Wo die Liebe hinfällt … - Toni Waidacher - E-Book

Wo die Liebe hinfällt … E-Book

Toni Waidacher

0,0

Beschreibung

Mit dem Bergpfarrer hat der bekannte Heimatromanautor Toni Waidacher einen wahrhaft unverwechselbaren Charakter geschaffen. Die Romanserie läuft seit über 13 Jahren, hat sich in ihren Themen stets weiterentwickelt und ist interessant für Jung und Alt! Toni Waidacher versteht es meisterhaft, die Welt um seinen Bergpfarrer herum lebendig, eben lebenswirklich zu gestalten. Er vermittelt heimatliche Gefühle, Sinn, Orientierung, Bodenständigkeit. Zugleich ist er ein Genie der Vielseitigkeit, wovon seine bereits weit über 400 Romane zeugen. Diese Serie enthält alles, was die Leserinnen und Leser von Heimatromanen interessiert. Silvia Teichmann kam zu dem Tisch mit den letzten drei Gästen dieses Abends. Es handelte sich um drei Burschen Mitte zwanzig, in deren Gläsern sich jeweils nur noch ein Rest Bier befand. Mitternacht war längst vorbei. Die ausgesprochen attraktive Wirtstochter mit dem langen blonden Haar und den grünlichen Augen war müde, ihre Beine waren nach einem langen Arbeitstag als Bedienung schwer wie Blei, sie wollte endlich die Gaststätte schließen, um sich zu duschen und dann schlafen zu legen. »Wollt ihr net langsam austrinken?«, fragte sie mit einem etwas verkrampften, aufgesetzten Lächeln um die schön geformten Lippen. »Ihr könnt morgen ja ausschlafen. Ich aber muss ab zehn Uhr wieder fit sein, wenn wir den Laden öffnen und die ersten Gäste zum Frühschoppen aufkreuzen.« Einer der Burschen, ein dunkelhaariger junger Mann mit braunen Augen und einem sehr männlichen, südländisch anmutenden Gesicht, grinste und erwiderte: »Ich würd' am liebsten Tag und Nacht hier sitzen und dir zuschauen, Silvia. Ich kann mich einfach net sattsehen an dir.« Die beiden anderen Burschen lachten. Einer sagte: »Mir gehts genauso, Silvia. Du bist der Traum meiner schlaflosen Nächte.« Der dritte rief: »Merkst du was, Silvia, die beiden versuchen, dich mit dummen Sprüchen anzumachen. Also ich bin da ganz anders.« Das Lächeln in Silvias Gesicht war, während die drei Burschen ihre Sprüche klopften, regelrecht geronnen. »Spart euch diese Anmache. Solche Sprüche ziehen bei mir net. Dürft' ich jetzt abkassieren?« Sie wirkte ziemlich resolut und genervt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 134

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Der Bergpfarrer – 316 –

Wo die Liebe hinfällt …

Muss die Schönste im Dorf für alle da sein?

Toni Waidacher

Silvia Teichmann kam zu dem Tisch mit den letzten drei Gästen dieses Abends. Es handelte sich um drei Burschen Mitte zwanzig, in deren Gläsern sich jeweils nur noch ein Rest Bier befand. Mitternacht war längst vorbei. Die ausgesprochen attraktive Wirtstochter mit dem langen blonden Haar und den grünlichen Augen war müde, ihre Beine waren nach einem langen Arbeitstag als Bedienung schwer wie Blei, sie wollte endlich die Gaststätte schließen, um sich zu duschen und dann schlafen zu legen.

