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Willkommen in Carolina Creek E-Book

Julia Stirling

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Beschreibung

Als ausgerechnet Travis Miller, der ihr vor zwanzig Jahren in der Schule immer Streiche gespielt hat, neben ihr einzieht, weiß Amber Davis nicht, was sie davon halten soll. Dass ihr Bauch auf einmal kribbelt, wenn sie ihn sieht, versucht sie zu ignorieren.

Vor allem muss sie ihr Geheimnis vor ihm in Sicherheit bringen, doch das befindet sich leider ausgerechnet in dem Gartenhaus, das auf seinem Grundstück steht.

Doch mit der Zeit lernt Amber, dass nicht nur sie sich in den vergangenen zwanzig Jahren verändert hat, sondern Travis auch.

Gibt es nach all der Zeit doch noch eine Chance für die Liebe?

Willkommen in Carolina Creek spielt in einer kleinen Stadt an der Atlantikküste von North Carolina. Hier in den Südstaaten läuft das Leben etwas ruhiger und Du wirst Dich bestimmt in die kleine Stadt und ihre Einwohner verlieben.

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Willkommen in Carolina Creek

The Merry Men Weddingplaner - wie alles begann…

Julia Stirling

Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

1

Sie brauchte ein Vorhängeschloss. Das wurde Amber klar, als sie merkte, dass ihr neuer Nachbar ein alter Bekannter war.

Mit dem alten Barry hatte sie sich den Schuppen im Garten ohne Probleme geteilt, denn Barry war wegen seiner Hüfte seit über fünf Jahren nicht mehr im Garten gewesen. Nicht einmal, als er das Haus verkauft hatte. Doch der neue Besitzer hatte keine Probleme damit, die Stufen der hinteren Veranda herunterzusteigen. Ganz im Gegenteil.

Travis Miller war schon in der Schule sportlich gewesen, doch in den vergangenen Jahren war er noch durchtrainierter geworden, wie sie jetzt feststellte, da sie durch ihr Küchenfenster einen ungehinderten Blick auf ihn hatte. Seine Schultern schienen noch breiter geworden zu sein, seit sie ihn das letzte Mal vor ein paar Monaten gesehen hatte. Jetzt, Anfang September, war er sonnengebräunt und seine dunkelblonden Haare waren vom Salzwasser heller geworden. Wäre er nicht Travis gewesen, hätte sie ihn gern eine Weile einfach nur angeschaut. Doch seit sie gemeinsam zur Schule gegangen waren, wusste sie, dass es nur Probleme gab, wenn er auftauchte. Zumindest für sie, denn er schien immer ihre sorgsam erstellten Pläne zu durchkreuzen, so als habe er es genau darauf abgesehen.

Vermutlich hatte er auch nur deswegen das Haus neben ihr gekauft, um sie aus der Fassung zu bringen, was ihm ein diebisches Vergnügen zu bereiten schien.

Amber seufzte. Barry hatte erwähnt, dass ein netter junger Mann sein Haus gekauft habe, aber nicht, dass es ausgerechnet Travis war.

Und jetzt kam er ihrem Geheimnis gefährlich nahe. Ihre Hände wurden feucht, als sie sah, dass er direkt neben dem Gartenhaus stand und es von außen inspizierte. Sie musste eingreifen, wenn sie nicht wollte, dass er ihre Sachen entdeckte. Direkt danach würde sie das Vorhängeschloss bestellen und bis dahin zur Not das Gartenhaus bewachen.

Amber trat auf die Terrasse und schirmte ihre Augen mit der Hand gegen die Sonne ab. Wie gut, dass sie heute ein wenig früher aus dem Büro nach Hause gekommen war, sonst hätte er das Gartenhäuschen womöglich schon geöffnet, während sie nicht da war. Dabei hatte er hier nichts zu suchen.

Als er eine Hand an den Türgriff legte, klopfte ihr Herz schneller. »Travis?«, rief sie.

Zum Glück ließ er vom Gartenhaus ab. Als er sich umdrehte und sie anschaute, konnte sie nicht anders, als sich zu fragen, ob sie vielleicht umziehen sollte. Sie hatte keinen neuen Nachbarn gewollt, denn sie und Barry hatten sich in den vergangenen Jahren gut zusammengerauft. Ja, es ergab Sinn, dass er in ein Altersheim in der Nähe seiner Kinder zog, trotzdem hatte sie den alten Mann lieb gewonnen und Veränderungen waren ihr schon immer schwergefallen. Es brachte die Ordnung so durcheinander.

