Wird doch noch alles gut? - Toni Waidacher - E-Book

Wird doch noch alles gut? E-Book

Toni Waidacher

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Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Mit einem Seufzer der Erleichterung verließ Christine Kerner das Schulgebäude und machte sich auf den Nachhauseweg. So froh wie diesmal war sie über den Beginn der Sommerferien noch nie gewesen. Zumindest nicht in den sechs Jahren, in denen sie als Biologielehrerin am Frankfurter Max-Planck-Gymnasium arbeitete. Sie fühlte sich müde und ausgelaugt. An beruflicher Überlastung lag das allerdings nicht. Und erst recht nicht an ihren Schülern und Schülerinnen, die große Stücke auf sie hielten und sie in diesem Jahr sogar zur Vertrauenslehrerin gewählt hatten. Christines Erschöpfung hatte andere Gründe. Genauer gesagt, private. Es war die endgültige Trennung von Hanno, ihrem Kollegen und Verlobten, die ihr zu schaffen machte. Bestimmt wäre alles einfacher gewesen, wenn sie Hanno in der Schule wenigstens nicht Tag für Tag begegnet wäre. So aber musste sie bei seinem Anblick immer wieder von Neuem daran denken, wie weh er ihr getan hatte. Nie hätte sie Hanno für fähig gehalten, sie zu betrügen. Felsenfest hatte sie auf ihn gebaut. Sogar Hochzeitspläne hatten sie schon geschmiedet. Gina, ihre beste Freundin, hatte sie sich als Trauzeugin ausgesucht. Christine warf mit einer heftigen Bewegung ihren Kopf zurück, als könnte sie auf diese Weise die unliebsamen Erinnerungen abschütteln. Nein, sie wollte nicht mehr daran denken, wie Hanno und Gina sich umarmt und geküsst hatten. Und sie wollte auch nicht mehr an das lächerliche Gestammel denken, mit dem die beiden versucht hatten, sich zu entschuldigen. Zu oft schon hatte sie sich in letzter Zeit mit solchen Grübeleien den Tag vergällt! Es war nur gut, dass jetzt erst einmal sechs lange Sommerwochen vor ihr lagen, in denen sie Abstand gewinnen konnte.

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Der Bergpfarrer – 256 –

Wird doch noch alles gut?

Es fing alles so lustig an …

Toni Waidacher

Mit einem Seufzer der Erleichterung verließ Christine Kerner das Schulgebäude und machte sich auf den Nachhauseweg. So froh wie diesmal war sie über den Beginn der Sommerferien noch nie gewesen. Zumindest nicht in den sechs Jahren, in denen sie als Biologielehrerin am Frankfurter Max-Planck-Gymnasium arbeitete.

Sie fühlte sich müde und ausgelaugt.

An beruflicher Überlastung lag das allerdings nicht. Und erst recht nicht an ihren Schülern und Schülerinnen, die große Stücke auf sie hielten und sie in diesem Jahr sogar zur Vertrauenslehrerin gewählt hatten. Christines Erschöpfung hatte andere Gründe. Genauer gesagt, private.

Es war die endgültige Trennung von Hanno, ihrem Kollegen und Verlobten, die ihr zu schaffen machte.

Bestimmt wäre alles einfacher gewesen, wenn sie Hanno in der Schule wenigstens nicht Tag für Tag begegnet wäre. So aber musste sie bei seinem Anblick immer wieder von Neuem daran denken, wie weh er ihr getan hatte.

Nie hätte sie Hanno für fähig gehalten, sie zu betrügen. Felsenfest hatte sie auf ihn gebaut. Sogar Hochzeitspläne hatten sie schon geschmiedet. Gina, ihre beste Freundin, hatte sie sich als Trauzeugin ausgesucht. Alles hätte so schön sein können, wenn nicht plötzlich wie ein Blitz aus heiterem Himmel …

Christine warf mit einer heftigen Bewegung ihren Kopf zurück, als könnte sie auf diese Weise die unliebsamen Erinnerungen abschütteln.

Nein, sie wollte nicht mehr daran denken, wie Hanno und Gina sich umarmt und geküsst hatten. Und sie wollte auch nicht mehr an das lächerliche Gestammel denken, mit dem die beiden versucht hatten, sich zu entschuldigen.

