Winterzauber auf Gracewood Hall - Sandra Rehle - E-Book

Winterzauber auf Gracewood Hall E-Book

Sandra Rehle

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Beschreibung

Du sehnst dich nach einer Pause? Und du hast genug von großen Dramen, unrealistischen Märchenprinzen oder den vielzitierten Bad Boys? Dann ist "WINTERZAUBER AUF GRACEWOOD HALL" genau das Richtige für dich! Tauche ein in die bezaubernde Welt der Familie Bedford. KLAPPENTEXT Die lebenslustige deutsche Lifestylebloggerin Liz Sommer hat von Männern genug. Nach ihrem letzten Beziehungsdesaster will sie sich nur noch auf ihre Karriere konzentrieren. Da kommt die Einladung der Familie Bedford, Weihnachten in dem englischen Herrenhaus Gracewood Hall zu verbringen, gerade richtig. Das malerische Gut soll der zukünftige Hotspot für romantische Hochzeiten werden und Liz darf auf ihrem Blog darüber schreiben. Kaum angekommen, lernt sie den verschlossenen, aber attraktiven Maxwell Thomson, einen Freund der Familie, kennen. Auch Max will von Liebe und Romantik nach einem schweren Schicksalsschlag nichts mehr wissen. Beide verbringen wundervolle Tage auf Gracewood Hall. Bei einem gemeinsamen Ausritt kommen sie sich näher. Wird es ihnen gelingen, die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen?

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Sandra Rehle

Winterzauber

auf

Gracewood Hall

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Das Buch

 

Die aufgeweckte Lifestylebloggerin Liz Sommer hat von der Männerwelt genug. Nach ihrem letzten Beziehungsdesaster will sie sich nur noch auf ihre Karriere konzentrieren.

Deshalb freut sie sich über die Einladung, Weihnachten auf Gracewood Hall verbringen zu können. Das malerische Herrenhaus soll der zukünftige Hotspot für romantische Hochzeiten werden und Liz soll auf ihrem Blog darüber schreiben.

 

Kaum angekommen, lernt sie den attraktiven, aber verschlossenen Maxwell Thomson kennen. Auch Max will von Liebe und Romantik nach einem schweren Schicksalsschlag nichts mehr wissen.

 

Wird es ihnen gelingen, die Vergangenheit hinter sich zu lassen?

 

 

Die Autorin

 

Die Liebe zu Büchern zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Sandra Rehle. Daher war es ganz natürlich, dass sie alles über Bücher und Geschichten lernen wollte. Nach vielen Jahren als Verlagskauffrau und Historikerin ist es jetzt an der Zeit eigene Romane zu schreiben.

Mit "Winterzauber auf Gracewood Hall" veröffentlicht sie ihren Debütroman als Auftakt zur „Gracewood Hall“-Reihe.

Sie lebt mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern im schönen Hamburg.

 

 

Sandra Rehle

Winterzauber

auf

Gracewood Hall

 

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet unter dnb.dnb.de abrufbar.

 

© 2018 Sandra Rehle, Minsbekweg 17, 22399 [email protected]

Herstellung und Verlag: BoD - Books on Demand, Norderstedt

Covergestaltung: Casandra Krammer - www.casandrakrammer.de

Covermotiv: © Shutterstock.de

ISBN: 978 - 3 - 7528 - 2133 - 8

 

 

21. Dezember

Kapitel 1

 

„Schätzchen! Da bist du ja! Warum hast du denn nichts gesagt? Wir hätten dich doch abgeholt!“ Liz war kaum aus dem Taxi gestiegen, als sich bereits die Flügeltür öffnete und Nigel heraustrat. Freudestrahlend umarmte er Liz und hielt sie anschließend eine Armlänge von sich: „Gut siehst du aus!“

Liz musste grinsen: „Mir gefallen vor allem deine Samtslipper! Ganz der aristokratische Hausherr!“ Wie immer war Nigel in einem wilden Mustermix gekleidet. Er hatte seine ganz eigene Vorstellung von einem modernen Dandylook.

„Du hast einfach keine Ahnung von Stil!“ Er wedelte mit seinem Zeigefinger und drückte sie noch einmal fest an sich.

Als er anschließend den Taxifahrer bezahlte und ihr Gepäck nahm, hatte Liz Gelegenheit staunend das Herrenhaus zu betrachten. Natürlich hatte sie sich die Bilder von Gracewood Hall auf der Homepage angesehen, doch die wurden weder der tatsächlichen Größe noch der Pracht gerecht. Der klassizistische Sandsteinbau leuchtete in der fahlen Wintersonne in einem warmen Goldton, der von den beiden geschmückten Adventskränzen an den Türen aufgegriffen wurde. Zusammen mit dem Säulenportal wirkte das Herrenhaus geradezu märchenhaft. Sie machte sich im Geist eine Notiz, dass dringend neue und bessere Fotos online gestellt werden müssen.

„Oh mein Gott, es ist so wunderschön!“, seufzte sie.

Nigel legte ihr den Arm um die Schultern. „Darling, ich freue mich ja sooo, dass du da bist! Dass du es wirklich wahr gemacht hast, was du uns auf Bali am Strand versprochen hast!“

Liz warf ihm einen gespielt vorwurfsvollen Blick zu: „Na hör‘ mal, ich konnte mir eure Einladung, Weihnachten bei Euch zu feiern, doch nicht entgehen lassen!“ Gemeinsam liefen sie weiter und Liz fügte hinzu: „Ganz zu schweigen von der Möglichkeit für euch zu kochen.“

Nigel grinste spitzbübisch. „Ja, darauf freuen wir uns schon sehr!“

Im großzügigen Vestibül, dessen Garderobe es mit den Mänteln einer ganzen Kompanie aufnehmen konnte, überließ Nigel das Gepäck einem jungen Mann mit schwarzen Haaren, Sommersprossen und ganz hinreißenden Segelohren.

„Liz, darf ich dir Matthew Gardner vorstellen? Er hilft uns im Haus und im Garten bei allen größeren und kleineren Projekten und kümmert sich außerdem um die Pferde.“

„Hallo, schön dich kennenzulernen!“ Liz streckte ihm die Hand hin, „Wenn ich also einen Schrank verrückt haben möchte, rufe ich dich?!“

„Genau! Stallbursche, Hausmeister, Elektriker, Kellner, was auch immer du brauchst, ich bin dein Mann!“ Er lächelte sie offen an und sie merkte gleich, dass sie einen neuen Freund für’s Leben gefunden hatte.