»Hi, Amber«, sagte er und kam zu ihr herübergeschlendert. Zu ihrer Überraschung genoss sie seinen Anblick.

Sofort erschrak sie. Nicht nur, weil eine ihrer Freundinnen in der Highschool in Travis verschossen gewesen und er dadurch für sie als Mann aus dem Rennen war. Nein, er würde auch den Ansprüchen ihrer Eltern niemals genügen. Und ihren eigenen ebenfalls nicht.

Travis mit seiner komplizierten Familie war jemand, der für sie überhaupt nicht infrage kam. Er würde ihr Leben, das sie so sorgfältig und mit viel Aufwand geordnet hatte, durcheinanderbringen.

Diese Gedanken gingen ihr durch den Kopf, während er durch seinen ungepflegten Garten auf sie zukam, und sie wunderte sich über sich selbst. Warum brachte sie Travis überhaupt mit ihrem Liebesleben in Verbindung? Vielleicht weil er quasi in einem Teil ihres Lebens aufgetaucht war, den sie sonst strikt von Männern, mit denen sie ausging, getrennt hielt. Noch nie hatte sie einen Mann mit nach Hause genommen, einfach weil es nie gepasst hatte. Das hier war ihr sicherer Bereich und sie wusste, dass der erste Mann, den sie mit hierhernehmen würde, der Mann war, den sie heiraten würde. Und nun platzte Travis auf einmal hier herein und wurde ihr neuer Nachbar.

Wie immer strahlte er eine verschmitzte Lebensfreude aus, die so gar nicht zu ihm zu passen schien, wenn man wusste, in welch erbärmlichen Verhältnissen er in einem Trailerpark aufgewachsen war.

Das brachte sie zu einem anderen Punkt. Wie hatte er sich das Haus eigentlich leisten können? Aber das ging sie nichts an. Es würde schon seine Richtigkeit haben. Auch wenn Travis immer zu Streichen aufgelegt gewesen war, hatte er nie Dinge getan, die ihn mit dem Gesetz in Konflikt brachten. Sie sollte sich also keine Gedanken darüber machen, ob er genug Geld für das Haus hatte oder ob er einen Kredit bekommen konnte. Viel wichtiger war es, dass sie eine gute Ausrede parat hatte, warum er das Gartenhäuschen nicht öffnen durfte.

Jetzt stand er unterhalb der Terrasse, die Hände in den Taschen seiner Shorts, und grinste zu ihr herauf. Travis lief immer nur in Shorts herum, sie kannte ihn gar nicht anders.

»Du bist also mein neuer Nachbar«, stellte sie unnötigerweise fest.

»Bin ich. Stört es dich?«

Amber zögerte, dann schüttelte sie rasch den Kopf, weil alles andere unhöflich gewesen wäre. Doch sie sah sein leichtes Stirnrunzeln. Er hatte ihr Zögern sehr wohl mitbekommen.

»Herzlich willkommen in der Nachbarschaft«, sagte sie etwas steif. »Du wirst sehen, es ist sehr schön hier.«

Er verschränkte die Arme und sie konnte nicht anders, als seine Oberarmmuskulatur anzustarren. Als Jugendlicher war er eher schmächtig gewesen, doch aus ihm war wirklich etwas geworden. Herrje, war sie schon so verzweifelt, dass sie Travis Miller anschmachtete? Trotzdem konnte sie nicht umhin, weiterhin auf seine Arme zu starren und sich zu fragen, wie es sich anfühlen mochte, wenn man von einem solchen Mann gehalten wurde. Nicht von Travis natürlich, aber von einem Mann, der solche Arme hatte.

»Ich weiß, dass es hier schön ist«, sagte er. »Genau deswegen habe ich das Haus ja gekauft. Wir wollen doch, dass die Oakridge bleibt.«

Amber verdrehte die Augen. »Fängst du auch schon damit an? Ich glaube nicht, dass ein Investor alle Häuser kaufen will. Und selbst wenn, die Nachbarn verkaufen nicht. Du wirst sehen, dass hier alle gut zusammenhalten.«

Seit Kurzem gab es ein Gerücht, dass ein Investor die alten Häuser in dieser Nachbarschaft aufkaufen wollte, um hier moderne Wohnhäuser hinzubauen. Doch es fiel Amber schwer, das zu glauben.

