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Der König der Straße: Gestatten, Willi, Fiat Panda, gedrosselt auf 25 km/h. Zusammen mit meiner Chauffeurin heize ich durch Brandenburg! Wer braucht schon einen Porsche? Eine Erzählung über Langsamkeit. In 15 Kapiteln berichte ich davon, wie es sich fährt, wenn man auf 25 km/h gedrosselt wurde. Nach meiner Ankunft in der Mark Brandenburg lernte ich meine Chauffeurin und ihre Familie kennen. Und Friederike, das Fahrrad, eine echte Plaudertasche, die in der Garage neben mir steht. Von meinen Erlebnissen, den Wettertücken und meinem ersten Unfall muss ich euch unbedingt erzählen. Und natürlich davon, dass neugierige Leute meine Chauffeurin oft fragen, was die „25“ auf meinem Heck bedeutet. Mit meinen Scheinwerfern – also, meiner Geschichte – will ich endlich Licht ins Dunkel bringen. _____________________________________________ Cornelia Bera liest: im LIBEZEM Lichtenberger Beratungs- und Begegnungszentrum Rhinstraße 9 10315 Berlin am Dienstag, 4. Dezember ab 15:30 Uhr Lesung aus „Willi – der mit der 25 am Heck"
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Seitenzahl: 60
Cornelia Bera
Willi
der mit der 25 am Heck
Impressum
Bibliografische Informationen der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN: 978-3-95894-041-3
© Copyright: Omnino-Verlag, Berlin / 2017
www.omnino-verlag.de
Alle Rechte, auch die des Nachdrucks von Auszügen, der fotomechanischen und digitalen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten.
Ich wohne im Dorf Gansenwald. Nach mehr als siebenhundertsiebzig Kilometern kam ich hierher. Laut Tachometer. Wir Fahrzeuge zählen nicht in Jahren, wie es Menschen tun.
Ich stand zunächst auf dem Gelände eines Fahrzeug-Vertriebs im Norden Deutschlands und wartete blankgeputzt darauf, dass mich jemand braucht und kauft und in mich einsteigt und ... Ich träumte Tag für Tag davon, über die Straßen zu rollen. Ich hörte immer wieder davon, dass diese Firma, der ich damals gehörte, zwischen Elbe und Nordsee liegt. Nicht weit weg vom Meer! Das wollte ich mir unbedingt anschauen. Mitsamt dem Käufer, den ich mir so wünschte. Doch es kam anders.
Jetzt lebe ich in der Garage neben dem Haus einer Familie mit zwei Kindern. Weit weg vom Meer! Oliver ist sieben Jahre alt, Schwester Klara fünf Jahre. Ihre Mama Conni war bis zu meinem Eintreffen Fahrradchauffeurin. Sie radelte täglich nach Moldendorf. Bis zu diesem Ort sind es, von Gansenwald aus, drei Kilometer. Täglich Fahrrad fahren. Bei jedem Wetter. Ist ja sehr gesund. Macht aber überhaupt keinen Spaß im strömenden Regen, mitten im Gewitter oder gegen starken Wind, mit Taschen am Lenker und einem gefüllten Korb auf dem Gepäckträger. Was Connis Fahrrad alles auszuhalten hatte, davon werde ich noch berichten.
Bevor ich nach Gansenwald kam, fuhr Oliver mit seinem Drahtesel vor Connis Rad. Er geht in die erste Klasse der Grundschule in Moldendorf. Seine Schwester besucht tagsüber den Moldendorfer Kindergarten. Sie wird während der Hin- und Rückfahrt auf dem Kindersitz platziert, der an Connis Fahrrad befestigt ist. Klara nimmt die blaue Stullentasche und ihren Teddy Fridolin mit. Den Teddy braucht sie zum Kuscheln beim Mittagsschlaf. Hat mir Friederike erzählt. Von ihr später mehr.
Papa Anton wusste aus der eigenen Kindheit, wie es sich anfühlt, zu allen Jahreszeiten per Fahrrad unterwegs zu sein. Bei Regenwetter legte er das Rad von Oliver in den Kofferraum seines Trabbis und brachte den Jungen zur Schule. Doch wegen der häufigen Dienstreisen war Anton nicht immer zur Stelle. Ein Auto für Conni musste her! So kam es, dass Anton mich während einer Dienstfahrt entdeckte. Seine Wahl fiel auf mich, weil Conni die Fahrerlaubnis für einen Traktor hat.
