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Es gibt für alles ein erstes Mal.
Manchmal zum Glück auch ein zweites.
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Schwimmen ist ihr Leben. Doch gerade, als es nicht besser laufen könnte für Lauren Jefferson, bedroht eine Verletzung ihre Karriere als Profisportlerin. Nur ein erfahrener Coach kann ihr jetzt noch helfen. Leider ist der Beste für diesen Job ausgerechnet ihr Ex-Freund Wade Warner, der alles andere als begeistert ist …
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Band 2 der Reihe.
Jeder Roman kann unabhängig vom Vorgänger gelesen werden und ist in sich abgeschlossen.
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Über die Reihe "Time for Passion"
Heute, gestern, morgen - Liebe hat ihren eigenen Zeitplan. Lies, wie die drei Freundinnen Chloe, Lauren und Ava die Hürden des Lebens meistern, alte Probleme lösen, sich verlieben und ihrem Herzen und ihrer Leidenschaft folgen!
Band 1 - All We Have Is Today (Chloe & Jason)
Band 2 - You Were Mine Yesterday (Lauren & Wade)
Band 3 - Forever Yours Tomorrow (Ava & Tyler)
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Veröffentlichungsjahr: 2023
INHALT
Impressum
Über das Buch
Prolog
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Epilog
Über die Reihe Time for Passion
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Über Philippa L. Andersson
Originalausgabe
September 2019
You Were Mine Yesterday
Philippa L. Andersson
Copyright: © Philippa L. Andersson, 2019, Berlin, Deutschland
Umschlagfotos: © depositphotos.com (clearviewstock & kaisorn4)
Umschlaggestaltung: Philippa L. Andersson
Lektorat: Mona Gabriel, Leipzig, Deutschland
Korrektorat: Laura Gosemann, Berlin, Deutschland
Philippa L. Andersson vertreten durch:
Sowade, Plantagenstraße 13, 13347 Berlin, Deutschland
www.philippalandersson.de
Alle Rechte vorbehalten. Insbesondere behalte ich mir die Nutzung meiner Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor. Ein Nachdruck oder eine andere Verwertung ist nachdrücklich nur mit schriftlicher Genehmigung der Autorin gestattet. Sämtliche Personen in diesem Text sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig.
Schwimmen ist ihr Leben. Doch gerade, als es nicht besser laufen könnte für Lauren Jefferson, bedroht eine Verletzung ihre Karriere als Profisportlerin. Nur ein erfahrener Coach kann ihr jetzt noch helfen. Leider ist der Beste für diesen Job ausgerechnet ihr Ex-Freund Wade Warner, der alles andere als begeistert ist …
Warum erfinden Menschen Raketen, um ins All zu fliegen, aber keine gottverdammten Zeitmaschinen? Ich würde sofort in eine einsteigen und drei Jahre meines Lebens zurückreisen, bis zu dem Tag, als Wade Warner und ich uns begegnet sind. Und dann würde ich dafür sorgen, dass wir kein Paar werden. Damit mir nicht das Herz gebrochen wird. Und damit ich ihm nicht das Herz breche.
Wade Warner …
Die Sehnsucht nach diesem Mann raubt mir den Atem. Jede Faser meines Körpers will erneut von ihm berührt werden. Nur ein Lächeln von ihm wäre schon gut. Besser als dieser kühle, undurchdringliche Blick, den er mir zugeworfen hat, als wir uns nach Jahren zufällig über den Weg gelaufen sind. Am Strand. Als Chloe mit Ava und mir auf ihre neuen Kunden angestoßen hat.
Aber jetzt ist der falsche Augenblick, um an den großen, breitschultrigen, muskulösen Kerl mit den grün blitzenden Augen, den sinnlichen Lippen und der tiefen Stimme zu denken, Lauren!
In meinem schwarz-roten Badeanzug, mit meiner Badekappe und meiner Schwimmbrille stehe ich am Rand des Schwimmbeckens. Die Luft riecht nach Chlor, doch ich nehme den Geruch kaum wahr, so vertraut ist er mir.
Vor mir erstreckt sich die Bahn.
Fünfzig Meter, für die du alles aufgegeben hast, meldet sich erneut diese kritische Stimme in meinem Kopf, die ich gerade nicht gebrauchen kann.
Fünfzig Meter, die ich rocken werde, verbessere ich mich.
Ich kneife die Augen zusammen und blende die negativen Gedanken aus. Beim Schwimmsport entscheidet die Technik über Sieg oder Niederlage. Und das richtige Mindset.
Seit fünf Jahren bin ich im Schwimmteam der Stanford-Uni und trainiere im Avery Aquatics Center. Ich gehöre zu den ältesten Sportlern, hatte ein paar kleinere Erfolge, war allerdings nie im Spitzenfeld. Dieses Jahr habe ich mir vorgenommen, es mir und allen anderen endlich zu beweisen. Ich will nicht nur zur US-Meisterschaft. Ich will auch zur WM. Und ich will eine Medaille.
Dafür habe ich härter gearbeitet als je zuvor. Nur das Wiedersehen mit Wade hat mich aus dem Konzept gebracht.
Aber das wird nicht noch mal passieren!
Bald geht es zu den Vorausscheidungen. Heute steht jedoch nur ein Testlauf mit einem Partnerverein aus Austin, Texas an.
Links und rechts von mir an den Startblöcken stellen sich meine Teamkolleginnen und die Schwimmerinnen des anderen Vereins mit ihren jeweiligen Trainern auf. Wie üblich herrscht Unruhe. Leute kommen und gehen. Es gibt mehrere Gruppen, die antreten. Die, die schon durch sind, sitzen auf Bänken, trinken was, sehen uns zu. Die, die als Nächstes dran sind, dehnen sich oder hören Musik, um sich abzulenken. Und obwohl es nur ein inoffizieller Wettkampf ist, sind auf der Tribüne Fans, die immer wieder die Namen ihrer Lieblinge rufen.
