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Rene Urbasik

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Beschreibung

Ingeborg begibt sich nach ihrer Trennung von Rainer auf eine Singlebörse im Internet. Schon bald merkt sie, dass dieses Medium so manche Fallstricke parat hält. Nach allerlei Entäuschungen begegnet sie im Netz einen interessanten Mann, mit dem sie sich auf ein abenteuerliches Spiel einlässt.

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Rene Urbasik

"Wer etwas von mir will, muss mich mit meinem Snoopy teilen!!!"

"Ich bin eine exklusive Mischung aus Brett Pidd und Schorsch Kluni"

Danke, Danke, Danke…

Danke liebe Bärbel,

für Deine inspirierenden Geschichten über das Single-Leben und die aberwitzigen Geschichten auf dem Portal.

Danke für Deine Freundschaft und Danke auch für den mega- Bienenstich von letzter Woche.

Danke liebe Izabela,

für Deine Geduld beim Ertragen meiner Launen, wenn ich mal wieder nicht voran kam bei der Gestaltung meines Buches.

Danke auch, das Du immer für mich da warst, wenn ich in ein schöpferisches Loch fiel.

Danke, lieber Tom und Irmi,

für Eure Hilfe beim Lektorat und die vielen nützlichen Tipps, bei der Realisierung meines Projektes.

Danke, liebe Damen und Herren,

die ich auf meinen Recherchen für dieses Buch kennenlernen durfte und… ähem musste…

Danke an den SV Werder Bremen,

dass die Mannschaft während meiner Schaffenskrise durch ihre Ergebnisse dafür gesorgt hat,

das ich meine gute Laune behalten habe.

Inhaltsverzeichnis

Prolog

Neustart

Das Portal

Mimi

Girls & Boys

Boys & Girls

Girl meets Boy

Hey Boys, Hey Girls

Die goldene Stadt

Mimi 2

Herzflimmern

Meet the Stranger

Alles auf Anfang

© 2022 Rene Urbasik

Coverdesign von: Veronika Chamier

Buchsatz von tredition, erstellt mit dem tredition Designer

ISBN Softcover: 978-3-347-59349-7

ISBN E-Book: 978-3-347-59351-0

Druck und Distribution im Auftrag des Autors:

tredition GmbH, Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", Halenreie 40-44, 22359 Hamburg, Deutschland.

Prolog

„Wenigstens regnet es nicht“, dachte die Frau an der Bordsteinkante, die bei jedem sich nähernden Fahrzeug energisch den rechten Daumen ausstreckte.

Schlimm genug, dass der kalte Herbstwind ihrer Frisur bei jeder Böe zusetzte. Die 125 Euronen bei ihrem gestrigen Besuch im “Haar-Genau“ hätte sie sich wirklich sparen können. Nur einen Tag später sah sie bereits wieder aus wie vor dem Friseurbesuch. Na ja, nicht ganz, eigentlich stimmte das noch nicht einmal zur Hälfte. Immerhin war ihre Lockenpracht gestern in einer zweistündigen Session zum ersten Mal in ihrem Leben geglättet worden. Nicht zu vergessen – ebenfalls erstmals in ihrem Dasein war sie jetzt keine Blondine mehr, sondern eine Brünette. An beide Hair-Updates würde sie sich erst noch gewöhnen müssen. Genau wie an den Besuch in einem richtigen Friseursalon. Das Getue und Gemache in solch einem Beauty-Salon war ihr schon nach kurzer Zeit zuwider gewesen. Die Hairstylisten mit ihren pseudowitzigen, ewig gleichen doppeldeutigen Geschäftsnamen gingen ihr sowieso mächtig auf den Zeiger.

Was sollte denn an “Hair-oin“, “Hair-einspaziert“ oder “Pony und Clyde“ lustig sein?

Warum hatte sie ihre wunderbaren Locken nicht wie immer ihrer besten Freundin Anne und deren Schneide-Talent anvertraut? Das für die Autoreparatur vorgesehene Geld war futsch und Anne schmollte jetzt auch, weil die beste Freundin sie plötzlich mit einem Hairstylisten betrog. Also nicht körperlich betrog. Wobei eigentlich schon, weil die Haare nun einmal zu ihrem Körper gehörten. Dazu noch der Vertrauensverlust. Nach über zehn Jahren voller Harmonie legte sie ihren Wuschelkopf jetzt in die Haare eines schwulen Haartrimmers. Das war haar-sträubend, geradezu Haar-akiri.

Und wofür das alles? Genau - für einen Typen, den sie nie zuvor in ihrem Leben gesehen hatte. Mit dem sie noch nicht ein einziges Mal telefoniert hatte. Einen Mann, mit dem sie sich bisher lediglich schriftlich über die “Plattform“ ausgetauscht hatte.

Solche übereifrigen Aktionen waren typisch für sie. Erst handeln, dann denken. So war es schon immer gewesen.

Aber darüber wollte sie sich jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Im Augenblick steckte sie schon mittendrin in ihrem neuesten Abenteuer mit unvorhersehbarem Ausgang. Wozu nun noch abbrechen?