Travis hob die Schultern. »Du weißt doch, wie das bei solchen Investoren ist. Sie spielen einen gegen den anderen aus, und sobald sie erst einmal ein Haus haben, können sie ihren perfiden Plan umsetzen. Dann erzählen sie den Nächsten, dass ihr Haus weniger wert sein wird, sobald sie anfangen, dort neue Häuser hinzubauen. Ich kenne das Spiel.«

Amber presste die Lippen zusammen. Sie hasste diese Verschwörungstheorien, nach denen große Konzerne gegen die kleinen Leute arbeiteten und diese ausbeuteten. Ja, sie wusste, dass Oakridge eine Nachbarschaft mit ausschließlich alten Herrschaften war, von ihr und jetzt Travis einmal abgesehen. Die Häuser waren gepflegt, aber alt und die meisten von ihnen sanierungsbedürftig. Dafür hatten viele ihrer Nachbarn kein Geld und die Sehnsucht nach einem gepflegten kleinen Haus in einer Seniorenwohnanlage in Florida war groß. Trotzdem glaubte sie nicht, dass Unternehmen so vorgingen.

Doch es war klar, dass Travis jemand war, der daran glaubte.

»Soweit ich weiß, hat niemand Barry kontaktiert, um sein Haus zu kaufen.«

Travis legte den Kopf schief. »Weil ich schneller war. Barry war nur zu willig, zu verkaufen, und da er unbedingt zu seinen Enkelkindern wollte, hätte er an jeden verkauft. Das hat er mir gesagt.«

»Du kennst ihn nicht, so wie ich ihn kenne. Das hätte er niemals gemacht. Und außerdem, es gibt keine Firma, die diese Häuser will. Mich hat noch niemand kontaktiert.«

»Du kommst als Letzte dran, weil du so jung bist. Und gerade bei dir werden sie die Daumenschrauben bezüglich des Preises anziehen. Schließlich verdienst du gut.«

Er schaute an ihr herunter. Sie trug noch immer ihre Bürokleidung, ein maßgeschneidertes Kostüm und High Heels. Doch sie wusste, dass sein Blick nicht bewundernd war, sondern abschätzig. Er hatte nicht viel für konventionelle Menschen übrig. Und wenn Amber sich für eines hielt, dann für konventionell.

Tja, dann war sie also nicht Travis’ Typ. Damit konnte sie leben. Nur leider war sie niemandes Typ. Doch diesen Gedanken schob sie jetzt beiseite, denn Travis hatte sich zum Gartenhaus umgedreht und runzelte die Stirn.

»Gehört das eigentlich mir oder dir?«, fragte er.

Amber atmete tief durch. »Das ist so eine Sache. Es ist ein wenig unklar.«

Es war überhaupt nicht unklar. Das Häuschen stand auf dem Nachbargrundstück, aber selbst der Vorbesitzer von Ambers Haus hatte das Gartenhäuschen benutzt, weil Barry sich dafür nicht interessiert hatte.

Travis schaute sie fragend an. »Es steht auf meinem Grundstück, oder?«

Das Problem mit dem alten Viertel war, dass die Grundstücke nicht genau ausgemessen waren und früher jeder gebaut hatte, wo er wollte. Später waren Grenzen gezogen worden, die zumeist aber nur auf dem Papier existierten, denn die meisten Gärten waren miteinander verbunden, weil es immer so gewesen war. Aus irgendeinem Grund war es in den letzten Jahrzehnten so gekommen, dass das Grundstück von Ambers Haus winzig war und der Garten dahinter nicht zu ihrem Haus gehörte, sondern zu Barrys. Es umarmte Ambers Grundstück L-förmig.

»Wir haben schon immer alles geteilt«, sagte sie schnell. »Das ist Teil des Charmes von Oakridge. Es gibt keine richtigen Grundstücksgrenzen.«

Travis hob eine Augenbraue und schaute sich wieder zum Garten um. Amber nutzte die Gelegenheit.

»Aber wenn du mir den Teil Land, der hinter meinem Haus liegt, verkaufen willst, würde ich ihn gern nehmen. Ich hatte überlegt, mir einen Pool zu bauen.«

Ihr neuer Nachbar runzelte die Stirn. »Einen Pool? Warum denn das? Du hast doch einen Whirlpool auf der Terrasse stehen.«

Er warf ihr einen Blick zu und auf einmal fragte sie sich, ob er womöglich anders als Barry abends herüberschauen würde, wenn sie sich eine Auszeit in ihrem Whirlpool gönnte. Der Gedanke war ihr unangenehm.