Während Nigel Matthew Anweisungen gab, sah sie sich bereits in der großzügigen Eingangshalle um. Den Fußboden zierten wundervolle Sandsteinfliesen auf die durch eine große Glaskuppel das Sonnenlicht fiel. Dadurch strahlten die Fliesen honiggelb und die Halle wirkte wärmer als sie tatsächlich war. Insgesamt führten vier Türen in die angrenzenden Zimmer. Unter der imposanten Treppe versprach eine große Flügeltür den Zugang zu einem ganz besonderen Raum. Als Liz bewusst wurde, dass ihr Mund staunend offen stand, klappte sie ihn schnell wieder zu. Hoffentlich hatte das keiner bemerkt. Lächelnd drehte sie sich zu Nigel um, der sie nach links in den Salon führte.

„Seht einmal, wen ich hier habe! Sie wollte sich einfach rein schleichen!“

„Nigel Bedford!“ Bevor Liz weiterreden konnte, kam Arthur auf sie zu.

„Liebes, wie schön, dass du da bist! Warum hast du nichts gesagt, wir hätten dich doch abgeholt!“

„Ich wollte euch keine Umstände machen. Ich bin schon groß, wisst ihr!“

„Papperlapapp, das nächste Mal sagst du Bescheid.“ Arthur hakte sie unter. „Komm, ich zeige dir dein Zimmer. Dann kannst du dich etwas frisch machen, wenn du möchtest. Wir werden mit dem Tee auf dich warten.“

Liz Zimmer befand sich im ersten Stock und war einfach bezaubernd. „Oh, Arthur! Wie wundervoll!“ Schnell zückte Liz ihre Kamera. Sie musste unbedingt ein paar Fotos für ihren Blog machen, bevor sie ihr ganzes Zeug verteilt hatte.

„Schön, dass es dir gefällt!“, freute sich Arthur. „Dann lass ich dich jetzt allein. Wir sehen uns gleich unten!“ Arthur zog die Tür hinter sich zu und Liz drehte sich einmal um sich selbst.

Ganz in zarten Grüntönen gehalten wirkte der Raum wie ein Frühlingsmorgen im Wald. Er wurde von einem großen Himmelbett dominiert. Ein herrlich geräumiger Kleiderschrank stand hinter der Tür und eine wundervolle Frisierkommode befand sich gegenüber vom Bett. In der tiefen Fensternische lagen gemütliche Sitzpolster, so dass es sich darauf vortrefflich lesen ließ. Für eine behagliche Wärme sorgte ein großer Kachelofen. Rechts vom Fenster entdeckte sie das Bad. Liz schoss ein Bild nach dem anderen. Ein zufälliger Blick in den Spiegel ließ sie allerdings innehalten. Aus ihrem blonden Zopf hatten sich während der Reise einige Strähnen gelöst, den Concealer sah man schon gar nicht mehr. So wollte sie nicht hinunter gehen. Auch wenn sie Arthur und Nigel am Strand von Bali kennengelernt hatte, wollte sie ihnen jetzt zeigen, dass sie ein Profi war und ihre Arbeit verstand.

Wenn sie an ihre erste Begegnung mit dem ungleichen Paar dachte, musste sie schmunzeln. Zuerst hatte sie Nigels kleinen Bruder Nick kennen gelernt. Er hatte sie angesprochen, als sie versuchte ein Foto von sich selbst beim Yoga zu machen. Nick hatte ihr seine Hilfe angeboten und so waren sie ins Gespräch gekommen. Später hatte er sie einfach zum Essen mit Nigel und Arthur mitgenommen. Liz wusste nicht mehr, was sie erwartet hatte, aber sie hatte den großgewachsenen und älteren Arthur Hayes mit seinen multikulturellen Wurzeln ebenso schnell ins Herz geschlossen, wie Nigel, mit seinen feuerroten Haaren und seinem außergewöhnlichen Kleidungsstil.

 

Fünfzehn Minuten später sah man ihr den Reisestaub nicht mehr an. Zu ihren dunklen Lieblingsjeans trug sie nun einen grauen Kaschmirpulli und Stiefel. Mit ihrer Kamera ausgerüstet, machte sie sich auf den Weg in den Salon und freute sich schon sehr auf eine heiße Tasse Tee.

Am Fuß der Treppe stand Nigel und besprach sich mit einer älteren Frau. „Liz, da bist du ja. Dann kann ich dir gleich Mrs. Cuthbert vorstellen. Mrs. Cuthbert ist die gute Fee unseres Heims. Sie führt uns den Haushalt und verwöhnt uns mit ihren kulinarischen Genüssen!“

Mildred Cuthbert schaute Liz abwartend an. „Sie wollen also für uns kochen“, stellte sie nüchtern fest.

Augenblicklich wusste Liz, dass sie vor ihrer ersten Herausforderung, das Herrenhaus bekannter zu machen, stand. Sie beschloss sich nicht einschüchtern zu lassen und schenkte der Haushälterin ein strahlendes Lächeln. „Natürlich nur, wenn Sie einverstanden sind, Mrs. Cuthbert. Es ist schließlich Ihre Küche. Aber eigentlich hatte ich gehofft, von Ihnen ein paar Tipps zu bekommen.“ Liz beugte sich zu Mrs. Cuthbert hinüber. „Nigel und Arthur haben im Urlaub immer in den höchsten Tönen von Ihnen und Ihren Leckerbissen gesprochen! Mir ist regelmäßig das Wasser im Mund zusammengelaufen.“

„Tatsächlich?“ Mrs. Cuthbert freute sich sichtlich über das unerwartete Kompliment. „Dann kommen Sie doch morgen nach dem Frühstück zu mir in die Küche. Dann können wir alles in Ruhe besprechen.“

„Vielen Dank, Mrs. Cuthbert. Ich freue mich schon!“

Liz und Nigel sahen Mrs. Cuthbert hinterher, die beschwingt Richtung Küche eilte.

Nigel ergriff Liz’ Arm und drückte ihn leicht: „Lizzie, ich wusste, du würdest ihr Herz im Sturm erobern!“

 

***

 

„Brauchst du noch lange?“, maulte Nigel kurze Zeit später, „die Kresse ist schon ganz welk….“

„Schatz, sie macht doch nur ihre Arbeit, genau deswegen haben wir sie doch eingeladen. Äh, unter anderem“, fügte Arthur mit einem Blick auf Liz hinzu.