Zu oft schon hatte sie sich in letzter Zeit mit solchen Grübeleien den Tag vergällt! Es war nur gut, dass jetzt erst einmal sechs lange Sommerwochen vor ihr lagen, in denen sie Abstand gewinnen konnte.

Hinterher würde man weitersehen.

Durch geschäftig dahinströmende Menschenmassen bahnte Christine sich einen Weg zu dem grauen Mietshaus in der Goethestraße, in dessen dritten Stock ihre Wohnung lag.

Selbst für den Hochsommer war es ungewöhnlich heiß und stickig in den Straßen der Großstadt.

Als sie an einer Eisdiele vorbeikam, überlegte sie kurz, ob sie sich eine kleine Erfrischung gönnen sollte, ließ es dann aber sein. An einigen der auf dem Bürgersteig stehenden Tischchen sah sie verliebt turtelnde Paare sitzen, deren Anblick sie einfach nicht ertragen konnte.

Warum waren alle anderen glücklich, während ausgerechnet sie Pech gehabt hatte? Sie war nicht unansehnlicher als andere junge Frauen. Und im Grunde doch ein Mensch, mit dem sich leben ließ. Ein Mensch, der sich danach sehnte, Liebe zu empfangen und Liebe geben zu dürfen!

Mit noch eiligeren Schritten als zuvor steuerte Christine auf ihr Zuhause zu, um sich so schnell wie möglich in ihren vier Wänden verkriechen zu können.

Gerade konnte sie sich noch dazu aufraffen, ihre Post aus dem Briefkasten zu holen.

Er quoll beinahe über, weil ein riesiges braunes Kuvert sich quergestellt und verklemmt hatte.

»Guten Tag, Frau Kerner«, vernahm sie in diesem Moment neben sich die Stimme ihrer Nachbarin. »Endlich kommen Sie nach Hause! Es ist wirklich allerhöchste Zeit. Ihr Max hat sich heute den ganzen Vormittag lang schier die Seele aus dem Leib gebellt! Dass er so viel Lärm macht, ist ja bisher Gott sei Dank nicht allzu häufig vorgekommen, und wir sind auch nicht kleinlich. Wenn es sich natürlich in Zukunft öfter wiederholen sollte …«

Christine schluckte.

»Es tut mir leid, wenn Max Ihnen lästiggefallen ist, Frau Hellmann«, entschuldigte sie sich sofort, um den nachbarlichen Frieden nicht zu gefährden. »Ich werde dafür sorgen, dass es in Zukunft nicht mehr passiert.«

Sie wandte sich ab, aber die Nachbarin hatte noch nicht vor, das Gespräch zu beenden.

»Na ja«, meinte sie einlenkend, »jetzt kommen sowieso die großen Ferien. Da werden Sie wohl eine Zeit lang verreisen und den Hund mitnehmen. Haben Sie schon Urlaubspläne geschmiedet, Frau Kerner?«

Christine wich Frau Hellmanns Blick aus.

Fehlte nur noch, dass die Nachbarin fragte, ob sie auch dieses Jahr zusammen mit Hanno in die Ferien fuhr.

»Urlaubspläne? Ja. Das heißt, diesmal eigentlich nicht so richtig«, erwiderte sie. »Einfach spontan losfahren und bleiben, wo es einem gefällt, ist schließlich auch nicht schlecht.«

Frau Hellmann nickte, wenn sie auch eine ziemlich skeptische Miene machte.

»Ich wünsche Ihnen jedenfalls gute Erholung, Frau Kerner«, erwiderte sie mit einem listigen Flackern in ihren Augen. »Ihnen und Ihrem Verlobten, dem Herrn Wagner. Wenn ich ihn leider auch schon eine ganze Weile nicht mehr gesehen habe. Sie beide sind doch noch zusammen, oder?«

Christine hätte sich am liebsten in Luft aufgelöst.

»Ja, Hanno … Hanno war schon länger nicht mehr hier«, erwiderte sie mit einem dünnen Lächeln, während sie hastig ihre Wohnung aufschloss.

Frau Hellmann zog beleidigt die Augenbrauen hoch.