»Wollt ihr net langsam austrinken?«, fragte sie mit einem etwas verkrampften, aufgesetzten Lächeln um die schön geformten Lippen. »Ihr könnt morgen ja ausschlafen. Ich aber muss ab zehn Uhr wieder fit sein, wenn wir den Laden öffnen und die ersten Gäste zum Frühschoppen aufkreuzen.«

Einer der Burschen, ein dunkelhaariger junger Mann mit braunen Augen und einem sehr männlichen, südländisch anmutenden Gesicht, grinste und erwiderte: »Ich würd’ am liebsten Tag und Nacht hier sitzen und dir zuschauen, Silvia. Ich kann mich einfach net sattsehen an dir.«

Die beiden anderen Burschen lachten. Einer sagte: »Mir gehts genauso, Silvia. Du bist der Traum meiner schlaflosen Nächte.«

Der dritte rief: »Merkst du was, Silvia, die beiden versuchen, dich mit dummen Sprüchen anzumachen. Also ich bin da ganz anders.«

Das Lächeln in Silvias Gesicht war, während die drei Burschen ihre Sprüche klopften, regelrecht geronnen. »Spart euch diese Anmache. Solche Sprüche ziehen bei mir net. Dürft’ ich jetzt abkassieren?« Sie wirkte ziemlich resolut und genervt. »Ihr drei seid seit über einer Stunde die einzigen Gäste. Seit anderthalb Stunden hockt ihr vor eurem Rest Bier. Ich bin hundemüde.«

»Du wirfst uns ja regelrecht hinaus«, sagte der dunkelhaarige Bursche mit den dunklen Augen. Ein absoluter Frauentyp.

»Das stimmt net, Lorenz«, versetzte Silvia. »Ich bitt’ euch nur, auf mich ein bissel Rücksicht zu nehmen. Ich bin seit heut’ Vormittag um zehn Uhr hier in der Gaststube und bedien’ die Gäste. Das sind mehr als vierzehn Stunden. Was tätst du sagen, wenn dein Vater von dir verlangen würd’, dass du täglich, abgesehen von einem Ruhetag, vierzehn Stunden und länger arbeitest?«

»Ich würd’ mir eine andere Arbeit suchen«, erwiderte Lorenz Benker und lächelte Silvia an. Seine Augen funkelten und blitzten.

»Das geht bei mir leider net«, erklärte Silvia.

»Na schön«, stieß Lorenz hervor, »dann bezahlen wir halt. Ich hab’ drei Bier.« Während er sprach, holte er seine Geldbörse aus der Innentasche seines Trachtenjankers.

Silvia nannte den Betrag, den er zu zahlen hatte, er legte das Geld auf den Tisch und fügte ein ansehnliches Trinkgeld dazu. »Stimmt so«, sagte er und verstaute den Geldbeutel. »Morgen Abend komm’ ich wieder. Weißt du, Silvia, was für mich der längste Tag der Woche ist?«

»Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?«

»Es ist der Montag, an dem ihr geschlossen habt. Jeder Tag, an dem ich dich net sehen kann, ist für mich ein verlorener Tag.«

Lorenz grinste anzüglich. Sein Blick ging Silvia durch und durch und sie spürte Verlegenheit. Auch die Blicke der beiden anderen Burschen hingen an ihr – Blicke, die darauf schließen ließen, was in den Köpfen der Kerle vor sich ging. Zur Verlegenheit gesellte sich bei der Zweiundzwanzigjährigen Unbehaglichkeit.

Sie kassierte auch diese beiden ab, sie tranken ihre Gläser leer und erhoben sich. »Bis Morgen also«, verabschiedete sich Lorenz. »Schlaf gut, Silvia, und träum’ was Schönes. Ich werd’ von dir träumen.«

»Net nur du«, gab einer der beiden anderen Burschen zu verstehen. »Ich glaub’, es gibt keinen Mann im Ort, der net von dir träumt, Silvia.«

»Ihr könnt’s wohl net lassen?«, erregte sich die junge Frau. »Glaubt ihr denn im Ernst, dass ihr mit euren dummen Sprüchen bei mir punkten könnt?«

»Ist doch alles nur Spaß«, versuchte Lorenz zu beschwichtigen. »Wir sind halt alle in dich verliebt, Silvia, und gegen die Liebe ist bekanntlich kein Kraut gewachsen.«