„Auf Bali wurde aber nur ihr Essen kalt“, schmollte Nigel weiter. Liz ließ sich von dem Geplänkel nicht stören, sondern rückte die Etagere mit den Köstlichkeiten noch ein winziges Stückchen nach links. Irgendetwas fehlte noch für das perfekte Foto. Suchend sah sie sich um. Plötzlich fiel ihr auf, dass dort am Fenster jemand saß und konzentriert las. Er hatte ein tolles Profil. Seine dunklen Haare waren etwas zu lang, denn sie fielen ihm immer wieder in die Augen. Schnell hob Liz die Kamera und machte ein paar Aufnahmen von dem Unbekannten, bevor sie entschlossen auf ihn zulief.

„Entschuldigung.“ Liz tippte ihm auf die Schulter. „Darf ich?“, fragte sie und nahm ihm seine Lektüre aus der Hand, ohne auf die Antwort zu warten. Verdutzt schaute er hinter ihr her. Derweil legte Liz das Buch aufgeschlagen neben die dampfende Tasse Tee. Mit der Etagere im Hintergrund war es für sie der Inbegriff englischen Landlebens. Schließlich betätigte Liz den Auslöser. Ein prüfender Blick auf den Bildschirm der Kamera entlockte ihr ein triumphierendes „Perfekt!“. Sofort wollte Nigel nach den Sandwiches greifen.

„Stopp! Ich brauche noch…“ Schnell zückte sie ihr Handy, um noch ein paar Bilder zu schießen. Anschließend nahm Liz das aufgeschlagene Buch und brachte es seinem Besitzer zurück. „Vielen Dank! Und sorry, für den Überfall. Bei der Arbeit vergesse ich manchmal alles um mich herum. Ich bin übrigens…“

„Das habe ich gemerkt.“ Er musterte sie langsam von oben bis unten mit dunklen Gewitteraugen. Ohne ein weiteres Wort stand er auf und ging zu den anderen hinüber.

‚Na, das kann ja heiter werden!‘, dachte Liz. ‚Verrate ich dir meinen Namen eben nicht! Da kannst du noch so toll aussehen!‘

Achselzuckend setzte sie sich zu Nigel, der sich seinen Teller schnell gefüllt hatte, als hätte er Bedenken Liz könnte noch einmal zur Kamera greifen.

„Hier meine Liebe.“ Arthur reichte ihr eine frische Tasse Tee. „Was möchtest du probieren?“

„Ich hätte gern ein Sandwich mit Ei und eines mit Gurke, bitte.“ Als sie die kleinen Sandwiches auf ihrem Teller liegen sah, überlegte sie, wie sie am unauffälligsten nach ihrer Kamera angeln könnte. Die kleinen Köstlichkeiten sahen wirklich zum Anbeißen aus. Diesen Anblick wollte sie ihren Followern nicht vorenthalten.

„Wir haben euch einander noch gar nicht vorgestellt!“, stellte Nigel zwischen zwei Happen fest und unterbrach damit Liz’ Gedanken. „Lizzie, dieser schweigsame Geselle ist Maxwell Thomson, ein alter Freund der Familie. Max, das ist Liz Sommer. Wir haben dir ja schon von ihr erzählt. Sie führt einen sehr erfolgreichen Lifestyleblog, auf dem sie über Gracewood Hall berichten wird, um es bekannter zu machen.“ Nigel guckte ganz verzückt. „Außerdem wird sie für uns ein typisch deutsches Weihnachtsessen kreieren.“ Er sah aus, als könnte er es jetzt schon schmecken.

„Hallo! Schön dich kennenzulernen!“ Demonstrativ streckte sie ihm die Hand hin. Max nickte lediglich und widmete sich weiter seinem Tee. Schnell zog sie ihre Hand wieder zurück. Anscheinend waren doch nicht alle Briten ausgesprochen höflich!

„Wir freuen uns sehr, dass du da bist!“, beeilte sich Arthur zu sagen.

„Ich mich erst! Ich wollte schon immer Weihnachten in England feiern“, erklärte Liz überschwänglich.

Von Max war ein abfälliges Schnauben zu hören.

„Maxwell!“, tadelte Nigel, „Sei doch nicht so! Es kann keiner etwas dafür, dass du Weihnachten nicht magst.“

„Du magst Weihnachten nicht?! Bist du der Grinch?“ Kaum hatte Liz es ausgesprochen, weiteten sich ihre Augen vor Schreck.

Max zog die Augenbrauen zusammen. „Sehe ich so aus?“, entgegnete er.

‚Nun ja‘, konnte sich Liz gerade noch verkneifen, da redete er auch schon weiter.

„Nein, ich mag Weihnachten nicht besonders. Dieser ganze Konsumterror und die viel zu hohen Erwartungen, die unweigerlich enttäuscht werden…“

„Bezüglich der zu hohen Erwartungen gebe ich dir vollkommen recht und von der Verpflichtung die perfekten Geschenke zu besorgen, habe ich mich schon lange befreit. Aber bei Weihnachten geht es um viel mehr!“

Maxwell verdrehte die Augen und erwiderte sarkastisch: „Wie konnte ich DIE LIEBE vergessen?!“

Liz strahlte Max an: „Mach dich nur lustig. Aber die Liebe, und ich meine nicht die romantische Hollywood-Klischee-Liebe, ist die stärkste Kraft im Universum! Die Liebe ist das Schönste und das Stärkste, was es gibt. Wenn du der Liebe vertraust, dann wird sie, immer und überall, das beste Leben für dich erschaffen! Auch, wenn es gerade nicht danach aussieht!“ Liz nickte wie zur Bestätigung. „Ja, vor allem dann. Du musst dich nur entscheiden, darauf zu vertrauen!“

Max war nicht nur von ihrem Strahlen wie geblendet, ihm fehlten die Worte. Was sollte er auch darauf antworten. Genervt wandte er sich ab. Er hatte gewusst, dass es keine gute Idee war Weihnachten wieder auf Gracewood zu feiern. Die Bloggertante nervte ihn mit ihrem Heile-Welt-Getue schon jetzt.

