er verwunden

Kinder des Lichts.

In allen Steinen,

In Pflanzenhainen,

In Tiergebeinen

Regt sich sein Trieb.

Und Menschen kennen

Nur sein Entbrennen,

Blindlings sie rennen

Ins ew'ge Sieb;

Denn alle Schwere

Trifft einst ins Leere,

Endlos im Meere

Treibt jeder Kahn.

Der Heimat Linden

Können nur finden,

Die sich entbinden

Von allem Wahn.

Was aus dem Herzen

Quillet durch Scherzen,

Endet in Schmerzen,

Leiden und Tod.

Doch wer den Willen

Vermag zu stillen,

Wird so erfüllen

Höchstes Gebot.

Machtgier zu wenden,

Raublust zu enden,

Frieden zu senden,

Sei unser Ziel.

Heiß zu erstreben

Anderer Leben,

Des Willens Beben

Wird dann zum Spiel.

Dritter Gesang - DAS SCHÖNE

Hat der Wille sich auf Zeit gewendet,

Folgt der Mensch nicht nur der eignen Spur,

Schaut das Auge - in die Welt gesendet -

Offner, freier, freud'ger die Natur.

Und die Vielzahl aller Kräfte spendet

Neues Leben der gewohnten Flur.

Wahre Schönheit in der Welt betrachtet,

Wer die Eigenheit der Dinge achtet.

Formend - wie geheimer Mächte Walten -

Legt die Kunst ein jedes Wesen dar,

Wandelt gleichsam der Natur Gestalten

Zu beseelten Bildern, rein und klar.

Nie kann drum der Weltenbau veralten;

Denn die Kunst verjüngt mit jedem Jahr.

Was sich sonst als blinder Trieb bekundet,

Sich zum einheitlichen Ganzen rundet.

Echte Schönheit lässt die Welt erscheinen

Als ein Kunstwerk, froh und farbenreich.

Macht und Würde glückhaft zu vereinen,

Ist die Kunst bestrebt in ihrem Reich,

Offenbart sich in geringsten Steinen,

Formt das Denken, macht die Herzen weich.

Und den Lohn von ihr empfangen haben

Alle Menschen, die sich ihr ergaben.

Der Materie gestaltend Wesen,

In der Baukunst tritt es klar hervor.

Aus ihr lässt sich die Naturkraft lesen,

Welche in der Schwere sich verlor

Und die dann der Stütze Last gewesen,

Sich mit ihr vereint zum großen Chor.

Dieses Ringen starker Urgewalten

Weiß die Kunst zum Schönen zu gestalten.

Der Skulptur gelingt die Offenbarung

Aller Arten, die organisch sind,

Und vorzüglich menschliche Erfahrung

Reiht sie ein ins große Labyrinth,

Nimmt des Menschen Körper in Verwahrung,

Bildet Mann und Weib, den Greis, das Kind.

Und die unumhüllt die Kunst erwecken,

Der Verehrung Schleier wird sie decken.

Von dem Körper mehr zum Antlitz neiget

Sich die lichte Kunst der Malerei.

Durch genaue Linienführung zeiget

Sie das Wesen des Charakters treu.

Und durch Farbentöne endlich steiget

Der Effekt zu süßer Melodei.

Was im Raum als Schönheit ward empfunden.

Auf die Fläche ist es festgebunden.

Doch des Lebens stetes Auf und Nieder

Hüllt die Poesie in Worte ein.

Freund- und leidvoll künden ihre Lieder

Von dem Schicksal, welches Groß und Klein

Ohne Wahl trifft. Deutlich immer wieder

Mahnt die Dichtung zum Ergebensein.

Und der Sprache Kraft durchdringt die Seelen

Dass sie nicht den Weg des Lichts verfehlen.

Ohne alle räumlichen Gebilde

Spiegelt die Musik des Willens Kraft,

Was sie in der Melodie Gefilde

Durch der Rhythmen zeitlich Streben schafft.

Ja, sie deckt mit klangbewehrtem Schilde

Alles zu, wo eine Lücke klafft.

Und die Töne der Musik gewähren

Eine wahre Symphonie der Sphären.

Der Verweichlichung des Sinns entgegen

Tritt die Turnkunst, die den Körper stählt.

Nur wo sich gesunde Kräfte regen,

Wird ein Geist, der Schönem gleicht, erwählt.

Und wenn sich die Glieder frei bewegen,

Wird das Ich von Sorgen nicht gequält.

Die Gymnastik schafft dem Geiste Klarheit,

Stärkt das Leben neu und dient der Wahrheit.

Diese Wahrheit in Vernunft zu kleiden,

Ist Philosophie mit Fleiß bemüht.