Jetzt also stand die Frau in dem grünen Nebulus-Parka mit weißem Fellkragen am Straßenrand und versuchte seit einer halben Stunde einen Autofahrer zum Halten zu bewegen.

Ihr eigener Pkw schmollte auf dem Parkplatz der Stadthalle von Osnabrück. Schon seit drei Wochen hatte es Probleme beim Anlassen des Vehikels gegeben und seit drei Wochen hatte sie die Sache tapfer ignoriert. Dafür hatte sie sich fest vorgenommen, gleich nach ihrem Trip eine Werkstatt aufzusuchen. Der Skoda gab außer einigen ungesund klingenden Lauten beim Starten des Motors keinen Mucks mehr von sich. An die 100 Male hatte sie versucht, die Maschine zu starten, – erfolglos. Immerhin, die Tankanzeige funktionierte noch und zeigte einen drei Viertel vollen Benzintank. Das wäre aber auch zu peinlich gewesen …

Also tat sie, was Autofahrer in Nöten für gewöhnlich tun und wählte die Nummer des ADAC. Die Gewissheit, das jetzt schon bald alles gut werden würde, war knapp 5 Minuten später bereits wieder von einer Welle der Ernüchterung überrollt worden.

Die humorlose Dame von der Pannenhilfe erklärte ihr nämlich nach kurzer Recherche in deren Dienstcomputer, dass von Seiten des ADAC keine Problembewältigung zu erwarten sei. Sie verwies vehement auf die letzten drei Mitgliedsbeiträge, welche von der Halterin des defekten Skoda nicht bezahlt worden seien.

Alle Beteuerungen, dass es sich hierbei um ein Missverständnis handele und der fällige Beitrag sofort bei Eintreffen eines KFZ-Sachverständigen in bar getilgt werden würde, zerschellten am kalten Herzen der Telefonistin.

Aufgeben aber war so gar nicht nach Ingeborgs Geschmack. „Jetzt erst recht“ hieß von je her ihre Devise.

Um den Wagen würde sie sich später kümmern. Zunächst einmal hatte sie eine Mission. So kam es, dass aus einer selbstbewussten Autofahrerin mit chronischem Drang zur Geschwindigkeitsübertretung innerhalb kürzester Zeit eine Anhalterin wurde. Eine seit einer halben Stunde erfolglosen Anhalterin - sollte man ergänzen.

Überhaupt – getrampt war die Frau am Straßenrand zuletzt Anfang des neuen Millenniums. Damals war sie gerade Zuhause ausgezogen, um auf eigenen Beinen zu stehen. Über eine Zeitungsannonce war sie in einer WG am Stadtrand von Hildesheim gelandet, die dringend eine Mitbewohnerin suchte. So war sie auf die Damen Pia und Frauke gestoßen, beide leidenschaftliche Heavymetal-Fans. Irgendwann war sie ebenfalls in den Sog der Schwermetaller-Freunde geraten und von dort aus war es nur ein kleiner Schritt gewesen zum Besuch ihres ersten Metal-Festivals. Der Ferrari unter den Metal-Festivals war früher wie auch heute noch das berühmt berüchtigte Wacken Open Air in Schleswig Holstein.

Zu der Zeit hatte es bereits einen Bruch in der WG – Beziehung zwischen den drei Frauen gegeben. Pia und Frauke hatten sich mehrfach dahingehend geäußert, dass sie ihre neue Mitbewohnerin „irgendwie schräg“ fanden. Was genau sie damit meinten, behielten sie für sich.

Trotzdem war es ausgemachte Sache, dass sie als Trio das berüchtigte Headbanger-Festival besuchen wollten.

Zu ihrer Verwunderung waren die zwei Damen kurz vor der gemeinsamen Abfahrt plötzlich abgesprungen. Zufällig waren synchron die Mütter von Pia und Frauke schwer erkrankt und benötigten dringend fachliche Hilfe der beiden angehenden Bierbrauerinnen. Also war Ingeborg gezwungen, alleine zu fahren. Dass sie später zufällig doch die beiden WG-Mitbewohnerinnen traf, war wohl so etwas wie ein Wunder. Welche bessere Erklärung gibt es dafür, dass beide Mütter zeitgleich eine Blitzheilung erlebt hatten?

Seinerzeit war das Trampen noch eine weitverbreitete Art gewesen, um von A nach B zu kommen, wenn man selbst keinen fahrbaren Untersatz besaß. Die wenigsten Jugendlichen konnten sich damals einen Pkw leisten. Schon als stolzer Besitzer eines gebrauchten Motorrades wurde man von seiner Umgebung beneidet.

Alle Teenager trampten damals. An den Wochenenden, um in die Diskotheken und zurück nach Hause zu gelangen und in den Ferien, weil man mit Freunden Urlaub im Süden machen wollte. Die Leute waren aufgeschlossen und neugierig. Manch einer schloss bereits Freundschaft für das ganze Leben mit seiner Mitfahrgelegenheit.

