Wintersturm - Ragnar Jónasson - E-Book

Wintersturm E-Book

Ragnar Jónasson

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Beschreibung

Der neue Thriller des isländischen Superstars und SPIEGEL-Nr. 1-Bestseller-Autors Ragnar Jónasson – erstmals auf Deutsch

Ein gnadenloser Schneesturm, ein mysteriöser Todesfall und eine Wahrheit, die einen düsteren Schatten auf die nördlichste Stadt Islands wirft. Ari Arason, Polizeiinspektor im beschaulichen Siglufjörður, freut sich auf seinen dreijährigen Sohn, der die meiste Zeit bei Aris Exfreundin in Schweden wohnt. Obwohl sich ein Unwetter ankündigt, wollen sie die Ostertage als Familie zu dritt verbringen. Doch ein rätselhafter Todesfall nimmt Ari unerwartet in Anspruch: Ein neunzehnjähriges Mädchen ist von einem Dach gestürzt, der letzte Eintrag in ihrem Tagebuch deutet darauf hin, dass es kein Unfall war. Ari ist hin- und hergerissen zwischen beruflicher Pflicht und dem Wunsch, bei seinem Sohn zu sein. Er unterschätzt dabei, die sich immer mehr zuspitzende Gefahr durch Schneeverwehungen. Der eisige Wintersturm schneidet Siglufjörður von der Außenwelt ab. Die Aufklärung des Falls wird für Ari lebensbedrohlich.

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Seitenzahl: 236

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Zum Buch

Ein gnadenloser Schneesturm, ein mysteriöser Todesfall und eine Wahrheit, die einen düsteren Schatten auf die nördlichste Stadt Islands wirft. Ari Þór Arason, Polizeiinspektor im beschaulichen Siglufjörður, freut sich auf seinen dreijährigen Sohn, der die meiste Zeit bei Aris Exfreundin in Schweden wohnt. Obwohl sich ein Unwetter ankündigt, wollen sie die Ostertage als Familie zu dritt verbringen. Doch ein rätselhafter Todesfall nimmt Ari unerwartet in Anspruch: Ein neunzehnjähriges Mädchen ist von einem Dach gestürzt, der letzte Eintrag in ihrem Tagebuch deutet darauf hin, dass es kein Unfall war. Ari ist hin- und hergerissen zwischen beruflicher Pflicht und dem Wunsch, bei seinem Sohn zu sein. Er unterschätzt dabei die sich immer mehr zuspitzende Gefahr durch Schneeverwehungen. Der eisige Wintersturm schneidet Siglufjörður von der Außenwelt ab. Die Aufklärung des Falls wird für Ari lebensbedrohlich.

Zum Autor

Ragnar Jónasson, 1976 in Reykjavík geboren, ist Mitglied der britischen Crime Writers’ Association und Mitbegründer des »Iceland Noir«, dem isländischen Krimifestival. Seine Bücher werden in über 30 Ländern veröffentlicht und von Medien und Lesern gefeiert. Die preisgekrönte »Hulda-Serie« stand viele Monate auf der SPIEGEL-Bestsellerliste. Wintersturm ist der sechste Band der weltweit geliebten »Dark-Iceland-Serie« und erscheint bei btb erstmals auf Deutsch. Ragnar Jónasson lebt und arbeitet als Schriftsteller und Investmentbanker in der isländischen Hauptstadt. An der Universität Reykjavík lehrt er außerdem Rechtswissenschaften.

Ragnar Jónasson

Wintersturm

Thriller

Aus dem Isländischen von Anika Wolff

Die isländische Originalausgabe erschien 2020 unter dem Titel Vetrarmein im Verlag Veröld, Reykjavík.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Der Verlag behält sich die Verwertung der urheberrechtlich geschützten Inhalte dieses Werkes für Zwecke des Text- und Data-Minings nach § 44 b UrhG ausdrücklich vor. Jegliche unbefugte Nutzung ist hiermit ausgeschlossen.

This book has been translated with a financial support from:

Copyright © der Originalausgabe 2020 Ragnar Jónasson

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2024 btb Verlag

in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Umschlaggestaltung: semper smile, München

Umschlagmotiv: ©Arcangel/Graham Moon, ©shutterstock/sathaporn, Kseniya Ivashkevich, ©Getty Images/Gem E Piper

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-28537-1V001

www.btb-verlag.de

www.facebook.com/penguinbuecher

Für Kira, Tómas

und meine Mutter im Jahr ihres runden Geburtstags

»Dann ist alles Winterleid vergessen.«

Þ. Ragnar Jónasson (1913 – 2003)Der Frühling kehrt ins Tal zurück(Geschichten aus Siglufjörður)

Gründonnerstag

1

»Polizei Siglufjörður. Ari Þór Arason.«

Am Telefon war jemand von der Notrufzentrale.