»Vorwärts, Tonja!«
»Huhu, Sandra!«
»Brittany!«
Ich mache die Übung, die mir meine beste Freundin Chloe beigebracht hat. Tiefe Atemzüge nehmen, die Vergangenheit und die Zukunft ausblenden, sich auf den Moment konzentrieren, gedanklich jeden Teil des Körpers wahrnehmen und darauf vertrauen, dass er die geforderte Leistung bringen wird.
Auf ein Zeichen des Trainers steige ich auf den Startblock. Ich justiere meine Schwimmbrille, zupfe an meiner Badekappe, horche in mich hinein und registriere das Ziehen in meinem linken Knöchel, das ich jedoch bewusst ignoriere.
Vor ein paar Tagen bin ich beim Gehen umgeknickt, aber die Stelle ist nicht dick. Die letzten Trainings konnte ich problemlos absolvieren. Es ist ein kleines Handicap, eines, das mich nicht aufhalten wird.
Wie schon Dutzende Male zuvor nehme ich meine Position ein und bekomme diesen Tunnelblick, den ich so mag. Plötzlich existiert nichts anderes mehr. Egal, was um mich herum geschieht, es gibt nur noch mich und das Wasser vor mir.
Das Startsignal ertönt, und mit aller Kraft stoße ich mich vom Startblock ab. Schmerz durchzuckt unangenehm meinen Knöchel, doch davon lasse ich mich nicht bremsen. Ich tauche ins Wasser ein und schnelle wellenförmig vorwärts. Zu gerne wüsste ich, wie die anderen gestartet sind, als ich auftauche und loskraule. Aber im Augenblick zählt nur meine Leistung.
Ich nehme den Beckenrand gegenüber ins Visier, bin da, tippe die Wand an, vollführe meine Wende und mache Zeit gut. Das Ziehen in meinem Knöchel wird stechender, doch ich ignoriere es weiter. Die letzten Tage ging alles gut, das wird es auch jetzt. Hauptsache, ich gewinne.
Ich schieße zum Punkt, von dem aus ich gestartet bin. Ich tippe die Wand an, wende, weiß, dass das die Hälfte ist, bin besorgt, dass mein Fuß mich eventuell bremst, und zwinge meinen Körper zu noch mehr Leistung.
Los, Lauren, du kannst das!
Bei der dritten Wende ist der Schmerz plötzlich so heftig, dass ich für einen Augenblick aus dem Takt komme. Verdammt!
Noch entschlossener bewege ich mich durchs Wasser. Nur wenige Züge, dann habe ich es geschafft. Ich gebe ein letztes Mal alles, berühre am Ziel den Beckenrand und halte mich völlig außer Atem fest.
Das Blut rauscht in meinen Ohren. Ich höre nicht, was mein Trainer mir zuruft, aber ich will meine Zeit wissen. Also drehe ich mich zur Anzeigetafel. Eine Minute, sechsundfünfzig Sekunden und dreiundsechzig Hundertstel!
Oh mein Gott! Das ist meine persönliche Bestzeit in der Disziplin! Triumphierend recke ich die Faust in die Luft. Damit gehöre ich zu den Favoriten für die nationalen Meisterschaften.
Neugierig lese ich, wie die anderen abgeschnitten haben. Und zur Freude gesellt sich Ernüchterung. Ich tauche unter und kühle mein vor Anstrengung glühendes Gesicht. Ich bin auf Platz drei. Nur! Eine weitere Gruppe folgt noch. Vielleicht behalte ich den Platz. Vielleicht auch nicht.
»Unglaublich, Lauren!«, lobt mich Trevor, mein Trainer. »Was war heute los mit dir? So konzentriert möchte ich dich immer sehen.«
»Hab wohl einen guten Tag«, sage ich breit grinsend, schwimme zum Ausstieg, um den Nächsten Platz zu machen, und jaule schmerzerfüllt auf, als ich meinen angeschlagenen Fuß auf die Sprosse setze.
Nein, nein, nein!
»Alles okay?«, fragt Trevor.
»Mein Fuß«, sage ich. »Mein rechter Fuß.«
»Warte, ich helf dir!«
Trevor war selbst mal Schwimmer und hat nach seiner aktiven Zeit als Trainer weitergemacht. Im Becken treibt er mich an, aber bei Verletzungen ist er immer vorsichtig. Ich steige mit meinem gesunden Fuß auf die Sprosse und stemme mich, so gut es geht, aus dem Wasser. Trevor hebt mich das letzte Stück raus und hilft mir zu den Bänken am Rand. Ich setze mich, und mir stockt der Atem. Anders als vorhin noch ist mein Fuß plötzlich angeschwollen.
»Beweg dich nicht!«, sagt Trevor. »Ich hol den Doc.« Einen der fest angestellten Sportmediziner, der uns beim Training unterstützt und – wenn es keine Verletzungen gibt – dafür sorgt, dass wir mit der richtigen Ernährung und Regenerationsübungen das Beste aus unseren Körpern rausholen.
Ich wage es nicht mal, mit den Zehen zu wackeln. Ich winkele mein gesundes Bein an, lege den Kopf an mein Knie und konzentriere mich auf die Atmung. Ich kann immer noch bei den nationalen Wettkämpfen gewinnen. Okay, das mit meinem Fuß ist wohl ernster als gedacht. Aber woher hätte ich das wissen sollen? Die Stelle war ja nicht mal dick.
»Wie ist das passiert?«, fragt Trevor, der mit Gordon Winters zurückkommt, während die Testläufe im Hintergrund fortgesetzt werden.