Ingeborg stieg damals zu einem LKW-Fahrer ins Cockpit, der Kühe von norddeutschen Bauern in städtische Schlachthöfe transportierte. Der ältere Herr war ein großer Schweiger, erinnerte sich Ingeborg noch. Ganze fünf Sätze waren zwischen ihnen während der rund vierstündigen Fahrt gefallen. Die Ruhe war irgendwie unangenehm gewesen, etwas bedrohlich wohl auch. Als noch störender allerdings hatte sich der Musikgeschmack des Truckers herausgestellt.

Es wäre in Ordnung gewesen, wenn die ganze Zeit über ein Oldie-Sender im Radio gedudelt hätte. Auch wäre es verzeihbar, hätte sich der Lkw-Lenker als großer Country-Supporter geoutet. Das wäre sogar noch irgendwie naheliegend gewesen, wenn man mit solch einem Riesen-Vehikel voller Nutzvieh unterwegs war.

Der mürrische Fahrer jedoch schien nur eine einzige Musikkassette zu besitzen. Auf dieser lief tatsächlich in einer Endlosschleife immer derselbe Titel: „Wind of Change“ von den Scorpions. Anfang der 90er war der Song über den Fall der Mauer ein Riesenhit.

Ingeborg hatte den zunächst auch ganz okay gefunden und beim ersten Abspielen des Bandes noch leise mitgesungen: „Follow the Moskva, down to Gorky Park, listening to the Wind of Change…“ Beim zweiten Mal hatte sie irgendwie das Pfeifen von Sänger Klaus Meine gestört, beim dritten Hören der gesamte Text und schließlich wurde ihr immer übler. Irgendwann sehnte sie nur noch das Ende der Fahrt herbei.

Völlig fertig mit der Welt und bis auf den heutigen Tag schwerstens traumatisiert war sie damals aus dem LKW-Cockpit geklettert. Wann immer sie im Radio das Pfeifen von Klaus Meine hört und die ersten Takte von „Wind of Change“ erklingen, denkt Ingeborg an Freitod oder Schlimmeres.

Jetzt stand die junge Dame am Straßenrand, in einer Hand eine blaue Reisetasche und in der anderen ein klobiges, rechteckiges Etwas, welches mit einer braunen Decke verhüllt war.

In der Mitte war der braune Überwurf aufgeschnitten worden. Ein metallener Griff lugte heraus, den Ingeborg fest zwischen den Fingern hielt.

Die Reisetasche hatte sie mittlerweile abgestellt, um eine Hand frei zu haben. Nach alter Sitte und Tradition der Anhalter auf der ganzen Welt, hielt sie den rechten Arm gerade ausgestreckt und streckte den Daumen gen Himmel.

Mittlerweile schmerzte ihr der Tramperarm von diesem Manöver bereits empfindlich. Ihr Gesicht hatte sich nicht nur aufgrund des kalten Windes zu einer Grimasse verformt.

„So langsam könnte sich ruhig mal ein Autofahrer zum Anhalten bequemen“, dachte die junge Dame am Straßenrand.

Damals war das Trampen weiß Gott einfacher gewesen. Nie hatte sie länger als 10 Minuten warten müssen, ehe irgendwer anhielt.

Warum waren die Autofahrer heutzutage so schrecklich verbiestert? Vielleicht hatten die es einfach eiliger, ans Ziel zu gelangen oder waren in Sorge, dass ihre tollen neuen Wagen Schaden nehmen könnten durch den Anhalter. Eventuell waren auch die omnipräsenten Medien Schuld am Verhalten der Fahrzeug-Führer. Horrormeldungen über potenzielle Serienkiller auf dem Beifahrersitz, Psychos und Axt-Mörder. Wer brauchte so jemanden schon in seinem Wagen?

Ingeborg sah an sich herunter und überprüfte ihr Äußeres. Beige Cowboystiefel, eine eng anliegende Bluejeans der Marke Levis und darüber einen grünen Parka von Nebulus.

Um ihre Figur beneidete sie so manche Geschlechtsgenossin, dazu hatte ihr der liebe Gott ein hübsches Gesicht und glatte Haut geschenkt. Auch der neue Hair-Style sah nicht übel aus. Alles in allem konnte sie sehr zufrieden sein mit ihrem Aussehen.

Wie ein Waldschrat oder irgendein Tunichtgut, der Böses im Sinn hatte, sah sie auf alle Fälle schon mal gar nicht aus. Wenn sie einer der Autofahrer wäre, die an ihr vorbeisausten, keine Sekunde hätte sie gezögert und wäre augenblicklich stehen geblieben.

Die Fahrzeuglenker, welche mit stoischer Miene an ihr vorbei fuhren, waren wohl aus anderem Schrot und Korn. Entweder waren die zu sehr mit eigenen Dingen beschäftigt oder nahmen die junge Dame am Straßenrand noch nicht einmal wahr.

Selbst alleinfahrende jugendliche Männer machten keinerlei Anstalten, anzuhalten. Dabei war doch gerade diese Spezies dafür bekannt, augenblicklich auf die Bremsen zu steigen, sobald ein knackiger Damenhintern um die Ecke bog. Gut, von ihrem recht ansehnlichen Hinterteil war aufgrund der Länge der Jacke so viel nicht zu sehen, aber trotzdem – unerhört war das. Nicht ein Pkw hielt.