»Ich lach’ mich gleich tot«, versetzte Silvia ironisch. Sie wusste, dass der Spaß bei Lorenz nur vordergründig war. Er hatte den Ruf eines Frauenhelden, und nun schien er sie als Opfer auserkoren zu haben. Seit einigen Wochen verbrachte er nahezu seine gesamte freie Zeit im Gasthof ›Zum goldenen Ochsen’. Seine Kumpels stärkten ihm den Rücken. Zwar begehrten auch sie Silvia, und aus ihrem Mund kam so mancher Spruch, der dies unmissverständlich zum Ausdruck brachte, doch Lorenz war eine Art Cliquenführer, ein Leithammel, und sie übertrieben es nicht mit ihrer Anmache, weil sie keinen Konflikt mit ihm herausfordern wollten.

»Wir fahren am nächsten Samstag nach München«, sagte Lorenz. »Die ganze Rasselbande ist dabei. Hast du keine Lust, mitzufahren?«

Erwartungsvoll musterte der Bursche nach seiner Frage Silvia.

»Grad eben erzähl’ ich dir, dass ich außer am Ruhetag keinen freien Tag hab’, und du fragst mich, ob ich am Samstag mit euch nach München fahr’«, erwiderte Silvia ein klein wenig genervt. Sie wollte endlich zusperren.

»Gibts denn niemand, der mal für dich einspringen kann?«

»Keine Ahnung, ich hab’ noch niemand gefragt. Was sollt’ ich außerdem in München? In der Fußgängerzone oder auf dem Viktualienmarkt herumrennen? Ich glaub’, ich bin genug auf den Beinen und froh, wenn ich mich mal hinsetzen kann und mich net bewegen muss.«

Der erwartungsvolle Ausdruck in Lorenz’ Augen machte der Enttäuschung Platz. »Schade«, murmelte er. »Vielleicht überlegst du es dir noch.«

»Ich denk’, da gibts nix zu überlegen«, versetzte Silvia. »Gute Nacht.«

Das Trio verließ die Gaststätte, und Silvia schloss aufatmend die Tür ab. Ich glaub’, der Lorenz begreift’s nie, dass ich nix von ihm will, dachte sie, während sie die leeren Gläser abräumte. Danach löschte sie in der Gaststube das Licht und begab sich auf ihr Zimmer.

*

Als Silvia am Morgen gegen acht Uhr in die Küche kam, waren ihre Mutter und ihr Vater schon dabei, die Vorbereitungen für das Mittagessen zu treffen. Der ›Goldene Ochse’ war eine gutbürgerliche Gaststätte, die wegen ihres vorzüglichen Essens und der moderaten Preise von den Bewohnern des Wachnertals sehr geschätzt wurde.

»Guten Morgen«, grüßte Silvia. »Ist noch Kaffee da?«

Ihre Eltern erwiderten den Gruß, ihre Mutter sagte: »Ich hab’ ihn in die Thermoskanne dort gefüllt.« Sie wies auf das Behältnis aus Edelstahl, das auf der großen Arbeitsplatte stand.

»Danke.« Silvia holte sich eine Tasse und die Kanne, setzte sich an den Tisch in der Ecke und schenkte sich ein.

»Wie lange sind denn der Benker-Lorenz und seine Freund’ noch sitzen geblieben?«, erkundigte sich Paula Teichmann, Silvias Mutter.