»Weiß ich nicht«, sage ich, um Ärger zu vermeiden. Die Trainer hassen es, wenn man trotz Verletzungen antritt.
»Gegen ›Weiß ich nicht‹ kann dich kein Arzt behandeln.«
»Ich bin umgeknickt. Es war nicht dick und tat kaum weh.« Er will sich aufregen, doch ich lasse ihn nicht zu Wort kommen. »Du weißt, dass mir nach dem Training öfter was wehtut.« Ein Zeichen dafür, dass ich alt werde. »Da informiere ich dich auch nicht über jeden blauen Fleck. Das hier, das war bis eben echt kein Ding. Sonst wäre ich gar nicht erst gestartet.« Ich grinse schief. »Außerdem war das meine Bestzeit. Die hätte ich wohl kaum geschafft, wenn ich nicht in Top-Verfassung wäre.«
»Stimmt. Schon gut, Lauren.«
Dankbar nehme ich den Bademantel, den mir Jane reicht, unsere jüngste Schwimmerin im Team. Und ich sehe ängstlich zum Doc und warte auf sein Urteil. »Und?«, frage ich.
Winters spritzt ein Betäubungsmittel, richtet die Stelle, um Schäden zu vermeiden, und ordnet ein Röntgen an. Was mir nicht gefällt, überhaupt nicht.
Bitte, lieber Körper, wir haben es so weit geschafft, lass mich jetzt nicht im Stich! Dieses Jahr sollte doch meine Saison werden. Mit Anfang zwanzig bin ich zum Durchstarten im Schwimmsport schon fast zu alt, kein Profiverein finanziert Schwimmer, die die Leistung nicht bringen. Dieser Sommer ist meine letzte Chance, es zu den Meisterschaften und ganz nach oben zu schaffen. Ich habe keinen Plan B. Ich weiß nicht, was aus mir wird, wenn ich nicht mehr schwimmen kann. Es gibt keine Alternative, es ist das hier oder gar nichts.
Auf meinen Trainer gestützt humpele ich zu den Umkleiden und ziehe mich um. Den Badeanzug abzulegen fühlt sich an, als würde ich einen Teil von mir verlieren. Mist!
Da Trevor von den Wettkämpfen nicht wegkann, begleitet mich Mary, unsere Teampsychologin, zusammen mit Winters zum Medical Center – in einem Rollstuhl, den der Doc besorgt hat, um kein Risiko einzugehen.
Während wir die Schwimmbecken, mein zweites Zuhause, hinter uns lassen, versuche ich, mich zu beruhigen. Alles ist noch offen. Doch meine Gedanken entwickeln ein Eigenleben. Das hier, das könnte das Ende meiner Reise sein. Chloe hat ihren Platz im Leben gefunden. Sie hat ihr Yoga, und sie hat Jason. Und Ava ist als Leichtathletin so erfolgreich, dass sich die Medien um sie reißen. Aber ich habe nichts. Nur meine besten Jahre hinter mir und die Option, im Laden meiner Eltern in Miramar in der Buchhaltung oder im Einkauf zu arbeiten, was ich nie wollte. Doch jemand mit einer durchschnittlichen Sportkarriere und einem durchschnittlichen Collegeabschluss hat nicht so viele andere Möglichkeiten. Ich bin ganz gut, aber kein Überflieger.
Die Aussicht ist niederschmetternd, und Tränen schießen mir in die Augen. Ich lebe für den Schwimmsport. Aber es scheint wohl meine Bestimmung zu sein, permanent alles zu verlieren, was ich liebe.
Ich wünschte, Wade wäre an meiner Seite. Der alte Wade natürlich, der, den ich vor drei Jahren kannte. Der neue würde ganz sicher nur selbstgefällig grinsen und irgendeinen Spruch über Karma bringen. So wie ich ihm sein Leben ruiniert habe, ruiniert das Schicksal mir jetzt meines.
»Mach dir keine Sorgen, der Knöchel ist bestimmt nur verstaucht«, versucht Mary, mich aufzumuntern.
»Wir werden sehen«, brumme ich.
Als wir das Medical Center erreichen, schlägt mir das Herz bis zum Hals. Winters ordnet die Aufnahmen an, was schnell geht, und als er zur Besprechung ruft, ahne ich, dass er keine guten Nachrichten für mich hat. Diese kleine Falte auf seiner Stirn war vorhin nämlich nicht so tief.
Mit einem Räuspern klickt er auf seinem Computer Bilder an, dreht den Bildschirm zu mir und zeigt auf die betroffene Stelle. »Das Sprunggelenk ist gebrochen«, erklärt er. »Das muss gegipst werden.«
»Das kann nicht sein«, sage ich. »Ich konnte heute früh noch ganz normal laufen.«
Er sieht mich bedauernd an. »Ich vermute, der Knochen war bereits lädiert. Durch die Belastung beim Wettkampf hat sich der Bruch manifestiert.«
»Aber das war beim Schwimmen!«, wende ich ein. Das ist eine der sanftesten Sportarten der Welt.
»Es tut mir leid«, sagt er und erläutert mir die nächsten Schritte. Seine Worte dringen dabei wie gedämpft zu mir, so als hätte ich Wasser im Ohr.
Nur eine Sache beschäftigt mich: »Wie lange muss ich aussetzen?«
»Das hängt vom Fortschritt der Genesung ab. Nach vier bis sechs Wochen ist der Bruch verheilt. Endgültig fit sind Sie nach drei Monaten. Im schlimmsten Fall sechs.«
»Monate?!«, keuche ich. In vier Monaten ist die Qualifizierung.
»Es tut mir leid. Wenn Sie sofort gekommen wären, hätten wir die Stelle stabilisieren können. Jetzt ist es zu spät.«
»Aber ich kann noch trainieren?«, frage ich nach. »Kann ich ins Fitnesscenter? Krafttraining, Ausdauer … Das müsste alles gehen, wenn ich den Fuß nicht belaste, richtig?«
Erneut vertieft sich die Falte auf der Stirn des Arztes unheilvoll.