Langsam machte sich Verzweiflung in ihrem Kopf breit. Was war, wenn sie hier überhaupt nicht mehr wegkam heute?

Natürlich war es nicht weit bis zu ihrem Auto. Sie konnte sich auch ein Taxi rufen und zum nächsten Bahnhof kutschieren lassen.

Möglichkeiten, ihre Reise fortzusetzen, gab es zur Genüge, wenn da nicht der Zeitfaktor wäre.

Immerhin war sie um 17 Uhr mit dem Mann verabredet. Jetzt war es bereits 14:30 Uhr. Gute 1,5 Stunden plante sie für die Fahrt nach Bremen ein. Das könnte eng werden.

Wenn sich gegen 14:50 Uhr immer noch kein einziger Fahrer erbarmt haben sollte, sie aufzulesen, würde sie eine SMS absetzen müssen, dass es etwas später werden würde.

Ingeborg hoffte jedoch, dass es nicht so weit kommen würde. Sie wusste durch den Chat mit dem Herrn, dass dieser großen Wert auf Pünktlichkeit legte.

In der Vergangenheit war sie oft genug durch ihre chronische Unpünktlichkeit von einem Fettnäpfchen ins nächste gestolpert. Der Mann schien so etwas wie ein Neubeginn zu sein. Damit verbunden war auch die Möglichkeit mit alten Gewohnheiten zu brechen und eigene Schwächen zu beheben.

Mittlerweile war sie in ihrer Selbstachtung so tief gesunken, dass sie selbst eine 2.0 Version des mürrischen Viehtransporters von damals akzeptieren würde. Auch eine Neuauflage von „Wind of Change“ als Nonstop-Version schien irgendwie akzeptabel.

Es war ihr völlig egal, wer derjenige Fahrer war, der sie aus ihrem Straßenrand-Schicksal befreien würde. Ein Neandertaler, mit verfilzter Haarmatte, ein Höhlengnom mit Sprachfehler – eine hysterische Dampfplauderin mit Sehschwäche – unwichtig. Hauptsache sie kam endlich vom Fleck.

Auch der Wagen des oder der Fahrzeug-Lenkerin waren wurscht. Rostlaube, Benzinschleuder, von Kleinkindern vollgekotzter Rücksitz … Egal, egal, egal.

Wenn man mit den niedersten Varianten der potenziellen Helfer in der Not rechnet, kann es passieren, dass der Allmächtige einen Ritter in besonders funkelnder Rüstung vorbeischickt. So war es auch an diesem Tag.

Verzweifelt hatte Ingeborg gerade den Tramp-Arm gesenkt und wollte die Decke über dem rechteckigen Karton lüften, um zu schauen ob alles in Ordnung sei, als sie plötzlich das Geräusch von quietschenden Bremsen vernahm.

Das heißt, die Bremsen ihres Skoda quietschten – das Gefährt, welches jetzt kurz vor ihr stehen blieb, gab beim Halten ein sanftes, dezentes Brummen von sich.

Sie blickte auf und vor ihr stand ein silberfarbenes Auto, das sie als Cabrio einordnete. Natürlich war das Verdeck wegen des schlechten Wetters geschlossen, aber dennoch sah das Gefährt edel und teuer aus.

Vom Fahrer oder der Fahrerin konnte sie zunächst nur den Rücken erkennen.

Sollte sie tatsächlich Glück haben und der oder die Lenker/in des Luxuswagens würde sie ein Stückchen mitnehmen? Was, wenn der einfach nur ein Päuschen einlegen oder sie nach dem Weg fragen wollte? Vielleicht war der oder die Fahrer/in auch zu einer ganz anderen Destination unterwegs und ihr Ziel Bremen lag nicht wirklich auf der Strecke.

Die Fahrertür öffnete sich und ein Herr im grauen Anzug kletterte aus dem Wagen. Mitte 30, schätzte Ingeborg, rötliches, kurzes Haar und einen irgendwie unpassenden Schnauzbart a la Magnum, Tom Selleck. Größe: etwa 1,75, normale Statur.

Nicht unsympathisch – auf dem ersten Blick - und durchaus vertrauenserweckend.

Der Fahrer des soeben angehaltenen Autos begann zu sprechen: „Hallöle, kann i di a Schdügg midnehma?“ (Hallo, kann ich dich ein Stück mitnehmen?)

Ingeborg trug jetzt ein großes unsichtbares Fragezeichen auf ihrer Stirn spazieren. Wie war das gerade?

„Ähem sorry, i don´t speak english nicht so gut, because i was lange Zeit krank in the school“.

Das musste fürs Erste reichen als Erklärung.

Jetzt schaute der junge Mann im Anzug verdutzt drein.

„I wollde wissa wo du hin musschd. Vielleicht kann i di midnehma.“ (Ich wollte wissen, wo du hinmusst. Vielleicht kann ich dich mitnehmen)

In Ingeborgs Kleinhirn lief das Laufwerk auch weiterhin nur auf Sparflamme. Was wollte der Typ da von ihr?