»Na, dann will ich Sie nicht länger aufhalten. Sie scheinen es ja sehr eilig zu haben«, meinte sie pikiert und schüttelte, als Christine die Tür hinter sich zugezogen hatte, missbilligend den Kopf.

Aber das sah Christine natürlich nicht mehr.

Sie ging in die Küche, ließ die Post auf den Tisch fallen und sah sich suchend um.

»Max, wo steckst …?«, begann sie, kam aber nicht dazu, ihre Frage zu vollenden.

Wie ein Pfeil schoss er auf sie zu, sprang winselnd an ihr hoch und versuchte, ihr übers Gesicht zu lecken.

Liebevoll streichelte Christine über das weiche Fell des Hundes.

»Hallo, Mäxchen! Endlich ist es soweit! Wir haben Ferien! Ich freu mich, dass du nun sechs lange Wochen nicht mehr allein bleiben musst«, sagte sie. »Wir werden uns schon eine schöne Zeit machen, wir zwei. So eine treue Seele wie dich gibt es schließlich kein zweites Mal.«

Der Hund wedelte freudig mit dem Schwanz und schaute Christine aus seinen dunklen Augen voller Zuneigung an. Fast als hätte er jedes ihrer Worte verstanden.

Die traute Szene wurde allerdings jäh durch das Klingeln des Telefons gestört.

Einen Moment lang überlegte Christine, ob sie den Hörer überhaupt abnehmen sollte, gab sich dann aber einen Ruck. Solange es nicht Hanno war, der auf die Schnapsidee kam, sie doch noch einmal anzurufen …

»Hallo, Christine Kerner am Apparat«, meldete Christine sich und lauschte erstaunt. »Wie …, wie bitte?«, hakte sie mit gerunzelter Stirn nach.

»Reinhard Fellner. Redaktion ›Natur und Umwelt‹. Sie haben ganz richtig gehört«, bestätigte die Stimme am anderen Ende der Leitung. »Sie haben vor drei Monaten bei einem Preisausschreiben mitgemacht, Frau Kerner. Erinnern Sie sich?«

Christine nickte.

Sie hatte das Preisausschreiben völlig vergessen, aber nun fiel es ihr wieder ein. Es war in der Zeitschrift ›Natur und Umwelt‹, die sie schon als Studentin gerne gelesen hatte. Obwohl Christine sich bis dahin noch nie an einem Preisausschreiben beteiligt hatte, hatte sie diesmal, vor allem auf Drängen Hannos, ihre Lösung eingesandt.

Hanno hatte sich brennend für den ersten Preis, eine ansehnliche Geldsumme, interessiert. Voller Begeisterung hatte er davon geschwärmt, dass der Gewinn sich vielleicht als Anzahlung für eine kleine Eigentumswohnung verwenden ließe.

»Willst du wirklich den Rest deines Lebens in einer Mietswohnung verbringen, Christine? Auch dann noch, wenn wir verheiratet sind und Kinder haben?«

Keine Silbe davon hatte Christine vergessen.

Um ihre Mundwinkel legte sich ein bitterer Zug.

Heiraten, eigener Hausstand … Klang das im Nachhinein nicht

wie Hohn? Vielleicht waren, als Hanno so geredet hatte, er und Gina bereits …

»Hallo, Frau Kerner. Sind Sie noch da?«, wurde Christine im selben Augenblick von der Stimme am Telefon in die Wirklichkeit zurückgeholt.

»Ja. Ja, natürlich«, antwortete sie schnell.

»Gut. Dann darf ich Ihnen also mitteilen, dass Sie in unserem Preisausschreiben den zweiten Preis, nämlich die Reise nach St. Johann im Wachnertal gewonnen haben.« Christine schluckte aufgeregt. »Für zwei Personen, versteht sich. Sie werden zusammen mit der Begleitung Ihrer Wahl für eine Woche im Hotel ›Zum Löwen‹ wohnen. Vollpension. Eine geführte Bergtour und die Teilnahme am Tanzabend, der jeden Samstag in Ihrem Hotel stattfindet, inklusive.«

Christine war regelrecht sprachlos.

»St. Johann im Wachnertal. Für eine Woche. Das ist ja wunderbar«, wiederholte sie dann, nur um irgendetwas zu sagen und nicht undankbar zu erscheinen.