»Wir haben gerade einen Anruf aus Siglufjörður erhalten. Sind Sie im Dienst?«

Im Sommer gingen in Siglufjörður Tag und Nacht nahtlos ineinander über, hatten die Nächte weder einen Anfang noch ein Ende. Für Ari war das die beste Jahreszeit, da konnte ihn nichts aufhalten.

Und dann kamen die langen Winternächte und der Schnee.

Ari hatte alles versucht, um einzuschlafen, aber es klappte einfach nicht. Er nutzte immer noch das große Schlafzimmer im Haus in der Eyrargata. Darin hatte er mit Kristín und dem kleinen Stefnir geschlafen, bevor sie ausgezogen – oder vielmehr ausgewandert waren, bis nach Schweden.

Damals hatten ihm die Schneemassen richtig zugesetzt, aber man gewöhnte sich an alles. Inzwischen befiel ihn nur noch selten dieses klaustrophobisch beklemmende Gefühl, und Heimweh nach Reykjavík hatte er eigentlich auch nicht mehr. Der Süden Islands erlebte eine neue Zeit des Wohlstands, was diesmal erstaunlicherweise bis hier in den entlegenen Norden zu spüren war. Im Sommer strömten Touristen in die Stadt, isländische wie ausländische, und auch im Winter war der Ort gut besucht, dann allerdings hauptsächlich von Isländern, die zum Skifahren kamen. Die Osterfeiertage waren besonders beliebt dafür, und auch dieses Jahr stand ein schönes Wochenende auf den Pisten in Aussicht.

Ari war schon jenseits der dreißig, aber in gewisser Weise stand er wieder ganz am Anfang. Lebte allein und sah seinen Sohn viel zu selten. Dass sich die Beziehung mit Kristín noch einmal kitten ließ, glaubte er nicht, der Zug war abgefahren.

Immerhin hatte er eine gute Alltagsroutine gefunden. Er hatte jetzt den Chefposten inne, war der Herr der Polizeiwache. Dieser Job war lange sein Ziel gewesen. Jetzt, wo er ihn sicher hatte, musste er überlegen, ob er es dabei belassen oder ob er noch weiter auf der Karriereleiter nach oben klettern wollte. Was in Siglufjörður allerdings schwierig werden würde. Selbst wenn er seinen Job gut machte, bekam kaum jemand etwas davon mit.

Tómas, Aris ehemaliger Chef, hatte ihn damals ermutigt, es ihm gleichzutun und auch nach Reykjavík zu ziehen, und ihm versprochen, dass man ihn gut aufnehmen würde. Doch Tómas’ letzter Überzeugungsversuch lag bereits einige Zeit zurück, und Ari war sich nicht sicher, ob das Angebot noch stand. Außerdem durfte er nicht vergessen, dass Tómas schon ein älteres Semester war. Sobald er pensioniert wurde, verlor Ari seinen Fürsprecher bei der Hauptstadtpolizei. Wenn er dieses Zeitfenster verpasste, kam er bestimmt nicht mehr so leicht aus dem Norden weg.

Solche Gedanken beschäftigten ihn am ehesten in schlaflosen Nächten wie dieser, während er tagsüber versuchte, sich auf das Hier und Jetzt zu konzentrieren und diese Entscheidungen weit wegzuschieben, obwohl er natürlich wusste, dass sie irgendwann unweigerlich anstanden. Möglicherweise entschied er sich dann sogar dafür, in Siglufjörður zu bleiben, aber darüber musste er sich erst einmal in Ruhe klar werden.

Und Ostern ließ ihm keine Zeit für solche Überlegungen, denn etwas richtig Schönes stand bevor: Der kleine Stefnir war auf dem Weg zu ihm. Er war inzwischen drei Jahre alt, seit Weihnachten, und Ari hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen, noch nicht einmal in den Weihnachtsferien.

Vor etwa einem halben Jahr war Kristín zum weiteren Studium nach Schweden gezogen. Davon hatte sie immer geträumt, und Ari konnte ihren Entschluss gut verstehen, denn das isländische Medizinstudium genoss zwar einen ausgezeichneten Ruf, aber das Entscheidende war, dass man sich danach spezialisierte. Kristín hatte diesen Schritt lange hinausgezögert, und als es so weit war, hatten sie sich zusammen hinsetzen und über Stefnirs Zukunft sprechen müssen. Kristín hatte vorgeschlagen, dass er mit ihr nach Schweden ging, »für den Anfang«, und sie dann schauen würden, wie sie es in Zukunft handhabten. Sie versprach, während der Ferien nach Hause zu kommen, an Weihnachten und Ostern und wann immer es möglich war, und Ari wollte die Sommerferien in Schweden verbringen. Er hatte nicht ernsthaft gegen ihren Vorschlag protestiert, obwohl er es furchtbar fand, seinen Sohn nur so selten zu sehen. Aber er wollte keinen Konflikt mit Kristín heraufbeschwören.