„Kommen Sie aus der Schweiz? Sie sind leider sehr schwer zu verstehen.“

Der Fahrer runzelte die Stirn.

„Kam die Tante vom Dorf und hatte sich in ihrem gesamten Leben lediglich im Umkreis von 30 Kilometern bewegt. Unglaublich diese Frage!“

Am liebsten wäre er gleich wieder eingestiegen und davongebraust. Andererseits hatte er nun mal ein Herz für Menschen in Not im Allgemeinen und für Frauen in der Bredouille im Besonderen. Also was solls? „Noi, i komm aus Nürdinga im schöna Schwaba. Sagsch mir jedzd, wohin die Reise gohd?“ (Nein, ich komme aus Nürtingen im schönen Schwaben. Sagst du mir jetzt wohin die Reise geht?)

Unverkennbar war der Fahrer des hübschen Automobils sehr stolz auf seine Herkunft.

Allmählich dämmerte es der Anhalterin.

„Oh Gott“ dachte sie, „jetzt habe ich den Typen doch glatt für einen Schweizer gehalten. Hoffentlich war der nun nicht beleidigt. Nicht mal im Vollrausch sollte man irgendwen für einen Schweizer halten. Und einen potenziellen Retter in der Not schon gleich gar nicht.“

Also versuchte sie trotz des scheußlichen Wetters zu lächeln. Das was natürlich unschwer als Schauspieleinlage zu durchschauen.

„Ach so. Tut mir leid. Ich konnte deinen Dialekt gerade wegen des Windes nicht einordnen. Ich war auch schon bei euch in Sachsen. Bei meiner Freundin in Zwickau. Ist ganz nett bei euch im Osten. Für meinen Geschmack vielleicht zu viele Rechte aber das kennt man ja aus der DDR.“

Der freundliche Anhalter war jetzt komplett von den Socken. Hatte er sich gerade verhört oder hatte diese junge Dame ihn tatsächlich soeben als Ossi abgestempelt? Das war ja fast ein noch größerer Fauxpas als die Nummer mit dem Schweizer.

Ob die irgendwie einen leichten Dachschaden hatte oder einfach nur Spaß an der Konfrontation hatte? Mit psychischen Krankheiten kannte er sich nicht so gut aus. Ob die Tante wohl schwere Psychopharmaka einwarf oder sonstige Nervenpillen? Dann könnte die Nummer hier ganz böse enden.

Warum nur hatte er angehalten? War es jetzt schon zu spät sich noch irgendwie aus der Gute Samariter Nummer rauszuwinden? Natürlich konnte er auch behaupten, dass er in eine ganz andere Richtung unterwegs wäre, wenn das Mädchen ihr Ziel bekannt gab. Genau, das war die Lösung. Also dann …

„Du kommst bestimmt an Bremen vorbei, oder? Immerhin bist du Richtung Autobahnzubringer zur A1 unterwegs. Da liegt der Verdacht nahe. Also Danke schon mal. Kann ich meine Kiste auf dem Rücksitz abstellen? Viel Stauraum hat deine Karre ja nicht gerade. Na ja, wird schon irgendwie gehen. Meine Reisetasche kann ich zur Not auch auf den Schoß nehmen.“

Ehe der Fahrer einen Einwand vorbringen konnte, hatte die Tramperin die Beifahrertür des Cabriolets geöffnet und die Kiste auf den Rücksitz gehievt. Eine Minute später saß sie angeschnallt auf dem Sitz des Pkw.

Der junge Mann im Designeranzug stand mit offenem Mund am Straßenrand und war sprachlos über so viel Dreistigkeit. „Die komische Tante bekomme ich nicht mehr aus dem Wagen, ohne, dass die einen erstklassigen Auftritt hinlegt“ dachte er.

Wenn seine Theorie von der gemeingefährlichen Irren stimmte und davon war zum derzeitigen Stand auszugehen, bewegte er sich gerade auf extrem dünnen Eis. Ob die eine Waffe dabei hatte? Vielleicht war die auch aus der geschlossenen Abteilung der Klaus-Kinski-Psychiatrie ausgebrochen.

Er zögerte, einzusteigen.

„Hey Companero, willst du hier Wurzeln schlagen oder fahren wir endlich los? Apropos fahren, meinst du ich kann nachher auch mal ein kleines Stück fahren? Gefällt mir, deine Karre.“ Die junge Dame auf dem Beifahrersitz grinste ihn schelmisch an.

Was blieb ihn weiter übrig, als das Spiel mitzuspielen? Immerhin hatte er noch einen Job zu erledigen.

Der graue Designeranzug mit dem verängstigten jungen Mann darin, stieg in seinen Wagen und startete den Motor. Argwöhnisch schielte er zu der Tramperin herüber. Die machte einen zufriedenen Eindruck. Gut so.

Die Anhalterin hatte recht gehabt mit ihrer Einschätzung seiner Fahrtroute. Er kam tatsächlich an der Hansestadt Bremen vorbei. Die 1,5 Stunden mit der Verrückten würde er schon aushalten.