»Ja, das finde ich auch. Ich kann mir gut vorstellen, wie Sie sich freuen«, fuhr die Stimme am Telefon fort. »Schauen Sie doch bitte einmal in Ihre Post. Bestimmt finden Sie dort ein großes Kuvert, in dem wir Ihnen alle Reiseunterlagen, die Sie brauchen, zugeschickt haben: Bahnticket erster Klasse mit Begrüßungsdrink und Gratismenü im Speisewagen, ein Hotelprospekt des ›Löwen‹ und noch ein paar zusätzliche Fotos von der Suite, die wir bereits fest für Sie reserviert haben. Auch ein Faltblatt des Fremdenverkehrsamts von St. Johann mit Wanderkarte und Hüttenverzeichnis haben wir beigefügt …«

Als Christine den Telefonhörer wieder aufgelegt hatte, war ihr ganz schwindlig im Kopf.

Fast so, als hätte sie einen kleinen Schwips.

Sie brauchte eine Weile, bis sie sich daranmachen konnte, das große Kuvert aufzureißen, das sie so achtlos auf dem Küchentisch abgelegt hatte.

Das erste Preisausschreiben ihres Lebens, und schon gleich hatte sie einen zweiten Preis ergattert! Glück im Spiel und Pech in der Liebe, konnte man da nur sagen!

Aber so schön das Ganze auch war, wusste sie wirklich nicht, was sie in ihrer momentanen Situation mit einem Urlaubsaufenthalt zu zweit anfangen sollte!

Christines Finger zitterten leicht, als sie das Hotelprospekt des »Hotels zum Löwen« aufschlug und die Bilder betrachtete. Das sah richtig einladend aus! Und dann erst die Fotos von dieser Suite! In derart gemütlich und stilvoll eingerichteten Räumen hatte sie noch nie gewohnt!

Es musste wirklich traumhaft sein, eine Woche dort verbringen zu dürfen!

Aber allein …

Christine legte das Hotelprospekt beiseite, konnte dann aber doch nicht widerstehen und warf auch noch einen Blick auf das Faltblatt von St. Johann.

Ein Ort wie aus dem Bilderbuch! Er sah genauso aus, wie man sich eine kleine Gemeinde in den oberbayerischen Bergen vorstellte. Weiß getünchte, mit Lüftlmalereien verzierte Häuser, von deren Holzbalkonen üppig blühende rote und weiße Geranien hingen, schmiegten sich in die sattgrünen Wiesen und Weiden eines von majestätischen Bergriesen umstandenen Talkessels. Blickfang war eine zwiebelturmgekrönte Kirche, deren Turm auf seiner Spitze ein goldenes, in der Sommersonne funkelndes Kreuz trug.

»Die Pfarrkirche gilt als eine der schönsten Dorfkirchen Bayerns«, las Christine halblaut vor sich hin.

Weiter kam Christine nicht, denn ihre Augen wanderten bereits ungeduldig weiter zu den nächsten Bildern, die einen herrlichen Bergsee zeigten.

Von Minute zu Minute wurde ihr klarer, dass die Reise nach St. Johann genau das war, was sie im Moment am meisten brauchte: Tapetenwechsel. Und zwar in eine neue Umgebung, die sie mit ihrer Schönheit so gefangen nahm, dass sie die letzten Wochen mit ihren unliebsamen Ereignissen schleunigst vergessen würde.

Sie ließ sich auf einen Stuhl fallen, stützte den Kopf auf, und dachte angestrengt nach, wer als Reisebegleitung in Frage käme.

Sie seufzte. Alle ihre Freundinnen und Kolleginnen hatten bereits Ferienreisen gebucht. Die meisten natürlich zu zweit.

Aber vielleicht sollte sie sich, wenn sie nun schon einmal niemanden fand, sich dessen nicht schämen. Und sich einfach einen Ruck geben und doch alleine …

Während Christine noch überlegte, spürte sie plötzlich Max’ Pfoten auf ihrem Schoß. Und gleichzeitig an ihrer Wange seine kühle feuchte Schnauze, die sie anstieß.