Das klingt merkwürdig, aber immer der Reihe nach. Natürlich bin ich ein Auto, was denn sonst! Ein Fiat Panda, magmarot lackiert. Und ein besonderer Fiat, ich fahre langsamer als gewöhnliche Autos: ich trage eine „25“ am Heck. Deshalb darf Conni mit ihrer Fahrerlaubnis meine Chauffeurin sein. Mir wurde ein kleiner Zauberkasten in den Motorraum eingebaut. Dieser Zauberkasten bremst mich. Ich darf nicht so schnell wie andere Autos fahren. Den kleinen Kasten behalte ich, bis Conni die Fahrerlaubnis für ein normales Auto macht. Dann wird der Kasten wieder ausgebaut und ich bringe Conni schneller zur Arbeit nach Wildberg. Sie ist in einem Blumengeschäft tätig. Conni mag mich sehr. Oft schaut sie abends durchs Küchenfenster hinüber zur Garage. Das Licht aus der Küche spiegelt sich in meinem Lack. Als ich hier angeliefert wurde – was war das für ein aufregender Novemberabend!
Es dämmerte, als das große Lieferauto in die Chaussee nach Gansenwald einbog. Kalter Novemberwind pfiff mir um die Fenster. Stunden zuvor hatte sich der Fahrer verfahren, als er von der Autobahn abgebogen war und auf die Landstraße wechselte. Gansenwald ist nicht leicht zu finden. Endlich, gegen 18:30 Uhr, kamen wir zum gesuchten Grundstück. Neugierig guckte ich vom Autotransporter über den Gartenzaun. Ich war unruhig, wusste nicht, wer oder was mich erwartet. In meiner Sprache ausgedrückt – maximale Motordrehzahl, fünfter Gang.
Da standen im Hof, der von einer nostalgischen Lampe erhellt wurde, eine Frau und zwei Kinder. Sie guckten zu, wie ich vom Transporter heruntergefahren wurde. Der Kraftfahrer, der mich geliefert hatte, fuhr mich auf den Hof. Er erklärte der Frau meine Hebelchen und Knöpfe. Conni saß auf ihrem künftigen Fahrerinnensitz und ich sah, wie sie lächelte. Trotz ihrer Erkältung. Immer wieder musste sie husten und sich die Nase schnauben.
Oliver war zur Mama auf den Sitz geklettert und beschrieb ihr einige meiner technischen Details. Na, ich staunte nicht schlecht über den kleinen Fachmann.
Conni erhielt Rechnung und Fahrzeugpapiere und verabschiedete sich vom Lieferanten. Vorsichtig strich sie mit ihrer linken Hand über meine Motorhaube und ging mit den Kindern wieder ins Haus. Schade. Ich hörte noch was von „Apfelkuchen weiterbacken“. Hat jemand Geburtstag? Ich brauche keinen Kuchen, ich will fahren! Muss ich den Abend jetzt hier im Garten verbringen? Da hinten gibt es doch eine Garage? Was soll das denn? Und die Nordsee höre ich auch nicht.
Als wenig später Papa Anton nach Hause kam – töff, töff, mit seinem Trabbi – fuhr Conni mich vorsichtig auf den Weg hinaus. Sie stellte sich nicht übel an, obwohl sie ziemlich aufgeregt war. Mit der vierköpfigen Familie machte ich eine Rundfahrt durch Gansenwald, meine Scheinwerfer führten uns über holprige, unbefestigte Wege. Das gefiel mir gar nicht, wohin war ich bloß geraten?
Nach der Probefahrt wurde ich in der Garage abgestellt. Endlich ein Dach über meinem Dach, freute ich mich. Hinter mir stand der Trabbi, neben mir ein Fahrrad. Ich wollte ein Nickerchen machen, die lange Fahrt hatte mich ziemlich durchgeschüttelt.
Plötzlich klingelte es neben mir!
Klingelingeling, sprach mich jemand in der dunklen Garage an.
Was ist denn jetzt los?
Ich bin’s, das Fahrrad. Ich heiße Friederike, und wie ist dein Name?
Ach so, hallo! Ich heiße Fiat Panda.
Bisher transportiere ich die Mama und die Kinderchen. Was ich alles erlebt habe! Ich hab schon fast zehn Jahre auf dem Sattel. Vor Jahren lackierte Conni mein Gestell mit himmelblauer Farbe. Ich könnte einen frischen Anstrich gebrauchen. Sag mal, plappere ich zu viel?
Macht mir nichts aus.
Kannst du ein bisschen Musik anstellen?
Tut mir leid, Friederike, hab kein Radio in meinem Bauch.