Arthur und Nigel grinsten in ihre Teetassen, während sich Liz zurücklehnte und zufrieden in eines der kleinen Sandwiches biss. Schnell wechselte Nigel das Thema, bevor sie weiter ausholen konnte. „Morgen kommen übrigens meine Schwester Nora mit ihrem Mann Timothy und den Kindern Claire und Henry. Wir erwarten sie zum Tee und irgendwann zwischen Dinner und Cocktail schlägt dann auch mein kleiner Bruder hier auf, wenn überhaupt…“

„Nick kommt wirklich?! Oh, wie schön!“

„So war es ausgemacht.“ Arthur griff zur Teekanne und schenkte allen noch einmal ein. „Als er hörte, dass du kommst Lizzie, hat er versprochen es einzurichten.“

„Freu dich nur nicht zu früh, auf Nick kann man sich nun wirklich nicht verlassen.“

„Meine Güte Nigel, was bist du heute wieder missmutig!“ Arthur schüttelte den Kopf.

„Es wäre ja nicht das erste Mal, dass er eine Verabredung nicht einhält“, verteidigte sich Nigel.

„Ach was“, wischte Liz den Einwand beiseite. „Wenn er hier ist, freue ich mich wie irre und wenn nicht, dann freue ich mich … wie irre!“ Die drei lachten, als hätte sie einen besonders komischen Witz gemacht und Maxwell war wieder versucht die Augen zu verdrehen. Es war ja klar, dass sie auf einen Sunnyboy wie Nicholas stand. Als Liz berichtete, dass sie die letzten vier Tage in London verbracht hat, um an einer Konferenz für Blogger teilzunehmen, hörte er nur mit einem halben Ohr zu.

„Natürlich habe ich mir die Stadt angesehen, es war das erste Mal, dass ich London im Advent gesehen habe. Ich liebe diese Stadt so sehr, ich sollte wirklich öfter hinfahren.“

„Warst du denn auch shoppen?“, wollte Nigel wissen.

Liz grinste: „Selbstverständlich!“

„Erzähl! Was hast du ergattert?“

„Ach, so dies und das…“

Bevor Nigel weiterbohren konnte, ergriff Arthur das Wort: „Liebes, was hältst du davon, wenn wir dir nach dem Tee das Haus zeigen? Dann brauchen wir keine Sorge zu haben, dass du dich verirrst in den nächsten Tagen.“

Lizzie lachte laut auf: „Na, ich hoffe, das ist nicht der einzige Grund! Ich möchte mir sehr gern alles ansehen, aber vorher muss ich unbedingt noch so ein Schokotörtchen mit Himbeeren probieren!“

Arthur nahm Lizzies Teller und platzierte ein Törtchen darauf. „Die solltest du tatsächlich probieren! Ich esse sie am allerliebsten!“

„Ach was, er hat keine Ahnung!“, mischte sich Nigel ein, „Es geht doch nichts über einen guten, ehrlichen Scone, nicht wahr Max?“

Der Angesprochene schien tief in Gedanken versunken zu sein. „Max?“, fragte Nigel noch einmal.

Diesmal reagierte er: „Danke für den Tee, ich muss noch etwas erledigen.“ Er stand auf. „Wir sehen uns später.“

Einigermaßen ratlos sahen die drei ihm nach. Liz fragte sich, was dieser mürrische Kerl für ein Problem hatte. Seine offensichtliche Attraktivität konnte ja wohl kaum der einzige Grund sein, warum Nigel und Arthur mit ihm befreundet waren. Liz schüttelte unmerklich den Kopf, das war nun wirklich nicht ihr Problem.

Arthur unterbrach die Stille: „Vielleicht braucht er noch ein paar Geschenke?“

„Egal. Lizzie, bist du soweit? Wenn ich noch länger hier sitze, esse ich alles auf und passe dann nicht mehr in meinen Weihnachtssmoking!“ Nigel stand ebenfalls auf.

„DU hast einen Weihnachtssmoking?!“ Liz staunte und winkte sofort ab, als vor ihrem geistigen Auge die wildesten Bilder auftauchten. „Ich will es eigentlich gar nicht wissen! Ich lasse mich einfach überraschen.“

 

Kapitel 2

 

Nach dem Tee machten Nigel und Arthur mit Liz einen Rundgang durch das Haus und zeigten ihr alles.

Direkt anschließend an den Salon und über wundervolle, fast deckenhohe Schiebetüren verbunden, lag der Blaue Salon, wie das Frühstückszimmer genannt wurde. Im Gegensatz zur Großzügigkeit des großen Salons, ein kleiner, fast schon familiärer Raum, in dessen Mitte sich ein ovaler Esstisch mit zwölf passenden Stühlen befand. An der rechten Wand stand das wundervollste Buffet, das Liz je gesehen hatte. Liz ließ ihren Blick schweifen.

„Hast du meinen wunderschönen schwedischen Kachelofen gesehen?“, fragte Arthur aufgeregt.

Nigel lachte: „Das war was, sag ich dir! Arthur hat sich während eines Sommerurlaubs auf Gotland in so einen Ofen verliebt. Am liebsten hätte er diesen sofort in seinen Koffer gepackt und mitgenommen.“

„Auch ich habe so meine Leidenschaften“, schmunzelte Arthur.

„Die ich an dir liebe!“, meinte Nigel und gab ihm einen Kuss.

Liz trat an die breite Fensterfront und überblickte fast die gesamte Einfahrt. „Wow! Man kann ja fast bis zum Tor sehen!“, rief sie aus.

„Stimmt genau, deswegen ist deine Ankunft ja auch nicht unbemerkt geblieben. Nigel belauert diese Fenster gern und oft!“

„Also wirklich!“, entrüstete sich dieser, „Da mach ich dir eben noch eine Liebeserklärung und jetzt fällst du mir in den Rücken!“

Liz drehte sich grinsend um sich selbst: „Ich finde es wundervoll, wie das Blau des Frühstückszimmers mit den Pastellfarben des Salons harmoniert! Ich werde fantastische Fotos machen können.“

Das Haus und die Räumlichkeiten waren wirklich beeindruckend. Am anderen Ende des Salons schloss sich, ebenfalls über Schiebetüren, der große Saal an, der durch seine zartgrüne Seidentapete mit den eingewebten Blumenranken wie ein lichter Frühlingsmorgen wirkte. Ein imposanter Esstisch dominierte den Raum.

„Ist der riesig!“, staunte Liz.