Er drehte sich auf die andere Seite und suchte eine bequemere Position. Er brauchte seinen Schlaf. An diesem Gründonnerstag hatte er noch Dienst, danach begannen seine Osterferien. Heute Abend würde Kristín mit dem Jungen kommen.

Es ging schon auf drei Uhr zu, seit gut zwei Stunden wälzte er sich im Bett herum.

Schließlich gab Ari sich geschlagen und stand auf.

So ein Mist. Ausgerechnet wenn der Junge kam, wollte er nicht übernächtigt sein, aber die Sorge, nicht schlafen zu können, hatte ihn erst recht hellwach gemacht.

Im Schlafzimmer standen mehrere niedrige Regale voller alter Bücher, die er mit dem Haus übernommen hatte, da der vorherige Eigentümer offenbar kein Interesse daran gehabt hatte. In einige davon hatte Ari mal einen Blick geworfen, wenn er sich müde lesen wollte, und auch jetzt fiel ihm nichts Besseres ein. Ohne groß auszuwählen, griff er sich ein Buch und legte sich wieder hin. Doch er fand nicht die Ruhe zum Lesen, sondern dachte über das bevorstehende Wochenende nach und über die Tatsache, dass er seinem neuen Mitarbeiter Ögmundur zum ersten Mal die Wache anvertrauen musste. Ögmundur kam frisch von der Polizeischule und hatte noch ganz grün hinter den Ohren seinen Dienst hier im Norden angetreten, zwar unerfahren, aber motiviert. Seit Ari die örtliche Polizeiwache leitete, hatte er sich mit Verstärkung aus Ólafsfjörður oder Akureyri begnügen müssen und höchstens mal zeitweise einen eigenen Mitarbeiter gehabt. Jedes Mal neue Leute. Jetzt hatte man ihm endlich einen Unbefristeten bewilligt. Es waren mehrere Bewerbungen eingegangen, sogar von Polizisten mit deutlich mehr Erfahrung, aber schließlich hatte Ari sich für einen der frischen Absolventen entschieden. In gewisser Weise erkannte er sich selbst in Ögmundur wieder, obwohl sie sich nicht ähnlich waren. Und obwohl der Altersunterschied zwischen ihnen längst nicht so groß war wie zwischen ihm und Tómas, hatte er das Gefühl, dass nun er die Rolle des erfahrenen Polizisten übernommen hatte, der dem Neuling zeigte, wie der Hase lief. Wobei er zugeben musste, dass er mit seinem neuen Mitarbeiter noch nicht so richtig warm geworden war.

Nachdem viele weitere Minuten verstrichen waren und er seinen aufrichtigen Versuch, übers Lesen einzuschlafen, für gescheitert erklären musste, stand Ari auf, stieg die alte Treppe hinunter, nahm sich ein Glas Wasser und ein Stück Trockenfisch und blätterte durch die Zeitung vom Vortag. Es gab nur wenig Neues zu berichten, zumal die Meldungen ja auch schon wieder überholt waren. Das Interessanteste war noch der Wetterbericht, der für die Woche nach Ostern schlechtes Wetter im Norden vorhersagte. Wobei man hier sowieso jederzeit mit Schneestürmen zu rechnen hatte.

Es war wirklich ärgerlich, dass Ari nicht schlafen konnte – wenn das so weiterging, würde der Tag ein Kraftakt werden.

Nachts war die Polizeiwache in der Regel nicht physisch besetzt, sondern die Beamten schoben Bereitschaftsdienst. Diese Nacht war Ari dran. Aber die Nächte hier blieben meist ruhig, höchstens am Wochenende musste man mal ausrücken, wenn ein Betrunkener Ärger machte.

Ari hatte sich wieder ins Bett gelegt, immer noch hellwach, als das Telefon klingelte.

»Ein Passant hat eine junge Frau auf der Straße gefunden, sie scheint tot zu sein. Ein Rettungswagen ist unterwegs«, sagte der Mitarbeiter vom Notruf mit kontrollierter und fester Stimme.

Ari sprang auf und eilte die Treppe hinab, das Telefon zwischen Wange und Schulter geklemmt. »Wo?«

»In der Aðalgata.«

»Wer hat sie gefunden?«

»Der Mann heißt Guðjón Helgason. Er sagt, er wartet vor Ort auf die Polizei.«

Der Name sagte Ari nichts.

Zwei Minuten später hatte er seine Uniform an und trat auf die Straße. Der Polizeijeep stand wie immer an der Wache, aber auch zu Fuß war es nur ein Katzensprung zur Aðalgata. Es war beißend kalt, aber windstill und der Himmel sternenklar; die Unendlichkeit der Nacht wirkte anders als im Sommer, ferner, schwerer.