»Ein Pool ist etwas anderes, man kann richtig darin schwimmen.«

Travis bedachte sie noch einmal mit einem kritischen Blick und Amber stellte fest, dass sie ein wenig errötete. Sie wusste, dass sie keine Bikinifigur wie andere Frauen hatte, und sie hasste es, wenn Männer sie nur darauf reduzierten. Doch er hob die Schultern. »Ich kann das Land nicht verkaufen. Ich plane, einen Gemeinschaftsgarten anzulegen.«

»Einen was?« Amber war sich nicht sicher, ob sie richtig gehört hatte.

»Einen Garten, in dem alle etwas anbauen können. Jeder hilft mit, wir arbeiten gemeinsam, wir tragen etwas zur gesunden Ernährung der Nachbarn bei, und wenn etwas übrig bleibt, können wir es verkaufen.«

»Das willst du hier machen?«, fragte Amber entsetzt und deutete auf den Garten. Ja, das Grundstück hinter Barrys Haus war groß, aber ein Gemeinschaftsgarten? »Und dann sollen hier Leute herumlaufen?«

Er nickte und ein Funkeln trat in seine Augen. »Was meinst du, wie gut das wird.«

»Und wer sind diese Leute?«

»Jeder, der will. Am liebsten die älteren Herrschaften zuerst und dann können wir es erweitern. Meinetwegen kann ganz Carolina Creek kommen. Allerdings wird das Land dafür wohl nicht reichen.«

»Du meinst das ernst, oder?«

Er nickte. »Das war einer der Gründe, warum ich so froh war, dass ich ausgerechnet dieses Haus bekommen habe. Bei deinem wäre das Grundstück viel zu klein gewesen. Deswegen brauche ich auch das Gartenhaus. Es steht ja sowieso auf meinem Gelände. Aber wenn du möchtest, können wir natürlich deinen Garten mit dazu nehmen. Du machst ja eh nicht so viel daraus.«

Amber verschränkte die Arme. »Das kommt überhaupt nicht infrage.«

Und sie wollte auch nicht die anderen Leute hier haben.

»Schade, aber wenn du es dir anders überlegst, sag Bescheid. Wir könnten dann noch mehr für die Gemeinschaft tun.«

Amber holte Luft, um etwas zu sagen, und schloss den Mund dann wieder. Das war genau eine dieser unmöglichen Situationen, in die Travis einen immer brachte. Er tat etwas Gutes und wenn man nicht mitmachte, konnte man noch nicht einmal etwas dagegen sagen, weil seine Sache ja für einen guten Zweck war.

Sie rieb sich über die Stirn. »Wann willst du damit anfangen?«

Er schaute sich um. »Über den Winter werde ich wohl schon einmal die Beete und Hochbeete anlegen und auch den Hühnerstall fertig machen.«

»Den Hühnerstall?«

Er nickte wieder. »Dann haben wir Eier, können den Mist als Dünger verwenden und ihnen die Reste zu fressen geben. Hühner sind unglaublich praktisch.«

Amber war sich nicht sicher, ob sie noch mehr über Travis’ Pläne hören wollte. »Darfst du das denn überhaupt?«, fragte sie vorsichtig. Vielleicht gab es ja eine Möglichkeit, dass sie sich beim Bürgermeister beschweren konnte.

Er nickte. »Es ist schon alles abgesprochen. Der Stadtrat ist begeistert. Sie wollen Oakridge auch erhalten und das ist ein guter Weg dahin, dass die Anwohner emotional beteiligt sind.«

Amber war sich sicher, dass sie auch emotional beteiligt sein würde, aber es war gut möglich, dass sie eher negative Gefühle für die Hühner und die Menschen in ihrem Garten entwickeln würde.

Travis deutete auf das Gartenhaus. »Also, sind das deine Sachen da drin oder hat Barry die vergessen?«

Auf einmal klopfte ihr Herz schneller. »Hast du etwa reingeschaut?«

Er schüttelte den Kopf. »Die Tür ging nicht auf, aber Barry meinte, dass es voller Krempel ist.«

Krempel! Amber biss die Zähne zusammen. Barry hatte keine Ahnung gehabt, was darin war. Und Travis ging es nichts an, er durfte es niemals sehen.