„Es sind lauter Einzeltische, die sich miteinander verbinden lassen. So können wir ein Buffet an der Wand aufbauen, wenn wir mehr Platz in der Mitte brauchen oder auch kleinere Tischgruppen im Zimmer verteilt aufstellen. Je nachdem was für eine Veranstaltung wir planen“, erläuterte Arthur.

Liz war ehrlich beeindruckt. Am liebsten hätte sie den Saal sofort umdekoriert, sie sah alles schon genau vor sich. Nigel war ähnlich überschwänglich.

„Oh Lizzie, bleib doch bis Silvester! Dann kannst du den Raum in seiner ganzen Pracht sehen und wir feiern zusammen! Das wird großartig! Wir lassen einen DJ kommen, der Champagner steht schon im Keller und es kommen all unsere Freunde! Sag ja!“ Er ergriff ihre Hände und sah sie bittend an. „Nigel, ich habe meiner Freundin versprochen mit ihr zu feiern. Es tut mir leid, ich kann nicht so plötzlich absagen.“

„Ach was!“, winkte er ab, „Sie kommt einfach auch her! Wir haben genug Platz.“

Liz musste lachen: „Wir werden sehen, was die nächsten Tage so bringen, ja? Ich kann dir nichts versprechen.“

Nigel nickte und Arthur fuhr fort: „Im Sommer können wir natürlich einen Teil der Feiern nach draußen auf die Terrasse und den Garten verlegen.“

Liz trat an eine der bodentiefen Flügeltüren und sah hinaus: „Schade, dass es schon dunkel ist. Der Ausblick muss wunderschön sein!“, schwärmte sie.

„Unsere Kübelpflanzen sind jetzt natürlich im Gewächshaus. Wir werden morgen einen Rundgang durch den Garten mit dir machen“, versprach Arthur.

Sie drehte sich um. „Wohin führt denn diese Tür?“

Arthur lächelte: „Das ist die Tür zur Halle, die haben wir nachträglich einbauen lassen, genauso wie die Toiletten unter der Treppe.“ Arthur und Nigel grinsten sich verschmitzt an, während Arthur weiterredete: „Platz für die Sanitäranlagen zu finden, ist in den alten Häusern oft nicht so einfach. Aber um den Saal für Veranstaltungen vermieten zu können, brauchten wir eine praktikable Lösung.“ Sie liefen betont entspannt zur gegenüberliegenden Seite des Raumes. Verwundert folgte Liz ihnen. Schließlich blieben sie stehen. „Und hier haben wir eine Besonderheit...“

„Tadaa!“, rief Nigel und riss eine in der Tapete verborgende Tür auf. Neugierig trat Liz näher. Sie erkannte einen kleinen Flur, dessen rechte Wand mit einer Anrichte zugebaut war. „Ist dahinter die Küche?"

„Richtig!“, freute sich Nigel. „Das mussten wir gar nicht so bauen, das war schon so. Mein Ururgroßvater hatte es satt, dass das Essen oft nicht so heiß bei ihm ankam, wie er es gern gehabt hätte und hat die Küche kurzerhand vom Souterrain ins Erdgeschoss verlegt.“ Er grinste Liz frech an: „Kaltes Essen stört dich natürlich überhaupt nicht, nicht wahr?!“

„Sehr witzig.“

„Kommt ihr Zwei, wir gehen hier entlang. Wir wollen Mrs. Cuthbert jetzt nicht stören. Sicher arbeitet sie schon an der Zubereitung des Dinners oder tüftelt die Köstlichkeiten für die nächsten Tage aus.“ Arthur hielt ihnen die Tür zur Halle auf. „Wir machen mit dem Herrensalon weiter.“

Mit seinen dunklen Möbeln und den gedeckten Farben strahlte dieser Raum tatsächlich etwas Maskulines aus. Links von der Tür befanden sich ein Billardtisch und eine Bar. Die rechte Seite war dagegen wie ein gemütliches Heimkino eingerichtet. Es war bisher der eindeutig modernste Raum, den Liz gesehen hatte. Dennoch fügte er sich gut ein.

„Der Herrensalon, sowie die Bibliothek, die wir dir gleich zeigen werden, sind unsere privaten Räume.“ Arthur machte eine ausladende Handbewegung. „Diese vermieten wir nicht, außer für Foto- oder Filmaufnahmen. Das Risiko, dass dabei etwas kaputt geht ist nicht so groß. Denn gerade in der Bibliothek stehen ein paar echte Schätze.“

„Ja, das kann ich … Schätze? Hast du gerade Schätze gesagt? So etwas wie Erstausgaben, Familienchroniken und so?“ Liz merkte selbst wie sie anfing zu strahlen und musste sich beherrschen, um nicht zu hüpfen.

„Lizzie, ich wusste gar nicht, dass du ein Bücherfreund bist. Ich dachte, deine Welt sei digital.“ Arthur schaute sie staunend an.

„Ich wusste das!“, triumphierte Nigel.

„Woher willst du das denn gewusst haben?“, erkundigte sich Arthur mit hochgezogener Augenbraue.

„Ich weiß es eben. Komm meine Liebe, wir wollen dich nicht länger auf die Folter spannen!“ Nigel nahm Liz an die Hand und zog sie weiter. Arthur folgte ihnen.

Die Bibliothek war mit einem großen Schreibtisch, einem Sofa und kuscheligen Ohrensesseln ausgestattet. Auch hier gab es die breiten, gemütlichen Fensternischen, die von schweren Samtvorhängen in Tannengrün gesäumt wurden. Die ebenfalls tannengrünen Kissen, die überall verteilt waren und das prasselnde Kaminfeuer rundeten das Bild von purer Behaglichkeit ab. Liz erklärte die Bibliothek sofort zu ihrem Lieblingsraum. Völlig begeistert drehte sie sich, so dass ihre Haare flogen. „Ich fühle mich wie Belle in ‚Die Schöne und das Biest‘!“

„Na, vielen Dank! Da bin ich wohl die dicke Kaminuhr!“, tat Nigel beleidigt.

„Ach mein lieber Herr von Unruh, ohne Sie würde hier doch gar nichts laufen.“

„Naja, ich freue mich, dass es dir bei uns gefällt.“

„Gefallen? Das soll wohl ein Scherz sein! Ich liebe es! Ich würde sofort bei euch einziehen. Bloggen kann ich von überall!“ Liz trat auf ihn zu. „Nigel, Schatz, darf ich mir auch ganz alleine alles in Ruhe ansehen. Also ich meine, auch die Bücher und so?!“ Sie klimperte übertrieben mit ihren Wimpern und Nigel musste grinsen.