»Auch nicht?«, krächze ich.
»Die nächsten zwei Wochen auf keinen Fall«, sagt er bedauernd. »Und das sollten Sie ernst nehmen, um den Heilungsprozess nicht zu verzögern. Sobald die Schwellung abgeklungen ist, erlaube ich Ihnen moderates Krafttraining. Und wenn der Gips abkommt und Sie einen flexiblen Stützverband erhalten, dürfen Sie Kardioübungen machen. Allerdings auch nur die, die den Fuß wenig bis gar nicht belasten.«
»Und wann wäre das?«, frage ich angespannt.
»Nach vier bis sechs Wochen.«
Mir wird schlecht. Ich hatte noch nie eine Verletzung, durch die ich so lange aussetzen musste. Von dem einen Mal vor drei Jahren abgesehen …
»Keine Sorge«, tröstet mich Mary. »Dann bist du nächstes Jahr dabei.«
Nächstes Jahr?, denke ich frustriert. Nein. Entweder jetzt oder nie.
Ich werde alles tun, um die Heilung zu unterstützen. Und sobald ich trainieren kann, werde ich so hart arbeiten wie nie zuvor. Denn wenn ich nicht gewinne, wofür war dann alles, worauf ich in der Vergangenheit verzichtet habe? Und wofür waren die Opfer, die ich bringen musste?
Trauer droht mich zu überwältigen. Trauer, die ich so gut weggesperrt hatte. Zum Glück gelingt es mir wieder einmal, sie zurückzudrängen.
Du schaffst das, Lauren.
Ich neige nicht dazu, an der Vergangenheit zu hängen. Es bringt nichts, sich darüber zu ärgern, was alles hätte passieren können, wenn man sich in der einen Sekunde anders entschieden hätte.
Obwohl es nicht immer einfach war, habe ich das Beste aus meinem Leben gemacht und bin nun ein gefragter Personal Trainer für Schauspieler, Musiker und Unternehmer. Ich bin glücklich. Verdammt, ich habe jeden Grund, glücklich zu sein. Nur dass mir die zufällige Begegnung mit Lauren nach all den Jahren gezeigt hat, dass es in mir nach wie vor brodelt. Denn einerseits vermisse ich, was wir hatten. Andererseits würde ich dieser Frau zu gerne ihr Leben ruinieren.
Lauren Jefferson, der größte und zugleich beste Fehler meines Lebens!
Ich schüttele den Kopf, um sie aus meinen Gedanken zu vertreiben. Sie und ihr breites Lachen. Sie und diese Haut, über die das Wasser rinnt. Sie und –
Stopp, Warner!
Zum letzten Mal fahre ich zur Villa von Emmett Bush in Laguna Beach, einem angesagten Serienstar, der mich engagiert hat, um ihn für eine Actionrolle fit zu machen, bevor es für mich wieder nach Hause, nach San Francisco, geht. Was gar nicht so leicht war, denn für seine vorherige Rolle hatte sich der Kerl ein Jahr lang von Fertigpizza ernährt. Aber jetzt haben wir es geschafft.
»Da kommt ja mein Drillsergeant«, scherzt Emmett und begrüßt mich wie immer mit einem kumpelhaften Handschlag.
»Du weißt, dass ich dich für diesen Spitznamen drei Extrarunden auf Tempo laufen lasse?« Ein letztes Mal, auf die guten alten Trainingszeiten. Denn ich fordere meine Kunden gerne heraus, gehe aber nie über Leichen. Wer mich engagiert, soll mit mir arbeiten, nicht gegen mich.
Er grinst schief. »Jawohl, Drillsergeant.«
»Vier Extrarunden«, erhöhe ich mit knallharter Miene.
»Kann es gar nicht erwarten, dich in bester Erinnerung zu behalten«, sagt er und läuft auf der Stelle.
Ich muss lachen. Als wir vor sechs Monaten mit dem Training begonnen haben, war Emmett ein aufgedunsener Typ, der nach einem Kilometer kotzend zusammengebrochen ist. In seiner Serie hat er den trotteligen Couch-Potato gespielt. Da war es egal, ob er fit war oder nicht. Für die neue Rolle wollte er eine Wende hinlegen. Beziehungsweise sein Management wollte das, denn ihm selbst war eigentlich gar nicht nach dieser Veränderung. Es gab jede Menge Streit, weil er seinen Frust darüber an mir ausgelassen hat, und noch mal einen Gehaltsbonus für mich, wenn ich bleibe und den Auftrag durchführe. Und heute sehe ich jemanden, der mir in bestimmten Disziplinen locker das Wasser reichen kann. Denn während ich in der Ausdauer besser bin, hat er bei den Muskeln enorm zugelegt.
Ich durchquere seine Villa, stelle meine Tasche ab und gehe nach draußen zum Parcours, den er auf seinem Grundstück extra für das Training hat aufstellen lassen. Es gibt Reifen, Baumstämme, eine Wand und ein paar Hürden, wie man sie vom Militär kennt. Die Strecke misst vierhundert Meter, und nachdem er mir kurz erzählt hat, dass er jetzt endlich einen Termin für die Dreharbeiten hat, gebe ich das Startsignal und stoppe die Zeit für unsere letzte Einheit.