Ari bog um die Ecke und erreichte im selben Moment wie der Krankenwagen die Unglücksstelle auf der Aðalgata, die einen furchtbaren Anblick bot.

Auf dem Bordstein lag eine junge Frau in ihrem Blut, und ihre eigenartig verrenkte Position ließ darauf schließen, dass sie aus beträchtlicher Höhe gefallen sein musste. Es brauchte keinen Spezialisten, um festzustellen, dass sie tot war. Das Blut schien aus dem Kopf geflossen zu sein, mit Sicherheit war der Schädel zertrümmert. Ari trat näher heran und sah sie sich genauer an. Sie war noch jünger, als er zunächst gedacht hatte. Womöglich ein Teenager. Er rang um Atem.

Verdammt.

Ihre Augen standen offen, der Blick fern, als starrte sie ins Leere.

Ari wusste, dass ihn dieser Anblick noch lange verfolgen würde.

2

Manchmal ging Ari nachts spazieren, im Sommer wie im Winter, und fühlte sich wie in eine Zauberwelt versetzt, wenn das Dorf in diese friedliche Stille getaucht war. Auch jetzt spürte er diese Stimmung. Aber nur für einen kurzen Moment, dann holte ihn die Realität wieder ein.

Die Anwesenden schienen darauf zu warten, dass er etwas sagte oder tat, nur die Ärztin vom örtlichen Krankenhaus hatte schon losgelegt und beugte sich über das Mädchen. Außerdem waren noch zwei Sanitäter vor Ort, und etwas abseits stand ein Mann zwischen dreißig und vierzig, in einer Daunenjacke, mit Vollbart und Mütze auf dem Kopf. Das musste besagter Guðjón sein.

Ari stand regungslos da, in dem unangenehmen Bewusstsein, dass nun er die Verantwortung trug. Seine Zeit als Polizeikommissar von Siglufjörður war bisher ruhig verlaufen, Gott sei Dank war er vor Derartigem verschont geblieben. Die Tage auf der Wache plätscherten meist entspannt dahin. Wenn es hoch kam, musste er sich um einen Betrunkenen kümmern, um ein Verkehrsdelikt oder kleinere Drogengeschichten. Und jetzt lag dieses junge Mädchen tot auf der Straße. Er sah sie an, dann wanderte sein Blick zu dem Haus, vor dem er stand.

Es handelte sich um ein dreistöckiges Haus mit Spitzdach. Im Erdgeschoss war ein Geschäft, und in der ersten und zweiten Etage befanden sich vermutlich Büros oder Wohnungen. Das Dach hatte eine Gaube, und es gab eine Dachterrasse. Sehr wahrscheinlich war das Mädchen von dieser Dachterrasse gestürzt, so furchtbar diese Vorstellung auch sein mochte.

Die Ärztin stand auf, eine junge Frau namens Baldvina, die seit dem Jahreswechsel am Krankenhaus von Siglufjörður arbeitete. Dort gab es einen regen Wechsel in der Ärzteschaft. Die meisten blieben nur kurz und bewarben sich dann an größeren Krankenhäusern oder gingen – wie Kristín – zurück an die Uni, um sich weiterzubilden. Baldvina war ein paar Jahre jünger als Ari, aber wie er sie bisher erlebt hatte, kam sie ihm sehr professionell und versiert vor.

»Tja, sie ist definitiv tot. Wahrscheinlich haben wir es mit einem Sturz aus beträchtlicher Höhe zu tun.« Sie sah in Richtung des Hauses und sprach aus, was Ari dachte: »Möglicherweise von dieser Dachterrasse. Aber das herauszufinden, überlasse ich natürlich Ihnen. Dürfen wir die Leiche bewegen?« Ari hatte ein beklommenes Gefühl im Bauch. Das war der erste tragische Todesfall in seiner Zeit als Leiter der Polizeiwache.

»Ähm, ja, lassen Sie mich nur …ähm, nur noch kurz ein paar Fotos machen und … Wir müssen den Bereich hier absperren, damit die Kollegen von der Spurensicherung ihre Arbeit machen können, wenn sie kommen …« Sie hatten gar keine andere Wahl, als die Leiche schnellstmöglich von der Straße zu entfernen. Dies war die Hauptgeschäftsstraße des Ortes, und bald brach der Morgen an. Außerdem konnten jederzeit neugierige Nachtschwärmer aufkreuzen, denen der Aufruhr sicher nicht entgangen war.

Ari machte ein paar Fotos mit seinem Handy und rief gleich danach Ögmundur an.