Als er den unwiderstehlichen Klang seines Auto-Motors vernahm, wurde er gleich ruhiger. Was für ein Wahnsinnsgeräusch!

„Wo in Brema soll i di noh raus lassa?“ (Wo in Bremen soll ich dich denn raus lassen? ) Mit ganz viel Konzentration schaffte es Ingeborg, die Frage ihres Fahrers in ihrem Kopf zu übersetzen.

„Ach, ich denke Hauptbahnhof wäre perfekt. Ich hoffe, dass macht dir keine Umstände. Ich bin übrigens die Ingeborg.“

„Auch das noch“ dachte der Schwabe „dass die Verrückten auch immer solch ausgefallene Namen haben mussten. Wie sagten doch gleich die Lateiner – nomen est omen.“ Er bemühte sich ein freundliches Gesicht zu machen.

„I bin der Dobias.“ (Ich bin der Tobias)

„Oh, das ist aber ein ausgefallener Name. Tobias kenne ich wohl aber Dobias. Hm, die Ossis hatten schon immer einen Fimmel für exotisch klingenden Namen. Mandy, Sandy, Chantal.“

Der junge Mann biss sich auf die Unterlippe, bis es schmerzte. 1,5 Stunden konnten verdammt lang werden.

„Hör mol – in Geografie haschd du ned wirklich ufgebasschd gell? Nürdinga liegd bei Schduddgard. Des isch Bada Würddemberg ond ned die Zone.“ ( Hör mal, in Geografie hast du nicht wirklich aufgepasst oder? Das ist Baden-Württemberg und nicht die Zone)

Ingeborg schaute unschuldig drein und flötete: „Oops, dann entschuldige. Ich wollte dich nicht beleidigen. Ach, einen schönen Schlitten hast du da. Was ist das denn für einer?“

Der Schwabe war jetzt einigermaßen besänftigt. Außerdem gefiel es ihn, dass die Dame neben ihn Interesse an seinem Wagen zeigte. Da konnte er sein Fachwissen mal so richtig ausspielen und glänzen.

„Was glaubsch noh, was des für a Modell isch?“ (Was glaubst du denn, was das für ein Modell ist? )

Ingeborg schien angestrengt nachzudenken, was man an den Falten auf ihrer Stirn erkennen konnte. „Hm, ich weiß nicht recht. Vielleicht ein Japaner. Hyundai oder Audi.“ Wieder biss sich der junge Mann die Unterlippe blutig.

„Grrr, Hyundai isch a Koreaner ond Audi kommd aus Deischländle. Noi, des isch a Bendley. Der Condinendal GDC um gnaur zu sai.“ (Grrr, Hyundai ist ein Koreaner und Audi kommt aus Deutschland. Nein, das ist ein Bentley. Der Continental GTC, um genauer zu sein).

„Ah okay, dachte ich es mir doch, das dies ein Italiener ist. Die Spaghettis verstehen echt was von Autos oder?“

Der Schwabe sah jetzt aus, als hätte er auf eine saure Zitrone gebissen.

„Bendley kommd aus Großbridannia. Die sind weldberühmd. Allerhöschde Ingenierskunschd. 12-Zylindr, 635 BS bei 5000 U/min, 8-Gang Dobbelkubblungsgedrieb, 900 Nm bei 1350 U/min“ (Bentley kommt aus Großbritannien. Die sind weltberühmt. Allerhöchste Ingenieurskunst. 12-Zylinder, 635 PS bei 5000 U/min, 8-Gang Doppelkupplungsgetriebe, 900 Nm bei 1350 U/min)

Er kochte fast über vor Stolz.

Ingeborg blieb ungerührt.

„Cool, ungefähr wie mein Skoda. Nur meiner hat wenigstens 4 Türen. Und ein Duftbäumchen.“

Der Junge schwieg ein paar Minuten und versuchte es mit Autohypnose zur Beruhigung seiner gereizten Nerven.

Währenddessen stellte Ingeborg fest, dass ihr Atem schal geworden war. Kein Wunder, immerhin mahlte sie schon geschlagene drei Stunden auf ein und demselben Kaugummi herum. Ob dem Typen am Lenkrad ihr Odem störte, war ihr herzlich egal. Wichtig war alleine der erste Eindruck, den sie auf den Mann von der Plattform machte.

Aber wohin mit dem ausgelutschten Kaugummi? Dieses unpraktische Automobil besaß noch nicht einmal eine klassische Kurbel zum herunterschrauben der Beifahrerscheibe. Somit war sie nicht in der Lage, den auf die Autobahn zu bugsieren.

Ihren Fahrer wollte sie auch nicht fragen, ob der wohl kurz das Fenster herunterlassen könnte. Das war ihr dann doch etwas peinlich, den vor seinen Augen aus dem geöffneten Fenster zu spucken. Irgendwie nicht ladylike oder uncharmant, unhöflich… Irgendetwas mit der Vorsilbe „un“.

Wenn sie wenigstens ein Stück Papier gehabt hätte, um das durchgekaute Ding darin einzuwickeln und dezent in ihre Tasche zu stecken. Den einfach in die Jackentasche zu schieben kam auch nicht infrage.