Emmett jagt los, und ich analysiere jede seiner Bewegungen. Das ist eines meiner großen Talente. Beim Sport kommt es nicht nur auf den Willen an, sondern auch auf die richtige Körperhaltung, um Schäden zu vermeiden – und um das Maximum rauszuholen. Mister Effective nennt er mich deshalb, ein Spitzname, den ich lieber mag als ›Drillsergeant‹ und der es dank ihm in die Klatschblätter Hollywoods geschafft und mir eine Flut neuer Anfragen eingebracht hat. Dabei schätze ich es, unter dem Radar zu fliegen. Ich habe keine Website und keine Social-Media-Kanäle. Mein gesamtes Business beruht auf Weiterempfehlungen.
»Hopp, hopp, hopp, soll dich so ein Hollywood-Opa einholen?«, mache ich Emmett Beine und grinse. Ich bin nicht mit Absicht fies, aber ich weiß, was meine Kunden anspornt, und Emmett schimpft ständig über die alten Hollywood-Legenden, die einem die besten Rollen wegschnappen und ihre faltigen Ärsche immer noch über die Leinwand bewegen, statt Newcomern Platz zu machen. Er versteht, dass sie das Schauspielern lieben, findet allerdings, dass sie zum Theater wechseln könnten. Wie zu erwarten, legt Emmett noch mal zu. »Los, zieh durch!«, wechsele ich jetzt zum motivierenden Anfeuern. »Komm, komm, komm!«
Emmett rauscht an mir vorbei für Runde eins und geht sofort in die nächste über, ohne an Geschwindigkeit einzubüßen. Nach vierzehn Runden – den regulären zehn und den vier, die er sich mit Absicht aufgehalst hat – kommt er schwer atmend und schweißüberströmt neben mir zum Stehen.
»Gut gemacht«, sage ich, klopfe ihm auf den Rücken und reiche ihm seine Wasserflasche. »Du bist echt bereit für die neue Rolle.«
Er nickt, trinkt und nickt noch mal. »Sicher, dass du nicht ans Set mitkommen und mich dort weitertrainieren willst?«, fragt er. »Ich könnte dich gut gebrauchen.«
»Keine Chance«, antworte ich. »Am Set hast du deine Stuntberater. Die verstehen von den speziellen Sachen, die du machen musst, mehr als ich. Ich war für deine Muckis und deine Kondition verantwortlich. Mein Job ist getan.«
»Hast du schon einen neuen Kunden?«, fragt er, als wir nach drinnen gehen.
»Auf jeden Fall viele Anfragen«, sage ich, weil ich diverse Angebote auf dem Tisch habe, mich aber bisher nicht entscheiden konnte.
»Brian de Burgh hätte Interesse«, sagt er.
»War das nicht dein Partner in der Serie?«
Emmett nickt.
»Wechselt er wie du zum Actionfilm?«, frage ich, erst mal mäßig interessiert, weil mich bei meinen Kunden nicht nur der Sport reizt, sondern auch die persönlichen Umstände.
»Nein, Brian sucht jemanden für seine Tochter.«
Ich grinse. Kaila de Burgh, eine schlaksige Blondine, fünfzehn, die Model werden will. »Sag bloß, sie braucht mich, damit sie für ihr Debüt in der Modelwelt nicht zu verhungert aussieht?« Denn das Mädchen ernährt sich ausschließlich von Smoothies.
Emmett lacht, weil er weiß, was ich meine. »Soll ich ihm absagen?«
»Das mach ich selbst«, sage ich. »Kein Ding.«
»Und dann hast du erst mal niemanden? Wird dir nicht langweilig, wenn du keinen durch die Gegend jagen kannst?«
»Ist auch mal schön, nicht immer der Spielverderber zu sein«, wiegele ich ab, dabei wundere ich mich selbst, warum es mir so schwerfällt, mich für den nächsten Kunden zu entscheiden. »Außerdem brauch ich mal eine Pause.« Das wird es sein.
»Ihretwegen?«
»Wen meinst du?«, frage ich und runzele die Stirn. Es gibt keine Frau in meinem Leben. Zumindest nicht aktuell. Ich hatte kurze Beziehungen mit anderen Trainerinnen, aber irgendetwas hat mir immer gefehlt.
»Verarsch mich nicht, Wade«, sagt er und wackelt mit den Augenbrauen. »In letzter Zeit bist du merkwürdig drauf, und auch wenn meine Lebenserfahrung beschränkt ist, dahinter steckt in der Regel eine Frau.«
In letzter Zeit?
Sofort denke ich an Lauren, die ich durch Zufall wiedergetroffen habe.
Die Frau mit dem schönsten Lachen, das man sich nur vorstellen kann.
Die ich besser nicht wiedergesehen hätte.
Nimmt mich die Begegnung echt so mit?
Ich reibe mir übers Gesicht, während all der Scheiß von damals wieder hochkommt. Wie eine schwer verdauliche Mahlzeit. »Ja, ihretwegen«, sage ich nur.
»Oh, hat dem großen starken Typen ein kleines süßes Mädchen das Herz gebrochen?«, witzelt Emmett, haut mir auf den Rücken und geht duschen, bevor wir unser Abschlussgespräch führen.
Sein Glück, denn ich lache nicht und würde ihn zu gerne für den Scheiß noch mal zehn Runden drehen lassen, bis er zusammenbricht. Denn Lauren hat mir nicht das Herz gebrochen. Sie hat es zerschmettert, in einer Bestzeit von drei Sekunden.
In den letzten Jahren habe ich den Vorfall verdrängt. Es bringt nichts, sich damit zu beschäftigen. Was geschehen ist, ist geschehen. Es lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Der Plan war, ihr nie wieder zu begegnen. Es war ein guter Plan. Sie bleibt bei ihren Schwimmbecken, ich meide sie. Aber dann taucht sie plötzlich wieder auf, weil sie eine enge Freundin von Jasons neuer Freundin ist, dem Kerl, mit dem ich in San Francisco surfe.
Das Leben ist manchmal echt ein Arschloch.