»Könntest du bitte in die Aðalgata kommen, jetzt sofort?«

Natürlich hatte Ari ihn geweckt. »Ja, ja, sicher«, stammelte er. Ögmundur war ein positiver Typ, vielleicht manchmal ein bisschen zu entspannt, aber die Arbeit hatte ihn bisher auch nicht wirklich gefordert. Der Winter war ausgenommen ruhig verlaufen, und Ari hatte seinen neuen Mitarbeiter geschont, damit er die Stadt kennenlernen und sich in seinem Tempo an die Kleinstadtstimmung gewöhnen konnte. Trotzdem hatte Ögmundur in der kurzen Zeit schon mehr Freunde in Siglufjörður gefunden als Ari in all den Jahren. Ögmundur gewann einfach schnell das Vertrauen anderer, was in ihrem Beruf natürlich half. Er war ein ehemaliger Fußballnationalspieler, oder wenigstens Junioren-Fußballnationalspieler, was für Ari kaum einen Unterschied machte. Jedenfalls kam Ögmundur über das Thema Fußball mit jedem ins Gespräch.

Ari schilderte ihm kurz die Ereignisse und ergänzte seine erste Einschätzung: »Wahrscheinlich ist das arme Mädchen von der Dachterrasse gestürzt. Die Frage ist, ob es ein Unfall war oder – tja, Selbstmord. Das müssen wir so schnell wie möglich herausfinden.«

Die Sanitäter hoben den Körper auf eine Trage und schoben ihn in den Krankenwagen. Zurück blieb die schaurige Blutlache auf dem Gehweg, das unangenehme Zeugnis dieser Tragödie. Der Schein einer Straßenlaterne fiel auf einen Teil des Schauplatzes und ließ das Rot heller leuchten, als man im nächtlichen Dunkel erwarten würde. Fast kam es Ari wie die Momentaufnahme einer Theaterbühne vor.

Er drehte sich zu dem Mann um, der die ganze Zeit still und mit gesenktem Blick im Hintergrund gewartet hatte.

»Hallo, sind Sie Guðjón?«

Der Mann nickte und nuschelte ein leises Ja.

»Ari ist mein Name, Polizeikommissar von Siglufjörður. Können Sie mir kurz schildern, was passiert ist? Sie waren es doch, der die Polizei informiert hat, oder?«

»Ja, ich … ich habe den Notruf gewählt, aber ich weiß nicht, was hier los ist. Echt keine Ahnung«, antwortete er ein wenig atemlos. Dabei strich er sich durch den Bart und blickte in alle Richtungen, nur nicht in Aris Augen.

Ari hielt es für am klügsten, keine weiteren Fragen zu stellen, sondern einfach abzuwarten. Seiner Erfahrung nach hatten Menschen, die unter Schock standen, das Bedürfnis, die Stille auszufüllen, indem sie redeten, erzählten. Was offenbar auch auf Guðjón zutraf.

»Also ich, ähm, ich habe sie da liegen sehen. Zuerst dachte ich, sie wäre vielleicht nur gestürzt, Sie wissen schon, gestolpert, und ich wollte ihr aufhelfen, aber dann habe ich … dann habe ich gesehen, dass sie tot ist. Da habe ich sofort den Notruf gewählt.«

»Haben Sie sie angefasst?«, fragte Ari nach einem kurzen Schweigen.

»Ich … ich weiß es nicht. Möglicherweise habe ich sie angestupst, aber es war ganz klar, dass sie tot ist.«

Ari nickte.

»Und haben Sie irgendjemanden gesehen?«

»Nein, überhaupt niemanden, ich war ganz allein. Ich war zu Tode erschrocken, als ich sie gefunden habe. Glauben Sie, sie ist da runtergesprungen …?«

»Darüber kann ich noch nichts sagen«, entgegnete Ari. Er sah den Mann an. »Es ist jetzt vier Uhr. Das heißt also, Sie waren hier um halb vier unterwegs. Ist das korrekt?«

»Ja, doch, das stimmt.«

»Warum?«

»Na, ich habe einen Spaziergang gemacht.«

»Mitten in der Nacht?« Ari klang nun schärfer.

»Ähm, ja, das Wetter war so schön … ist so schön, so klar, windstill, wissen Sie, die frische Meeresluft. Es gibt kaum etwas Schöneres als einen Spaziergang durch den Ort bei solchem Wetter.«

Ari war nicht überzeugt, obwohl er insgeheim zugeben musste, dass er genauso tickte, dass auch er gern nachts spazieren ging, um der Stille zu lauschen. Aber die verdammte Stille war so gerissen, dass sie sich nie wirklich packen ließ.

»Sie gehen also nicht nur am Tag, sondern auch nachts spazieren?«

»Ja, im Grunde bin ich nachts sogar lieber draußen, dann ist es noch ruhiger und friedlicher.«

»Wohnen Sie hier im Ort, Guðjón?«

Der Mann zögerte.