Was also tun? Verstohlen schaute sie dem Schwaben beim Fahren zu. Der wirkte gerade höchst konzentriert und immun für die Reize seiner Umwelt.

Also tat Ingeborg so, als würde sie ihre vom Wind zerzausten Haare in Form bringen, ließ aber in der Bewegung Richtung Kopf den Kaugummi in ihre rechte Hand fallen. Einen weiteren prüfenden Blick später klebte sie den Jetgum aus dem Lidl-Markt unter den Beifahrersitz. Puh, das war geschafft und der Schwabe hatte überhaupt nichts gemerkt.

Zeit für ein wenig Small Talk. Das war sie ihrem Retter schließlich schuldig.

„Ist das eigentlich dein Auto und was kostet so was?“ fragte sie freundlich.

Dobias schien kurz zu überlegen, ob diese Frage irgendwie als verbalen Angriff gegen seine Person gedacht war. Bei der Verrückten, mit dem komischen Namen, war er sich nicht so sicher. Dann aber gewann seine angeborene Prahlsucht die Oberhand.

„Noi, des isch leidr ned mai Karra. I überführe des nur vo einem Karrahaus in Schduagard no Kil. Dord wird’s uf oi Fähre glada ond no Norwega gbrachd. Du errädschd net, wer diesa Wägele kaufd had. Koi gringerr als Pal Waakdaar-Savoy.“ (Nein, das ist leider nicht mein Auto. Ich überführe den nur von einem Autohaus in Stuttgart nach Kiel. Dort wirder auf eine Fähre geladen und nach Norwegen gebracht. Du errätst nicht, wer diesen Wagen gekauft hat. Kein Geringerer als Pal Waaktaar-Savoy.)

Er sah die Tramperin triumphierend an. Jetzt musste sie aber wenigstens ein klein wenig beeindruckt sein.

Doch weit gefehlt. Völlig unbekümmert entgegnete Ingeborg: „Ach der französische Mode-Designer? Cool. Von dem habe ich mir vor ein paar Jahren mal bei H & M einen Schal gekauft. Puh, der war ganz schön teuer. Schon klar, dass der sich solch ein Auto leisten kann. Was hast du noch mal gesagt, was so einer kostet? 30 000 Euronen oder?“

Der Schwabe ging unbewusst in einen Selbstverteidigungsmodus. Er bremste zwei Mal aus Versehen und der Wagen schlingerte über die Mittellinie der Autobahn. Ein Mercedes-Fahrer, der soeben zum Überholen angesetzt hatte, hupte genervt. Gleich darauf hatte der junge Mann den Wagen wieder unter Kontrolle.

„I han no gar nix gsagd übr die Koschda vom Karras. 30 000 Euro. Dzzz, lächerlich. Dafür bkommsch grad mol des Dach. 229 000 isch der Wägele wert. Und Pal Waaktar-Savoy isch koi Mode-Fudzi, sondern Midglied der norwegischen Band a-ha. Die kensch do bschimmd no aus den 80ern. Die macha bis heud zsamma Musik.“ (Ich habe noch gar nichts über die Kosten des Autos gesagt. 30 000 Euro. Tzzz, lächerlich. Dafür bekommst du gerade mal das Dach. 229 000 ist der Wagen wert. Und Pal Waaktaar-Savoy ist auch kein Modefutzi, sondern Mitglied der norwegischen Band a-ha. Die kennst du bestimmt noch aus den 80ern. Die machen bis heute zusammen Musik)

Das Mädchen pfiff anerkennend durch die Zähne.

„Wow, das ist ja Wahnsinn. A-ha, natürlich kenne ich die noch aus meiner Jugend. You can win if you want, if you want it, you will win, on your way you will see that life is more than fantasy… Boah ey, so viel Asche für ein Auto mit nur 2 Türen und so wenig Platz für meine Koffer. Was ist denn an der Kiste so teuer?“

Der Schwabe sackte auf seinem Fahrersitz zusammen und stammelte:“Des isch jedzd ned dai Ernschd gell? Schau dir do bloß mol die Ausschdaddung an. Des sind Massagesidze. Des ist eschdes gerbdes Ledr, des vo 2,8 Kilometer edelschdem Zwirn zsammahalda wird, mit 310 000 gstanzda Löchr. Ein 12,3 Zoll großer Infodainmend-Bildschirm, analoges Kombass, Schdobbuhr, uf Hochglanz bolierdes Edelholz.“ (Das ist jetzt nicht dein Ernst oder? Schau dir doch bloß mal die Ausstattung an. Das sind Massagesitze. Das ist echtes, gegerbtes Leder, das von 2,8 Kilometer edelsten Zwirn zusammen gehalten wird, mit 310 000 gestanzten Löchern. Ein12,3 Zoll großer Infotainment-Bildschirm, analoger Kompass, Stoppuhr, auf Hochglanz poliertes Edelholz). Ingeborg zuckte nur mit den Schultern: „Aber noch nicht einmal eine simple Kurbel zum Fenster runterdrehen.“

Sie biss sich schnell auf die Zunge, um sich und ihr kleines Kaugummi-Geheimnis nicht zu verraten.