Sie straffte die Schultern. »Ja, das ist meines, und nein, es ist kein Krempel.«

»Glaubst du, dass du das wegräumen könntest? Ich muss einige Geräte dort lagern, die nachts nicht draußen bleiben können.«

Am liebsten hätte Amber Nein gesagt, aber das Gartenhaus gehörte nun einmal Travis.

»Ich brauche einige Zeit, um das zu organisieren.«

Wo sollte sie bloß damit hin? In ihrem eigenen Haus war kein Platz für die Sachen und außerdem könnten ihre Eltern sie jederzeit finden, wenn sie unangemeldet vorbeikamen. Sie wollte sich gar nicht ausmalen, was ihr Vater dazu sagen würde, dass sie so viel Geld verschwendet hatte. Dass sie sogar ihre Rentenersparnisse dafür angezapft hatte, um die Sachen zu bestellen, würde er ihr nie verzeihen. Vielleicht war es doch an der Zeit, alles wegzuwerfen. Doch allein dieser Gedanke verursachte ihr Übelkeit.

»Ich kann dir helfen«, bot Travis ihr jetzt an.

Schnell schüttelte sie den Kopf. Ganz sicher würde sie sich von ihm nicht helfen lassen. Dabei nicht. Das durfte niemals jemand sehen. Doch wohin sollte sie damit? Das Gartenhaus war so groß. Es war perfekt gewesen.

»Nein danke.«

Travis runzelte leicht die Stirn. »Ich bin kräftiger, als ich aussehe.«

Amber presste die Lippen zusammen. »Ich komme schon zurecht. Es dauert nur eine Weile.«

Er musterte sie nachdenklich. »Hey, ich hoffe, es ist nicht merkwürdig für dich, dass wir jetzt Nachbarn sind.«

Sie rang sich ein Lächeln ab. »Was sollte daran merkwürdig sein?«

Immer noch betrachtete er sie fragend. Er hatte hellgraue Augen, wie das Meer, wenn sich ein Sturm zusammenbraut, stellte sie fest. Das war ihr noch nie aufgefallen. Und diese grauen Augen konnten sehr stechend sein, wenn sie sich auf etwas richteten.

Amber straffte die Schultern. »Wenn das alles ist, würde ich gern wieder reingehen. Ich muss noch arbeiten.«

Und ein Vorhängeschloss bestellen, denn wie sie Travis kannte, würde er trotzdem nachschauen, was in dem Gartenhaus war. Er hielt sich nie an Regeln oder Konventionen.

»Gut, ich schaue mich noch ein wenig um.«

Er ging zurück in den Garten.

»Aber nicht im Gartenhaus«, rief sie ihm noch hinterher. Aber entweder hatte er sie nicht gehört oder er überhörte es mit Absicht. Doch er schlenderte in eine andere Ecke des Gartens.

Nach einer Weile gab sie auf und ging hinein. Aber wohl war ihr bei der Sache nicht. Wie sie Travis kannte, würde er nur Ärger bringen.

2

Travis stand auf der Terrasse seines neuen Hauses und fragte sich, wie er zugleich ein solches Glück und ein solches Pech haben konnte. Er schaute zu, wie Amber zurück ins Haus ging. Sie hatte ihn beobachtet, als er durch den Garten gegangen war, das wusste er genau. Sie traute ihm nicht.

Erst war sie im Haus verschwunden, dann war sie wieder auf die Terrasse gekommen und hatte vorgegeben, etwas zu lesen. Doch sie wachte darüber, dass er dem Gartenhaus nicht zu nahe kam.

Die Sonne leuchtete auf ihren dunkelbraunen Haaren, die sie in einem strengen Knoten im Nacken trug. Wie immer wiegte sie beim Gehen ihre Hüften, doch sie tat es nicht mit Absicht, sondern es war einfach ihre Art, zu gehen. Das war schon so gewesen, als sie noch ein Mädchen gewesen war.

Sie waren im selben Kindergarten gewesen und hatten danach so gut wie jede Schule zusammen besucht. Irgendwann, als er ungefähr fünfzehn gewesen war, hatte Travis festgestellt, dass er bestimmte Kurse nur belegte, weil Amber auch dort war. Fleißig und strebsam wie sie war, hatte sie sich natürlich nicht die leichtesten herausgesucht. In jedem Kurs war sie konzentriert gewesen und hatte gut mitgearbeitet, was man von ihm nicht behaupten konnte. Denn er hatte nur Augen für sie gehabt.