»Im Moment schon. Ich wohne in einer Künstlerwohnung, noch zwei Monate.«

»Hier in der Nähe?«

»Ja, am Meer, beim Schwimmbad.«

»Und sind Sie schon lange hier?«

»Seit dem Jahreswechsel«, antwortete Guðjón. Er schien sich in der nächtlichen Kälte zunehmend unwohl zu fühlen.

»Ah ja.« Ari wartete ab. »Welche Kunst denn?«

»Wie bitte?«

»Ich meine, mit welcher Kunst befassen Sie sich? Malerei? Musik?«

»Malerei, ja. Ich male, zeichne … Vielleicht haben Sie kürzlich meine Ausstellung gesehen, mit Zeichnungen von Siglufjörður.« Dann fügte er hinzu: »Eine Verkaufsausstellung.«

»Nein, die habe ich wohl verpasst. Kannten Sie sie?«

»Wen?«

»Das tote Mädchen.«

Guðjón erschrak. »Bitte? Nein, natürlich nicht. Ich habe keine Ahnung, wer sie ist … wer sie war. Warum glauben Sie, dass ich sie kannte? Ich bin doch gar nicht von hier.«

»Aber Sie sind sich sicher, dass sie von hier war?«

»Ich … ich habe mit der ganzen Sache nichts zu tun, keine Ahnung, was Sie da andeuten, ich habe einfach nur die Polizei gerufen. Ich habe dieses Mädchen noch nie zuvor gesehen.«

»Sie müssen doch zugeben, Guðjón, dass Ihr nächtliches Herumschleichen Fragen aufwirft.«

»Ich bin Künstler, verdammt«, sagte er, als könnte er damit alles Erklärungsbedürftige entschuldigen. Dabei atmete er so hektisch, dass seinen Worten jegliche Überzeugungskraft fehlte. »Ich laufe nachts durch die Stadt, um Inspiration zu finden. Dann kehre ich zurück und zeichne, und ich schlafe tagsüber. Sie können … Sie können gern mitkommen und sich meine Zeichnungen anschauen. Dann sehen Sie, dass ich die Wahrheit sage.«

»Vielleicht später, ich muss ohnehin im Laufe der Ermittlungen noch einmal mit Ihnen sprechen. Könnten Sie morgen auf die Wache kommen, oder vielmehr nachher? Wir müssen Ihre Aussage zu Protokoll nehmen.«

Guðjón zögerte.

»Ist das denn nötig? Ich habe nichts getan. Wenn ich ehrlich bin, gefällt es mir nicht, so herbeizitiert zu werden.« Dann fügte er atemlos hinzu: »Wo ich doch bloß meine bürgerliche Pflicht erfüllt und die Polizei informiert habe.«

»Hier ist ein junges Mädchen gestorben, womöglich noch ein Teenager. Wir werden nicht umhinkommen, Ihre Aussage zu protokollieren. Bei solchen Ermittlungen muss alles korrekt dokumentiert werden. Aber selbstverständlich habe ich keinen Grund zur Annahme, dass Sie tiefer in die Sache verwickelt sind, bitte verstehen Sie das nicht falsch«, fügte Ari hinzu, obwohl er sich da gar nicht mal so sicher war. Guðjóns Erklärung stellte ihn immer noch nicht zufrieden.

»Ganz genau. Ich hoffe, Sie haben nicht vor, einem arglosen Passanten etwas anzuhängen!«

In diesem Moment kam Ögmundur in seinem alten Mazda angefahren. Der kleine rote Sportwagen hatte in Siglufjörður bereits einige Aufmerksamkeit erregt. Den Winter über hatte Ögmundur ihn kaum nutzen können, aber an diesem Morgen waren die Straßen einigermaßen frei. Das Dach ließ sich aufklappen, aber auch dazu bot der Winter kaum eine Gelegenheit. Ögmundur parkte den Wagen und joggte zu Ari und Guðjón herüber.

»Hallo zusammen, ich bin so schnell gekommen, wie es ging. Glaubst du, sie ist gesprungen?« Er betrachtete die Blutlache und sah dann in Richtung der Dachterrasse.

»Das ist Guðjón …« Ari zögerte.

»Helgason«, ergänzte der bärtige Künstler.

»Ja. Er war heute Nacht spazieren und hat die Leiche entdeckt. Er wird morgen auf die Wache kommen. Könntest du dann seinen Bericht zu Protokoll nehmen, Ögmundur?«

»Klar, das kriegen wir hin.« Er streckte die Hand aus und lächelte freundlich. »Hallo, Guðjón. Ich bin Ögmundur und arbeite hier für die Landpolizei.«

»Schönen Dank einstweilen«, sagte Ari förmlich zu Guðjón. Ögmundurs lockere Art nervte ihn, obwohl sie sich zugegebenermaßen oft als hilfreich erwies. »Dann spazieren Sie mal in Ruhe weiter, Guðjón«, fügte er leicht spöttisch hinzu. Nach dieser durchwachten Nacht schaffte er es einfach nicht, so frisch und munter wie Ögmundur daherzukommen.