„Audomadisch“ krächzte der Schwabe mit weit hängenden Schultern. Dann richtete er sich wieder etwas auf und sprach: „Komm, lass uns des Thema wechseln. I glaub übr. Karras könna mir zwoi ned so guad schwädze…Was haschd du eigendlich in der Kischde da ufm Rüggsidz?“ (Automatisch. Komm lass uns das Thema wechseln. Ich glaube von Autos hast du nicht so viel Ahnung. Was hast du denn da für eine Kiste auf dem Rücksitz? )

Ingeborg sah den jungen Mann noch einmal vorsichtig von der Seite an. Sollte sie ihm das tatsächlich anvertrauen? Andererseits war es auch egal. In weniger als 45 Minuten würden sie Bremen erreicht haben und dann würde sie den Typen nie wieder sehen.

„Das ist so eine Art Aquarium. Aber nicht für Fische sondern für Tiere, die an Land leben …“

„Terrarium“ fiel ihr der Schwabe ins Wort „ond was isch da drin? Doch hoffendlich nix gfährliches gell?“ (Und was ist da drin? Doch hoffentlich nichts Gefährliches oder?)

Die Tramperin auf dem Beifahrersitz grinste nur: „Ach was. Nicht im Geringsten. Ich komme gerade von einer Reptilien-Ausstellung in der Stadthalle Osnabrück und habe dort eine Spinne für meinen Freund erstanden.“

„Für meinen Freund?" dachte Ingeborg. Wie selbstverständlich war ihr diese kleine Flunkerei über die Lippen gekommen. Andererseits, so weit entfernt war sie von der ultimativen Wahrheit jetzt auch wieder nicht. Über kurz oder lang, davon war sie überzeugt, würde der Mann ihr neuer, fester Freund sein.

„Ähem,, oi Schbinne? Was isch des noh für eine? Abr koi große gell? Da han i noh scho ebbes Angschd vor.“(Ähemm. Eine Spinne? Was ist das denn für eine? Aber keine Große, oder? Da habe ich schon etwas Angst vor)

Ingeborg hob beschwichtigend beide Arme: „Das brauchst du echt nicht. Okay, die ist schon etwas größer, aber eigentlich total harmlos, hat der Verkäufer gesagt. Ich habe mir sogar den lateinischen Namen gemerkt, obwohl ich da sonst immer so meine Probleme habe. Poecilotheria regalis, die Tigervogelspinne. Wie gesagt, der Verkäufer meinte, die sei eigentlich ganz harmlos, solange man sie nicht berührt oder erschreckt.“

Der Fahrer des Bentley Continental GTC, im Wert von 229 000 Euro, war inzwischen kreidebleich geworden.

„Du willschd mir jedzd ned ernsthafd erzähla, des da hinda in der Kischde oi echde, lebendige Vogelschbinne sidzd. Was haschd du noh damid vor?“ (Du willst mir jetzt nicht wirklich erzählen, das da hinten in der Kiste eine echte, lebendige Vogelspinne sitzt. Was hast du denn damit vor?) So wie ihr Fahrer diese Tatsache gerade beschrieb, erschien ihr das Ganze schon etwas unglaubwürdig, aber sei es drum. So war es nun einmal, daran gab es nichts zu deuteln.

„Ich habe die für meinen Freund gekauft als Überraschungsgeschenk. Der mag Spinnen halt total gerne. Mein Fall ist das zwar auch nicht, aber immerhin besser als ein Tiger.“

Der Tiger-Spruch war als Scherz gedacht, zündete allerdings nicht.

Dem Schwaben stand jetzt der Schweiß auf der Stirn. Auch dessen Schnauzbart zitterte ein wenig. „Da isch abr scho a Deggl druff gell? Die kann ned irgendwie da raus krabbeln gell?“ (Ist aber schon ein Deckel drauf, oder? Die kann nicht raus krabbeln, oder?)

Ingeborg grinste in sich hinein. Der Typ im Anzug war schon putzig in seiner Panik.

„Natürlich ist da ein Deckel drauf. Ich bin nicht wahnsinnig. So billig war die Spinne jetzt auch nicht gerade, als dass ich da nicht ein wenig Obacht gebe.“

„Na wenigschdens des“ grummelte der Fahrer, beschleunigte das Luxusauto trotzdem noch ein Mal merklich.

Mit 210 Kmh flogen sie über die Autobahn und erreichten die Hansestadt Bremen schneller als erwartet.

Dobias hatte es unheimlich eilig, die Tramperin loszuwerden. Zum Glück hatte er auf der Rückseite des Hauptbahnhofes geparkt, der nur für Kurzzeitparker zugelassen war. So konnte er sich eine längere Abschiedszeremonie sparen.

Das mit der braunen Decke umwickelte Terrarium traute er sich nicht anzufassen. Er zog nur den Beifahrersitz etwas zurück, sodass Ingeborg die Kiste selbst vom Rücksitz bugsieren konnte.