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»Mit mir geht es zu Ende, ich kann nicht mehr lieben«, soll eine der letzten Äußerungen Else Lasker-Schülers vor ihrem Tod gewesen sein. Gerade ihre Liebesgedichte zeigen, wie mutig, wie rücksichtslos die Liebe sein kann. Für die Zeit der Liebe ist es aus mit dem Mittelmaß. Kein Alltag, nirgends. Liebe ist der einzige Beweis für die Einzigartigkeit des einzelnen. Liebe ist für Else Lasker-Schüler das Recht und der Wunsch, jemanden so sehr zu fordern, bis er den Ansprüchen des anderen gleichen beginnt. Die Liebende erschafft sich den Geliebten – und keine hat das so großartig gekonnt wie Else Lasker-Schüler. Ihre Gedichte zeigen uns, wie die Liebe sein kann: von der Einsamkeit des unerwiderten Begehrens bis zu ihrem verschwenderischen Überschwang.
Eva Demski hat für diese Ausgabe 100 Liebesgedichte der »größten Lyrikerin, die Deutschland je hatte« (Gottfried Benn) ausgewählt.Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 65
Eine der letzten Äußerungen Else Lasker-Schülers vor ihrem Tod soll gewesen sein: »Mit mir geht es zu Ende, ich kann nicht mehr lieben.« Ihr großes lyrisches Werk zeugt davon, wie mutig, wie rücksichtslos, wie unbedingt die Liebe sein kann – und wie die Liebe auch die Kunst. Für die Zeit der Liebe ist es aus mit Mittelmaß. Kein Alltag, nirgends. Liebe ist für diese allem Gemäßigten abholde Dichterin das Recht und der Wunsch, jemanden so sehr zu fordern, bis er den Ansprüchen des anderen zu gleichen beginnt. Die Liebende erschafft sich den Geliebten, und keine hat das so groß- und fremdartig gekonnt wie Else Lasker-Schüler.
Else Lasker-Schüler, geboren 1869, veröffentlichte ihren ersten Gedichtband 1902, 1943 erschien als letzte zu ihren Lebzeiten publizierte Sammlung Mein blaues Klavier. 1932 erhielt sie für ihr Gesamtwerk den Kleist-Preis. 1933 flüchtete sie aus Deutschland ins Schweizer Exil, sie starb im Januar 1945 in Jerusalem.
Else Lasker-SchülerLiebesgedichte
eBook Insel Verlag Berlin 2014© für die Gedichte: Jüdischer Verlag imSuhrkamp Verlag Frankfurt am Main 1996© für diese Zusammenstellung und das Nachwort:Jüdischer Verlag im Suhrkamp VerlagFrankfurt am Main 2002Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das der Übersetzung,des öffentlichen Vortrags sowie der Übertragungdurch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile.Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziertoder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.Hinweise zu dieser Ausgabe am Schluß des BandesUmschlag: Michael Hagemann
Dein sünd'ger Mund ist meine Totengruft,Betäubend ist sein süßer Atemduft,Denn meine Tugenden entschliefen.Ich trinke sinnberauscht aus seiner QuelleUnd sinke willenlos in ihre Tiefen,Verklärten Blickes in die Hölle.Mein weißer Leib erglüht in seinem Hauch,Er zittert, wie ein junger Rosenstrauch,Geküßt vom warmen Maienregen.– Ich folge Dir ins wilde Land der SündeUnd pflücke Feuerlilien auf den Wegen.
Weißt du, daß du gefesselt liegstIn meiner wilden Phantasie …Damit du mich mit Küssen besiegstIn den schwarzen Nächten, in der Dämm'rung früh.Weißt du, wo die Anemonen stehnRotfunkelnd, wie ein Feuermeer …Ich hab' zu tief in die Kelche gesehnUnd lasse die Sünde nimmermehr.Und wäre sie noch so thränenreich –Und stürbst du in meiner sengenden Glut …Meine Hölle verbirgt dein Himmelreich,
Es treiben mich brennende Lebensgewalten,Gefühle, die ich nicht zügeln kann.Und Gedanken, die sich zur Form gestalten,Sie greifen mich wie Wölfe an.Ich irre durch duftende Sonnentage …Und die Nacht erschüttert von meinem Schrei.Meine Lust stöhnt wie eine MarterklageUnd reißt sich von ihrer Fessel frei.Und schwebt auf zitternden, schimmernden SchwingenDem sonn'gen Thal in den jungen Schoß.Und läßt sich von jedem Mai'nhauch bezwingen
Ihr kennt ja All' die Liebe nichtDie in mir glüht, die in mir stürmtWie unerfüllte Weltenpflicht.Das Feuer hat sich aufgetürmtIn meiner Seele EinsamkeitUnd brennt wie Steppenbrand.Du! mit dem roten jungen Mund … .Du weichst zurück in banger Scheu?Und nennst mein Fühlen ungesund.Es blieb dem tiefen Drang getreuDem Mittage der FrühlingszeitIm Sonnenland.Du! mit den Augen jugendcharme … .Du schlägst sie nieder angsterfüllt?Und fürchtest, daß mein FlammenarmDich an sich reißt in Nächten wild.Nimm dir zum Schatz den ErdenmannIhm friert selbst in der Sonne Glut.Du! mit den Wangen südenbraun … .Du zitterst wie die Frühlingsflur,Auf deinem Leibe will ich bau'nDen roten Garten der NaturUnd pflanzen all die Sehnsucht anAus meinem ungestümen Blut.
Du hast ein dunk'les Lied mit meinem Blut geschrieben – Seitdem sind meine Lippen kalt und blaß.Du hast mich aus dem Rosenparadies vertrieben!Ich mußt' sie lassen, alle die mich lieben.Gleich einem Vagabund zieh' ich fürbaß. Und in den Nächten wenn die Rosen singen –Dann brütet still der Tod – ich weiß nicht was … .Ich möchte dir mein krankes Herze bringenDen gift'gen Odem und mein mühsam Ringen,Mein Weh und alles Kranke und den Haß.
Mein Liebster, bleibe bei mir die NachtIch fürchte mich vor den dunklen Lüften.Ich hab' so viel Schmerzliches durchgemachtUnd Erinnerung steigt aus den Totengrüften.Ich fürchte mich vor dem Heulen der StürmeUnd dem Glockengeläute der KirchentürmeVor all' den Thränen, die heimlich fließenUnd sich über meine Sehnsucht ergießen. Leg' deinen Arm um meinen Leib,Du mußt ihn wie dein Kind umfassen. –Ich seh' im Geiste ein junges Weib –Das Weib bin ich – von Gott verlassen –Mein Liebster, erzähle von heiteren Dingen!Und ein Lied von Maienlust mußt du singen!Und herzige Worte und schmeichelnde sagen … . .Damit sie die Raben des Schicksals verjagen. Mein Liebster, siehst du die bleichen Gespenster?Von mitternächtlichen Wolken getragen … . .Sie klopfen deutlich ans Erkerfenster.Ein Sterbender will »Lebewol« mir sagen.Ich möchte ihm Blüten vom Lebensbaum pflücken …Und die Schlingen zerreißen, die mich erdrücken!Mein Liebster, küsse, – küß' mich in GlutenUnd laß deinen Jubelquell über mich fluten!
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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