Immer hatte er hinter ihr gesessen, am besten schräg, damit er sie im Profil sehen konnte. Stundenlang hatte er auf ihre Schultern mit den Sommersprossen gestarrt, die feinen Härchen in ihrem Nacken bewundert und sich gefragt, wie diese sich anfühlen würden.

Dass Amber Davis der unerfüllte Traum seiner jugendlichen Nächte und Fantasien gewesen war, konnte man nur als glatte Untertreibung bezeichnen. Doch sie hatte schon früh allen klargemacht, dass sie für etwas Besseres bestimmt war. Etwas, das außerhalb von Carolina Creek lag. Für jemand Besseren, selbst wenn es diesen Jungen oder Mann nie zu geben schien.

Und Travis wusste auch, dass er niemals etwas Besseres sein würde, sondern immer am unteren Ende der Nahrungskette von Carolina Creek stehen würde. Danke auch dafür, Dad! Sein Vater hatte so viele Dinge in seinem Leben ruiniert, aber dass er keine Chance bei Amber hatte, weil sie nach etwas Besserem suchte, nahm Travis ihm besonders übel.

Nun war das Mädchen, dessen Schultern er stundenlang angestarrt hatte, seine Nachbarin. In den letzten Jahren, da Amber zum Studieren nach Raleigh gezogen war, und auch danach, als sie hierher zurückgekehrt war und angefangen hatte, in einer der großen Versicherungsfirmen zu arbeiten, hatte er es geschafft, sie erfolgreich aus seinen Gedanken zu verdrängen. Er wusste zwar, dass sie hier war, und manchmal sah er sie in der Stadt, doch er hatte sich gezwungen, nicht mehr an sie als das Objekt seiner Begierde zu denken. Allerdings war er sich nicht sicher, ob er das ab jetzt noch durchhalten würde. Ein Blick auf sie hatte gereicht, um ihn daran zu erinnern, dass sein Herz schon seit dem Kindergarten vergeben war.

Er hatte nicht gewusst, dass sie hier wohnte, als er das Haus gekauft hatte. Und als er es ein paar Tage später von Barry erfahren hatte, war er versucht gewesen, den Kauf rückgängig zu machen, denn er war sich nicht sicher, ob er es aushalten würde, neben ihr zu wohnen. Doch dann hatte er sich selbst zur Ordnung gerufen. Er war erwachsen und es gab ganz andere Dinge, die ihm wichtiger waren. Zum Beispiel, Oakridge als Stadtteil zu erhalten, diesen Gemeinschaftsgarten anzulegen und den Menschen dieser Stadt, die ihm trotz seiner Herkunft und seines Dads so viel Gutes getan hatten, etwas zurückzugeben.

Von der Terrasse aus hatte er einen ungehinderten Blick auf ihren Garten samt Veranda sowie ihr Küchenfenster. Sogar den Whirlpool konnte er sehen. Es war möglich, dass das überhaupt nicht gut war. Vielleicht sollte er dichte Büsche pflanzen.

Er warf einen Blick auf sein Haus, das er in den nächsten Wochen renovieren wollte. Es bedeutete viel Arbeit, aber er freute sich darauf. Als er an Ambers Blick dachte, als sie begriffen hatte, dass er das Haus gekauft hatte, zog er eine Grimasse. Sie hatte es ihm nicht zugetraut, das tat niemand hier. Aber auf eine gewisse Art und Weise hatte er es auch zu etwas gebracht.

Nicht, dass ihm das per se wichtig war, aber wenn Amber ihn anschaute, wollte er am liebsten damit prahlen, dass er ein paar seiner Fotos an eine Galerie in Chicago verkauft hatte. Doch das würde er nicht, denn jedwede künstlerische Tätigkeit war für Amber vermutlich immer noch nicht gut genug.

Schon oft hatte er sich gefragt, welchen Mann Amber als gut genug in Betracht ziehen würde. Ob er es herausfinden würde, nun, da sie seine Nachbarin war? Er hoffte es nicht.

Sein Blick fiel auf den Schuppen im Garten. Irgendetwas war merkwürdig. Sie war deswegen herausgekommen, das hatte er gleich gemerkt. Aus irgendeinem Grund hatte sie nicht gewollt, dass er hineinschaute, dabei war es sein Haus. Er hatte jedes Recht, hineinzusehen. Doch sie versteckte dort irgendetwas. Was es wohl war?