»Bis nach Mitternacht«, antwortete Silvia. »Ich hab’ schon befürchtet, dass sie durchmachen. Die sind gesessen, als hätten s’ Pech am Hintern gehabt. Und dann dauernd die blöden Sprüche. Irgendwann müsst der Lorenz doch merken, dass er net mein Typ ist. Seine Kumpel reden zwar auch immer dumm daher, aber die nehm’ ich eh net ernst, und das wissen die auch. Die reden halt, ohne ihr Hirn einzuschalten. Beim Lorenz aber bin ich mir fast sicher, dass er ernsthaft mit mir anbandeln möcht’.«

»Was hast du denn gegen ihn?«, fragte die Mutter. »Er ist doch ein sauberes Mannsbild, ist anständig und erbt mal den Benkerhof. Mit dem wärst du net schlecht dran, Madel. Ich möcht’ net wissen, wie viele Frauen im heiratsfähigen Alter hier im Tal davon träumen, die Seinige zu sein.«

»Mir ist er zu glatt«, versetzte Silvia. »Der Mann, den ich will, der muss Ecken und Kanten haben.«

»So wie der Stiglmeier-Markus, gell?«, mischte sich Jakob Teichmann, Silvias Vater ein.

Silvia errötete leicht. »Der Markus, seine Schwester und ich sind gut befreundet«, gab sie zu verstehen. »Vom Markus hab’ ich noch nie irgendeinen blöden Spruch gehört, er hat auch nie versucht, mich auf plumpe Art und Weise anzumachen.«

»Aber du hättest nix dagegen«, sagte Paula lachend. »Uns kannst du doch nix vormachen, Madel. Wenn du vom Markus sprichst, dann leuchten deine Augen geradezu. Der Bursch’ gefällt dir. Aber er ist ausgesprochen schüchtern, und du weißt net so recht, wie du’s anpacken musst, um dich ihm schmackhaft zu machen.«

»Der Markus ist ganz anders als der Lorenz und dessen Kumpels«, erklärte Silvia, und tatsächlich begann sich der Ausdruck in der Tiefe ihrer Augen ein bisschen zu verklären.

»Weiß er eigentlich, wie’s um dich steht?« Mit dieser Frage brachte sich wieder Vater Jakob in das Gespräch ein.

»Ich weiß es net«, antwortete die Zweiundzwanzigjährige. »Ich hab’ auch keine Ahnung, wie es um seine Gefühle mir gegenüber steht. Er ist freundlich, zuvorkommend, ein richtiger Gentleman; ob es bei ihm aber mehr ist als Sympathie und Freundschaft, kann ich net einschätzen. Ich mag ihn jedenfalls.«

»Hast du dich schon einmal mit seiner Schwester über das Thema unterhalten?«, fragte Paula. »Du und die Franziska – ihr seid doch die besten Freundinnen. Kann sie denn nix arrangieren, damit du und der Markus euch näherkommt?«

»Ich weiß net, ob es die Franzi schon gemerkt hat, dass sich bei mir die Freundschaft, die ich für den Markus empfunden hab’, in Liebe verwandelt hat. Wenn wir telefonieren oder uns, was leider auch nimmer allzu oft geschieht, mal treffen, dann unterhalten wir uns net über den Markus. Und die Franzi wird mit ihrem Bruder auch net grad über mich sprechen. Vielleicht sind wir beide, der Markus und ich, einfach zu scheu und viel zu zurückhaltend, um dem anderen unsere wahren Gefühle zu offenbaren.« Ein Seufzer löste sich aus Silvias Kehle. »Tausendmal hab’ ich mir schon geschworen, ihm zu sagen, dass ich viel für ihn empfind’. Wenn ich ihn dann treff’, steh’ ich auch tatsächlich jedes Mal knapp davor, es ihm zu gestehen. Letztendlich verlässt mich aber jedes Mal der Mut. – Ich glaub’ jedoch zu spüren, dass zwischen uns was ist, das uns auf einer höheren als der kameradschaftlichen Ebene verbindet. Eine besondere Vertrautheit, eine Zuneigung, die keiner Worte bedarf, die einfach vorhanden ist.«

»Nimm dir einfach mal ein Herz und sag’s ihm«, riet der Vater. »Andernfalls kommt ihr nie zusammen. Irgendwann verliert nämlich einer von euch das Interesse am anderen, weil sich nix tut, und die ganze Sach’ würd’ im Sand verlaufen. Gefühle können nämlich abkühlen, sie können sogar absterben, wenn man sie – aus welchen Gründen auch immer –, net auslebt.«