3

»Du wartest draußen«, sagte Ari zu Ögmundur. »Wir müssen die Spurensicherung anfordern, das übernimmst du, und bis sie eintreffen, sicherst du den Bereich. Okay?«

Ögmundur nickte gelangweilt.

»Etwas Besseres habe ich eh nicht zu tun. Wobei das eigentlich unnötig ist, Ari, und das weißt du auch selbst. Hier ist doch nur Blut. Ich sollte lieber drinnen warten und aufpassen, dass niemand die Dachterrasse betritt.«

Da war durchaus was dran, aber Ari ließ sich nicht aus dem Konzept bringen. »Du machst beides. Das kriegst du schon hin. Ich werfe derweil einen Blick ins Haus.«

Die Tür war verschlossen. Laut Klingelschildern wohnten zwei Parteien hier, im ersten und zweiten Stock. Ögmundur stand hinter Ari und fragte über dessen Schulter: »Kennst du die Leute?«

Ari schüttelte den Kopf.

»Nein. Jónína und Jón wohnen unten. Und ein Bjarki oben.«

Ari drückte zuerst auf die Klingel der Leute in der unteren Etage und musste nicht lange warten. Die Tür ging sofort auf, und als Ari den Hausflur betrat, stand ein älterer Mann im Treppenhaus, zwar im Schlafanzug, aber er wirkte putzmunter.

»Meine Frau und ich haben schon auf Sie gewartet, wir haben Sie draußen gesehen«, sagte er sofort, doch Ari hörte etwas Zögerliches in seiner Stimme, ein leichtes Beben.

Offenbar hatten sie im Schutz der Dunkelheit nach draußen gespäht, denn in den Fenstern hatte kein Licht gebrannt.

»Was ist denn passiert? Wer lag da auf dem Gehweg? Ist jemand gestorben?«

»Darf ich einen Moment reinkommen?«

»Ähm, ja, natürlich, natürlich.« Er streckte ihm die Hand entgegen, die ganz verschwitzt war. »Jóhann.« Ari hatte kein gutes Gefühl, was diesen Mann anging. Irgendetwas war hier faul. Er folgte ihm in die Wohnung. Im dunklen Wohnzimmer, an einem der Fenster zur Straße, saß eine Frau auf dem Sofa. Das musste Jónína sein. Sie sagte kein Wort.

»Es tut mir leid, dass ich Sie störe, aber diese Nacht ist hier ein junges Mädchen gestorben. Haben Sie etwas mitbekommen, was die Sache erklären könnte?«

»Nein«, sagte Jóhann sofort. »Wer war das? Wer war das Mädchen?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete Ari. »Haben Sie eine Idee? Wohnt eine Frau, ein Mädchen im Haus?«

»Nein, nein, aber … Eigentlich wohnt hier nur Bjarki, aber er vermietet seine Wohnung manchmal unter, an Ausländer, über … ähm …, wie heißt das noch mal, Jónína?«

Die Frau auf dem Sofa konnte ihm nicht auf die Sprünge helfen. Ari schätzte die beiden auf Mitte siebzig. Jetzt wäre es gut gewesen, Tómas an seiner Seite zu haben, der immer sofort gewusst hatte, wer zu welcher Familie gehörte und welche Tätigkeiten die Leute vor ihrer jetzigen ausgeübt hatten.

»Und glauben Sie, dass Bjarki zu Hause ist?«

Sie sahen sich an. »Vermutlich nicht«, antwortete Jóhann schließlich. »Er kommt und geht, hat oft in Reykjavík zu tun, obwohl er natürlich von hier stammt. Ich habe ihn schon ein, zwei Tage lang nicht gesehen.«

Jetzt ergriff endlich Jónína das Wort: »Nein, er ist nicht zu Hause«, sagte sie leise, aber entschieden. »Dann hätte ich ihn gesehen oder gehört.«

»Na, du kriegst aber auch nicht alles mit, meine Gute. Wir sehen nicht, wer hier kommt und geht«, sagte Jóhann, und dieser Einwurf klang irgendwie gezwungen, als ob er das besonders betonen wollte. Ari schaute zum Fenster und stellte fest, dass man aus dieser Wohnung wahrscheinlich wirklich nicht erkennen konnte, wer vor der Tür stand.

»Er ist also von hier, sagten Sie? Oder hat er bloß Familie im Ort?«, fragte Ari.