Er sah sie in der Küche. Musik drang durch die Terrassentür, die nur angelehnt war. Sie ging ihre Post durch, mit konzentrierter, fast strenger Miene. Das war ein Gesicht, das er so gut kannte. Wie oft hatte er sich schon gewünscht, diese steile Falte zwischen den Augen wegzustreicheln.

Sie atmete tief durch und ging in den hinteren Teil des Hauses. Jetzt konnte er nur noch ihre Silhouette sehen. Kurz darauf ging das Licht in dem Zimmer an, das das Badezimmer sein musste.

Travis überlegte nicht lange. Er wollte wissen, was in dem Gartenhaus war. Vorhin hatte sie ihm zwar hinterhergerufen, dass er nicht in den Schuppen sehen sollte, aber er hatte vorsorglich so getan, als hätte er es nicht gehört.

Schnell lief er die Treppe in den Garten hinunter und joggte zum Gartenhäuschen. Mit einem Blick vergewisserte er sich, dass sie immer noch im Haus war, dann schob er den Riegel an der Tür beiseite. Er klemmte, doch schließlich bekam er ihn los. Dabei kreisten seine Gedanken darum, was Amber nur darin haben könnte. Sie war so nervös gewesen, als sie ihn vorhin davon abgehalten hatte, es zu öffnen.

Die Tür klemmte und er hielt inne. Sollte er es wirklich tun? Oder würde er ihr Vertrauen missbrauchen? Das wäre kein guter Beginn für ihre Nachbarschaft. Aber die Neugier brachte ihn fast um. Amber war so geradlinig, dass manche sie gar als langweilig bezeichnen würden. Daher war alles, was außergewöhnlich war, besonders interessant. Vor allem für jemanden wie ihn.

Travis hielt inne und überlegte, ob er die Tür mit Gewalt öffnen sollte. Noch immer zögerte er. Doch dann brauchte er sich gar nicht mehr zu entscheiden, denn auf einmal hörte er das Klatschen von Flip-Flops auf dem Holzfußboden der Terrasse.

»Lass das«, rief sie und ihre Stimme kippte fast.

Er drehte sich um und sah sie gerade noch auf sich zuschießen. Fassungslos bemerkte er, dass sie sich nur ein Handtuch umgewickelt hatte. Und das Handtuch war kein großes Badelaken, sondern bedeckte gerade so ihre Brüste und ihren Po. Er konnte gar nicht anders, als auf ihre Beine zu starren, genau auf die Stelle, wo ihr hübscher Hintern ansetzte. Der Rest davon wurde jedoch von dem Handtuch bedeckt.

Sie drängte sich an ihm vorbei und stellte sich zwischen ihn und die Tür. »Was soll das?«, fauchte sie.

Travis riss den Blick von ihren Beinen los und schaute ihr ins Gesicht. Ein Fehler, denn ihre bernsteinfarbenen Augen funkelten ihn wütend an. Es war, als würden sie Funken sprühen.

Er hatte sie noch nie wütend gesehen.

Nein, Amber Davis war alles andere als langweilig. Vor allem in diesem Moment. Fast beglückwünschte er sich zu der Idee, dass er versucht hatte, das Gartenhäuschen zu öffnen.

Er hob die Schultern. »Ich wollte nur wissen, was darin ist. Schließlich ist es mein Haus.«

»Wie ich bereits sagte, da sind meine Sachen drin und ich räume sie raus. Bis dahin gehst du nicht dort hinein. Hast du mich verstanden?«

Ihre Stimme zitterte ein wenig und er fragte sich kurz, warum sie Angst davor hatte, dass er ihre Sachen sah. Was zum Teufel versteckte sie dort drinnen?

»Komm schon, Am, so schlimm kann es doch nicht sein.«

»Es geht dich nichts an. Und nenn mich nicht Am. Wir sind nicht mehr in der Schule.«

Er seufzte. »Ich weiß.«

»Und jetzt verschwinde.«

»Sonst was?«

Es gefiel ihm, sie zu reizen. So hatte er sie noch nie erlebt.

»Sonst muss ich die ganze Nacht hier Wache stehen und das würde mich meinem neuen Nachbarn gegenüber sehr schlecht gelaunt machen.«

»Damit kann ich leben.«

Konnte er nicht, aber das musste sie ja nicht wissen.