»Merkst du was?«, fragte Paula lächelnd. »An deinem Vater ist ein Philosoph verloren gegangen.« Sie wurde wieder ernst. »Aber der Papa hat schon recht, Silvia. Geh’ einfach auf den Markus zu und gesteh’ ihm, wie’s um dich bestellt ist. Wenn er dich auch liebt, dann wird er nach deinem Geständnis kein Problem haben, es zuzugeben. Reichen seine Gefühle net, dann macht er sicherlich kein Geheimnis daraus, und du weißt wenigstens Bescheid.«

»Das ist meine große Angst, Mama«, murmelte Silvia etwas niedergeschlagen. »Ich befürcht’, dass ich mich blamier’, wenn der Markus keine Gefühle für mich empfindet und mir einen Korb gibt.«

»Das wär’ doch keine Blamage«, entgegnete der Vater der Zweiundzwanzigjährigen. »Wenn er kein Interesse an dir hat, dann ist das so, und du musst es akzeptieren. Das muss doch eurer Freundschaft keinen Abbruch tun. Mut, Madel! Du bist doch sonst recht couragiert. Den Burschen, die dich anzubaggern versuchen und die ständig meinen, dir gegenüber ihre dümmlichen oder sogar anzüglichen Sprüch’ zum Besten geben zu müssen, gibst du doch auch raus, ohne dass du ein Blatt vor den Mund nimmst. Wenn’s um dein Lebensglück geht, zauderst du und markierst plötzlich die Zurückhaltende.«

»Ich kann halt net aus meiner Haut, Papa.«

»Mach dir nix draus«, sagte Paula. »Wenn das Schicksal dich und den Markus füreinander bestimmt hat, dann kommt ihr auch zusammen. Das ergibt sich dann schon. Die Liebe findet immer einen Weg.«

»Dein Wort in Gottes Ohr, Mama«, erwiderte Silvia.

»Dir läuft ja nix davon, Madel«, erklärte Jakob. »Du bist ja noch so jung. Meiner Meinung nach zu jung, um dich schon fest an einen Kerl zu binden.«

»Du hast sicherlich recht, Papa«, murmelte Silvia und nippte an ihrem Kaffee. »Kann ich euch was helfen?«, erkundigte sie sich dann, froh, das Thema wechseln zu können.

»Ruh’ dich nur noch ein bissel aus«, antwortete Paula. »Für heut’ Mittag haben mehr als vierzig Leut’ Plätze reserviert. Eine Geburtstagsgesellschaft, die aus fünfzehn Leuten besteht, will bei uns am Nachmittag Kaffee trinken. Und am Abend kommen wieder die Stammgäste. Du wirst genug zu tun haben, Madel. Also nutz’ die Zeit, bis wir öffnen, und lass’ alle Fünfe gerade sein.«

»Danke, Mama«, bedankte sich Silvia. »Ich geh’ dann, wenn ich Kaffee getrunken hab’, auf mein Zimmer und räum’ dort ein bissel auf.«

*

Zwanzig Minuten später suchte Silvia ihr Zimmer auf, machte ihr Bett, öffnete kurz das Fenster, um zu lüften, wischte Staub und war um halb zehn Uhr fertig. Das Zimmer war tipptopp und Silvia zufrieden. Sie hatte noch eine halbe Stunde Zeit und entschloss sich, ihre Freundin Franziska anzurufen. Sie waren zusammen zur Schule gegangen und schon als Kinder unzertrennlich gewesen. Franziska meldete sich. »Grüaß di, Silvia. Alles gut?«

»Ich kann net klagen. Servus, Franzi. Ich hoff’, bei dir ist auch alles beim Alten.«