„Selbstverständlich! Du darfst jedes Buch in die Hand nehmen und lesen. Die ganz kostbaren sind sowieso weggeschlossen.“ Nigel wandte sich um und zeigte in den hinteren Teil des Raumes. „Wenn du nicht mehr tausendprozentig weißt, wo welches Buch stand, dann leg sie bitte auf den Wagen dort hinten. Wir sortieren sie dann wieder ein. Wenn einmal eines falsch eingeräumt wurde, finden wir es jahrelang nicht wieder. Das klingt zwar abenteuerlich, ist tatsächlich aber sehr ärgerlich.“

„Das kenne ich. Ach, ich freue mich so! Habe ich euch erzählt, dass ich eigentlich Buchhändlerin bin?“

„Siehst du, Darling, das wusste ich!“, triumphierte Nigel.

Arthur lächelte ihn warm an. „Wollen wir weitergehen?“, fragte er.

„Ja, sehr gern. Kommen Sie Herr von Unruh!“

„Selbstverständlich meine Schöne!“ Liz hakte sich bei Nigel ein und gemeinsam stolzierten sie zurück Richtung Halle. Arthur folgte ihnen amüsiert.

Im Türrahmen blieb Liz auf einmal stehen und staunte. In der Halle waren gerade vier Männer dabei eine wahrhaft majestätische Tanne neben der Treppe aufzustellen. „Wow!“

„Ja, nicht wahr? Dieses Jahr haben wir wirklich einen besonders schönen Baum.“

„Er ist regelrecht königlich! Wer schmückt den denn? Er wird doch noch geschmückt, oder?“

„Worauf du dich verlassen kannst. Wir machen das immer zusammen. Ich muss auf die Leiter steigen und Nigel gibt von unten Anweisungen. Es macht sehr viel Spaß…“, meinte Arthur ironisch und zwinkerte Liz zu.

„Das habe ich gesehen!“, bemerkte Nigel. „Liz, möchtest du uns diesmal vielleicht helfen?“

„Darf ich? Au ja!“

„Fein. Arthur, willst du mit Matthew schon mal den Weihnachtsschmuck vom Dachboden holen, dann mache ich mit der Führung weiter.“

„Einverstanden.“

„Danke, Schatz!“ Nigel warf Arthur eine Kusshand zu.

„Für dich doch immer!“, antwortete Arthur und ließ die beiden allein.

 

„Im ersten Stock befinden sich zehn Schlafzimmer, fünf Bäder und zwei Arbeitszimmer. Wir fangen mit Arthurs Arbeitszimmer an“, erklärte Nigel während sie die Treppe hochgingen. „Wie du vielleicht bemerkt hast, ist das Haus beinahe quadratisch. Die Glaskuppel bildet die Mitte, um die sich alle Räume gruppieren. Je zwei Schlafzimmer teilen sich ein Bad.“

Sie waren am Ende des Ganges angekommen und Nigel öffnete die Tür zu Arthurs Arbeitszimmer. Obwohl es Fenster zur Südseite hatte, wirkte es durch den schweren viktorianischen Schreibtisch und die dazugehörige Schränke düster.

„Uh! Und hier fühlt sich Arthur wohl?“, rutschte es aus Liz heraus.

Doch Nigel lachte: „Er sagt, er mag den Gedanken, dass schon Generationen von Bedfords genau hier das Haus und Gut verwaltet haben und sich zum Teil die gleichen Fragen stellten, wie er es heute tut. Er meint, so hat er auf eine gewisse Art Gesellschaft und ist nie ganz alleine hier.“

„Das kann ich verstehen. Irgendwie haben diese alten Möbel ja auch ihren Charme.“

Nigel lachte wieder: „Lizzie, du bist der Knüller! Andere würden für diese Antiquitäten ein Vermögen zahlen und du findest sie haben CHARME!“ Er führte Liz wieder auf den Gang und öffnete die nächste Tür. Nach und nach warfen sie in alle Zimmer einen Blick. Alle wirkten hell und freundlich und dennoch war jedes auf seine Art individuell. Liz war begeistert und überaus froh, dass Nigel und Arthur ihr die Entscheidung abgenommen hatten, in welchem Zimmer sie schlafen sollte. Sie hätte sich nicht entscheiden können.

„Warum macht ihr eigentlich kein richtiges Hotel auf?“, fragte Liz interessiert. „Platz genug habt ihr doch.“

„Hast du dich mit Nick abgesprochen?“

„Nein, wieso?“, wunderte sie sich.

„Ach, er liegt der ganzen Familie mit dieser Idee schon seit Jahren in den Ohren“, winkte Nigel ab. „Nein, die Vermietung für Veranstaltungen ist genau das richtige für uns, um das Haus in einem guten Zustand zu halten und ich kann mich als Organisator kreativ austoben. Mehr brauchen wir nicht.“ Nigel zuckte mit den Schultern.

„Aber ist euch das Haus nicht zu groß, so ganz allein?“

„Im Gegenteil, wenn wir ständig Gäste hätten, bräuchten wir mehr Personal, das alles sauber hält. Außerdem haben alle ihre eigenen Jobs. Nora in London, Nick überall und nirgends und unsere Eltern wohnen das halbe Jahr in Louisiana. Die Bilder unserer Mutter sind dort sehr gefragt.“ Nigels Stolz auf seine künstlerische Mutter war deutlich herauszuhören.

„Und wie geht es sonst weiter? Was sind eure Pläne für die nächsten Jahre?“

„Wir wollen die Modernisierung der Bäder und der Heizungsanlage in Angriff nehmen“, erklärte Nigel. „Wir sind sehr froh, dass meine Eltern bereits das Dach haben neu decken lassen.“

„Aber die Bäder sind doch wunderschön!“

„Warte bis morgen früh, wenn dann das heiße Wasser alle ist und Stunden braucht, bis es wieder die richtige Temperatur hat. Auf Dauer ist es schwierig, dabei die Romantik im Blick zu behalten.“

„Würdest du denn woanders wohnen wollen?“

„Auf keinen Fall!“

Beide mussten lachen. Sie hatten einen Großteil der Zimmer gesehen und waren nun wieder auf Höhe der Treppe angekommen. Mit großer Geste öffnete Nigel die Tür zum Eckzimmer, gleich neben Liz’ Raum. „Und hier, verehrte Dame, ist Ihr Arbeitszimmer!“

„Ich bekomme ein eigenes Arbeitszimmer?“ Staunend trat Liz ein. „Wahnsinn! Ist das cool!"