Nein, ich werde keinen neuen Kunden annehmen. Ich brauche Zeit, um zu entscheiden, wie ich damit umgehen soll. Lauren Jefferson hat schon einmal mein Leben ruiniert. Ein zweites Mal wird ihr das nicht gelingen.
Fünf Wochen später
»Sie dürfen wieder trainieren, Ms Jefferson.«
»Ehrlich?« Ich kann kaum glauben, was der Teamarzt sagt.
»Ehrlich«, bestätigt er. »Krafttraining für den Oberkörper ist in Ordnung. Eine Stunde Ausdauer pro Tag geht auch. Zum Beispiel mit Battle Ropes. Nur ins Becken lass ich Sie noch nicht.«
»Das macht nichts«, sage ich sofort.
Fünf Wochen sind seit dem Unfall vergangen. Fünf ellenlange Wochen, in denen ich von Tag zu Tag zickiger geworden bin und kurz davorgestanden habe, mich über Winters Ansage hinwegzusetzen und Sport zu treiben, weil ich nicht länger stillsitzen konnte. Ja, die erste Woche auf dem Sofa war erträglich, fast wie Urlaub – zumindest habe ich es mir so schöngeredet, weil ich selbst im Urlaub aktiv bin. In der zweiten bin ich zu einem Netflix-Junkie mutiert – wenn man schon selbst keine Action hat, helfen einem Actionfilme. So weit mein kleiner Selbstbetrug. Ab der dritten Woche hat allerdings nichts mehr funktioniert. Meine Laune ist zwischen gereizt und depressiv hin- und hergependelt. Und Chloe auf Wolke sieben und Ava auf ihrer Erfolgswelle schwimmen zu sehen, hat mir zusätzlich einen Dämpfer verpasst. Ich gönne es beiden von Herzen. Dennoch hab ich mich abgehängt gefühlt. Verdammt zu einem Dasein auf dem Sofa, während das Leben an mir vorbeirauscht. Doch jetzt ist wieder alles drin. Ich kann es schaffen. Das weiß ich.
Winters nimmt mir den Gips ab und gibt mir einen mobilen Stützverband. Er erklärt mir, wie ich ihn anlegen muss, und ermahnt mich mehrmals, es jetzt nicht mit dem Sport zu übertreiben. Das wird mir schwerfallen. Aber ich werde mich daran halten. Denn ich will an den Vorausscheidungen für die regionalen Meisterschaften teilnehmen. Und ich will antreten, um bei den landesweiten Wettkämpfen zu gewinnen. Und wenn ich fünf Wochen stillsitzen konnte, dann ertrage ich auch ein moderates Training.
Mit der guten Nachricht laufe ich vom Medical Center rüber zu den Schwimmbecken, atme tief den Chlorgeruch ein, so wie andere die Meeresbrise inhalieren, und winke aufgeregt meinem Trainer zu, um ihm Bescheid zu geben.
Trevor nickt mir zu, zum Zeichen, dass er mich gesehen hat, aber setzt die Besprechung mit dem Team fort. Ungeduldig warte ich am Rand, weil ich mit meinen Krücken nicht zu nah ran will. Die Gefahr, auszurutschen, ist zu groß. Neidisch sehe ich dabei zum Becken, in dem das Männerteam sich bereits warmschwimmt.
Gott, wie lange ist das her, dass ich im Wasser war! Ich vermisse das Gefühl, getragen zu werden. Ich vermisse den leichten Widerstand, wenn man sich vorwärtsbewegt. Ich vermisse alles. Und es reicht nicht, sich zu Hause zu duschen oder – mit einem Bein außerhalb der Wanne – zu baden. Das ist so, als wollte man im Sommer ein Eis essen und bekäme einen Eiswürfel. Ja, beides kühlt, aber das Erlebnis ist fad.
»Ich darf wieder trainieren«, sage ich Trevor, sobald er endlich zu mir kommt, und erzähle, was ich machen darf und was nicht. Kurz wundere ich mich, dass er sich als Trainer keine Notizen macht. Aber Trevor wird schon wissen, was er tut.
»Also, bin ich dann ab morgen wieder dabei?«, frage ich aufgekratzt.
»Tut mir leid, nein.«
»Nein?«, krächze ich verdattert.
»Nein, Lauren«, wiederholt er bedauernd. »Dir fehlen die Trainingsstunden der anderen. Und ich hab nicht die Zeit, mit dir aufzuholen, was du verpasst hast. Tut mir leid, du musst diese Saison aussetzen.«
Was?! Ich bin fest davon ausgegangen, wieder einzusteigen, und hab mich extra wochenlang geschont. Das hätte ich sonst nie getan.
»Was ist mit Mitch?«, frage ich. Das ist unser Zweittrainer, und er hat noch Kapazitäten.
Trevor schüttelt den Kopf. »Mitch ist mit den Nachwuchsschwimmern beschäftigt. Es tut mir leid, Lauren. Wir können für einen einzelnen Sportler nicht so einen Aufwand betreiben. Noch dazu, wenn er nicht zu den Topschwimmern gehört.«
Autsch! »Und wenn ich alleine trainiere?« Keine Ahnung, wie ich das anstellen soll, aber ich kenne die Übungen und bin nicht bereit aufzugeben. Nicht wenn es noch eine Chance gibt.
»Wenn Winters bescheinigt, dass der Bruch verheilt ist, kannst du bei der Vorauswahl natürlich mitschwimmen. Auf einen mehr oder weniger kommt es dabei nicht an. Das weißt du. Aber beim Sondertraining kann ich dir nicht helfen. Wir müssen uns auf die Leute konzentrieren, die Erfolg versprechen. Du kennst die Vorgaben.«
Leider!