»Ja, ja, soweit gehts mir ganz gut«, antwortete Franziska. »Mir fehlt halt die Arbeit ein bissel. Aber das ist halt so, wenn man in einem Saisonbetrieb tätig ist. Vom Herbst bis zum Frühling musst du dir dein Geld von der Arbeitsagentur holen und den Gürtel ein bissel enger schnallen.«

»Du klagst, weil du keine Arbeit hast, und uns hier wächst sie fast über den Kopf. Heut’ ist wieder der Teufel los bei uns. Na ja, besser, als wenn niemand kommen würd’. Wir müssen ja auch von was leben.«

Silvia hatte sich vorgenommen, das Gespräch auf Markus zu bringen. Unablässig geisterte der Satz ihrer Mutter durch ihr Bewusstsein: ›… kann sie denn nix arrangieren, damit du und der Markus euch näherkommt?’

»Der Markus muss aber keine Angst haben, arbeitslos zu werden, wie?«, fragte sie und fand, dass sie diese Kurve gut genommen hatte.

»Jedenfalls net, solange sie in den Wald hineinkönnen«, antwortete Franziska. »Sollten wir in diesem Winter sehr viel Schnee kriegen, kanns ihm auch passieren, dass er stempeln gehen muss. Im Moment haben s’ net allzu viel Arbeit im Forst, und so feiert er die nächsten zwei Wochen Überstunden ab, die den Sommer über angefallen sind. Einerseits ists ja ganz schön, wenn man net jeden Tag an den Job gebunden ist. Der Tag gehört gewissermaßen dir. Ein gutes Drittel vom Einkommen fehlt halt. Das Dumme ist, während der Zeit der Arbeitslosigkeit hättest du Zeit, Geld auszugeben, musst aber jeden Cent umdrehen, damit’s von einem Ersten zum nächsten reicht.«

»Dann hoff’ ich für den Markus, dass wir einen milden Winter kriegen«, sagte Silvia. »Er war schon eine ganze Zeit nimmer im goldenen Ochsen. Ich vermiss’ ihn regelrecht.«

»Das stimmt«, versetzte Franziska. »Das hat aber einen ganz einfachen Grund: Im Sommer kann er mit dem Fahrradl nach Engelsbach zu euch fahren und sich auch mal ein zweites Bier genehmigen. Jetzt ists ihm auf dem Radl zu kalt. Und wenn er mit dem Auto fährt, trinkt er nix. Er steht aber auf dem Standpunkt, dass er net kilometerweit ins Wirtshaus fährt, um dann dort stundenlang vor Mineralwasser zu sitzen. Das behauptet er zumindest. Ich bin der Meinung, dass es seine Unsicherheit ist. Er spricht zwar immer wieder von dir, und ich glaub’, mein Bruder ist ein bissel in dich verliebt. Er weiß allerdings net recht, wie er sich dir gegenüber verhalten soll.«

Silvias Herz schien in ihrer Brust einen Sprung zu vollführen. Es schlug ihr plötzlich hinauf bis zum Hals, der sich sekundenlang wie zugeschnürt anfühlte.

Franziska ergriff noch einmal das Wort, indem sie fragte: »Sag bloß, du hast das noch net bemerkt. Seine Augen glänzen, wenn er dich sieht, seine Stimme klingt belegt, und er ist in deiner Gegenwart irgendwie anders. Ich weiß net, wie ich’s beschreiben soll. Er ist dann so in sich gekehrt, so nachdenklich und ausgesprochen zurückhaltend, als hätt’ er Angst, etwas Dummes oder Unangebrachtes zu sagen. Ich hab’ immer das Gefühl, dass er sich einigelt, um net zu zeigen, was er empfindet. Davon, dass ich mich net täusch’, bin ich fest überzeugt.« Franziska lachte belustigt auf. »Mir tät’s taugen, wenn du und der Markus ein Paar werden würdet. Stell’ dir vor, wir zwei würden Schwägerinnen werden.«