»Geh jetzt, Travis. Und halte dich bitte wenigstens einmal im Leben an die Regeln.«

Er studierte ihr Gesicht und fragte sich, was sie verbarg. Der Gedanke, dass er in das Gartenhäuschen schaute, schien sie regelrecht in Panik zu versetzen.

»Ich halte mich viel öfter an die Regeln, als du denkst.« Vor allem an die, die du aufstellst, fügte er gedanklich hinzu. Dann grinste er. »Aber ich will dich natürlich nicht die ganze Nacht im Garten stehen lassen. Vor allem nicht in dem Outfit. Nicht, dass die Waschbären dich anknabbern.«

Sie straffte ihre hübschen Schultern und hob das Kinn ein wenig. »Ich habe auch gar keine Zeit, die ganze Nacht im Garten zu stehen.«

»Und warum nicht? Hast du noch etwas vor?«

Sie lächelte triumphierend. »Ja, ich habe ein Date.«

Es war, als hätte ihm jemand in den Bauch geboxt. Der Gedanke, dass ein anderer Mann sie heute Abend ausführen würde, machte Travis erstaunlicherweise zu schaffen.

»Vielleicht sollte ich deine Abwesenheit nutzen und mich in meinem Schuppen umschauen«, hörte er sich sagen.

Sie runzelte die Stirn. »Warum musst du immer so gemein sein, Travis?« Sie klang wie ein Mädchen in der Grundschule. Dann hob sie das Kinn. »Zur Not sage ich das Date ab, wenn ich mich nicht auf dich verlassen kann.«

Er räusperte sich. Verdammt, er wollte, dass sie sich auf ihn verlassen konnte. Doch das sagte er nicht.

»Stehst du dann die ganze Nacht vor dem Gartenhaus?«

Sie biss die Zähne zusammen. »Hör auf damit, Travis. Es fängt an, zu nerven.« Sie wollte noch etwas sagen, aber im nächsten Moment weiteten sich ihre Augen. »Oh Gott …«, flüsterte sie.

»Was ist?«

Sie war auf einmal blass geworden und fing an, zu zittern. Erstaunt schaute er sich um. So kalt war es doch gar nicht. Im Gegenteil, es war ein lauer Sommerabend. Doch dann sah er, was sie meinte. Direkt neben ihnen lag eine Schlange auf dem Boden. Und es war nicht irgendeine Schlange, sondern eine ausgewachsene Copperhead. Die giftigste Schlange in North Carolina. Sie war wenige Zentimeter von Ambers Füßen entfernt, die nur in Flip-Flops steckten.

Travis brach der Schweiß aus. Das konnte gefährlich werden.

Trotz des Schrecks, der ihm in die Glieder gefahren war, nahm er zur Kenntnis, dass Ambers Fußnägel aufwendig lackiert waren. Sie schillerten türkis, silbern und blau und es waren kleine Glitzersteine darauf geklebt.

»Travis«, keuchte sie und griff nach seinem Arm.

»Komm her, Kleines«, sagte er. »Ganz langsam.«

»Ich kann nicht«, flüsterte sie. Sie war wie gelähmt vor Angst.

Die Schlange bewegte sich und Amber stieß ein Wimmern aus.

»Vermutlich sind wir ihr im Weg und sie will in das Gartenhaus«, sagte Travis.

Amber antwortete nicht. Sie stand einfach da, hielt sich an seinem Arm fest und zitterte. Travis war sich nicht sicher, wie die Schlange reagieren würde, wenn Amber jetzt ihre Füße bewegte. Aber was auf keinen Fall passieren durfte, war, dass die Schlange sie biss. Dann konnten sie gleich in die Notaufnahme fahren und hoffen, dass das Gegengift vorrätig war. Im Kopf ging Travis den Weg dorthin durch und welche Route er am besten nehmen sollte, falls es so weit kommen sollte.

»Travis«, wimmerte Amber wieder und er konnte ihre Angst so deutlich spüren, als wäre es seine eigene.

Die Schlange glitt weiter auf ihre Füße zu. Das war das Erschreckendste an diesen Tieren. Man sah nicht, wenn sie sich bewegten. Auf einmal waren sie woanders.

Die Copperhead züngelte und Travis fragte sich, ob sie Ambers Angst riechen konnte.

»Tu was«, stieß Amber hervor.