Wie erschlagen sehe ich Trevor hinterher, als er wieder zu den anderen geht, die mir kurz zunicken, aber nicht zu mir kommen, weil sie für die nächste Trainingsrunde antreten. Erst will ich bleiben. Aber dem Team zuzuschauen, wie es tut, was ich tun will und nicht kann, würde mich noch mehr herunterziehen.
Ich gehe zu meinem Wagen zurück und rufe Chloe an, die in den letzten Wochen immer wieder versucht hat, mich aufzumuntern. Ich muss jetzt einfach eine freundliche Stimme hören.
»Wie ist es gelaufen?«, fragt sie sofort und meint die Untersuchung im Medical Center.
»Ich darf wieder trainieren«, sage ich.
»Wahnsinn, Lauren! Das freut mich so für dich. Dann kann Olympia ja kommen!«
Ihre begeisterten Worte erreichen nicht mein Herz. Sie meint es gut, aber sie hat keine Ahnung, wie weit ich von meinem Ziel entfernt bin. Ich könnte genauso gut eine Ameise sein und davon träumen, zum Mond zu fliegen. Und als mir das klar wird, entschlüpft mir ein leiser Schluchzer.
»Mist, was ist denn? Hab ich was Falsches gesagt?«, fragt sie.
Ich ringe mit mir, was ich ihr erzähle. Ich bin keine dieser Frauen, die bei jeder Kleinigkeit herumheulen. Chloe hat es viel schwerer gehabt. Sie hat ihre erste große Liebe verloren, und es hat lange gedauert, bis sie bereit für die nächste war. Sie hatte einen triftigen Grund zu heulen. Aber ich?
»Alles gut«, lüge ich und wische mir mit dem Handrücken die Augen trocken.
»Unsinn, nichts ist gut! Was ist denn los?«
»Trevor kann mich nicht trainieren«, erkläre ich.
»Aber du darfst antreten?«
»Ja«, sage ich. Einer muss ja Letzter werden!
»Wo liegt dann das Problem?«
Versteht sie es wirklich nicht? »Ohne Trainer schaffe ich es nicht, fit genug für die Vorausscheidungen zu sein.« Ich schlucke. »Dann kann ich sofort aufhören.«
»Gibt es nicht Trillionen Trainer, die du nehmen könntest?«, fragt sie scherzhaft, um mich aufzumuntern.
»Ja, wenn ich Trillionen auf dem Konto hätte«, gebe ich zerknirscht zurück. »Könntest du mich eventuell …?«, deute ich an. Schließlich ist sie Yogalehrerin und kennt Kniffe, um Invalide wie mich auf Touren zu bringen.
»Nein«, sagt sie sofort. »Süße, du weißt, ich würde das jederzeit für dich machen. Aber ich habe absolut keine Ahnung von deinem Sport und würde dir vermutlich eher schaden als helfen. Mit mir wirst du gelenkig, ausgeglichen und glücklich. Und vielleicht ganz gut.«
»Das ist doch was«, sage ich hoffnungsvoll.
»Aber mit mir wirst du nicht gewinnen«, sagt sie, was ich im Grunde selbst weiß. »Du brauchst jemand Besseren.«
»Wenn Ava einen Trainer sucht: Wade ist gerade frei«, höre ich Jason im Hintergrund.
»Und der trainiert Sportler?«, fragt Chloe ihn.
»Der trainiert jeden. Keine Ahnung, wie er das anstellt, aber er ist ein richtiger Sportfreak, und Leichtathletik hat er auf jeden Fall schon gemacht.«
»Ich red nicht mit Ava, sondern Lauren«, erklärt Chloe.
»Oh«, macht er nur, als würde er seinen Vorschlag nun bereuen, weil alle wissen, dass zwischen Wade und mir irgendetwas vorgefallen sein muss. »Tja, also … Er wäre frei …«
Chloe seufzt. »Danke dir, dass du helfen wolltest. Bist du noch dran, Lauren?«, fragt sie.
»Ja«, krächze ich.
»Sorry, Wade geht dann wohl auch nicht. Leichtathletik ist nicht Schwimmen.«
»Aber das kann er«, rutscht mir raus.
Eine Pause entsteht, und ich spüre förmlich Chloes Berg von Fragen. Zum Glück stellt sie keine einzige. »Vielleicht solltest du Wade einfach ansprechen?«, sagt sie stattdessen.
Mein Herz rast, und meine Handflächen schwitzen. Klassische Angstreaktion. »Ich halte das für keine gute Idee.«
»Willst du darüber sprechen, was passiert ist?«
»Nein«, sage ich. Ich will nicht darüber sprechen, wie ich den größten Fehler meines Lebens begangen habe. Und wie ich seitdem versuche, mich auf das Einzige zu konzentrieren, was ich wirklich kann: Schwimmen. Damals konnte ich es nicht, weil die Beziehung genau in die Zeit fiel, als Chloe ihre erste große Liebe verloren hat. Dagegen verblassten alle anderen Probleme. Heute möchte ich einfach nur, dass Gras über die Sache wächst. Viel Gras.
»Denk darüber nach«, sagt sie nur. »Soweit ich von Jason weiß, ist Wade unglaublich erfolgreich. Sein letzter Kunde war Emmett Bush!«
»Der Serienstar?«, wiederhole ich verblüfft.
»Der Serienstar«, bestätigt Chloe. »Der jetzt Actionheld wird und megafit ist. Das ist der Wahnsinn. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass sich dieser Couch-Potato innerhalb kürzester Zeit so wandeln kann. Wenn Wade das hinbekommen hat, dann ist er auch für dich der Richtige. Du brauchst schließlich keinen normalen Coach, sondern ein Genie.«
»Gut, ich denke darüber nach«, sage ich. »Danke dir.«
Ich lege auf, und meine Gefühle drehen durch. Ich hasse Wade dafür, dass er so erfolgreich ist. Ich bin neidisch, dass er offensichtlich weitergekommen ist, während ich auf der Stelle trete. Gleichzeitig bin ich erleichtert. Weil ich lange befürchtet habe, ich hätte sein Leben ruiniert. So heftig, wie man das Leben eines anderen nicht ruinieren dürfte.