»Ja, ja, er ist von hier«, bestätigte Jónína. »Ich erinnere mich an seinen Vater. Bjarki wurde hier geboren, aber dann ist die Familie weggezogen«, sagte sie. »Wie so viele andere auch. Nachdem der Hering weg war, war hier nicht mehr viel los.«

»Jetzt kehren die Leute zurück, langsam lebt es wieder auf, scheint mir«, sagte Jóhann.

»Wir sind natürlich nirgendwo hingegangen«, stellte Jónína klar, zog die Brauen zusammen und verschränkte die Arme. Mehr wollte sie offenbar nicht sagen.

»Wie kommt man auf die Dachterrasse?«, fragte Ari. Ögmundurs Gedanke, sich auf die Dachterrasse zu konzentrieren, war vermutlich klug. Eines musste man ihm lassen: Er sagte freiheraus, was er dachte. Das hatte Ari sich Tómas gegenüber nicht getraut.

»Auf die Dachterrasse? Warum fragen Sie?« Doch dann begriff Jóhann, worauf Ari hinauswollte. »Sicher, ich zeige Ihnen den Weg. Früher wurde das alles von einer einzigen Partei bewohnt. Bjarkis Großeltern lebten hier, aber dann wurde das Haus geteilt, und wir haben die untere Etage gekauft, mussten uns verkleinern. Vorher hatten wir ein Einfamilienhaus weiter oben im Ort, aber da war zu viel dran zu tun. Na ja, der Dachboden wird vor allem als Abstellraum genutzt, und die Dachterrasse, tja, die nutzen wir nie, für uns ist es einfach zu mühsam, da raufzusteigen. Ich bezweifle, dass der gute Bjarki viel Zeit da oben verbringt, der ist den lieben langen Tag mit seinen Büchern beschäftigt«, sagte Jóhann und lächelte. Ari hatte immer noch das Gefühl, dass hier irgendetwas faul war. Jóhann wirkte nervös und schien durch seinen Redeschwall davon ablenken zu wollen.

Jóhann bat Ari, ihm auf den Flur zu folgen. Langsamen Schrittes stieg er die Treppe hinauf. Es war ein charmantes altes Treppenhaus mit blassblauer Tapete, abgetretenen hellen Holzstufen und einem Handlauf aus etwas dunklerem Holz.

Als Jóhann die nächste Etage erreicht hatte, verschnaufte er kurz und sagte dann: »Hier wohnt er, der Historiker.«

»Bjarki ist also Historiker?«

»Ja, genau. Er arbeitet zu den Westaussiedlern aus Siglufjörður, das macht er für die Gemeinde. Ich habe das Gefühl, der Ort erlebt gerade einen richtigen Aufschwung, was hier jetzt alles aufgebaut wird, die Touristen und so weiter, und dann gibt es auch noch Geld für solche Liebhaberprojekte«, murmelte Jóhann, während er Kraft für das letzte Stück Treppe zum Dachboden sammelte.

»Westaussiedler aus Siglufjörður?«, hakte Ari nach. Er hatte noch nie gehört, dass Auswanderer aus Siglufjörður in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle gespielt hätten.

»Ja, die Leute von hier, die damals nach Kanada ausgewandert sind, achtzehnhundertnochwas. Schon ein interessantes Thema, muss ich sagen, obwohl ich kein Büchermensch bin«, sagte Jóhann. »Na, dann mal weiter.«

Sie stiegen die nächste Treppe hinauf, die vor einer geschlossenen Tür endete, ohne Treppenpodest.

»Lassen Sie mich die Tür öffnen«, sagte Ari, der verhindern wollte, dass Jóhann versehentlich Fingerabdrücke wegwischte, die sich möglicherweise an der Klinke befanden. »Ist die Tür abgeschlossen?«

»Die ist nie abgeschlossen, der Dachboden gehört uns allen.«

Ari öffnete die Tür und ging hinein. Der Speicher sah recht ordentlich aus, aber es war eiskalt, und Ari erkannte auch sofort, woran es lag: Die Tür zur Dachterrasse stand offen.

»Sie warten bitte hier, Jóhann«, sagte Ari entschieden. Dann sah er sich auf dem Dachboden um, konnte aber keine Hinweise darauf entdecken, dass hier jemand eingedrungen war oder es einen Kampf gegeben hatte. Wobei die offene Tür natürlich schon bedeuten konnte, dass das Mädchen hier gewesen war. Vorsichtig trat er auf die Dachterrasse, in die kalte Morgenluft. Die Aussicht war toll, das Haus hoch genug für einen guten Blick auf die Stadt, die Berge und das Meer. Ari atmete die salzige Meeresluft ein.

Auch auf der Dachterrasse waren keine Spuren einer Auseinandersetzung auszumachen, und da bei den wärmeren Temperaturen und im Regen der letzten Tage aller Schnee geschmolzen war, ließ sich mit bloßem Auge nicht erkennen, ob das Mädchen tatsächlich hier oben gewesen war.