Ungeachtet aller Not und Leiden,

wird sie nur vom Forschungstrieb durchglüht.

Da, wo sich mit Lust die Augen weiden,

Unbekümmert die Natur erblüht,

Sucht sie ihre Rätsel nur zu lösen,

Um das Gut zu trennen von dem Bösen.

So gestalten sich die Künste alle

Zu der Schönheit Reigen immerfort.

Wo sie auch besteh'n, in jedem Falle

Finden sie ein Offenbarungswort;

Denn den Schlüssel zu der Schönheit Halle

Hält die Kunst an ihrem heil'gen Ort.

Wer vermag, ihr diesen zu entwinden,

Wird das Schöne alles Lebens finden.

Vierter Gesang - DIE LIEBE

Zu neuem Daseinsglück erwacht,

Wer in des Schicksals Stunden,

In welchen keine Freude lacht,

Des Mitleids Gabe dargebracht,

Den Nächsten zu gesunden.

Wie arm ist doch des Menschen Herz

Das nur für sich erbebet;

Denn nicht im Spiele oder Scherz,

Nein, im Gefühl für fremden Schmerz

Wird jede Brust belebet.

Das All ist brüderlich vereint

Durch Willen, Kraft und Liebe.

Und wie die Sonne schützend scheint

Auf alles, was im Glanz sich eint,

So wecken alle Triebe

Belebend neue Wunderkraft

Und heilen alte Wunden.

Was keine Macht durch Stärke schafft,

Was sonst die Wesen hingerafft,

Wird liebend nur gebunden.

Im Grunde ist ein jedes Ding

Mit uns verwandt, verschwistert.

Und sei es noch so klein, gering,

Selbst wenn es auch am Ärgsten hing,

Es blickt uns an und flüstert:

"O zürne nicht der bösen Tat -

Wie leicht kann's dir geschehen,

Dass du vergisst der Weisheit Rat

Und wandelst dann von früh bis spat

Auf Pfaden, die zu gehen

Du mir zum bitter'n Vorwurf machst.

Bedenke, dass am Ende,

Was du zum Feuer hier entfachst.

Dem strafend du entgegenlachst,

Auch dich einst treffen könnte."

Denn was im Wesen Arges liegt,

Ist aller Welt zu eigen.

Nichts frommt, wer fremde Schulden wiegt

Nur wer sich vollends selbst besiegt,

Kann edle Wege zeigen.

Doch nicht allein dem Freundesbund,

Mit liebendem Gebaren

Geb sich der Mensch auch Feinden kund,

Er wende ab zu jeder Stund'

Von ihnen die Gefahren.

Das ist ja grad der tiefste Sinn

Der Lehre von der Treue:

Dass Lieb nicht fragt Woher, Wohin,

Dass sie nicht buhlet um Gewinn,

Sich stets bewährt aufs Neue.

Die Liebe macht aus allem eins,

Zerbricht der Vielheit Schranken,

Entführt uns aus der Welt des Scheins

In das Gefild' des wahren Seins,

Wo nichts vermag zu wanken.

Es gleicht ein Wesen, welches nicht

Der Liebe Huld erkennet,

Der Blume, die am Morgen bricht

Und die der gold'nen Sonne Licht

Nicht mehr ihr Eigen nennet.

Sich selbst vergessend, liebevoll

Das Weltenall umschlingend,

So stehet - fern von jedem Groll -

Der Weise, wie es jeder soll,

Den heil'gen Frieden bringend.

Es birgt die Liebe Trost und Glück,

Sie spendet Kraft den Seelen;

Der Hass hingegen wirft zurück

Die Bahn des Menschen Stück für Stück

Und lässt das Ziel verfehlen.

Und sieht der Mensch in größter Qual

Sich dem Geschick verfallen,

Dann bleibet ihm als letzte Wahl

Der Eintritt in den lichten Saal,

Wo Liebe winket allen.

Denn diese ist in Wirklichkeit

Wie ein Geschenk von oben:

Der Erde Pracht und Herrlichkeit

Kann sich an wahrer Seligkeit

Der Liebe nicht erproben.

Zwar weist ihr irdisch Schattenbild

Oft andre trübe Wege,

Doch hält das Urlicht freundlich-mild

Auf jedes Ding sein schützend' Schild

Und leuchtet ihm die Stege.

Dies Urlicht - Liebe hier genannt -

Verleiht den Körpern Leben.

Ein Wesen - heiß von ihm entbrannt -

Wird Freuden atmen, ungekannt,

Und andern Leben geben.