„Ja, nicht wahr?! Es ist eigentlich mein Büro, aber da wir dich ja auch zum Arbeiten eingeladen haben, wollten wir dir natürlich einen richtigen Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Hier kannst du all deine Sachen ausbreiten und deine fantastischen Blogposts schreiben.“

„Oh Nigel, vielen Dank!“ Liz drückte ihm einen spontanen Kuss auf die Wange und lief begeistert durch den Raum, um sich alles genau anzusehen. Anders als in Arthurs Arbeitszimmer brachten hier helle Hölzer und viel Weiß Licht in den Raum. Ein luftiger Schreibtisch im skandinavischen Design tat sein übriges. Dass es dennoch nicht steril, sondern gemütlich wirkte, lag an dem flauschigen, goldgewirkten Teppich und dem süßen, kleinen, antiken Sofa mit goldenen, gedrechselten Holzbeinen und Armlehnen. Zusätzlich sorgte ein weiterer schwedischer Kachelofen für behagliche Wärme. „Nigel, dein Büro ist ein Traum! Und lustigerweise sieht mein home office fast genauso aus, nur kleiner. Viel kleiner.“ Vor lauter Euphorie fing Liz an zu tanzen und Nigel machte sofort mit. Lachend und prustend fielen sie sich in die Arme. „Euer Zuhause ist wirklich wunder-, wunderschön! Wartet es nur ab, wenn ich meinen Lesern davon berichte, dann wird jeder nur noch bei euch heiraten wollen!“, schwärmte Liz. „Ach was, sämtliche Feiern werden nur noch auf Gracewood Hall stattfinden. Ihr werdet auf Monate, nein Jahre ausgebucht sein! Und neue Bäder und Heizungen werden gar keine Rolle mehr spielen! Jawohl!“ Vor lauter Begeisterung streckte Liz ihre Faust in die Luft.

„Du hast doch noch gar nicht alles gesehen.“

„Das muss ich auch nicht. Ich spüre die Energie dieses Hauses und die ist so positiv, so voller Lebensfreude. Dem kann man sich gar nicht entziehen.“

Breit lächelnd hielt Nigel Liz die Tür auf. „Wollen wir weitermachen?“

„Na klar! Ich freue mich auch schon so sehr darauf mit euch den Baum zu schmücken!“ Gemeinsam schlenderten sie den Flur entlang.

„Im Salon wird es noch einen geben, natürlich kleiner. Ich mag es Weihnachten immer eher verschwenderisch. Diesen schmücken wir aber erst morgen Vormittag und da bist du ja schon mit Mrs. Cuthbert verabredet.“ Nigel lief weiter. „Dein Zimmer kennst du ja und das Bad hast du sicherlich auch schon entdeckt.“ Er blieb stehen. „Hier ist Max’ Zimmer, das lassen wir besser verschlossen. Er bekommt immer dieses Zimmer, seit ich ihn zum ersten Mal hierher gebracht habe. Ach Gott, ist das lange her, wir waren damals auf demselben Internat.“

Liz versuchte, sich Nigel und Maxwell als Schuljungen vorzustellen, es klappte nicht. Das Bild blieb verschwommen. Bevor sie sich nach dem zugeknöpften Maxwell erkundigen konnte, ging Nigel weiter zur nächsten Tür: „Hier ist das Elternschlafzimmer. Es ist das einzige Zimmer ist, dass ein eigenes Bad hat und ganz nah am Kinderzimmer liegt. Früher schliefen die Kinder natürlich im dritten Stock zusammen mit dem Kindermädchen. Aber das kam für meine Mutter gar nicht in Frage. Mit ihrer Hippieeinstellung zur Kindererziehung hatte sie es damals nicht immer leicht sich gegen meine Großmutter durchzusetzen. Aber sie hat nicht locker gelassen.“ Aus Nigels Stimme hörte Liz Bewunderung und ganz viel Liebe heraus.

„Daher die gute Energie im Haus“, stellte sie fest.

„Ach, sie konnte auch laut werden. Wenn wir sie zu sehr nervten, ist sie mit ihrem Skizzenblock aus dem Haus gestürmt und hat kilometerlange Spaziergänge gemacht. Viele Bilder hier im Haus sind von ihr. Mrs. Cuthbert hatte dann immer ein Auge auf uns.“ Nigel trat wieder auf den Flur hinaus. „Mittlerweile benutzt Nora mit ihrer Familie die Räume. Oben auf dem Dachboden ist noch das Kinderspielzimmer und Nicks Zimmer. Er hat sich dort als Teenager eingerichtet, weit weg von allen. Vielleicht zeigt er es dir, wenn er kommt. Falls er kommt.“

„Ach, ich bin mir sicher, er wird.“

In diesem Moment kam Arthur ihnen mit einem Karton im Arm entgegen. „Das ist der letzte Karton. Seid ihr auch fertig?“

„Ja, wir wollten gerade gucken, wo du steckst. Liz ist schon ganz aufgeregt!“

„Na dann, legen wir los. Matthew hat schon das alte Grammophon und die Weihnachtsplatten aufgebaut.“

 

Und nicht nur das. Matthew und Mr. Cuthbert hatten auch bereits die Lichterketten angebracht. Dadurch strahlte der Baum eine erhabene Würde aus. Liz zückte sofort ihr Smartphone und drehte eine kleine Videosequenz für ihre Follower, um sie an dem zauberhaften und völlig unerwarteten Moment teilhaben zu lassen. Mrs. Cuthbert hatte ihnen allen heiße Schokolade hingestellt. Der Tannenduft mischte sich mit dem von Schokolade und Zimt. Eine große Leiter stand bereit, sowie unzählige Kartons, aus denen vergilbtes Zeitungspapier und Holzspäne quollen. Hier und da blitzten goldene Engel, rote Kugeln und karierte Schleifen hervor, wie ein Versprechen auf weitere Schätze. Das Grammophon knarzte „Jingle Bells“, „White Christmas“ und all die Klassiker. Hätte es just in diesem Moment angefangen zu schneien, Liz hätte sich kneifen müssen. Sie kam sich vor, wie in einem wahr gewordenen Weihnachtstraum.