»Dich nehme ich auf alle Fälle mit, Max«, versicherte sie dem Hund. »Oder hast du am Ende gedacht, ich lasse dich mutterseelenallein und einsam hier in der Wohnung zurück? Ich bin doch keine so treulose Tomate wie der Hanno!« Christine schmiegte ihren Kopf an den des Hundes. »Und wenn ich es mir recht überlege, bin ich in deiner Begleitung ja auch irgendwie zu zweit. Dann beziehst eben du mit mir zusammen die Hotel-Suite. Und sollte der Tanzabend vielleicht nicht ganz das Richtige für dich sein, kannst du mich immerhin auf meinen Wanderungen begleiten. Könnte dir das gefallen?«

Max warf den Kopf zurück und ließ ein langgezogenes Heulen vernehmen.

Einen Augenblick lang schaute Christine ihn verblüfft an und fragte sich, was der Hund ihr sagen wollte. Bis sie von der Straße herauf das Martinshorn eines Polizeiwagens hörte, das Max’ feine Ohren wohl schon ein wenig früher vernommen hatten.

Unwillkürlich musste Christine über sich selbst lachen.

»Einen Moment lang hab ich jetzt wirklich gedacht, du könntest mich verstehen und mir antworten. Bloß kannst du das halt leider doch net. Wenn es auch das Einzige ist, was dir zum perfekten Gefährten noch fehlt«, meinte sie und blinzelte dem Hund zu. »Aber perfekt ist halt gar nichts auf der Welt. Nicht einmal so ein Prachtkerl wie du.«

*

»Servus, Papa. Da bin ich wieder. Jetzt werdet ihr mich die nächsten drei Monate lang nimmer los«, grinste Max Kronthaler.

Mit festen Schritten betrat er die Wohnstube des elterlichen Hofs und umarmte zuerst seinen Vater und dann seine Mutter mit herzlicher Wiedersehensfreude.

Der Kronthaler-Bauer lachte.

»Das hört sich ja grad an, als ob du hier auf unserem Hof ein seltener Gast wärst, Maxl. Dabei ist es grad einmal eine knappe Woche her, seit du nach St. Johann gekommen bist, um uns zu besuchen. Ganz abgesehen davon, dass du die beiden Wochenenden davor auch hier auf unserem Hof verbracht hast und net in München«, sagte er und gab seinem Sohn einen scherzhaften Rippenstoß.

»Ist es dir am Ende net recht, dass ich heimfahr’ so oft ich kann?«, gab Max fast ein wenig beleidigt zurück.

»Von wegen net recht«, mischte sich sofort Anni Kronthaler, die Mutter, ins Gespräch. »Du hast ja gar keine Ahnung, wie sehr du uns fehlst, wenn du in München deine Tiermedizin-Vorlesungen besuchen musst. Weißt’, das Haus ist einfach furchtbar leer und öd ohne dich.« Sie trat noch ein wenig näher an ihren Sohn heran. »Abgesehen davon können wir deine Hilfe in der Landwirtschaft nur allzu gut gebrauchen«, raunte sie. »Vor allem dein Vater. Der ist schließlich nimmer der Jüngste. Auch wenn er es net um alles in der Welt zugeben würde.«

Sepp Kronthaler runzelte die Stirn.

»Ich kann doch net zugeben, was gar net wahr ist«, wehrte er sich mit einem vorwurfsvollen Blick in Annis Richtung. »Ich bin fit wie ein Turnschuh. Dass ich manchmal über Kreuzschmerzen und steife Knie jammern muss, hat nix zu bedeuten. Das kommt hin und wieder sogar bei jungen Burschen und Madln vor. Von wegen Alterserscheinung.«

Anni winkte ab.

»Ist ja recht. Trotzdem wird jetzt erst einmal gegessen und getrunken statt geredet«, bestimmte sie. »Der Max hat bestimmt einen Wolfshunger.« Sie blinzelte ihrem Sohn zu. »Extra für dich hab’ ich einen Schweinsbraten gemacht, Bub. Mit Kartoffelklößen und Gurkensalat. Weil das deine Leibspeise ist.«

Max lief unwillkürlich das Wasser im Mund zusammen.

In ganz München gab es keinen besseren Schweinsbraten als den seiner Mutter. Wahrscheinlich auf der ganzen Welt nicht. Und für Annis Kartoffelklöße galt dasselbe.