Fünfter Gesang - DAS GUTE

Seit Urbeginn ist ein Gesetz in Kraft,

Das guten Wesen immer Gutes schafft;

Denn wer mit Gutem sich verschmelzen kann,

Den ficht zu keiner Zeit das Böse an.

Vor Güte fallt jedwede Schlechtigkeit,

Zunichte wird hier jeder Widerstreit.

Wer über einen Guten Böses spricht,

Mag er es ruhig tun - es trifft ihn nicht.

Und wenn das Schicksal ihn zu Boden reißt,

Er nimmt es freudig hin mit klarem Geist.

Selbst wenn der Schmerz ihn mit Gewalt befällt,

Vertraut er auf das Urgesetz der Welt,

Wonach nur der mit Leiden jammernd ringt,

Der um Glückseligkeit die Arme schlingt.

Doch wer nicht hascht nach selbstischem Genuss

Und von sich weist der Dinge Überfluss,

Dem wird - weil nichts mehr seinen Willen bricht -

Der Schmerz zur Lehre nur, die Nacht zum Licht.

Dies Grundgesetz, was die Natur durchwallt

Und alles Leben leitet, widerhallt

Jedoch nur in den Herzen, welche schon

Das Gute tun, nicht kennend ihren Lohn.

Denn wenn sie nur mit klugem Vorbedacht

Die Pflicht erfüllen, bleibt es weiter Nacht.

Nicht Hoffnung darf des Handelns Leiter sein,

Die Pflicht als solche führt die Tugend ein.

Und was als Grund des Handelns schändlich ist,

Das tritt als Folge ein in kurzer Frist.

Selbstloses Tun wird von der Qual befreit,

Hier ist der Boden der Gerechtigkeit.

Denn was dem Guten Übles mag gescheh'n,

Ins Auge eines Dulders wird es sehn,

Das - weil es nicht mit Gier ins Weltall blickt -

Nur Strahlen inn'rer Weihe von sich schickt.

Auf alles sieht der Gute freudig drein

Und hüllt sich in den Schutz der Wahrheit ein;

Denn alle Wahrheit das Gesetz durchmisst,

Dass Gutes ewig unverletzlich ist.

Gerechtigkeit und Wahrheit Hand in Hand

Verknüpfen sich zu einen festen Band.

Drum, wer der Wahrheit treulich dienen will,

Der weihe sich dem Dienst des Guten still.

Das Gute ist des Lebens Unterpfand

Und zwingt die Welt in sittlichen Bestand.

Das Sein als aller Dinge Sichtbarkeit

Birgt die Moral in sich als Wesenheit;

Und wo das Gute sich zur Macht erhebt,

Da wird das Leben neuerlich belebt.

Ein jedes Tun, das aus dem Mitleid quillt.

Das andern nur zu helfen ist gewillt,

Das nicht das eigne Wohl am höchsten schätzt,

Das fremde Interessen nicht verletzt,

Das aus der Nächstenliebe heiß entspringt,

Das andern Wesen Glück und Freude bringt -

Ein solches Tun heißt gut zu jeder Zeit;

Und überall wird, wer sich diesem weiht,

Mit wahrem Recht ein Guter stets genannt,

Ganz gleich in welcher Zeit und welchem Land.

Drum gilt hier nicht, was sonst berechtigt scheint,

Dass nichts sich fest zum Absoluten eint;

Denn die Moral ist gleich in jedem Stück,

Sie bindet fest, von ihr gibt's kein Zurück.

Vergänglich ist der Dinge äuß'rer Schein,

Doch ihre Wesenheit muss ewig sein.

Und weil das Wesen fest im Guten liegt,

So wird durch Gutes jeder Schein besiegt.

Der Schein ist Schale, trüber Wolkenflor,

Doch im Gewissen tritt der Kern hervor

Wie eine Sonne - strahlend, hell und klar -

Und treibt hinweg der Wolken dunkle Schar.

Es deckt das Leben seine Tiefen auf,

Befruchtet neu den alten Weltenlauf

Und in der Mitte dieses Strebens steht

Das Gute fest, vom Schöpferhauch umweht,

Der nicht von außen her die Welten schafft,

Vielmehr im Innern liegt als eigne Kraft.

Das Gute ist der Ausdruck wahren Seins,

Versenkt in alle Dinge, bleibt es eins,

Die Zeiten füllend, ist es ewig da

Und unberührt von allem, was geschah.

Wer auf das Gute richtet sein Vertrau'n,

Der wird in hellem Glanz die Wahrheit schau'n,

Weil wahr nur jenes ist, was nicht vergeht

Und überall und immer gleich besteht.

In voller Pracht sich dem das Gute zeigt,

Dess' Wille sich ihm treulich zugeneigt,