Und ich vermisse ihn jede einzelne Sekunde seit damals …
Ich fühle mich, als würde eine Hälfte von mir fehlen. Nur die kurze Zeit, die er in meinem Leben war, habe ich mich ganz gefühlt. Verdammt! Menschen sollten so etwas nicht in einem auslösen können. Aber Wade Warner konnte es. Mit einem Lächeln, einem Blick oder einer Berührung.
Doch das ist nicht alles. Ich vermisse genauso das Gefühl von seinem Körper an meinem. Seine Küsse. Das Kribbeln, das er in mir ausgelöst hat. Diese Aufregung, die alles andere um mich herum hat verblassen lassen.
Seit er wieder aufgetaucht ist, kommen all die Gedanken von damals wieder hoch. Und ich kann nicht glauben, dass ausgerechnet derjenige, den ich weggestoßen habe, damit ich schwimmen kann, nun meine einzige Option sein soll, um weiter zu schwimmen. Das muss ein grausamer Scherz des Universums sein!
Ich gehe meine Alternativen durch, doch es gibt keine. Trevor oder Mitch werden mich nicht trainieren. Ich habe nicht genug Geld für einen privaten Trainer. Chloe hat recht. Wade Warner ist meine beste Option.
Tief durchatmend nehme ich mein Handy und scrolle durch meine Kontaktliste, bis ich bei seinem Namen ankomme. Mein Kopf will die Ereignisse von damals aufrufen, aber wenn ich das jetzt alles durchkaue, kann ich den Anruf nicht machen. Also tippe ich auf seine Nummer, höre es tuten und bin nicht überrascht, als nach einer Weile die Mailbox anspringt.
»Ich bin’s«, melde ich mich, weil ich mir sicher bin, dass Wade meine Stimme erkennt, und sage dann die alles verändernden Worte zu dem Mann, der sie als Letztes auf Erden hören will: »Ich brauche deine Hilfe.«
Jason hält mich für verrückt. Er hat mir sein Strandhaus in Malibu angeboten, wenn ich ausspannen will. Aber das kann ich an keinem Ort mit Wasser, weil mich Wasser an Lauren erinnert. Stattdessen bin ich nach meinem letzten Auftrag in meine klapprige Hütte in die Berge der Sierra Nevada gefahren und verbringe meine Tage damit, alles in Schuss zu bringen, zu wandern und den Kopf freizubekommen.
Berge sind hundertmal besser als das Meer. Hier kann ich in Ruhe überlegen, wie es weitergehen soll. Ob ich einem weiteren Schauspieler Bauchmuskeln antrainiere oder mal ausprobiere, Problemkids zu coachen. Oder doch wieder zum Boxen wechsele, etwas, das ich nach der Trennung von Lauren und dem Ende meiner Schwimmkarriere sehr lange gemacht habe, um all die aufgestaute Wut auf diese Frau loszuwerden.
Ein Zittern durchfährt mich, denn die Wut ist noch nicht ganz verraucht. Vielleicht wird sie das nie sein.
Ich trete vor die Tür, atme die eiskalte Luft ein und bin dankbar, dass es hier so anders ist als in San Francisco. Alles ein bisschen härter, robuster, ursprünglicher. Niemand, der dir was vormacht. Hier sind die Dinge so, wie sie sind.
Ich trete zu dem Baumstumpf, ziehe die Axt heraus, hole aus, und mit einem Krachen zersplittert das Holzscheit in zwei Teile. Brennholz für die Nacht. Die Arbeit ist schweißtreibend, aber macht mir Spaß, und ich finde einen angenehmen Rhythmus zwischen Schlagen und Atmen, der meine Gedanken beruhigt.
Bis mein Handy klingelt und die Ruhe stört.
Ich hätte gerne auch auf diese moderne Annehmlichkeit verzichtet, doch das wäre leichtsinnig. Schließlich weiß man nie, ob was passiert und man Hilfe holen muss. Die Alternative wäre gewesen, mir ein Funkgerät zu besorgen. Aber dann hätte ich erst mal rauskriegen müssen, wie so was funktioniert. Warum sich die Mühe machen, wenn es auch einfacher geht?
Ich haue die Axt in den Baumstumpf, ziehe mein Handy aus der Hosentasche und will schon routiniert rangehen, als ich sehe, dass es Lauren ist. Ich habe ihren Kontakt zwar entfernt, aber die Nummer würde ich immer erkennen.
Fuck!
Ich starre auf das Handy und lasse es klingeln. Kann sie bitte aufgeben? Aber das tut sie nicht. Im Gegenteil. Wenig später zeigt mir das Handy an, dass sie eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen hat. Wundervoll!
Ich ringe mit mir. Damals dachte ich, das zwischen uns wäre was Besonderes. Wir waren perfekt zusammen. Und ich kann bis heute nicht begreifen, wie etwas, das sich perfekt angefühlt hat, so dermaßen schieflaufen konnte. Vor allem für mich. Denn sie blieb die Hoffnung ihrer Schwimmmannschaft, während ich aus dem Team geflogen bin.
Ohne die Nachricht abzuhören, stecke ich das Handy wieder weg, nehme die Axt und dresche wie ein Verrückter auf die nächsten Holzscheite ein. In mir kocht es, genau wie damals. Dabei dachte ich, ich hätte diesen Scheiß überwunden.
Diese Frau!
Dieses Miststück!
Diese Blenderin!
Unwillkürlich denke ich daran, wie es war, sie nach all der Zeit wiederzusehen.