Unter viel Gelächter, schief mitgesungenen Weihnachtsliedern, erstaunten Ausrufen ob all der wunderschönen Schmuckstücke, die zum Teil seit Generationen im Familienbesitz waren, fand der Baum zu seinem Festkleid. Gut dokumentiert durch Liz, die immer wieder Fotos und kurze Videos ins Netz stellte. Das Grammophon spielte gerade die letzten Töne von „Amazing Grace“, als Maxwell unbemerkt eintrat. Liz balancierte auf Zehenspitzen auf der Leiter um den letzten Weihnachtsengel anzuhängen und war ihrer täglichen Yogapraxis unglaublich dankbar für ihren trainierten Gleichgewichtssinn. Durch das viele Lachen und stetige Besteigen der Leiter hatte sich eine zarte Röte auf ihr Gesicht gelegt. Der warme Schein der Lichter zauberte Goldreflexe in ihr Haar, so dass Max wie gebannt im Eingang stehen blieb und sie ansah.

Endlich war der Engel an seinem Platz und Liz konnte sich zurückhangeln. Glücklich betrachtete sie den fertigen Baum und wandte dann den Kopf, um wieder hinunterzusteigen. Dabei entdeckte sie Max im Türrahmen und strahlte ihn an.

Nigel und Arthur hatten Liz zugesehen und drehten sich ebenfalls um. „Max! Du bist zurück! Wie gefällt dir unser Baum? Hast du alles bekommen, was du wolltest?“ Auch Nigel strahlte vor weihnachtlicher Vorfreude.

Maxwell wandte den Blick und hob die Arme, an denen einige Tüten baumeln. „Äh ja, habe ich.“ Er ging auf die Treppe zu und nach oben. „Und der Baum, der ist toll. Wirklich toll! Wir sehen uns beim Abendessen?“

„Ja, wie immer“, rief Arthur, dem davoneilenden Max hinterher und zu Liz sagte er: „Die Feiertage machen ihm immer etwas zu schaffen.“

„Verstehe“, antwortete Liz, auch wenn es nicht der Wahrheit entsprach. Sie schoss ein abschließendes Foto für ihre Follower. „Nigel, Arthur, es hat so viel Spaß gemacht mit euch den Baum zu schmücken! Vielen Dank!“ Sie drückte beide kurz an sich. „Ich gehe dann mal auch nach oben und entferne die Tannennadeln aus meinem Haar und so.“

„Tu das. Aber denk dran, Abendgarderobe brauchst du erst morgen.“ Nigel nahm einen Stapel leerer Kartons zur Hand. „Soll ich die gleich mitnehmen?“, bot Liz an.

„Danke, das wäre nett “, erwiderte Arthur.

 

Kapitel 3

 

Erleichtert stellte Max das Tütensammelsurium auf den Stuhl in seinem Zimmer und überlegte, ob er noch schnell eine heiße Dusche nehmen sollte, als sein Handy klingelte. Es war seine Mutter. Damit hatte sich die Dusche erledigt. Er seufzte und hob ab. „Hallo Mum. Ist alles in Ordnung?“

„Hallo Maxwell, selbstverständlich ist alles in Ordnung! Ich habe eine Bitte an dich: Könntest du noch ein Geschenk für Lilly besorgen? Wir haben zwar schon etwas, aber das wünscht sie sich so sehr und ich bekomme es hier nicht!“

„Hast du schon…“, versuchte Max einzuwenden.

„Ich möchte es nicht online bestellen, wer weiß ob es noch pünktlich ankommt.“

„Was ist…?“, versuchte er es erneut und ließ sich aufs Bett sinken.

„Ich schicke dir ein Bild und lass es bitte gleich einpacken, dann hast du keine Arbeit damit. Besorgst du es?“

„Ja, Mum. Ich war zwar heute schon unterwegs, aber ich geh nochmal.“

„Danke, mein Schatz. Hast du an die Karte an Grandma gedacht? Du weißt doch wie sie ist!“

„Ja, Mum, das habe ich dir doch schon erzählt.“ Max verdrehte die Augen und wunderte sich, dass sich manche Dinge nie ändern.

„Tatsächlich?! Nun, jedenfalls sind sie gerade los um Plätzchenzutaten zu kaufen und ich muss noch…“ Während seine Mutter von ihren ganzen Verpflichtungen zu erzählen begann, legte sich Max zurück und schloss müde die Augen. Der Tag war anstrengend gewesen. Morgen würde er einen langen Ausritt machen und vielleicht konnte er das Geschenk doch im Netz bestellen, ein paar Tage waren ja noch bis Weihnachten.

 

***

 

Just in dem Moment, als Liz die leeren Kartons abgestellt hatte, piepte ihr Handy. Eine private Nachricht war eingegangen. Es hatten nur wenige Menschen ihre Handynummer. Ihren Geschäftspartnern schickte sie meist nur Emails und die Benachrichtigungen ihrer Social Media Kanäle und des Blogs hatte sie bewusst stumm gestellt. Auch wenn sie den Austausch mit ihren Followern über alles liebte und für die Möglichkeiten, die sich ihr dadurch boten dankbar war, war es unabdingbar für sie geworden, nicht ständig erreichbar zu sein. Eben weil die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben als Bloggerin sehr oft verwischte.

In manchen ruhigen Momenten wurde ihr klar, wie sehr sich das gesellschaftliche Leben in den letzten Jahren verändert hat. Sie war mit dem Wandel aufgewachsen, deswegen fühlte sie sich auch in der digitalen Welt so wohl. Aber sie erinnerte sich, wie das Leben als Kind gewesen war. Sie hatte viel Zeit in der Natur verbracht, mit ihren Freundinnen Verkleiden gespielt oder ihre Nase in Bücher gesteckt. Gut, das waren auch immer fantastische, fremde Welten gewesen.

In ihrem Zimmer angekommen, warf sie einen sehnsüchtigen Blick auf das große Himmelbett und blickte dann in den Garten. Vielleicht könnte sie sich diesen morgen anschauen und dabei etwas zur Ruhe kommen. Sie hatte sich etwas Ruhe verdient. Seufzend wandte sie den Blick ab und schaute, wer ihr die Nachricht geschickt hatte. Ihre beste Freundin erkundigte sich, ob der Rest des Herrenhauses auch so wundervoll war, wie die imposante Eingangshalle und der Weihnachtsbaum.

---ENDE DER LESEPROBE---